14. M�rz 1998

�ffentliche Verhandlung vor der I. Strafkammer des Z�rcher Obergerichtes betreffend BSE-Flugblatt

Es geht um einen �hnlichen Fall wie im k�rzlich gegen den "Kassensturz" entschiedenen Fall wegen unlauteren Wettbewerbs. Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht jedoch die Verurteilung eines VgT-Aktivisten, der ein Flugblatt �ber den Rinderwahnsinn verteilt hat, aufgehoben und zur Neubeurteilung an das Obergericht zur�ckgewiesen. Am Donnerstag, den 26. M�rz, findet nun die zweite Verhandlung statt.

Im Herbst 1994 verbreitete der VgT ein Flugblatt, auf dem Fleischkonsumenten vor dem Rinderwahnsinn gewarnt und aufgefordert wurden, weniger Fleisch zu essen. Ein VgT-Aktivist, der dieses Flugblatt auf �ffentlicher Strasse vor der Metzgerei Gubler an der Stadthausstrasse in Winterthur verteilte, wurde von dieser Metzgerei wegen �unlauterem Wettbewerb� eingeklagt und zu 2000 Fr Busse verurteilt. Der vollst�ndige Text des Flugblattes lautete:

Rinderwahnsinn - die t�dliche Gefahr auf dem TellerKochen t�tet den Erreger nicht.Lauert er in Ihrer Wust? Im Steak, im Hamburger?Die Inkubationszeit betr�gt 10 bis 15 Jahre. Sind Sie schon infiziert?Es besteht der dringende Verdacht, dass der Rinderwahnsinn (Bovine Spongiforme Enzephalopathie BSE) durch Verzehr von Fleisch auf den Menschen �bertragen werden kann und identisch ist mit der heimt�ckischen, t�dlichen Creutzfeld-Jakob-Krankheit.Essen Sie weniger Fleisch, zum Vorteil der Tiere, der Umwelt und Ihrer Gesundheit!Eine Konsumenteninformation des VgT Verein gegen Tierfabriken, 9546 Tuttwil

Auf diesem Flugblatt steht nichts Unwahres. Die Darstellung ist auch nicht �bertrieben einseitig. Der deutsche Gesundheitsminister Seehofer zB hatte schon damals �ffentlich (sinngem�ss) das Gleiche gesagt. Nur die Schweizer Beh�rden betrieben (und betreiben bis heute) eine unverantwortliche Verharmlosungspolitik. Diese Beamten werden nicht bestraft, ebensowenig Exponenten der Fleisch- und Agro-Lobby, welche die Risiken verharmlosen und mit allerlei Kampagnen und Desorientierungen den Rindfleischkonsum anzukurbeln versuchen.

Typisch f�r die Willk�r des ganzen Verfahrens war, dass jede Instanz eine andere Begr�ndung des angeblich strafbaren Verhaltens erfand, was menschenrechtswidrig ist, weil dem Angschuldigten damit eine wirksame Verteidigung verunm�glicht wird.In der Anklageschrift - unterzeichnet von Bezirksanw�ltin J Meier - wirft die Bezirksanwaltschaft Winterthur dem Angeschuldigten vor:"Dem Inhalt dieses Flugblattes steht klar die offizielle Verlautbarung der f�r den Gesundheitsschutz zust�ndigen Bundesbeh�rden gegen�ber..."Mit anderen Worten: In der Schweiz macht sich strafbar, wer eine andere als die offizielle Meinung vertritt!

Zur Widerlegung der Auffassung, dass die offizielle Darstellung automatisch die richtige und allein g�ltige sei, habe ich als Verteidiger des Angeschuldigten vor dem Bezirksgericht Winterthur eine grosse Sammlung von Ausschnitten aus renommierten Zeitungen eingereicht, in denen die Auffassung von Wissenschaftern wiedergegeben wird, die den Rinderwahnsinn als f�r den Menschen gef�hrlich betrachten. Diese Zeitungsmeldungen warnen nicht weniger, zum Teil sogar noch vorbehaltloser, als das Flugblatt des VgT. Anstatt aber den Angeschuldigten freizusprechen, erfand der Einzelrichter H Isler, Bezirksgericht Winterthur, ein anderes n angeblich strafbares Verhalten: der Angeschuldigte habe ein Flugblatt �ber den Rinderwahnsinn verbreitet, in dem nicht darauf hingewiesen werde, dass es auch Wissenschafter gebe, welche den Rinderwahnsinn f�r den Menschen als unbedenklich halten.

Da dieses Urteil des Bezirksgerichtes einschneidende, wenn nicht sogar verheerende Wirkungen auf das gesamte Pressewesen h�tte, hat das Z�rcher Obergericht (Oberrichter Bornatico, Oberrichter Dr Mathys und Oberrichterin Dr Schaffitz) wieder einen anderen Vorhalt erfunden: In der m�ndlichen Verhandlung argumentierte das Gericht, das Flugblatt h�tte zB auf dem Bahnhofplatz verteilt werden d�rfen, nicht aber vor einer Metzgerei. Es komme nicht auf die Anzahl verteilter Flugbl�tter an: auch nur ein einziges vor der Metzgerei verteilt, verletze das Gesetz �ber den unlauteren Wettbewerb.

Nach dieser seltsamen Logik ist also der Inhalt des Flugblattes nicht ansich unzul�ssig. Die Kunden der Metzgerei d�rfen �berall, zB durch Verteilen in alle Briefk�sten, erreicht werden, nur nicht in der N�he der Metzgerei selbst.Offenbar wurde sich das Gericht nach dem Schuldspruch, bei der Ausarbeitung der schriftlichen Urteilsbegr�ndung, der Haltlosigkeit dieser Begr�ndung bewusst. Wie immer in solchen F�llen, wird nicht das Urteil revidiert, sondern die Begr�ndung angepasst, und es hiess dann nur noch: "Wie ein Verteilen der Flugbl�tter an anderen Orten zu beurteilen w�re, kann offen bleiben. Vorgeworfen wird dem Angeklagten nur das Verteilen direkt vor der Metzgerei."

In willk�rlicher, aktenwidriger Weise ging ferner das Obergericht davon aus, der Angeschuldigte habe die Flugbl�tter gezielt nur vor der Metzgerei verteilt. Aus den Akten geht jedoch hervor, dass der Angeschuldigte das inkriminierte Flugblatt in ganz Winterthur verteilt hatte, vornehmlich dort, wo Fleischkonsumenten verkehren, keinesfalls aber gezielt nur direkt vor der Metzgerei Gubler. Andere Aktivisten des VgT haben das Flugblatt auch in anderen St�dten verteilt. Es war eine breitangelegte Aktion in der ganzen Deutschschweiz. Unterschlagen wurde auch, dass der Angeschuldigte die Anweisungen der von der Metzgerei herbeigerufenen Polizei, die Flugbl�tter nicht direkt vor der Metzgerei zu verteilen, nachgekommen ist und sich von der Metzgerei entfernt hat.

Wie dieser Rechtsstaat ganz verschieden funktioniert, je nachdem wer der Angeschuldigte ist, zeigt sich auch daran, dass ein t�tlicher Angriff eines Gubler Metzgers auf mich unges�hnt blieb: Am Samstag, den 23. M�rz 1996 verteilte ich an der Stadthausstrasse Winterthur auf �ffentlichem Grund in der N�he der Metzgerei Gubler Konsumenten- und Tierschutzinformationen (nicht das inkriminierte BSE-Flugblatt). Dabei wurde ich von einem Unbekannten aus dem Hause Gubler t�tlich angegriffen. Die herbeigerufene Stadtpolizei ergriff sofort Partei f�r die Metzgerei und verhinderte eine Identifikation des T�ters. Die zwei Polizisten gingen allein in die Metzgerei hinein und verweigerten mir, zwecks Identifikation des T�ters mitzukommen. Nach kurzer Zeit kamen sie grinsend wieder heraus. Die Bezirksanwaltschaft tat ein halbes Jahr lang nichts. Als sie schliesslich mit den Einvernahmen begann, stellte sich heraus, dass die Stadtpolizei nicht den T�ter, sondern einen unbeteiligten Angestellten der Metzgerei Gubler rapportiert hatte. Der T�ter konnte nach dieser langen Zeit nicht mehr ermittelt werden. Eine Verschleppungsbeschwerde wurde von der Z�rcher Staatsanwaltschaft abgewiesen - die Bezirksanwaltschaft sei halt �berlastet, deshalb h�tten die Zeugeneinvernahmen nicht fr�her stattfinden k�nnen. Dem VgT wurden f�r die angeblich haltlose Verschleppungsbeschwerde Verfahrenskosten auferlegt.

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