4. Oktober 2004, Welttierschutztag

Medienkonferenz der Schweizer Tierschutzorganisationen zur Revision des Tierschutzgesetzes

Zum Welttierschutztag und im Hinblick auf die zur Zeit im Parlament beratene Revision des Tierschutzgesetzes führten heute 24 Schweizer Tierschutzorganisationen - mit zusammen über 500 000 Mitgliedern - in Bern eine Medienkonferenz durch.

Gemeinsame Erklärung der Tierschutzorganisationen:

Ständerat: mehr Tierschutz, bitte!

Heute 4. Oktober ist internationaler Welttierschutztag. Am 6. Oktober berät der Ständerat über das zu revidierende Tierschutzgesetz und über die Volksinitiative «Tierschutz – Ja». An einer Medienkonferenz in Bern fordern 24 Tierschutz-Organisationen, die zusammen über 500'000 Mitglieder und GönnerInnen vertreten, ein zeitgemässes Tierschutzgesetz. Das heutige Gesetz ist über 25 Jahre alt. Doch weder beim bundesrätlichen Gesetzesvorschlag noch bei der nachgebesserten Version der ständerätlichen Kommission kann von einem echten Fortschritt im Tierschutz gesprochen werden. Diesem Gesetz können die Tierschutz-Organisationen nicht zustimmen. Zudem fehlt den Organisationen der Einblick in den Entwurf der Tierschutz-Verordnung, in der viele tierschutzrelevante Aspekte geregelt werden.

Das im Jahre 1978 geschaffene Tierschutzgesetz ist veraltet. Im Verlaufe der letzten 25 Jahre wurden wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse über das Verhalten von Tieren dazu gewonnen. Auch ist die Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Tieren stark gestiegen. Die Tierschutz-Organisationen haben konstruktive Vorschläge für ein zeitgemässes Tierschutzgesetz eingebracht und klare Forderungen formuliert. Zudem steht die Volksinitiative «Tierschutz – Ja» des Schweizer Tierschutz STS im Raum. Der Ständerat hat es nun in der Hand, den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zu folgen und ein zeitgemässes Tierschutzgesetz zu schaffen. Wird das Gesetz jedoch gemäss Vorschlag von Bundesrat und Kommission im Ständerat gutgeheissen, bleibt das Schweizer Tierschutzrecht auf dem Stand der 70er Jahre stehen.

Tierquälereien immer noch erlaubt
Die Tierschutz-Organisationen kritisieren, dass auch mit dem vom Bundesrat entworfenen und von der Ständeratskommission geringfügig nachgebesserten neuen Tierschutzgesetz viele Tierquälereien weiterhin zulässig sind bzw. ungeahndet bleiben. Heimtiere dürfen auch in Zukunft tierschutzwidrig auf engstem Raum gehalten werden. In der Landwirtschaft dürfen weiterhin Tiere in Einzelhaltung ohne Sozialkontakt und ohne Auslauf im Freien gehalten sowie Schlachttiere viele Stunden lang transportiert werden. Versuchstiere dürfen weiterhin nicht tiergerecht gehalten und für schwerstbelastende Tierversuche eingesetzt werden. Bewegungsfreudige Wildtiere dürfen nach wie vor auf wenigen Quadratmetern Fläche gehalten werden, wobei diese Fläche bei Zirkustieren noch unterschritten werden darf. Und trotz Verankerung der Würde der Kreatur in der Verfassung dürfen Tiere auch in Zukunft ohne Grund getötet werden.

Forderungen für ein zeitgemässes Tierschutzgesetz
Die von über 500'000 Mitgliedern und GönnerInnen getragenen Tierschutz-Organisationen fordern ein Tierschutzgesetz, das den Namen Schutz-Gesetz auch verdient. Sie verlangen zudem Einblick in die sich in Erarbeitung befindende Tierschutz-Verordnung. Die Organisationen rufen den Ständerat auf, ein zeitgemässes Tierschutzgesetz zu schaffen. Dazu gehören folgende wichtigen Punkte:
- Töten von Tieren nur mit einem vernünftigen Grund
- Konkretisierung des Begriffs Tierwürde
- Einführung eines Tieranwalts und von Tierschutzkommissionen auf kant. und eidg Ebene
- Gewährleisten von Sozialkontakten und Auslauf im Freien für Nutztiere
- Tierfreundliche Regelung der Heimtierhaltung
- Beschränkung von Tiertransporten auf das Nötigste
- Verbot von schwerstbelastenden Tierversuchen
- Tierfreundliche Regelung der Wildtierhaltung
- Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration
- Definition von tiergerechten Mindeststandards in der Tierzucht
- Streichen des Kriteriums der wirtschaftlichen Tragbarkeit in der Nutztierhaltung

Zu verschiedenen Einzelthemen referierten einzelne, spezialisierte Organisation, zur Intensivhaltung von landwirtschaftlichen Nutztieren der VgT, vertreten durch Präsident Erwin Kessler:

Tierquälerische Intensivhaltung landwirtschaftlicher Nutztiere

Der VgT wird oft als militant und extrem bezeichnet. Das lasse ich gelten in Bezug auf die Methoden, mit denen wir versuchen, dem Tierschutz Gehör zu verschaffen. Hingegen gehen wir in den Forderungen an das Tierschutzgesetz kaum weiter als die traditionlleren Tierschutzorganisationen, diesbezüglich besteht vielmehr ein weitgehender Konsens, und ich bin hier anwesend, um diesen bemerkenswerten Konsens zu unterstreichen.

Im Bereich der Nutztiere, auf den wir spezialisiert sind, wird ein Verbot der folgenden tierquälerischen Intensivtierhaltungsformen gefordert:

1. Anbindehaltung von Pferden

2. Kasten- und Käfighaltung von Kaninchen

3. Einzelhaltung von Kälbern in Kälberkisten und Kunststoff-Iglus

4. Kälbermast auf einstreulosen Vollspaltenböden. (Diese Haltungsform ist nach geltendem Recht verboten, wurde aber vom Bundesamt für Veterinärwesen kürzlich eigenmächtig wieder zugelassen.)

5. Einseitige, rohfaserarme Fütterung von Kälbern zur Erzeugung von Blutarmut (Anämie) und dementsprechend hellerem Kalbfleisch. (Migros macht zur Zeit vor, wie bei richtiger Aufklärung der Konsumenten rötliches Kalbfleisch von artgerecht gefütterten Kälbern gut verkauft werden kann.)

6. Enthornen von Kälbern und Kühen. Diese Verstümmelung ist tierverachtend und verletzt die Würde der Tiere.

7. Der sog elektrische Kuhtrainer zwingt Kühe mit Elektroschocks zum ständigen Strammstehen - eine Tierquälerei die auch von den Schweizer Tierärzten abgelehnt wird.

8. Rindermast auf Vollspaltenböden, in extremer Enge. Die jungen, bewegungs- und spielfreudigen Tiere können sich in dieser Haltungsform praktisch nicht bewegen, die glitschigen, geschlitzten Betonrostböden verhindern jede schnelle Bewegung. Die Tiere müssen auf dem harten Betonrostboden im eigenen Kot liegen.

9. Nach dem Verbot der Käfighaltung von Legehennen glaubten wir Tierschützer, die Eierproduktion sei nun akzeptabel. Leider musste dann aber festgestellt werden, dass die sog Bodenhaltung in den ansich tiergerechten Volièrenställen durch erlaubte systematische Überbelegung, fehlendes oder ungenügendes Tageslicht und Überzüchtung der Tiere erneut zu einer KZ-Haltung führte.

10. In der Pouletmast werden extrem überzüchtete Tiere verwendet, die infolge zu schnellem Wachstum unter schmerzhaften Gelenkschäden leiden, nicht mehr richtig gehen und auch nicht artgerecht eine Sitzstange anfliegen können. In den völlig überbelegten Masthallen liegen die Tiere dicht an dicht auf dem Boden - völlig artwidrig auf dem Bauch, da diese manipulierten Tiere nicht fähig sind, artgemäss Sitzstangen anzufliegen.

11. Das Schlachten der Hühner erfolgt extrem tierquälerisch. Die Hühner werden bei vollem Bewusstsein Kopf nach unten an ein Förderband gehängt und so in ein Elektrobad getaucht, in welchem sie oft nicht richtig betäubt werden, bevor sie an einem rotierenden Messer vorbeigzogen werden, das ihnen den Hals aufschneidet. Das gleiche gilt auch für Truten.

12. Das Schwein ist neben dem Huhn das in der Massentierhaltung am schlimmsten gequälte Nutztier. Bei der letzten Revision der Tierschutzverordnung verbreiteten der Bundesrat und das Bundesamt für Veterinärwesen gezielt die Falschinformation, die Kastenstandhaltung sei nun verboten. In Wahrheit bleibt die grausame Kastenhaltung auch nach Ablauf der zehnjährigen Übergangsfrist weiterhin erlaubt, lediglich quantitativ eingeschränkt (Mutterschweine dürfen nicht mehr lebenslänglich in Kastenständen gehalten werden).
Auch die sehr tierquälerische Intensivhaltung von Mastschweinen auf Vollspaltenböden bei einer praktisch bodenbedeckenden Belegungsdichte (rund zwei Tiere pro Quadratmeter) ist immer noch erlaubt. Diese intelligenten Tiere verbringen ihr ganzes Leben in grösster Enge und Monotonie im eigenen Kot; meistens fehlt auch noch die vorgeschriebene Beschäftigungsmöglichkeit.

Siehe zu diesen Forderungspunkten den illustrierten Bericht in den VN04-2.

Alle diese tierquälerischen Haltungsformen und Schlachtmethoden müssen nicht nur verboten werden. Durch ein Importverbot entsprechender tierischer Produkte muss auch die Umgehung der Verbote verhindert werden. Was in der Schweiz aus tierschützerischen Gründen nicht produziert werden darf, soll auch nicht importiert werden dürfen. Das in der STS-Initiative verlangte Importverbot (Buchstabe i) dient nicht nur dem Tierschutz, sondern verhindert auch unfaire Wettbewerbsverzerrungen gegenüber der einheimischen Landwirtschaft.

Die landwirtschaftlichen Tiere sind von Natur aus nicht an ein Leben in engen Ställen angepasst. Die STS-Initiative verlangt deshalb zu Recht nicht nur ein Verbot quälerischer Stallhaltungsformen, sondern darüber hinaus einen Auslauf ins Freie.

Heute haben wir die eines demokratischen Rechtsstaates unwürdige Situation, dass ein vom Volk mit überwältigender Mehrheit gutgeheissenes Tierschutzgesetz nicht umgesetzt und Verstösse dagegen sogar noch mit Steuergeldern subventioniert werden. Schon das geltende Tierschutzgesetz verbietet eigentlich alle oben aufgezählten tierquälerischen Haltungsformen. Artikel 2 schreibt vor, dass Tiere entsprechend ihren Bedürfnissen gehalten werden müssen. Die artspezifischen Bedürfnisse sind heute weitgehend erforscht. Das Gesetz bleibt aber toter Buchstabe und die Tierschutzorganisationen haben kein Klage- und Beschwerderecht, um dagegen vorzugehen.

Die Auffassung einiger Politiker, eine artgerechte Tierhaltung sei dem freien Markt, dh der Politik mit dem Einkaufskorb, zu überlassen, ist abwegig und widerspricht der übrigen Gesetzgebung und dem allgemeinen Staatsverständnis von Recht und Ordnung.
 


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