3. M�rz 2002

Trotz Verbot breiter Einsatz von Antibitotika
in der K�lber- und Schweinemast

(Quelle: Sonntags-Zeitung vom 3.3.2002)

Antibiotika-Tests: Jede f�nfte Fleischprobe bleibt h�ngen
Migros-Tester spricht von �unhaltbaren Zust�nden� und fordert sofortiges und konsequentes Eingreifen

Laut Sonntags-Zeitung liessen sich bei jedem f�nften Schlachtkalb in den letzten zwei Jahren Antibiotikar�ckst�nde nachweisen - Tendenz steigend. Dies hat die Swiss Quality Testing Services (SQTS), die Qualit�ts�berwachungsstelle der Migros, festgestellt. Roland Dousse, der bei der SQTS den Bereich Fleisch leitet, schl�gt Alarm. Dousse wundert sich, dass niemand Massnahmen ergreifen will. Dabei wies er auf weitere brisante Zahlen hin. So wurden in den letzten vier Monaten von 60 getesteten Wurstk�lbern (Tiere, die kr�nklich oder mager sind) 62 Prozent positiv getestet. Zehn Tiere �berschritten den Toleranzwert. Besorgniserregend ist die Zunahme positiver Tests bei den Schweinen. In den letzten zwei Jahren blieben jeweils drei bis vier Prozent h�ngen; seit Anfang Jahr wurde jedes f�nfte Schwein beanstandet, also 20 Prozent. Die Zahlen des SQTS-Labors sind repr�sentativ - denn die Migros kauft nicht nur Tiere von Exklusiv-Lieferanten, sondern auch von solchen, die ebenfalls Coop, Bell und andere Fleischverarbeiter beliefern.

Das Testergebnis l�sst auf eine breite Antibiotika-Verwendung schliessen


Seit dem 1. Januar 1999 ist Antibiotika als Leistungsf�rderer in der Landwirtschaft verboten, weil sie die Resistenzbildung f�rdern. Laut Bundesamt f�r Veterin�rwesen werden aber immer noch 39 Tonnen Antibiotika in der Landwirtschaft eingesetzt. Vor dem Verbot waren es rund 80 Tonnen gewesen. Allein der Antibiotika-Verbrauch f�r �Einzelbehandlungen� stieg im Jahr 2000 von 15 auf 22 Tonnen.
Die Migros-Zahlen sind nicht die ersten, die aufhorchen lassen: Ignaz Bloch, Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweizer Tier�rzte, weiss von einer neueren Untersuchung im Kanton Baselland, bei der ein Viertel des untersuchten Urins von K�lbern und Schweinen mit Antibiotika kontaminiert war.

Die M�ster sagen, der Einsatz von Antibiotika sei zu erkl�ren: �Die K�lber sind krankheitsanf�lliger geworden�, erkl�rt Fritz Oehrli, Pr�sident des Schweizerischen K�lberm�sterverbands, und f�gt an: �Wir m�ssen K�lber, die an einer Lungenentz�ndung leiden, mit Antibiotika behandeln.�

Beim Bundesamt f�r Veterin�rwesen verweist man auf die gesetzlichen Grenzwerte. Hans-J�rg Heiz, im Amt verantwortlich f�r das �berwachen von Fremdstoffen in tierischen Lebensmitteln, stellt den Schweizer Tierhaltern ein gutes Zeugnis aus: �In den letzten zwei Jahren haben wir nur in ein bis zwei F�llen zu viel Antibiotika im Muskelfleisch gefunden.� Auch Amtsdirektor Ulrich Kihm sieht keine M�glichkeit zu intervenieren. Denn der Einsatz von Arzneimitteln f�r medizinische Zwecke ist legitim.

Die Migros fordert nun eine Senkung der Grenzwerte, im Zweifelsfall bis auf Null, wie SQTS-Direktor Reto Battaglia best�tigt.

Die Sonntags-Zeitung schrieb folgenden Kommentar zu diesem aufgeflogenen Antibiotika-Missbrauch:

Die Giftmischer im eigenen Lande

Armin M�ller �ber den Antibiotika-Missbrauch der Schweizer Fleischproduzenten

Das Importverbot f�r chinesisches Poulet ist eine erstklassige Beruhigungspille f�r die Konsumenten in der Schweiz: �Chinas Landwirte greifen tief in den Giftschrank und in die Apotheke�, heisst es in den Zeitungen, die Kontrollen seien nicht immer so, wie sie sein sollten, die Gesetze lasch. Der Chef des Bundesamtes f�r Gesundheit begr�ndet das Importverbot damit, man wolle �auch das kleinste Risiko ausschalten�. Esst Schweizer Fleisch, denn der Schweizer Bauer ist kein chinesischer Giftmischer, und die Beh�rden tun alles, um auch das geringste Risiko auszuschliessen.
Wie so oft, wenn wir den Sonderfall Schweiz zelebrieren, h�lt das heile Bild einem kritischen Blick und der �berpr�fung an der Realit�t nicht stand. Mindestens jedes f�nfte Kalb wird von den sauberen Schweizer Bauern mit Antibiotika behandelt, bevor es zur Schlachtbank gef�hrt wird. Der vorbeugende Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft ist aber seit 1999 verboten, nur kranke Tiere d�rfen mit tier�rztlicher Erlaubnis behandelt werden. Und die Schweizer K�lber, Rinder, K�he und Schweine sind wohl kaum herdenweise permanent krank und m�ssen mit Antibiotika behandelt werden. Wenn trotzdem in 20 bis 25 Prozent der Tests in den Schlachth�fen Antibiotika-R�ckst�nde entdeckt werden, l�sst das nur einen Schluss zu: In der Schweizer Landwirtschaft wird im grossen Stil Medikamentenmissbrauch betrieben, Antibiotika werden zur Leistungssteigerung eingesetzt, das Gesetz wird nicht durchgesetzt.
Bauernverband, Tier�rzte und vor allem die Beamten des Bundesamtes f�r Veterin�rwesen zeigen lieber mit dem Finger auf chinesische Pouletproduzenten, als vor der eigenen T�re zu kehren. Die Ausreden sind schnell zur Hand, weil jahrelang einge�bt und angewandt: keine Gesundheitsgef�hrdung, weil nicht im Muskelfleisch, Anzweifeln der Messmethoden, Verweis auf strenge Kontrollen und Grenzwerte.
Nichts sehen, nichts h�ren, abwiegeln: Das Motto hat sich bew�hrt. Das Antibiotika-Problem ist seit langem bekannt. 39 Tonnen wurden im Jahr 2000 in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Beh�rden reagieren mit amtstier�rztlichen Kontrollen, die an Veterin�re delegiert werden, die selber teilweise vom Antibiotika-Einsatz leben. Und damit nichts schief gehen kann, werden die Kontrollen angek�ndigt.
Die Schweizer Bauern werden durch die tiefen Preise und den hohen Leistungsdruck leicht zum Griff in die Apotheke verleitet. Die Fleischproduktion hat sich zu einer Industrie entwickelt. Aber so wie die Unternehmer gezwungen werden mussten, ihre stinkenden Kamine zu sanieren und die Produktionsprozesse umweltschonender zu gestalten, m�ssen auch die Fleischproduzenten zu �kologischem Verhalten gezwungen werden, wenn sie es nicht von sich aus tun. Die Konsumenten haben Anspruch auf sauber produziertes Fleisch, sie werden den entsprechenden Preis auch bezahlen.
Die Gefahr, dass durch den massiven Einsatz die Krankheitserreger resistent werden gegen Antibiotika und somit die Medikamente im Notfall nicht mehr wirken, wird kleingeredet. Kritische Wissenschafter warnen schon lange vor den Folgen des unkontrollierten Einsatzes: Die Zahl der resistenten Keime in den Tieren, in der Umwelt - �ber die G�lle und das Abwasser k�nnen sie auch in den Salat gelangen - und im menschlichen K�rper wird schleichend erh�ht und immer weiter verbreitet. Die Verniedlichung des Problems mit dem Argument, die Grenzwerte w�rden nur selten erreicht, muss aufh�ren. Das Gesetz muss zumindest durchgesetzt, wenn n�tig versch�rft werden.
Wir m�ssen handeln, bevor Menschen wegen Antibiotika-resistenter Keime sterben.


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