30. August 2013, aktualisiert im Mai 2014

Mafioser Streit um die Kalbfleischfarbe

von Erwin Kessler, Präsident VgT.ch


Gemälde von Rudolf Koller: "Mädchen mit Kalb"

Früher wurden Kälber schon klein geschlachtet. Da war das Fleisch noch natürlich hell. Damit mehr Fleisch am Knochen ist, werden heute Kälber halbjährig geschlachtet - grosse Tiere, schon eher ein Jungrind als ein Kalb. Das Fleisch ist dann natürlich dunkel-rosa bis rot.

Geblieben ist die Vorstellung, Kalbfleisch müsse weiss bis hellrosa sein, sonst sei es Rindfleisch.

Um eine helle Farbe auch bei älteren Kälbern zu erzwingen, werden diese bewusst mangelernährt, so dass sie blutarm (anämisch, Eisenmangel) sind, also krank. Als Folge entstehen oft sehr schmerzhafte Magengeschwüre.

Seit Jahrzehnten wird über diese Tierquälerei diskutiert. Und wie immer wenn das Tierwohl im Konflikt steht mit den Profit-Interessen der Fleischmafia, wird die Mafia geschützt, nicht die Tiere.

Das hat nun allerdings das Kalbfleisch langsam aber sicher in Verruf gebracht. Der Konsum ging zurück, in den USA ist er ganz zusammengebrochen.

Um dem entgegenzuwirken, wurde die Tierschutzverordnung so verschärft (Art 37):

Kälbern, die mehr als zwei Wochen alt sind, muss Heu, Mais oder anderes geeignetes Futter, das die Rohfaserversorgung gewährleistet, zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen. Stroh allein gilt nicht als geeignetes Futter.

 Das verhindert Mangelernährung und führt zu natürlich rotem Fleisch.

Damit, so sollte man meinen, wäre die Kalbfleischfarbe kein (Streit-)Thema mehr. Weit gefehlt, und jetzt kommt das, was Sie noch nie in anderen Medien erfahren haben, auch nicht in der kürzlichen Kassensturz-Sendung im Schweizer Staatsfernsehen, die ganz der Kalbfleischfarbe gewidmet war.

Warum? Weil die Öffentlichkeit gewisse peinliche Tatsachen und der Einfluss der Fleischmafia auf das Bundesamt für Veterinärwesen und auf die nicht vom Volk gewählte, von Interessenklüngeln gesteuerte Landesregierung (Bundesrat) nicht erfahren soll.

Was wird nun zum Thema Kalbfleisch in sämtlichen Medien (mit einer einzigen Ausnahme, man höre und staune: nur der Schweizer Bauer veröffentlichte meinen Leserbrief zu diesem Thema) unterdrückt, das der VgT aufgedeckt hat? Warum kann sich die Fleischbranche weiter darüber streiten, ob helles oder natürlich rotes Kalbfleisch produziert werden soll, wo doch die Mangelernährung klar verboten ist?

Antwort: Das Bundesamt für Veterinärwesen hat in einer Amtsverordnung (Verordnung über die Haltung von Nutztieren und Haustieren) die Vorgaben der (juristisch höher stehenden) Tierschutzverordnung kompetenzüberschreitend so verändert, dass die Heufütterungsvorschrift nicht kontrollierbar ist. Wie? Ganz einfach: Entgegen der klaren Vorschrift in der Tierschutzvorschrift müssen die Kälbermäster nun nur zeitweilig Heu füttern!

In "Artikel 11 Fütterung der Kälber" dieser Amtsverordnung heisst es:

Steht Stroh zur Raufutteraufnahme dauernd zur Verfügung, so kann anderes geeignetes Futter, das die Rohfaserversorgung gewährleistet, täglich limitiert zur Verfügung gestellt werden.

Und das, obwohl in der Tierschutzverordnung ausdrücklich und ganz richtig steht, dass Stroh kein geeignetes Futter für Kälber ist.

Wie soll dieses "limitierte" Angebot an geeignetem Futter kontrolliert werden? Unmöglich. Immer wenn eine Kontroller stattfindet, darf es ja momentan grad nur Stroh haben. Diese Aufweichung der klaren Vorschrift der Tierschutzvorschriften hat keinen anderen Zweck, als der Agrolobby weiterhin ungestraft die tierquälerische Mangelernährung von Kälbern zu ermöglichen, um helles Kalbfleisch zu produzieren!

Deshalb bleiben nun einige Vertreter der Fleischbranche weiter bei hellem Kalbfleisch, sprich: Mangelfütterung, damit sich das teurere Kalbfleisch visuell deutlich vom billigeren Rindfleisch unterscheidet. Mäster, die sich an die Tierschutzvorschriften halten, erhalten Preisabzüge für rötliches Kalbfleisch. Für die Gesellschaft der Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte führt diese Preispolitik zu einer Umgehung des Tierschutzes. Deshalb fordern die Tierärzte die Abschaffung des Abzuges für rötliches Kalbfleisch. "Aus tierärztlicher Sicht dürfte es überhaupt keine Abzüge geben - weder für rötliches noch für rotes Fleisch. Bei Tieren lässt sich nicht programmieren, wie viel Eisen ihr Körper aufnimmt." Nachdem Vertreter der Agromafia im BVET (neu: BLV) ein so komfortables Schlupfloch zur Verfügung gestellt haben, um die Tierschutzverordnung zu umgehen, wird diese Forderung der Tierärtze ein frommer Wunsch bleiben.

So funktioniert der reale Rechtsstaat Schweiz. Volksentscheide bleiben wie das Tierschutzgesetz toter Buchstabe, wenn gewisse Interessenklüngel, die im Parlament und beim Bundesrat genug Einfluss haben, es so wollen.

Beim Kalbfleisch hat es jeder Konsument einfach in der Hand, dieses mafiose Spielchen zu boykottieren und sich nicht ständig mit verlogener Werbung hereinlegen zu lassen, nämlich mit einer vollwertigen veganen Ernährung - der Gesundheit, den Tieren und der Umwelt zuliebe. 


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