9. Oktober 2002
Stellen Sie sich vor, Sie schaukeln in einer Hängematte unter Palmen auf einem weißen Sandstrand.
und löffeln genüsslich einen Shrimps-Cocktail. Sie würden nie auf den Gedanken kommen, dass Sie ein Stück Strand, Küste und Meer mitlöffeln und zerstören - und doch ist es so.
Vor einigen Jahren noch galten Shrimps, auch Garnelen genannt als exotischer Luxus. Heute werden sie derart spottbillig angeboten, dass sie in US-Fastfood-Ketten schon als "all you can eat"-Menüs angeboten werden. Wie hat es nun der "freie" Markt geschafft, aus einer Delikatesse Fresstempelmenüs zu machen? Und welchen Preis zahlen wir wirklich dafür?
Shrimps gehören zu den Zehnfusskrebsen, von denen es weltweit cirka 2 000 Arten gibt. Sie werden entweder aus dem Meer gefischt oder in künstlichen Teichanlagen in Küstennähe gezüchtet. Spezielle Shrimpkutter ziehen besonders engmaschige Netze über den Meeresgrund, was enorme Schäden mit sich bringt und die Shrimpfischerei zum weltweit größten Verschwender in der Fischerei macht. Für jede Tonne Shrimps werden circa sieben Tonnen Fisch als nicht verwertbarer "bycatch," tot über Bord gekippt. Die Shrimps haben zwar nur einen zweiprozentigen Anteil der gesamten Weltproduktion an Meeresprodukten, ihre Fischerei ist dabei aber für 30 Prozent des "bycatch" verantwortlich. Unter den "bycatch" fallen dabei nicht nur zahlreiche Fischarten, sondern auch die Seeschildkröte, für die an den US-Küsten die Shrimpfischerei mittlerweile als häufigste Todesursache gilt.
Da den Fangergebnissen der Shrimpkutter Grenzen gesetzt sind, werden die Shrimps immer öfter in künstlichen Teichanlagen gezüchtet. Nun könnte man annehmen, dass diese Art der "Shrimpproduktion" ökologischer sei und die negativen Folgen des "bycatch" umgangen werden können. Dem ist leider nicht so. Im Gegenteil - in zahlreichen tropischen Küstengebieten sind die Shrimpkulturen zu einem gravierenden Ökoproblem geworden. Einerseits werden wertvolle Küstenteile zerstört, um die Shrimpfarmen anzulegen. Die an den Küsten liegenden Mangrovenwälder werden rücksichtslos abgeholzt, was ungeahnte Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt hat. Andererseits ist die Bewirtschaftung der Shrimpfarmen umso umweltschädlicher, je produktiver sie ist. Das heißt, je billiger Shrimps produziert werden, desto mehr intakte Küstenlandschaft wird dazu verbraucht.
Mangroven sind salzwasserresistente Bäume, die je nach Ebbe oder Flut ein weitverzweigtes und labyrinthisches Luft- und Wasserwurzelsystem ausbilden. Die Gewässer im Gewirr der Wurzeln sind ideale Verstecke für den Fischnachwuchs der Meere. Man nimmt an, dass die Nachkommen von etwa zwei Drittel aller im Meer lebenden Fischarten in den Mangroven aufwachsen. Dazu kommt noch der Nachwuchs von Krebsen, Mollusken und natürlich Shrimps. Die Mangroven werden daher auch als „Wiege des Meeres" bezeichnet - ein Eingriff in dieses Ökosystem hat massive Folgen für den Fischreichtum der Weltmeere. Mangrovengebiete bieten aber nicht nur den Tieren Schutz, sondern auch der Küstenbevölkerung. Denn der Mangrovenwald schützt die Küste und somit auch den Strand vor Stürmen, Erosion und Verschlammung. Die durch die tropischen Stürme angeschwollenen Wasserläufe werden gebremst, die im Landesinnere abgetragene Erde, die ins offene Meer treiben würde, kann sich absetzen. Die Wurzeln halten den Strand gegen die anrollenden Wellen des Meeres fest. Wenn dieser "Schutzwall" wegfällt, werden die Sandstrände kleiner und können innerhalb eines Menschenlebens verschwinden. Zusätzlich können Mangroven durch ihr Wurzelsystem die durch die industrialisierte Landwirtschaft auftretenden Phosphate und Nitrate binden und so die exzessive Algenbildung an den Flussmündungen verhindern, die in manchen Fällen zu kilometergroßen "Todeszonen" führt. Außerdem bieten Mangroven für Millionen Küstenbewohner eine nachhaltige Lebensgrundlage. Aus den Bäumen werden Nahrungsmittel, Heilkräuter, Gerbstoffe, Brennholz und Baumaterialien gewonnen.
Wird eine Shrirnpfarm angelegt, werden die Mangroven geschlagen, die natürlich gewundenen Kanäle begradigt und künstliche Teiche angelegt. In diesen Teichen soll eine möglichst hohe Ausbeute an Shrimps gezüchtet werden - mit den altbekannten Methoden der Monokultur. Die Teiche haben keine Verbindung mit dem Meer, also müssen Milliarden Larven aus dem Meer gefischt werden (bycatch 1:9). Es werden tonnenweise Futtermittel eingebracht, und die Shrimps wachsen zu übernatürlicher Dichte, was die Ausbreitung von Infektionen begünstigt.
Damit sich in den Teichen keine Fische halten, werden Gifte benutzt. Zur Beseitigung der Fäkalien und zur Wasserauffrischung muss Süßwasser eingepumpt werden, das in den betreffenden Regionen ein kostbares Gut ist. Damit keine Krankheiten auftreten, werden Antibiotika und Desinfektionsmittel zugesetzt. Die Abwässer gelangen ungefiltert in Boden, Grundwasser und Meer. Stromabwärts von den Shrimpteichen kann nichts mehr gedeihen, das Land ist für Generationen verloren. Nach etwa vier Jahren ist die Verseuchung der Teiche selbst nicht mehr aufzuhalten und ein neuer Teich muss angelegt werden. So frisst sich die Shrimpindustrie durch die Küstenlandschaften - rund die Hälfte der weltweiten Mangrovenbestände ist bereits vernichtet. Internationale Organisationen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds unterstützen diese ausbeuterische Industrie nach Kräften. Schließlich sind die Gewinnmargen phantastisch und der "Verbrauch" von Küstengebieten ist in vielen Ländern gratis. Die Profite wandern zum Teil in private Taschen, zum Teil müssen sie zur Tilgung von Schulden bei der Weltbank verwendet werden.
In Ecuador zB wurden der Shrimpindustrie bereits 70 Prozent der Mangroven geopfert. Dazu kommt, dass die Industrie die auftretenden Probleme gerne verheimlicht oder verniedlicht. Die Sterberate der Shrimps in den Teichen liegt bei 50 Prozent, jährlich kommt eine neue Infektionskrankheit dazu. Mahlzeit.
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Schweiz
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