25. Januar 2018
von Erwin Kessler, Präsident VgT.ch
Die Staatsanwaltschaft darf gegen den verantwortlichen Regierungsrat Schönholzer (FDP) nicht wegen dem Verdacht auf Amtsmissbrauch ermitteln. Der Parteifilz fürchtet offensichtlich und aus gutem Grund, eine Strafuntersuchung könnte zu einer Verurteilung von Kollege Schönholzer führen. Würde stimmen, was zum Entscheid behauptet wird, dass es keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten gebe, dann würde das politische Interessen des Parteifilzes eine Strafuntersuchung mit dem ja angeblich klar voraussehbaren Freispruch verlangen.
Diese Einmischung des Parlamentes in die Justiz verletzt die Gewaltenteilung - ein Grundpfeiler jeder Demokratie. Ein Bundesgesetz ermöglicht das. Aber auf Bundesebene ist es mit der Gewaltenteilung sowieso nicht weit her. Das Parlament kontrolliert die Exekutive (Bundesrat) und die Judikative (Bundesgericht). Umgekehrt hat das Bundesgericht keinerlei Kontrollkompetenz, wenn das Parlament die Verfassung verletzt. Es stellt sich nun die Frage, ob die Thurgauer Justiz nach diesem politischen Eingriff noch handlungsfähig ist im Fall Ulrich Kesselring/Hefenhofen. Fragen die sonst niemand stellt.
Die Behauptung, es gebe keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten, ist denn auch nachweislich gelogen - das war voraussehbar.
Skrupellos gelogen ist die Behauptung des Ratsbüros in der Begründung des Entscheides, es gehe nur um Unterlassung und Duldung und Amtsmissbrauch könne nicht durch Unterlassung oder Duldung begangen werden. Das Gegenteil ist wahr: Amtsmissbrauch liegt vor, wenn eine Amtsperson kraft ihres Amtes vorsätzlich jemandem einen unrechtmässigen Vorteil verschafft. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das geschieht. Es kann auch ein absichtliches Unterlassen einer Amtshandlung sein. Im Fall Hefenhofen liegt aber - entgegen der verlogenen Behauptung von FDP-Kantsonrätin Heidi Grau und ihrer Kollegen nicht bloss Unterlassung und Duldung vor, sondern - klar erwiesen . aktives rechtswidriges Handeln. An einer Medienkonferenz sagte Kantonstierarzt Witzig, die sogenannte "Deeskalationsstrategie" sei mit Departements-Chef Schönholzer abgesprochen gewesen. Eine Absprache ist jedoch mehr als eine Unterlassung oder Duldung, das ist aktives Handeln! Witzig und Schönholzer haben gemeinsam beschlossen, den gewaltbereiten Ulrich Kesselring dadurch zu besänftigen und zufriedenzustellen, dass die Tierschutz-Kontrollen auf dem Hof Kesselring immer Tage im voraus angemeldet wurden, so dass Kesselring vorübergehend aufräumen und tote, kranke und verhungernde Pferde abtransportieren konnte. Ein Mitarbeiter des Veterinäramtes hat an der gleichen Medienkonferenz bestätigt, dass mit diesen angemeldeten Kontrollen die im vergangenen Sommer aufgeflogenen katastrophalen Missstände nicht haben festgestellt werden können.
Mit diesem Vorgehen haben Witzig und Schönholzer dem notorischen Tierquäler eventualvorsätzlich den unrechtmässigen Vorteil verschafft, nicht wegen Tierquälerei belangt zu werden. Das ist klarer Amtsmissbrauch.
Witzig und Schönholzer reagierten auf den von Blick und VgT aufgedeckten Skandal mit der verlogenen Behauptung, solche Missstände hätten bei den Kontrollen nie festgestellt werden können. Dabei wurde zielstrebig verschwiegen, dass alle Kontrollen vorangemeldet waren - das nennt man Lügen mit Halbwahrheiten! Damit versuchten Witzig und Schönholzer die Echtheit der Aufnahmen in Zweifel zu ziehen. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft die Echtheit und Aussagekraft der vom VgT veröffentlichen Aufnahmen offiziell bestätigt.
Verlogen wurde auch die Ablehnung meines Ausstandsbegehrens gegen die FDP-Kantonsrätin Heidi Grau. Allein die Zughörigkeit zur gleichen Partei wie Regierungsrat Schönholzer begründe noch keine Befangenheit. Zielstrebig unterschlug Sie in Interviews und in der Medienmitteilung der Kommission den wahren Grund meines Ausstandsbegehrens: Kurz nachdem der Hefenhofen-Skandal aufflog und sich Schönholzer als inkompetent und unehrlich zeigt und entsprechend kritisiert wurde, beschloss die FDP-Thurgau an einer Parteiversammlung, sich voll und ganz hinter ihren Regierungsrat Schönholzer zu stellen und die Kritik an ihm zurückzuweisen. (Die FDP-Thurgau wusste also sofort von Anfang an, dass Schönholzer alles korrekt und richtig gemacht hat. Andererseits lehnen die gleichen Parteileute immer wieder geforderte Massnahmen ab mit dem stereotypen Hinweis auf die Administrativkommission, deren Ergebnisse abgewartet werden müssten.) Wie sollte nach dieser offiziellen Reinwaschung von Schönholzer durch ihre Partei noch unabhängig und unbefangen über die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen von ihrer Partei bereits Reingewaschenen entscheiden können? Das Bundesgericht geht in konstanter Praxis davon aus, dass Befangenheit nicht erst vorliege, wenn diese erwiesen sei (was praktisch nie möglich wäre), sondern schon wenn der Anschein von Befangenheit bestehe. Das hat die Kommission bei der Abweisung des Ausstandsbegehrens missachtet.
Die Willkür und Verlogenheit dieses Entscheides, Schönholzer vor einer Strafuntersuchung zu schützen, schockiert normale Bürger. Nur wer weiss, wie prinzipiell verlogen und widersprüchlich Parteipolitik funktioniert, war nicht mehr überrascht. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Politiker überdurchschnittlich häufig lügen. Man kann das täglich beobachten. Vor Wahlen und Abstimmungen gehört das Lügen zum ganz normalen politischen Instrumentarium. Die Parteiräson rechtfertigt alles.
Der Thurgauer Politfilz steht jetzt völlig geeint da im gemeinsamen Bekenntnis, dass es nicht sein darf, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen von ihnen eine Untersuchung eröffnen kann. Es sind schliesslich alles Edelmänner, die sich sicher nicht irgendwie strafbar verhalten. Sinngemäss mit dieser Begründung stellte sich auch Jost Rüegg, GP, der sich sonst im Fall Hefenhofen kritisch gibt, hinter diesen Kommissionsentscheid. Die Reihen des Politfilzes wieder mal in grosser Einmütigkeit geschlossen. Dazu passt, dass dieses politische Verbot einer Strafuntersuchung durch die Staatsanwaltschaft von niemandem und mit keinem Rechtsmittel angefochten werden kann. Sehr praktisch für den Parteifilz, aber eine Katastrophe für den Rechtsstaat und für den Tierschutz.
Die ausführliche Dokumentation zum Fall Kesslering/Hefenhofen