15. September 2014

Zur Ausrede der Züchter,
Gruppenhaltung sei nicht möglich
und
was bei der Vergesellschaftung von Kaninchen zu beachten ist

(S) Immer wieder behaupten Kaninchenzüchter, dass eine Gruppenhaltung von Kaninchen nicht möglich sei. Gerade kürzlich hat Sepp Eicher, Präsident des Kaninchenzüchterverbandes Russenkaninchen Schweiz in einem Interview behauptet, "er kenne mehrere Fälle, wo es wiederholt versucht worden sei, Kaninchen zusammen zu halten mit dem Resultat, dass die Kaninchen danach abgebissene Hoden oder Ohren gehabt hätten oder sogar „kaputt“ gingen, weil sie in Höhlen gejüngelt hätten."

Es sind immer die gleichen faulen Ausreden und Einwände, die diese egoistischen und bequemen Kaninchenzüchter vorbringen und sich dadurch auch noch als fürsorgliche Tierhalter darstellen, die nicht möchten, dass ihren Schützlingen etwas zustösst.
In Wahrheit zeigen solche Aussagen jedoch nur, wie wenig sie sich mit Kaninchen auskennen und dass sie sich nie die Mühe gemacht haben, sich zugunsten ihrer Tiere gründlich zu informieren.

Unsere Hauskaninchen stammen vom europäischen Wildkaninchen ab und haben deren angeborenen Bedürfnisse und Verhaltensweisen noch weitgehend erhalten. Wildkaninchen leben in grossen Gruppen/Familienverbänden in unterirdischen Bauten. Rund um diese Bauten verteidigen sie gemeinsam ihr Revier. Kaninchen zeigen Artgenossen gegenüber ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten, wobei es innerhalb einer Gruppe eine klare Ordnung von ranghöheren und rangtieferen Tieren gibt. Innerhalb dieser Gruppen bilden Kaninchen feste Paargemeinschaften. Die Tatsache, dass Kaninchen in freier Wildbahn niemals allein leben und feste Partnerschaften eingehen, sollte jedem Tierfreund und Kaninchenhalter deutlich machen, dass Kaninchen in Einzelhaltung nicht glücklich sein können!

Es trifft zu, dass die Vergesellschaftung von Kaninchen nicht immer ganz einfach ist. Kaninchen, die ihr Leben lang isoliert in Kästen gehalten wurden, haben oft massive psychische Störungen, was eine Vergesellschaftung zusätzlich erschweren kann. Trotzdem ist es auch in solchen Fällen möglich, die Tiere artgerecht zu zweit oder in Gruppen zu halten, wenn man sich die Mühe macht, sich gründlich zu informieren und einige Punkte beachtet:

Die richtige Partnerwahl:
Bei der Partnerwahl sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Tiere sich gut ergänzen. Zwei sehr dominante Kaninchen werden sich nicht verstehen und auch zwei sehr unterwürfige Tiere können ein Problem miteinander haben, weil sie mitunter sehr nervös sind, wenn ein Leittier fehlt. Es ist deshalb sehr wichtig bei der Zusammenstellung einer Kaninchengruppe darauf zu achten, Tiere zu wählen, die vom Charakter her gut zueinander passen.

Die ideale Kombination wäre je ein kastrierter Rammler (Männchen) mit einem Weibchen. Diese Kombination entspricht am ehesten der natürlichen Lebensweise der Kaninchen. Paare gehen liebevoll miteinander um und werden häufiger beim Kuscheln und bei gegenseitiger Fellpflege beobachtet als gleichgeschlechtliche Kaninchen. Ausgewachsene Weibchen können recht dominant sein, deshalb sollte der Rammler idealerweise älter oder gleich alt sein. Jüngere und dadurch noch unerfahrene oder schüchterne Rammler könnten von Weibchen, die sehr darauf aus sind, ihr Revier zu verteidigen, heftig angegriffen werden!

Eine reine Weibchengruppe funktioniert in den meisten Fällen nicht. Da Weibchen im Zuge der Geschlechtsreife dominanter und zickiger werden als Rammler, kann das in einer Weibchengruppe zu massiven Rangproblemen führen.

Möchte man eine Grossgruppe halten, sind mehrere Rammler mit mehreren Weibchen eine gute Möglichkeit. Am besten funktioniert eine Grossgruppe, bei der es die gleiche Menge Tiere jeden Geschlechtes gibt oder bei der die Anzahl der kastrierten Rammlern überwiegt.

Ort der Vergesellschaftung: Es ist nicht ratsam, zwei oder mehrere Kaninchen einfach in ein bereits bewohntes Gehege oder Käfig zu setzen. Kaninchen sind sehr revierbezogen und vor allem Weibchen verteidigen ihr Terrain massiv. Von einer Vergesellschaftung im Gehege eines Weibchens ist deshalb dringend abzuraten. Am besten eignet sich für die erste Begegnung und die Zeit des Kennenlernens ein neutrales Gehege, weil dann keines der Kaninchen ein Revier zu verteidigen hat. Wichtig ist, dass es mit genügend Versteck- und Ausweichmöglichkeiten ausgestattet und gross genug ist, dass sich die Tiere auch aus dem Weg gehen können. Es sollten niemals Häuschen oder Unterschlüpfe mit nur einem Ein-/Ausgang verwendet werden! Wenn ein rangniedriegres oder im Kampf unterlegenes Kaninchen in so einem Haus Zuflucht sucht und vom ranghöheren Tier bedrängt wird, hat es keine Fluchtmöglichkeit und es kann zu schlimmen Beissereien kommen.

Eine einfache Möglichkeit ist es, mehrere grosse Kartonschachteln ins Gehege zu stellen, in die man drei bis vier Ein- bzw. Ausgänge schneidet. Ebenfalls geeignet sind Etagen und auch große Korkröhren, durch welche die Tiere hindurch rennen können. Für jedes Kaninchen muss mindestens ein Unterschlupf vorhanden sein! Die Versteckmöglichkeiten sind wichtig, damit die Kaninchen sich dort sicher und geschützt entspannen und ausruhen und der permanenten Begegnung mit dem neuen Artgenossen ausweichen können.

Die Rolle des Menschen: Die Vergesellschaftung von Kaninchen sieht für uns Menschen häufig brutal aus. Es ist jedoch völlig normal, dass sich die Tiere zu Beginn durch das Gehege jagen, sich am Fell ziehen, sich angreifen, berammeln oder sogar auch mal ineinander verbeissen, so dass Fellbüschel fliegen.
Dieses Verhalten ist aber für Kaninchen längst nicht so dramatisch, wie es auf uns wirkt. Sie klären so einfach ihre Rangordnung, um später zu einer gut funktionierenden Gruppe zu werden. Auch wenn das Zusammentreffen der Tiere in der ersten Zeit wild, laut und bedrohlich wirkt und Fellbüschel fliegen, ist es ganz wichtig, dass der Mensch nicht vorschnell eingreift! Diese Phase der Vergesellschaftung kann von wenigen Stunden bis mehrere Tage dauern. In dieser Zeit jagen sich die Kaninchen immer wieder durch das Gehege, sitzen dann teilweise sehr erschöpft in ihren Verstecken, bevor das Ganze wieder von vorne los geht. Wichtig ist, dass es überall im Gehege Wassernäpfe und Futter verteilt hat, damit auch ein erschöpftes oder sehr ängstliches Kaninchen die Möglichkeit hat, sich zwischendurch zu stärken.

Viele Halter machen den Fehler, zu menschlich zu reagieren. Sie versuchen das rangniedrigere und schwächere Kaninchen zu beschüzen oder trennen die Tiere aus Mitleid wieder, damit sie sich erholen können. Die Vergesellschaftung zu unterbrechen ist jedoch der schlimmste Fehler, weil die Kaninchen so ihre Rangordnung nicht abschliessend klären können und bei einem erneuten Zusammenkommen von neu anfangen müssen.
Solche Unterbrechungen (auch wenn die Tiere über Nacht getrennt werden) können sogar dazu führen, dass eine erfolgreiche Vergesellschaftung verhindert wird.

 Bis zwei Kaninchen ihre Rangordnung defintiv  ausgemacht haben, kann es manchmal Tage oder sogar Wochen dauern. Vor allem dann, wenn ein Kaninchen zuvor jahrelang alleine dahinvegetierte und die Regeln in einem Kaninchenverband völlig neu erlernen muss. Jeder Kaninchenhalter sollte seinem Tier die Zeit geben, die es braucht und daran denken, dass die grausam aussehenden Rangkämpfe nötig sind, weil jedes Tier in einer Gruppe so seinen geeigneten Platz findet und dadurch schlussendlich ein glückliches und zufriedenes Kaninchenleben führen kann.

Wenn all diese Punkte beachtet werden, kann es in ganz seltenen Fällen trotzdem mal vorkommen, dass ein Kaninchenhalter eingreiffen muss, nämlich dann, wenn die Kaninchen derart aufeinander losgehen, dass es zu blutigen und lebensbedrohlichen Kämpfen kommt. In diesem Fall sollten die Tiere für mindestens zwei Wochen komplett getrennt werden und sich weder sehen noch riechen dürfen. Danach kann eine Vergesellschaftung auf neutralem Terrain nochmals versucht werden. Klappt es erneut nicht, sollte man auch anerkennen, dass einfach nicht alle Tiere zusammen passen und für die betroffenen Kaninchen nach einem passenderen Partner oder einer besser geeigneten Gruppe suchen.

Werden diese Informationen beachtet, ist es in jedem Fall möglich, Kaninchen erfolgreich und verletzungsfrei zu vergesellschaften. Es braucht lediglich ein bisschen Verständnis und Geduld. Etwas, was wohl von jedem Tierhalter erwartet werden darf!

Wenn Züchter behaupten, es sei nicht möglich, Kaninchen zusammen zu halten, weil dies zu schlimmen Verletzungen führe, dann ist das eine Lüge. Wer solche Erfahrungen macht mit seinen Tieren, hat sich schlichtweg zu wenig informiert und ist die Vergesellschaftung falsch angegangen. Es gibt keinen einzigen Grund, der es rechtfertigt, Kaninchen einzeln zu halten und damit ihre angeborenen Bedürfnisse nach Sozialkontakten zu ignorieren und zu unterdrücken.

Wer einmal die Gelegenheit hat, Kaninchen in einer Gruppe zu beobachten, wie die Tiere miteinander kuscheln, sich gegenseitig das Fell pflegen, kommunizieren, zusammen herum toben und spielen, wird verstehen, warum Einzelhaltung von Kaninchen eine grausame Tierquälerei ist, die längstens verboten gehört. Deshalb besteht unter den Tierschutzorganisationen und unabhängigen Fachleuten schon lange ein Konsens, dass die Käfig- und insbesondere auch die Einzelhaltung dringend verboten werden müsste. Nach den Vorgaben des Tierschutzesetzes besteht eigentlich ein solches Verbot bereits juristisch genügend. Der Schweizerische Bundesrat erlaubt aber diese Tierquälere rechtswidrig in seiner Tierschutzverordndung.

Stellungnahme von Tierarzt Dr Morgenegg

Weitere wertvolle Informationen über die Vergesellschaftung von Kaninchen findet man bei Ruth Morgenegg http://www.nagerstation.ch/ und in ihrem Buch "Artgerechte Haltung - ein Grundrecht auch für (Zwerg-) Kaninchen 


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