15. Januar 2005 / VN05-2
Web-Code 200-023

Blocher und der Tierschutz

Kurz nach seiner Wahl in den Bundesrat sagte Christoph Blocher in einem Fernsehinterview, die Bauern müssten Unternehmer werden und der Staat müsse Hindernisse abbauen. Umwelt- und Tierschutzvorschriften seien unnötig, die Bauern wüssten schon, was sie zu tun hätten  (www.vgt.ch/news2003/031214.htm).

Im Editorial der letzten VgT-Nachrichten habe ich die Einstellung einiger Bundesräte zum Tierschutz kommentiert, so auch diejenige Blochers. Darauf haben Blocher-Anhänger unterschiedlich reagiert. Einige schrieben ihm ihre Enttäuschung über seine tierschutzfeindliche Einstellung, andere wandten sich an mich und zweifelten an meinen Zitaten; Blocher habe das wohl nicht so gesagt, er meine bloss, die heutigen Tierschutzvorschriften genügten und sollten nicht weiter verschärft werden.

Tatsache ist , das Blochers Partei, die SVP, schon immer extrem tierschutzfeindlich war. Vor ein paar Jahren kam SVP-Präsident Ueli Maurer zu uns in den Thurgau und forderte öffentlich die Abschaffung der Tierschutzvorschriften für die Landwirtschaft. Die Thurgauer Zeitung berichtete darüber. Für mich stellte sich damals die Frage, ob Blocher diese Parteilinie mittrage oder nicht. Er hatte sich bis dahin kaum zum Tierschutz geäussert. Mein Schreiben an ihn, in dem ich ihn bat, sich diesem Thema anzunehmen und dem ich mein Buch "Tierfabriken in der Schweiz" beilegte, retournierte er ungeöffnet.

Die eingangs erwähnte Stellungnahme Blochers nach seiner Wahl in den Bundesrat machte dann klar, dass er nun die tierschutzfeindliche Linie seiner Partei - der "Schweizerischen Viehhalter Partei" SVP - offiziell in der Regierung vertritt. So sagte er auch in einem Interview in der Weltwoche vom 12. Dezember 2003: "Das Hauptproblem ist die Bürokratisierung in der Landwirtschaft. Wir haben viel zu viele Vorschriften. Es ist nicht nötig, jedem Bauern genau anzugeben, wie seine Kuh im Stall liegen muss."

Sich derart über den Tierschutz, ein ernstes und dringendes öffentliches Anliegen, lächerlich zu machen, ist primitiv und zeugt von einer tierverachtenden Einstellung. Blocher würde sich besser zuerst richtig über dieses Thema informieren, bevor er derart unsachliche, faule Sprüche macht. In den VgT-Nachrichten vom September 2004 haben wir in einer Übersicht, anhand exemplarischer Fälle, dargestellt, wie schlimm es heute um den Tierschutz in der Schweiz bestellt ist und mit welchen mafiosen Methoden die Durchsetzung des Tierschutzgesetzes verhindert wird. Es würde uns interessieren, was Blocher dazu meint. Aber dazu schweigt er.

Um die Unmenschlichkeit seiner Forderung nach Abbau - statt des dringenden Ausbaus - des Tierschutzes zu verschleiern, versuchte Blocher mit dem blöden Spruch, es sei nicht nötig, jedem Bauern genau anzugeben, wie seine Kuh im Stall liegen müsse, den Tierschutz als lächerlichen Unfug hinzustellen. In Tat und Wahrheit gehen die Anstrengungen der Tierschutzorganisationen dahin, immer noch erlaubte Grausamkeiten wie zB das Kastrieren ohne Betäubung, die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen, die Vollspalten-Intensivhaltung von Mastschweinen, die elektrischen Kuhtrainer und die Qualzucht von Hühner und Truten endlich zu verbieten. Kein Mensch will den Bauern vorschreiben, wie seine Kühe im Stall liegen müssen. Im Gegenteil: mit kurzen Ketten, kurzen Lägern und einer Elektrisiervorrichtung ("Kuhtrainer") schreiben die gewerbsmässigen Tierquäler, beschönigend als "Bauern" bezeichnet, ihren Kühen vor, wie diese zu liegen haben, nämlich arbeitssparend, aber tierquälerisch. Die schweizerischen Tierschutzorganisationen fordern Vorschriften, die es den Kühen ermöglichen, nicht wie der Bauer es will, sondern wie es ihnen angeboren ist, liegen zu dürfen, nicht zu müssen - wie Blocher es mit seinem faulen Spruch formuliert.

Die schweizerischen Tierschutzorganisationen sind sich - trotz ihrer starken Verschiedenheit bezüglich Stil und Arbeitsmethoden - über die wesentlichen Forderungen an ein zeitgemässes Tierschutzgesetz weitgehend einig und haben letztes Jahr an einer Konferenz einen gemeinsamen Forderungskatalog zur Revision des Tierschutzgesetzes zuhanden der Parlamentarier verabschiedet.

Dass Blocher reaktionär in der Gegenrichtung, auf einen Abbau des Tierschutzes hin, steuert, machte er auch in seiner Olma-Rede vom 13. Oktober 2003 klar:

"Auch die generellen Vorschriften des Tierschutzgesetzes genügen als Richtlinien für die Tierhaltung. Wenn der Konsument beispielsweise Eier von glücklichen Hühnern will, so werden die Grossverteiler diese von den Bauern verlangen. Und wenn der Kunde Eier von superglücklichen Hühnern mit psychologischer Rundumbetreuung will und bereit ist, den Preis dafür zu zahlen, dann wird er diese superglücklichen Eier bekommen. Der Staat muss hier nicht eingreifen. Wenn der Markt danach verlangt, so werden die Bauern ökologisch produzieren. Qualitätskriterien müssen die Bauern und die Abnehmer untereinander aushandeln."

Sehen wir uns diese Aussagen etwas näher an: "Die generellen Vorschriften des Tierschutzgesetzes genügen", meint Blocher, und fordert damit faktisch das Ende des Tierschutzes, denn die 25 Jahre Erfahrungen mit dem Tierschutzgesetz haben klar gezeigt, dass die generellen Vorschriften des Tierschutzgesetzes absolut keine Wirkung haben. Was umgesetzt wird - wenn überhaupt, - sind nur ganz detaillierte, konkrete Vorschriften in der Tierschutzverordnung. Die allgemeinen Vorschrift des Tierschutzgesetzes, zB dass Tiere entsprechend ihren Bedürfnissen gehalten werden müssen, haben weder bei den Tierhaltern noch bei den Tierschutzvollzugsbehörden irgend eine praktische Bedeutung.

Seine tier- und konsumentenverachtende Einstellung zeigt Blocher auch in der Olma-Rede mit seinem faulen Spruch von den "superglücklichen Hühnern mit psychologischer Rundumbetreuung": Tierschutz ist für ihn etwas Lächerliches, etwas Privates für gestörte, hypersensible Menschen, welche die Tiere vermenschlichen.:Faule Sprüche anstelle einer sachlichen Diskussion über die Mängel im Tierschutz und die Nöte der Millionen von Nutztieren, zB der hunderttausenden Schweinen, die bis heute überhaupt nichts vom Tierschutzgesetz merken und so gehalten werden, wie in Ländern ohne Tierschutzvorschriften.

Wenn Blocher meint, wir hätten ihn missverstand, ist es ihm unbenommen, seine Einstellung zum Tierschutz klar und unmissverständlich bekannt zu geben, anstatt mit unsachlichen Sprüchen zu versuchen, den Tierschutz lächerlich zu machen. Letzteres ist typisch für Politiker, die ohne Sachkenntnisse und ohne sachliche Argumente politisieren.

Jedenfalls ist für uns massgeblich, was Blocher selber sagt, nicht wie seine Parteisprecher seine Sprüche gerne verstanden haben möchten.

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SVP verlangt erneut die Aufhebung von Tierschutzvorschriften

Blochers Partei, die Schweizerische Volkspartei - auch Schweizerische Viehhalterpartei genannt, fordert seit Jahren die Abschaffung oder Reduzierung des Tier- und Umweltschutzes zugunsten einer hemmungslosen landwirtschaftlichen Ausbeutung von Tier und Natur.

Anfangs Februar 2005 forderte die SVP erneut,  im Tier- und Umweltschutzrecht müssten "Gesetzesbestimmungen gestrichen"werden.


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