1. Mai 2008
VgT-Dokumentationen zum Tier- und
Konsumentenschutz
Stressarmes Treiben von Rindern
auf der Weide und in Gehegen
(Low Stress Stockmanship, LSS)
von
Claudia Zeier und Erwin Kessler
Die
ganze Familie mit Stöcken bewaffnet hinter der Herde her - und diese
geht doch nicht dorthin, wo sie soll, sondern gerät in Panik
ausser Kontrolle. Solche Bilder könnten schon bald der Vergangenheit
angehören. Und jedenfalls lässt sich das Ängstigen und Schlagen von
Tieren nicht mehr rechtfertigen. Die neue Tierpsychologie, die sich bei Pferden
(Pferdeflüsterer) und Hunden (Hundeflüsterer) als sehr erfolgreich
erwiesen hat, ist jetzt - Gott sei
Dank - auch auf die Nutztierhaltung übergesprungen.
Weil
aus den USA kommend (entwickelt von Bud Williams) heisst die Methode
"Low Stress Stockmanship" (LSS). Am 26. April 2008 fand am
landwirtschaftlichen Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrum
"Inforama" in Hondrich bei Thun ein Kurs statt. Der Referent,
Philipp Wenz aus Deutschland (www.stockmanship.de) zeigt in
faszinierender Weise in Theorie und Praxis, wie Rinderherden -
insbesondere auch extensiv gehaltene, scheue Mutterkuhherden - von
einer einzigen Person ruhig und ohne grossen Stress auf eine neue
Weide, in ein Gehege oder in den Stall geführt werden können.
LSS ist
ein stressarmer, tierfreundlicher Umgang mit Weidetieren unter
Vermeidung von starkem Stress durch Rufen, Schreien, Pfeifen,
Schlagen, Schieben, Schubsen und Ziehen. Und Tiere, die stressarm
leben, sind generell gesünder, haben eine bessere Immunabwehr, sind
darum weniger krankheitsanfällig, weniger agressiv und dafür
leistungsfähiger.
Auch
wenn das Lernen von LSS Zeit und Geduld erfordert, lohnt es sich für
jeden, der mit Weidetieren arbeitet. Man/frau gewinnt damit nicht
nur das Vertrauen der Tiere, sondern entdeckt auch die Freude
am Umgang mit ihnen. LSS heisst auf die Tiere eingehen, sie
verstehen, sie als fühlende und denkende Wesen wahrnehmen.
Was man
beim LSS lernt, ist zum grössten Teil übertragbar auf alle
Tierarten, denn nur mit Geduld und wenig Stress und mit Verstehen
und Verständnis ist es möglich, eine gute Kommunikation aufzubauen.
Auch vom tierschützerischen Aspekt her gesehen, ist LSS sehr
interessant und
könnte gerade in diesem Bereich zukunftsweisend sein, denn diese
Methode fördert
einen respekt- und würdevollen Umgang mit den Tieren.
Die
Methode, die auch bei anderen Weidetieren angewendet werden kann,
beruht auf fünf Prinzipien:
1.
Tiere wollen uns sehen.
2. Tiere wolle dahin gehen, wohin sie schauen.
3. Tiere haben jeweils nur Eins im Sinn.
4. Tiere haben wenig Geduld - wir müssen nur ein bisschen mehr
haben.
5. Tiere wollen anderen Tieren folgen.
Philipp Wenz zeigt, wie eine Mutterkuhherde ruhig und stressarm
getrieben wird.
Zu
vermeiden ist:
- Jede Form von Lärm (lautes Rufen, Brüllen, Pfeifen, Klappern etc)
- Mit den Armen, Stöcken etc in der Luft herumfuchteln.
- Den Tieren den Weg versperren.
Fazit
des Kurses:
- Rinder sind exzellente Beobachter.
- Rinder reagieren zu 100 % auf uns. Wenn es nicht funktioniert,
liegt es an uns.
- In der Mensch-Tier-Beziehung sind wir die Schlauen. Es ist an uns,
Lösungen für Probleme zu finden.
- Das alte Paradigma: Ich mache, dass die Tiere etwas tun.
- Das neue Paradigma: Ich lasse die Tiere tun, was ich will.
*
"So wie wir mit den Tieren umgehen, so gehen auch die Tiere (in der
Herde) miteinander um (ruhig oder nervös/aggressiv)."
Heute
werden fast alle Rinder enthornt,
weil das für die Sicherheit nötig sei - in Wahrheit nur, weil
ungeeignete, nervöse und ungeduldige Tierhalter lieber Tiere
verstümmeln, als ihr Verhalten zu ändern. Wenn es nicht
funktioniert, sind - nach altem Paradigma - immer die dummen
Rindviehcher schuld.
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