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Immer wieder behaupten Kaninchenzüchter, dass eine Gruppenhaltung von
Kaninchen nicht möglich sei. Gerade kürzlich hat Sepp Eicher, Präsident
des Kaninchenzüchterverbandes Russenkaninchen Schweiz in einem
Interview behauptet, "er
kenne mehrere Fälle, wo es wiederholt versucht worden sei, Kaninchen
zusammen zu halten mit dem Resultat, dass die Kaninchen danach
abgebissene Hoden oder Ohren gehabt hätten oder sogar „kaputt“ gingen,
weil sie in Höhlen gejüngelt hätten."
Es sind immer die gleichen faulen Ausreden und Einwände, die diese egoistischen
und bequemen Kaninchenzüchter vorbringen und sich dadurch auch noch als
fürsorgliche Tierhalter darstellen, die nicht möchten, dass ihren
Schützlingen etwas zustösst.
In Wahrheit zeigen solche Aussagen jedoch nur, wie wenig sie sich mit
Kaninchen auskennen und dass sie sich nie die Mühe gemacht haben, sich
zugunsten ihrer Tiere gründlich zu informieren.
Unsere Hauskaninchen stammen vom europäischen Wildkaninchen ab und haben
deren angeborenen Bedürfnisse und Verhaltensweisen noch weitgehend
erhalten. Wildkaninchen
leben in grossen Gruppen/Familienverbänden in unterirdischen Bauten. Rund
um diese Bauten verteidigen sie gemeinsam ihr Revier. Kaninchen zeigen
Artgenossen gegenüber ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten, wobei es
innerhalb einer Gruppe eine klare Ordnung von ranghöheren und
rangtieferen Tieren gibt. Innerhalb dieser Gruppen bilden Kaninchen
feste Paargemeinschaften. Die Tatsache, dass Kaninchen in
freier Wildbahn niemals allein leben und feste Partnerschaften eingehen,
sollte jedem Tierfreund und Kaninchenhalter deutlich machen, dass
Kaninchen in Einzelhaltung nicht glücklich sein können!
Es trifft zu, dass die Vergesellschaftung von Kaninchen nicht immer
ganz einfach ist. Kaninchen, die ihr Leben lang isoliert in Kästen
gehalten wurden, haben oft massive psychische Störungen, was eine
Vergesellschaftung zusätzlich erschweren kann. Trotzdem ist es auch in
solchen Fällen möglich, die Tiere artgerecht zu zweit oder in Gruppen zu
halten, wenn man sich die Mühe macht, sich gründlich zu informieren und
einige Punkte beachtet:
Die richtige
Partnerwahl: Bei der Partnerwahl sollte unbedingt darauf geachtet
werden, dass die Tiere sich gut ergänzen. Zwei sehr dominante Kaninchen
werden sich nicht verstehen und auch zwei sehr unterwürfige Tiere können
ein Problem miteinander haben, weil sie mitunter sehr nervös sind, wenn
ein Leittier fehlt. Es ist deshalb sehr wichtig bei der Zusammenstellung
einer Kaninchengruppe darauf zu achten, Tiere zu wählen, die vom
Charakter her gut zueinander passen.
Die ideale Kombination wäre je ein kastrierter Rammler (Männchen) mit einem
Weibchen.
Diese Kombination entspricht am ehesten der natürlichen Lebensweise der
Kaninchen. Paare gehen liebevoll miteinander um und werden häufiger beim
Kuscheln und bei gegenseitiger Fellpflege beobachtet als
gleichgeschlechtliche Kaninchen. Ausgewachsene Weibchen können recht
dominant sein, deshalb sollte der Rammler idealerweise älter oder gleich
alt sein. Jüngere und dadurch noch unerfahrene oder schüchterne Rammler
könnten von Weibchen, die sehr darauf aus sind, ihr Revier zu
verteidigen, heftig angegriffen werden!
Eine reine Weibchengruppe funktioniert in den meisten Fällen nicht. Da
Weibchen im Zuge der Geschlechtsreife dominanter und zickiger werden als
Rammler, kann das in einer Weibchengruppe zu massiven
Rangproblemen führen.
Möchte man eine Grossgruppe halten, sind mehrere Rammler mit mehreren
Weibchen eine gute Möglichkeit. Am besten funktioniert eine Grossgruppe,
bei der es die gleiche Menge Tiere jeden Geschlechtes gibt oder bei der
die Anzahl der kastrierten Rammlern überwiegt.
Ort der Vergesellschaftung: Es ist nicht ratsam, zwei oder mehrere Kaninchen einfach in ein bereits bewohntes Gehege oder Käfig zu setzen. Kaninchen sind sehr revierbezogen und vor allem Weibchen verteidigen ihr Terrain massiv. Von einer Vergesellschaftung im Gehege eines Weibchens ist deshalb dringend abzuraten. Am besten eignet sich für die erste Begegnung und die Zeit des Kennenlernens ein neutrales Gehege, weil dann keines der Kaninchen ein Revier zu verteidigen hat. Wichtig ist, dass es mit genügend Versteck- und Ausweichmöglichkeiten ausgestattet und gross genug ist, dass sich die Tiere auch aus dem Weg gehen können. Es sollten niemals Häuschen oder Unterschlüpfe mit nur einem Ein-/Ausgang verwendet werden! Wenn ein rangniedriegres oder im Kampf unterlegenes Kaninchen in so einem Haus Zuflucht sucht und vom ranghöheren Tier bedrängt wird, hat es keine Fluchtmöglichkeit und es kann zu schlimmen Beissereien kommen.
Eine einfache Möglichkeit ist es, mehrere grosse Kartonschachteln ins Gehege zu stellen, in die man drei bis vier Ein- bzw. Ausgänge schneidet. Ebenfalls geeignet sind Etagen und auch große Korkröhren, durch welche die Tiere hindurch rennen können. Für jedes Kaninchen muss mindestens ein Unterschlupf vorhanden sein! Die Versteckmöglichkeiten sind wichtig, damit die Kaninchen sich dort sicher und geschützt entspannen und ausruhen und der permanenten Begegnung mit dem neuen Artgenossen ausweichen können.
Die Rolle des Menschen: Die Vergesellschaftung von Kaninchen
sieht für uns Menschen häufig brutal aus. Es ist jedoch völlig normal,
dass sich die Tiere zu Beginn durch das Gehege jagen, sich am Fell
ziehen, sich angreifen, berammeln oder sogar auch mal ineinander
verbeissen, so dass Fellbüschel fliegen.
Dieses Verhalten ist aber für
Kaninchen längst nicht so dramatisch, wie es auf uns wirkt. Sie klären so
einfach ihre Rangordnung, um später zu
einer gut funktionierenden Gruppe zu werden. Auch wenn das
Zusammentreffen der Tiere in der ersten Zeit wild, laut und bedrohlich
wirkt und Fellbüschel fliegen, ist es ganz wichtig, dass der Mensch nicht
vorschnell eingreift! Diese Phase der Vergesellschaftung kann von
wenigen Stunden bis mehrere Tage dauern. In dieser Zeit jagen sich die
Kaninchen immer wieder durch das Gehege, sitzen dann teilweise sehr
erschöpft in ihren Verstecken, bevor das Ganze wieder von vorne los
geht. Wichtig ist, dass es überall im Gehege Wassernäpfe und Futter
verteilt hat, damit auch ein erschöpftes oder sehr ängstliches Kaninchen
die Möglichkeit hat, sich zwischendurch zu stärken.
Viele Halter machen den Fehler, zu menschlich zu reagieren. Sie
versuchen das rangniedrigere und schwächere Kaninchen zu beschüzen oder
trennen die Tiere aus Mitleid wieder, damit sie sich erholen
können. Die Vergesellschaftung zu unterbrechen ist jedoch der schlimmste
Fehler, weil die Kaninchen so ihre Rangordnung nicht abschliessend
klären können und bei einem erneuten Zusammenkommen von neu anfangen
müssen.
Solche Unterbrechungen (auch wenn die Tiere über Nacht getrennt werden)
können sogar dazu führen, dass eine erfolgreiche Vergesellschaftung
verhindert wird.
Bis zwei Kaninchen ihre Rangordnung defintiv ausgemacht haben,
kann es manchmal Tage oder sogar Wochen dauern. Vor allem dann, wenn ein
Kaninchen zuvor jahrelang alleine dahinvegetierte und die Regeln in
einem Kaninchenverband völlig neu erlernen muss. Jeder Kaninchenhalter
sollte seinem Tier die Zeit geben, die es braucht und daran denken, dass
die grausam aussehenden Rangkämpfe nötig sind, weil jedes Tier in einer
Gruppe so seinen geeigneten Platz findet und dadurch schlussendlich ein
glückliches und zufriedenes Kaninchenleben führen kann.
Wenn all diese Punkte beachtet werden, kann es in ganz seltenen Fällen
trotzdem mal vorkommen, dass ein Kaninchenhalter eingreiffen muss,
nämlich dann, wenn die Kaninchen derart aufeinander losgehen, dass es zu
blutigen und lebensbedrohlichen Kämpfen kommt. In diesem Fall sollten
die Tiere für mindestens zwei Wochen komplett getrennt werden und sich weder
sehen noch riechen dürfen. Danach kann eine Vergesellschaftung auf
neutralem Terrain nochmals versucht werden. Klappt es erneut nicht,
sollte man auch anerkennen, dass einfach nicht alle Tiere zusammen
passen und für die betroffenen Kaninchen nach einem passenderen Partner
oder einer besser geeigneten Gruppe suchen.
Werden diese Informationen beachtet, ist es in jedem
Fall möglich, Kaninchen erfolgreich und verletzungsfrei zu
vergesellschaften. Es braucht lediglich ein
bisschen Verständnis und Geduld. Etwas, was wohl von jedem
Tierhalter erwartet werden darf!
Wenn Züchter behaupten, es sei nicht möglich, Kaninchen zusammen zu halten, weil dies zu schlimmen Verletzungen führe, dann ist das eine Lüge. Wer solche Erfahrungen macht mit seinen Tieren, hat sich schlichtweg zu wenig informiert und ist die Vergesellschaftung falsch angegangen. Es gibt keinen einzigen Grund, der es rechtfertigt, Kaninchen einzeln zu halten und damit ihre angeborenen Bedürfnisse nach Sozialkontakten zu ignorieren und zu unterdrücken. |
Wer einmal die Gelegenheit hat, Kaninchen in einer Gruppe zu beobachten, wie die Tiere miteinander kuscheln, sich gegenseitig das Fell pflegen, kommunizieren, zusammen herum toben und spielen, wird verstehen, warum Einzelhaltung von Kaninchen eine grausame Tierquälerei ist, die längstens verboten gehört. Deshalb besteht unter den Tierschutzorganisationen und unabhängigen Fachleuten schon lange ein Konsens, dass die Käfig- und insbesondere auch die Einzelhaltung dringend verboten werden müsste. Nach den Vorgaben des Tierschutzesetzes besteht eigentlich ein solches Verbot bereits juristisch genügend. Der Schweizerische Bundesrat erlaubt aber diese Tierquälere rechtswidrig in seiner Tierschutzverordndung.
Stellungnahme von Tierarzt Dr Morgenegg
Weitere wertvolle Informationen über die Vergesellschaftung von Kaninchen findet man bei Ruth Morgenegg http://www.nagerstation.ch/ und in ihrem Buch "Artgerechte Haltung - ein Grundrecht auch für (Zwerg-) Kaninchen