26.November 2015
(Rebi) Um uns einen Eindruck über den Wissensstand der
Bevölkerung zu machen, und näher am Zielpublikum „Konsument“ zu sein,
starteten wir in diesem Jahr eine Serie von Standaktionen in
verschiedenen Städten der Schweiz. Es gibt immer noch viel zu viele
Mitbürger und Mitbürgerinnen, welche sich einfach nicht vorstellen
können - oder vielleicht nicht möchten - dass es auch in der Schweiz
schlimme und desaströse Missstände in der „Nutztierhaltung“ gibt. Wir
wollen aufklären und gleichzeitig für den veganen Lebensstil werben.
Deshalb beschlossen wir auf der Strasse den direkten Kontakt zum Volk zu
suchen, mit teilweise abenteuerlichen Erlebnissen…
Im April starteten wir bei schönem Wetter unsere
erste Standaktion in Zürich in der Lintheschergasse. Da wir nicht genau
wussten was auf uns zukommen wird, waren wir zugegebenermassen doch
etwas nervös. Deshalb freuten
wir uns umso mehr, über die Unterstützung durch unseren
Präsidenten Erwin Kessler.
Über das halbe Jahr hindurch, verloren wir
zunehmend unsere Nervosität und ersetzten diese mit einem gesunden
Selbstbewusstsein. Auf der Strasse direkt an der „Front“ zu sein ist
sicherlich nicht so einfach wie es vielleicht oftmals den Anschein gegen
Aussen erweckt. Schliesslich reicht es nicht aus, einfach da zu stehen
und ab und an einen Flyer oder ein Heft zu verteilen. Um wirklich etwas
gegen das Leiden der ausgenutzten Tiere in unserer Wirtschaft zu
unternehmen, müssen wir das Gespräch mit den Passanten suchen und
aufklären was das eigene Konsumverhalten verursachen kann. Durch
Gespräche, untermauert von Bildern und dem Aufzeigen von Alternativen,
lassen sich Vorurteile abbauen und neue Türen in ein gewaltfreies Leben
öffnen. Tja, ein guter Gedanke, wenn da nicht manchmal auch mies
gelaunte, oder vermeintlich gestresste Leute unterwegs wären, welche
überhaupt nicht aufgeklärt werden wollen. Was machen wir denn mit diesen
Kandidaten? Um unsere Motivation, den VgT und den Gedanken des
friedlichen Veganismus zu schützen bleibt da nur eine Option, welche uns
aber auch nicht im Geringsten schwerfällt; wir bleiben freundlich, und
blöde Kommentare überhören wir gekonnt. Wir sind keine „frustrierten
Veganer“, welche nur schlechte Stimmung verbreiten wollen. Wir sind
ausgeglichene und fröhliche VgT-Aktivistinnen, welche mit Argumenten und
einem friedlichen Wesen die Menschen für den veganen Lebensstil
begeistern wollen!
Tierleid geht uns alle etwas an!
Es gab so viele tolle Kontakte und Gespräche mit Kindern, Teenagern,
Erwachsenen und Senioren. Es sind Begegnungen welche uns Mut
machen weiter zu kämpfen, sich einzusetzen für die schwächeren Geschöpfe
dieser Welt und einzustehen für unsere Überzeugung. Gespräche mit
Omnivoren, Vegetariern, Veganern oder Rohköstlern, ob männlich oder
weiblich, von jeder Kategorie waren Interessierte dabei. Wobei klar ist,
dass die Gespräche mit Fleischessern und Vegetariern am meisten angestrebt
werden, denn diese gilt es aufzuklären.
Die Tatsache jedoch, dass dieses Thema die unterschiedlichsten
Gruppierungen anspricht, gibt zusätzlich Hoffnung für die Zukunft.
Vegetarier, welche sich Gedanken um den veganen Lebensstil machen oder
bereits auf dem Weg dazu sind, suchten öfters Rat bei uns am Stand. Wie
gut, dass unsere liebenswerte Gina als gelernte Köchin, (und zeitweise
auch Leiterin von veganen Kochkursen) gute Tipps und Tricks zum Kochen
und der Ernährung weitergeben konnte.
Selbst Milchbauern oder Schweinemäster suchten das
Gespräch, welche allesamt anständig und gesittet verliefen. Ein
Schweinemäster, den wir an einer weiteren Standaktion im Juli in Zürich
trafen, räumte uns gegenüber gar gewisse Missstände ein, und befürwortet
die Arbeit des VgT. Auch dem Milchbauer in Winterthur gingen die
Argumente aus, und er musste eingestehen dass in dieser Branche einiges
im Argen liegt.
Besonders erfreulich waren jeweils die Begegnungen mit den Mami‘s oder
Papi‘s und deren Kindern.
Ein schönes Familienbild, denn Kinder sind die Zukunft und sie sollen nicht die gleichen Fehler machen wie die Generationen davor. Dabei erinnere ich mich an eine Begegnung in Luzern. Eine Mutter kam mit ihrem Kleinkind an unseren Stand. Sie suchte nicht den direkten Kontakt, aber schaute gemeinsam mit dem Kind unsere Plakate an. Anhand eines Hühnerplakates erklärte sie ihrem Jungen, warum sie denn die letzte Woche eben keine Eier gekauft hätten. Sie fand gute und einfühlsame Worte, um nicht die Seele ihres Kindes zu belasten. Wie sie uns anschliessend beim Gespräch erstaunlicherweise erzählte, führt ihr Mann ein argentinisches Restaurant. Was da angeboten wird ist offensichtlich (z.B. argentinisches Rindfleisch) und alles andere als Vegan. Umso erstaunter waren wir darüber, dass diese Familie privat scheinbar eine vegane Ernährung vorzieht. Wir haben dem Kind ein schönes Malkärtchen mit freilebenden Kaninchen übergeben und hoffen innig, dass der Junge in der Zukunft aus dem argentinischen- ein veganes Restaurant machen wird.
Gerade nach dieser eindrücklichen Erfahrung waren wir etwas verwundert
über diesen Vorfall; die Stadt Schaffhausen bewilligte uns eine
Standaktion mit der Auflage, es dürften keine grausamen und
schockierenden Bilder gezeigt werden. Diese Anordnung erstaunte uns
insofern, da bis anhin keine Stadtverwaltung so eine Bedingung
aussprach. Wir entschieden uns, exakt dieselben Plakate und Bilder
aufzustellen und auf „Teufel komm raus“ wie gewohnt unseren Stand
aufzubauen. Schliesslich weiss unser Präsident Erwin Kessler rechtlich
genauestens Bescheid, und wollte Einsprache gegen diese Auflagen
einlegen. Bereits während des aufstellen des Standes, wurden wir von
einem freundlichen Polizisten aufgesucht, welcher unser Bildmaterial
sorgfältig prüfte und mit den Worten absegnete: “Unter den Bildern
befindet sich nichts, was man nicht zeigen kann oder nicht zumutbar
wäre. Es ist ja leider so, und das muss der Öffentlichkeit auch gezeigt
werden“.
Während der Aktion besuchte der Polizist unseren Stand und durchstöberte unser Info-Material. Offen und interessiert suchte er das Gespräch und war betroffen über die Zustände die hierzulande anzutreffen sind. Allgemein kann man sagen, dass dies eine oft zu beobachtende Reaktion war. Offensichtlich herrscht leider in unserer Bevölkerung der grosse Irrglaube, wir in der Schweiz hätten die besten Tierschutzgesetze und auf unseren idyllischen Bauernhöfen gehe es allen Tieren gut. So auch die Aussage einer unfreundlichen Passantin in Winterthur „alles Quatsch, es gibt in der Schweiz überhaupt keine Tierfabriken.“ Auf meine Antwort wie sie denn einen Legehennen-Betrieb mit 18‘000 Hühnern beschreiben würde, wusste sie keine Antwort und lief erbost weiter. Vermehrt setzten wir deshalb bei unseren Standaktionen auf das Thema: Lassen sie sich von der Werbung täuschen? Mit unseren Bildern zeigen wir das Verhältnis von der Werbung zur Realität, welche belegen, dass die fröhlichen Werbebilder rein gar nichts mit der Wahrheit zu tun haben und gar einen drastischen Betrug am Konsumenten darstellt.
Öfters besuchten uns auch VgT-Mitglieder am Stand, welche teilweise
schon Jahrzehnte unseren Verein unterstützen und sich freuten, uns
persönlich auf der Strasse anzutreffen. Sie sprachen unserem Präsidenten
ein grosses Dankeschön für seine erfolgreiche Tierschutzarbeit aus. In
dem Zusammenhang wurden wir oft gefragt, wie denn Herr Kessler das alles
nur so lange aushalten würde, die traurigen Bilder und der jahrelange
Kampf gegen Tierquäler, Behörden und Medien. Sie bewundern ihn für
seinen Mut und seine unerschöpfliche Ausdauer. Oftmals wurde auch sein
geradliniger und unbeirrbarer Kurs geschätzt. Aufgrund seiner
Hartnäckigkeit erkämpfte sich Erwin Kessler den VgT-Spot, welcher
mehrmals am Tag im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde – werden
musste. Wir ernteten dafür viel Lob, denn die Menschen sind froh, dass
nicht länger unterdrückt werden kann, was an die Öffentlichkeit muss.
Gerne haben wir in eurem Namen diese schönen, sicherlich wohltuenden
Worte an Erwin Kessler weiter geleitet.
Kritik oder pure Provokation – damit wissen wir
umzugehen
Negative Begegnungen waren zum Glück die absolute Ausnahme. Wir
wollen aber nicht leugnen, dass z.B. auch ein Passant unseren Stand
besuchte, welcher den Stil des VgT’s als „zu extrem und radikal“
empfand. Nun gut, wir nehmen solche Kritik natürlich an und es darf
gerne über diesen Aspekt gesprochen werden, aber den Kurs werden wir
deswegen nicht ändern. Wir empfinden nämlich die Zustände als zu
„extrem“, und die Strafen für Tierquäler als zu wenig „radikal“. Wir
haben diesem jungen Herrn dazu geraten, sich einer Organisation
anzuschliessen, welche mehr seinem „gemässigten“ Stil entspricht. Es
gibt viele verschiedene Wege um sich für Tiere einzusetzen, einen dafür
einzig „Wahren“ zu bestimmen, wollen wir uns nicht rausnehmen.
Ab und an gesellte sich natürlich auch gerne mal ein Provokateur an den
Stand, mit wirklich zu dummen Äusserungen wie: “Hmm, ich kann mich nicht
entscheiden welches Fleisch ich heute zu Mittag essen soll, Hähnchen
oder eine Bratwurst?“. Solche Aussagen muss man als
Standaktion-Aktivistin durchaus einstecken oder überhören können. Da der
Mann aber leider nicht einfach weiter seines Weges ging, haben wir ihn
kurzerhand des Standes verwiesen. Dann ist mir diese Aussage eines
anderen Passanten zu unserer Milchaktion schon deutlich lieber: „Ha, ich
trinke sowieso keine Milch, ich trinke nur Bier“.
Besonderes
Sicherlich eines unserer persönlichen Highlights war die Rettung
einer verletzten Stadttaube in St.Gallen, sie fiel uns durch ihre
„Gehbehinderung“ sofort auf. Den traurigen Anblick von verletzten und
vernachlässigten Stadttauben sind wir nun mittlerweile gewohnt. Ein Bild
welches sich wohl durch die ganze Schweiz zu ziehen scheint. Oftmals
versuchten wir verletzte Tauben einzufangen, sehr zur Belustigung der
vorbeilaufenden Passanten. Am Marktplatz in St.Gallen hatten wir Erfolg
und konnten eine Taube mittels Brotstücken überlisten.
Mit dem kleinen VgT-Cutter, konnten wir ihre
kleinen Füsschen von den Schnüren befreien und zum Glück war es nicht zu
spät, es war noch kein Zeh abgetrennt. Noch einmal drüber streicheln und
dann schnell wieder fliegen lassen, damit sie nicht noch zusätzlich
gestresst wird. Die Standaktion selber war schon sehr gelungen an diesem
Tag, die erfolgreiche Hilfe für die Stadttaube war aber der absolute
Höhepunkt und ein schönes Happy End!
Rückblickend können wir sagen, dass eine Standaktion
durchzuführen eine schöne Art der Aufklärungsarbeit ist. Die Menschen
sind dankbar weil wir so dafür sorgen, dass auf den Strassen und im
Alltag das Leiden der ausgebeuteten Tiere nicht in Vergessenheit gerät.
Sie sind froh wenn Alternativen aufgezeigt werden, oder sie feststellen,
dass sie nicht alleine sind. Trotz des ernsten Themas konnten wir auch
viel lachen. Denn schliesslich sind
wir lebensbejahende und glückliche Veganer. Allgemein mit auf den Weg
geben möchte ich allen Passanten, falls sie wieder einmal auf der
Strasse einem Team begegnen (unabhängig vom Thema); ein freundliches
„Nein Danke“, reicht völlig aus um euch in Ruhe weiterziehen zu lassen.
Dafür braucht es weder Beleidigungen noch ein Ignorieren der Person.
Aber vielleicht ist ja auch das Gegenteil der Fall, und sie möchten
einfach einmal nicht wegschauen und sind offen, sich auf etwas Neues
einzulassen. Aber Vorsicht; es könnte Ihres oder auch das Leben eines
anderen Geschöpfes dieser Erde massgeblich verändern.. zwinker