6S.310/2005/Rom                                                     WebCode: 200-007
 
Urteil vom 30. März 2006
Kassationshof
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Weissenberger.
 
X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Wydler,
 
gegen
 
Y.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf W. Rempfler,
 
Üble Nachrede (Art. 173 StGB),
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 3. Mai 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
Y. ________ erhob am 23. Oktober 2002 bei der Bezirksgerichtlichen Kommission
Münchwilen Klage gegen X.________ wegen Verleumdung, eventuell übler
Nachrede. Er machte geltend, X.________ habe an der Hauptverhandlung vom 1.
Oktober 2002 in einem anderen Verfahren vor Presse und Publikum
wahrheitswidrig behauptet, das EJPD zähle ihn im Staatsschutzbericht 2000 zu
den Terroristen und Extremisten. Zudem habe X.________ wahrheitswidrig
erklärt, er habe den Holocaust geleugnet und die Argumente der
Holocaust-Leugner übernommen.
 
Die Bezirksgerichtliche Kommission Münchwilen sprach X.________ am 11.
März/6. Dezember 2004 von den erhobenen Vorwürfen frei. Das Obergericht des
Kantons Thurgau bestätigte am 3. Mai 2005 den Freispruch mit Bezug auf die
Aussage, Y.________ habe den Holocaust geleugnet und die Argumente der
Holocaust-Gegner übernommen. Hingegen sprach es X.________ wegen der Aussage,
das EJPD zähle Y.________ im Staatsschutzbericht 2000 zu den Terroristen und
Extremisten, der üblen Nachrede schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse
von Fr. 500.--.
 
B.
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, es sei
das Urteil des Obergerichts vom 3. Mai 2005, soweit es ihn schuldig spreche
und bestrafe, aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen,
eventuell sei das Strafmass herabzusetzen und eine Busse unter Fr. 500.--
auszusprechen. Ferner sei das Urteil im Kostenpunkt aufzuheben und eine neue,
vom Beschwerdeführer im Einzelnen umschriebene Anordnung zu treffen.
 
Das Obergericht und der Beschwerdegegner ersuchen um Abweisung der
Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids, ist auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten, da die
Nichtigkeitsbeschwerde rein kassatorischer Natur ist (Art. 277ter Abs. 1
BStP).
 
2.
In prozessualer Hinsicht rügt der Beschwerdeführer eine Missachtung der
Unteilbarkeit des Strafantrags gemäss Art. 30 StGB. Ob ein Schuldspruch wegen
übler Nachrede schon deshalb ausscheidet, weil der Beschwerdegegner eine
Privatstrafklage nur gegen den Beschwerdeführer und nicht gegen Z.________
erhob und in diesem Umstand ein Verzicht auf den Strafantrag zu erblicken ist
(vgl. BGE 97 IV 1 E. 2 S. 2 f.; 110 IV 87 E. 1c S. 90 f.; 121 IV 150 E. 3a S.
151 ff.), kann offen bleiben, da sich die Beschwerde bereits aus den
nachstehenden Erwägungen als begründet erweist.
 
3.
Die Vorinstanz verurteilt den Beschwerdeführer wegen übler Nachrede, weil er
in dem vom Beschwerdegegner gegen ihn angestrengten Prozess an der
Hauptverhandlung vom 1. Oktober 2002 den folgenden Satz äusserte:
"Wenn das EJPD im Staatsschutzbericht den Kläger zu Terroristen und
Extremisten zählt und erklärt, das Bundesgericht habe den Kläger wegen
Verstosses gegen das Rassismusgesetz verurteilt, dürfen wir in guten Treuen
annehmen, dass der Kläger Kontakte zur Revisionisten- und Naziszene hatte."
Es ist unbestritten, dass der Aussage, der Beschwerdegegner zähle zu den
Terroristen und Extremisten, ehrverletzender Charakter zukommt. Fraglich ist
einzig, ob sich der Beschwerdeführer auf einen Rechtfertigungsgrund berufen
kann.
 
Der angefochtene Entscheid geht von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu
dieser Frage aus und gibt sie zutreffend wieder. Danach sind ehrverletzende
Äusserungen von Parteien, die sie im Rahmen ihrer gesetzlichen
Darlegungsrechte und -pflichten tätigen, gerechtfertigt, sofern sie
sachbezogen sind, nicht über das Notwendige hinausgehen, nicht wider besseres
Wissen erfolgen und blosse Vermutungen als solche bezeichnen (BGE 131 IV 154
E. 1.3.1 S. 157). Die Vorinstanz anerkennt, dass die obige Aussage des
Beschwerdeführers einen Bezug zum Beweisthema hatte und daher im Sinne der
zitierten Rechtsprechung sachbezogen war. Hingegen verneint sie, dass die
Aussage zur Untermauerung des Standpunkts des Beschwerdeführers notwendig
gewesen sei. Letzterer kritisiert diese Ansicht als bundesrechtswidrig.
 
4.
Im Staatsschutzbericht 2000 wird im Kapitel 1 mit dem Titel Terrorismus und
Gewaltextremismus unter anderem der sog. Schächtprozess erwähnt, in dem das
Bundesgericht eine Verurteilung des Beschwerdegegners zu 45 Tagen Gefängnis
bestätigte. Die Verurteilung ging auf die Äusserung zurück, die Juden seien
nicht besser als ihre früheren Nazihenker, weil sie massenhaft Tiere durch
Schächten umbrächten. Im Staatsschutzbericht steht weiter:
"Die Verurteilung von Y.________ zeigt, dass sich neben der aktuell
verschärften Entwicklung im rechtsextremen Bereich auch anderes
extremistisches Gedankengut öffentlich artikuliert. Dabei werden die bisher
klaren politischen Links-Rechts-Fronten verwischt. Der Verein gegen
Tierfabriken und sein Präsident vertreten ideologisch die gleichen
Themenkreise wie die Gruppen der militanten Tierschützer und
Globalisierungsgegner, ohne dass bisher direkte Beziehungen zu diesen
Organisationen bekannt geworden wären."
Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, gestützt auf die Einreihung
der obigen Ausführungen im Kapitel Terrorismus und Gewaltextremismus dem
Beschwerdegegner vorgehalten zu haben, er zähle zu den Terroristen und
Extremisten. Bei sorgfältiger Lektüre hätte er aber erkennen müssen, dass
diese Qualifikation unzutreffend sei. Zur Bekräftigung seines Standpunkts an
der Hauptverhandlung hätte es ausgereicht, die Darlegungen zum Schächtprozess
zusammenzufassen.
 
5.
Die vorinstanzliche Argumentation lässt ausser Acht, dass der
Beschwerdeführer an der Hauptverhandlung nicht gesagt hat, der
Beschwerdegegner zähle zu den Terroristen und Extremisten, sondern nur, das
EJPD reihe ihn in diese Kategorie ein. Und diese Feststellung ist nun
offensichtlich zutreffend. Die Vorinstanz räumt selber ein, dass die
fragliche Stelle im Kapitel über Terrorismus und Gewaltextremismus steht, und
sie zitiert selber den Abschnitt, in dem ausgeführt wird, der
Beschwerdegegner äussere öffentlich extremistisches Gedankengut. Der
Staatsschutzbericht zählt den Beschwerdegegner somit zu den Extremisten, und
er legt gerade Gewicht darauf, dass die bei ihm festgestellte Form des
Extremismus neuartig sei, weil dabei die bisherigen klaren politischen
Links-Rechts-Fronten verwischt würden. Die Ansicht der Vorinstanz, der
Beschwerdegegner werde im Staatsschutzbericht nicht zu den Extremisten
gezählt, ist demnach unzutreffend.
 
Diskutabel mag allenfalls erscheinen, ob es richtig ist, den Beschwerdegegner
und die von ihm präsidierte Vereinigung zum gewalttätigen Extremismus zu
zählen. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass nicht jeder Extremist
auch gewalttätig zu sein braucht. Sie übersieht aber, dass der
Beschwerdeführer an der Hauptverhandlung gerade nicht ausgesagt hat, der
Beschwerdegegner zähle nach der Einreihung im Staatsschutzbericht zu den
gewalttätigen Extremisten. Vielmehr hat er die Charakterisierung als
gewalttätig weggelassen. Damit hat er den Staatsschutzbericht nicht kritiklos
übernommen, sondern seine Zusammenfassung der fraglichen Stellen so
abgeschwächt, dass sie dem Inhalt des Berichts entspricht.
 
Die Vorinstanz räumt selber ein, dass der Beschwerdeführer zur Untermauerung
seines Standpunkts die fragliche Stelle im Staatsschutzbericht erwähnen
durfte. Er musste sich dabei aber nicht auf die blosse Wiedergabe des sog.
Schächtprozesses beschränken, sondern durfte auch die Beurteilung des EJPD,
das in seinen Aktivitäten eine neuartige Form des Extremismus sieht,
erwähnen, und dies auch in der verkürzten Form, der Beschwerdegegner werde
vom EJPD (durch den Titel, in dem der Abschnitt steht) zu den Terroristen und
Extremisten gezählt.
 
Der Beschwerdeführer kann sich demnach für seine in der Hauptverhandlung vom
1. Oktober 2002 gemachte Äusserung, die nicht über das Notwendige hinausging,
auf einen Rechtfertigungsgrund berufen. Seine Verurteilung verletzt damit
Bundesrecht.
 
6.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist aus diesen Gründen
gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts
des Kantons Thurgau in den angefochtenen Punkten aufzuheben.
 
Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem
Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Dem Beschwerdeführer
ist eine angemessene Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse zuzusprechen,
und der Beschwerdegegner ist zu verpflichten, der Kasse dafür Ersatz zu
leisten (Art. 278 Abs. 3 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird in dem Umfang, in dem auf sie
einzutreten ist, gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 3. Mai 2005 in den Ziffern 2 und 3 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.
 
3.
Der Beschwerdeführer wird mit Fr. 4'285.90 aus der Bundesgerichtskasse
entschädigt. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Kasse dafür Ersatz
zu leisten.
 
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. März 2006
 
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: