11. November 2002
Urteilsbegr�ndung des Bundesgerichtes im Postzensur-Prozess
Soeben ist die Urteil des Bundesgerichtes im Postzensur-Prozess erschienen (rote Hervorhebungen durch den VgT):
4C.297/2001 /rnd
Sitzung vom 7. Mai 2002
I. Zivilabteilung
Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Pr�sident,
Corboz, Klett, Nyffeler, Favre,
Gerichtsschreiber Mazan.
Die Schweizerische Post, Viktoriastrasse 21, 3030 Bern,
Beklagte und Berufungskl�gerin,
gegen
Verein gegen Tierfabriken Schweiz VgT, Im B�el 2,
9546 Tuttwil,
Kl�ger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Rodolphe
Spahr, Walchestrasse 27, Postfach 564,
8035 Z�rich.
Auftrag,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22.
M�rz
2001.
Sachverhalt:
A.
Im Dezember 1999 wollte der Verein gegen Tierfabriken (VgT) (nachfolgend:
der
Kl�ger) bei der Hauptpost St. Gallen zwei seiner Publikationen, die
"Vgt-Nachrichten" (Publikationsorgan f�r die Deutschschweiz) und die
"ACUSA-News" (Publikationsorgan f�r die Westschweiz), als unadressierte
Massensendung zur Versendung an alle Haushaltungen �bergeben. Die
"VgT-Nachrichten" und "ACUSA-News" erscheinen viertelj�hrlich und haben
eine
Auflage von 500'000 bzw. 200'000 Exemplaren. Es werden Berichte �ber die
Tierhaltung in der Landwirtschaft publiziert, welche mit Fotos
veranschaulicht werden, Leserbriefe abgedruckt, B�cher �ber das Thema
"Tier"
vorgestellt und vegetarische Rezepte zur Kenntnis gebracht. Die Post
lehnte
den Versand dieser Publikationen ab.
B.
In der Folge beantragte der Kl�ger beim Bezirksgericht Frauenfeld, es sei
festzustellen, dass die Ablehnung des Versands der "VgT-Nachrichten
VN00-1",
der Sonderausgabe "VgT-Nachrichten VN00-1a" sowie der "ACUSA-News AN99-01"
durch die Post widerrechtlich sei. Die Post beantragte, auf die Klage sei
nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. In einem separaten
Entscheid vom 3. April/ 30. Mai 2000 bejahte die Bezirksgerichtliche
Kommission sowohl ihre sachliche wie auch ihre �rtliche Zust�ndigkeit,
�ber
die Feststellungsklage zu befinden. Dieser Zust�ndigkeitsentscheid wurde
nicht angefochten. Mit Urteil vom 22. September/10. November 2000 stellte
die
Bezirksgerichtliche Kommission fest, dass die Verweigerung der Annahme der
erw�hnten Publikationen widerrechtlich erfolgt sei. Dagegen erhob die Post
Berufung ans Obergericht des Kantons Thurgau. Mit Urteil vom 22. M�rz/20.
Juli 2001 best�tigte des Obergericht den Entscheid der
Bezirksgerichtlichen
Kommission.
C.
Mit Berufung vom 14. September 2001 beantragt die Post dem Bundesgericht,
"die Berufung sei gutzuheissen und das Urteil der Vorinstanz aufzuheben".
Der
Kl�ger beantragt im Wesentlichen die Abweisung der Berufung. Auch des
Obergericht des Kantons Thurgau beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erw�gung:
1.
Gem�ss Art. 55 Abs. 1 lit. b OG muss in der Berufung angegeben werden,
welche
Punkte des Entscheides angefochten und welche Ab�nderungen beantragt
werden.
Das Rechtsbegehren, "die Berufung sei gutzuheissen und das Urteil der
Vorinstanz aufzuheben", ist in doppelter Hinsicht unsorgf�ltig formuliert.
Einerseits f�hrt eine Gutheissung der Berufung immer zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheids, so dass die Aufhebung nicht eigens beantragt
werden
muss. Andrerseits w�re es anstelle des unn�tigen Antrages erforderlich
gewesen anzugeben, wie �ber die (Feststellungs-)Klage zu entscheiden sei.
Nach der Rechtsprechung kann aber trotz unsorgf�ltigem Rechtsbegehren auf
eine Berufung eingetreten werden, wenn aus der Begr�ndung der Berufung
ohne
weiteres zu ersehen ist, was der Berufungskl�ger verlangt (BGE 110 II 74
E. 1
S. 78; Messmer/Imboden, Die eidgen�ssischen Rechtsmittel in Zivilsachen,
Z�rich 1992, Rz. 113). Da im vorliegenden Fall klar ist, dass die Post die
vollumf�ngliche Abweisung der Klage verlangt, rechtfertigt es sich, unter
dem
Gesichtspunkt von Art. 55 Abs. 1 lit. b OG auf die Berufung einzutreten.
2.
Wie bereits im Verfahren vor dem Bezirksgericht Frauenfeld bestreitet die
Post auch im vorliegenden Berufungsverfahren die sachliche Zust�ndigkeit
des
Zivilrichters. Das Bezirksgericht Frauenfeld hat mit separatem Beschluss
vom
3. April 2000 seine - sachliche und �rtliche - Zust�ndigkeit bejaht. Die
Post
h�tte dagegen zun�chst Rekurs ans Obergericht des Kantons Thurgau (� 234
Ziff. 3 ZPO/TG) und anschliessend gegen den Rekursentscheid Berufung ans
Bundesgericht erheben k�nnen (Art. 49 Abs. 1 OG). Da sie gegen den
erstinstanzlichen Zust�ndigkeitsentscheid kein Rechtsmittel ergriffen hat,
ist sie mit ihrer Beanstandung in Bezug auf die Zust�ndigkeit der
kantonalen
Zivilgerichte nicht mehr zu h�ren.
Immerhin ist kurz auf die Frage einzugehen, ob das Bundesgericht zur
Beurteilung der vorliegenden Streitsache zust�ndig ist. Diesbez�glich
macht
die Post im Wesentlichen geltend, es sei Sache des Bundesrates als
Verordnungsgeber - und nicht des Bundesgerichtes als
Rechtsprechungsinstanz -
zu bestimmen, ob die Bef�rderung von unadressierten Massensendungen wie
die
"VgT-Nachrichten" bzw. "ACUSA-News" zu den Dienstleistungen zu z�hlen sei,
die von der Post erbracht werden m�ssten. Dieser Einwand ist unbegr�ndet.
Richtig ist vielmehr, dass das Bundesgericht im vorliegenden Fall zu
pr�fen
hat, ob die umstrittene Versendung der "VgT-Nachrichten" und "ACUSA-News"
zu
den Dienstleistungen geh�rt, die gem�ss Art. 4 Abs. 1 der vom Bundesrat
erlassenen Postverordnung (VPG [SR 783.01]) von der Post erbracht werden
m�ssen. Das Bundesgericht masst sich dabei nicht Verordnungskompetenzen
an,
sondern handelt in seiner Eigenschaft als rechtsanwendende Beh�rde. Die
Zust�ndigkeit des Bundesgerichtes ist zu bejahen.
3.
Weiter bestreitet die Post die Aktivlegitimation des Kl�gers. Sie stellt
sich
auf den Standpunkt, der Kl�ger habe die Prisma Medienservice AG
beauftragt,
die Sendungen in alle Haushaltungen zuzustellen. Der Kl�ger habe nicht der
Post, sondern der Prisma Medienservice AG den Auftrag zur Zustellung
erteilt.
Dieser Einwand ist unbegr�ndet. Die Vorinstanz hat f�r das Bundesgericht
verbindlich festgehalten (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die Prisma Medien
Service
AG die "VgT-Nachrichten" und "ACUSA-News" namens des Kl�gers bei der Post
aufgeben wollte. Diese ist daher nicht zu h�ren mit ihrer gegenteiligen
Sachverhaltsdarstellung, die Prisma Medien Service AG sei beauftragt
gewesen,
die Sendungen selbst - bzw. mit allf�lligen Partnerorganisationen -
zuzustellen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Wenn die Prisma Medien Service AG
nach den Feststellungen der Vorinstanz im Namen des Kl�gers die
umstrittenen
Sendungen zur Post brachte, dann hat diese als Vertreterin des Kl�gers
gehandelt und damit diesen berechtigt und verpflichtet (Art. 32 Abs. 1
OR).
Die Aktivlegitimation des Kl�gers ist gegeben.
4.
Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob die Post berechtigt war, den
Transport der "VgT-Nachrichten" und "ACUSA-News" zu verweigern. Die
Vorinstanz bejaht eine Bef�rderungspflicht, weil die Post verpflichtet
sei,
"Zeitungen" und "Zeitschriften" zu einem g�nstigen Tarif zu versenden. Die
Post bestreitet eine Pflicht zur Bef�rderung der erw�hnten Publikationen,
da
es sich bei diesen nicht um "Zeitungen" oder "Zeitschriften" handle.
4.1 Seit dem Inkrafttreten der PTT-Reform per 1. Januar 1998 ist die Post
eine selbst�ndige Anstalt des �ffentlichen Rechts mit Rechtspers�nlichkeit
und Sitz in Bern (Art. 2 Postorganisationsgesetz [SR 783.1]). Die Post ist
damit organisatorisch von der Bundesverwaltung verselbst�ndigt worden (BBl
1996 III 1330). Im Gleichschritt mit der �nderung der Rechtsstellung der
Post
sind deren Dienstleistungen in einem erheblichen Ausmass liberalisiert und
die Kundenbeziehungen neu dem Privatrecht unterstellt worden.
In Bezug auf das Dienstleistungsangebot der Post hat der Gesetzgeber eine
differenzierte Regelung getroffen. Einerseits ist die Post auch nach der
Ausgliederung aus der allgemeinen Bundesverwaltung verpflichtet, eine
fl�chendeckende Grundversorgung mit Post- und
Zahlungsverkehrsdienstleistungen sicherzustellen. Diesbez�glich ist von
Universaldienst die Rede (Art. 2 Postgesetz [PG, SR 783.0]). Dieser wird
mit
Dienstleistungen sichergestellt, die ausschliesslich der Post als
Monopolanbieterin vorbehalten sind (sog. "reservierte Dienste" [Art. 3
Abs. 1
PG]) oder die von der Post in Konkurrenz zu privaten Anbietern im ganzen
Land
erbracht werden m�ssen (sog. "nicht reservierte Dienste" [Art. 4 Abs. 1 PG
und Art. 4 Postverordnung [VPG, SR 783.01]). Anders als bei den
Universaldiensten verh�lt es sich bei den Wettbewerbsdiensten (Art. 9 PG).
Dazu geh�ren alle Dienste, die weder durch das Gesetz den reservierten
oder
durch Bundesratsverordnung den nicht reservierten Diensten zugewiesen
sind.
In diesen Bereichen tritt die Post wie ein Privater auf. Insbesondere ist
die
Post zur Erbringung der Dienste nur berechtigt, nicht aber verpflichtet
(BBl
1996 III S. 1284).
Eine spezielle Regelung hat die Pflicht zur Bef�rderung von Zeitungen und
Zeitschriften erfahren. Zur Erhaltung einer vielf�ltigen Presse ist die
Post
verpflichtet, abonnierte Zeitungen und Zeitschriften zu einem Vorzugspreis
zu
bef�rdern (Art. 15 PG). Die bereits vom Gesetz vorgesehene Pflicht zur
Bef�rderung wurde vom Bundesrat in der Postverordnung konkretisiert. So
bestimmt der Bundesrat, dass die Bef�rderung von Zeitungen und
Zeitschriften
zum nicht reservierten Dienst geh�re (Art. 4 Abs. 1 lit. c VPG). Die Post
ist
somit zur Bef�rderung von Zeitungen und Zeitschriften zu einem
verg�nstigten
Tarif nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet.
4.2 Die Vorzugsbehandlung von "Zeitung" und "Zeitschrift" durch einen
g�nstigeren Zeitungstarif und eine Bef�rderungspflicht bezweckt die
Erhaltung
und F�rderung einer vielf�ltigen Presse (Art. 15 PG). Der Bundesrat hat in
der Verordnung definiert, welche Kriterien eine Publikation erf�llen muss,
um
vom g�nstigen Zeitungstarif zu profitieren (Art. 11 VPG), wobei im
Wesentlichen die Kriterien der fr�heren Verordnung �bernommen wurden (Art.
39
Abs. 1 PVV [AS 1995 S. 5491]). "Zeitungen" oder "Zeitschriften" sind
demnach
zu einem Vorzugspreis zu transportieren, wenn sie viertelj�hrlich
mindestens
einmal erscheinen (lit. a), mit den Beilagen nicht mehr als 1 kg wiegen
(lit.
b), zur Bef�rderung an mindestens 1000 Abonnentinnen und Abonnenten
aufgegeben werden (lit. c), nicht �berwiegend Gesch�fts- und
Reklamezwecken
dienen (lit. d) und in jeder Ausgabe redaktionelle Beitr�ge von wenigstens
15
Prozent aufweisen (lit. e). Ob eine Publikation im Hinblick auf das Ziel
der
Erhaltung einer vielf�ltigen Presse unter die Sonderbestimmungen f�r
"Zeitungen" und "Zeitschriften" f�llt, h�ngt somit nicht vom �usseren
Erscheinungsbild der Schrift ab, sondern von den genannten Kriterien.
Das Bundesgericht hatte bereits verschiedentlich Gelegenheit darzulegen,
dass
Gratisanzeiger - wie die hier zu beurteilenden Publikationen - nicht vom
Vorzugspreis profitierten, weil bei Gratispublikationen definitionsgem�ss
ein
entgeltlicher Abonnementsvertrag fehle (BGE 120 Ib 142 ff. betr. "Obersee
Nachrichten"; Urteil 2A.119/1993 vom 11. M�rz 1994, betr. "Affaires
publiques"). Ferner wurde eine Bef�rderungspflicht zum bevorzugten
Zeitungstarif f�r eine Publikation verneint, die �berwiegend Gesch�fts-
und
Reklamezwecken diente (BGE 120 Ib 150 ff. betr. "Macworld Schweiz"). Da es
sich bei Gratisanzeigern wie den "VgT-Nachrichten" und "ACUSA-News" nicht
um
abonnierte Publikationen gem�ss Art. 11 lit. c VPG handelt, k�nnen sie
nicht
als "Zeitungen" oder "Zeitschriften" im Sinne der Verordnung gelten. Eine
Bef�rderungspflicht der Post gest�tzt auf Art. 4 Abs. 1 lit. c VPG ist
daher
zu verneinen.
Daran �ndert die Auffassung der Vorinstanz nichts, dass eine
Bef�rderungspflicht auch f�r nicht abonnierte Zeitungen bestehe, weil in
Art.
4 Abs. 1 lit. c VPG die Bef�rderung von Zeitungen und Zeitschriften
- und
nicht bloss von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften - dem reservierten
Dienst und damit der von der Post zu gew�hrleistenden Grundversorgung
zugeteilt worden sei. Richtig ist zwar, dass die Verordnung nur von
"Zeitungen und Zeitschriften" spricht (Art. 4 Abs. 1 lit. c VPG), w�hrend
an
verschiedenen anderen Stellen von "abonnierten Zeitungen und
Zeitschriften"
die Rede ist (Art. 4 Abs. 2 VPG, Art. 11 VPG, Art. 15 PG). Daraus kann
aber
nicht abgeleitet werden, dass jedes Presseprodukt eine "Zeitung" oder
"Zeitschrift" ist, deren Verbreitung zur Sicherung der Pressevielfalt von
Staates wegen zu f�rdern ist. Wie bereits ausgef�hrt sind nicht die
�ussere
Erscheinungsform, sondern die in Art. 11 VPG aufgef�hrten Kritierien
massgebend daf�r, ob eine Publikation unter dem Gesichtspunkt der
Pressevielfalt privilegiert zu behandeln ist.
4.3 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass postrechtlich nur
diejenigen Publikationen als "Zeitungen" und "Zeitschriften" gelten,
welche
die von Art. 11 VPG aufgestellten Kriterien erf�llen. Nur diese
Publikationen
kommen im Hinblick auf die Erhaltung und F�rderung einer vielf�ltigen
Presse
in den Genuss des g�nstigen Zeitungstarifs. Und nur bez�glich dieser
Publikationen besteht grunds�tzlich eine Bef�rderungspflicht im Hinblick
auf
die Sicherstellung einer ausreichenden Grundversorgung mit
Postdienstleistungen. Die Bef�rderung von unadressierten Massensendungen
wie
die "VgT-Nachrichten" oder die "ACUSA-News" z�hlen demgegen�ber zu den
Wettbewerbsdiensten. Wie erw�hnt tritt die Post in diesem Bereich wie ein
privater Dienstleister auf. Die Post ist zur Erbringung der Dienste
berechtigt, nicht aber verpflichtet. Aus diesen Gr�nden kann der Post die
Verweigerung, die "VgT-Nachrichten" und die "ACUSA-News" zu
transportieren,
grunds�tzlich nicht vorgeworfen werden.
5.
Nachdem sich ergeben hat, dass die Bef�rderung der "VgT-Nachrichten" und
"ACUSA-News" nicht zu der von der Post obligatorisch zu erbringenden
Grundversorgung (Universaldienst) z�hlt, sondern zu den Dienstleistungen
geh�rt, welche die Post erbringen kann, grunds�tzlich aber nicht erbringen
muss (Wettbewerbsdienst), stellt sich die Frage, ob die Post in ihrer
Eigenschaft als selbst�ndige Anstalt des �ffentlichen Rechts verpflichtet
ist, im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte der B�rger gewisse
Dienstleistungen zu erbringen.
5.1 Das Obergericht des Kantons Thurgau hat dazu im Sinn einer
Alternativbegr�ndung ausgef�hrt, dass die Post in ihrer Eigenschaft als
selbst�ndige Anstalt des �ffentlichen Rechts an die Grundrechte gebunden
sei,
auch wenn sie im Rahmen des Wettbewerbsdienstes als privatrechtlich
handelnde
Anstalt auftrete. Mit ihrer Weigerung, die "VgT-Nachrichten" und die
"ACUSA-News" zu transportieren, verletze die Post die Medienfreiheit,
namentlich die Pressefreiheit. Die Post stellt sich demgegen�ber auf den
Standpunkt, dass sie im Bereich der Wettbewerbsdienste in Konkurrenz zu
Dritten stehe. Wenn die T�tigkeit der Post an strengere Auflagen in Bezug
auf
die Respektierung der Grundrechte gebunden sei, als dies bei Dritten der
Fall
sei, sei sie im Wettbewerb mit privaten Leistungsanbietern benachteiligt.
5.2 Gem�ss Art. 35 Abs. 2 BV ist an die Grundrechte gebunden, wer
staatliche
Aufgaben wahrnimmt. Danach besteht bei der Erf�llung von staatlichen
Aufgaben
eine Grundrechtsbindung, und zwar unabh�ngig davon, ob diese Aufgaben
durch
den Staat oder durch privatrechtliche Organisationen erf�llt werden (BBl.
1997 I S. 193; J�rg Paul M�ller, Allgemeine Bemerkungen zu den
Grundrechten,
in: Th�rer/Aubert/M�ller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Z�rich
2001,
S. 635). Da die Post im hier relevanten Bereich der Wettbewerbsdienste
keine
"staatlichen Aufgaben" wahrnimmt, sondern vielmehr Dienstleistungen
erbringt,
die von jedem anderen Privaten auch erbracht werden k�nnten, f�llt eine
Grundrechtsbindung der Post gest�tzt auf Art. 35 Abs. 2 ausser Betracht.
Nur
im Bereich der Universaldienste kann von der Erf�llung einer staatlichen
Aufgabe (Art. 92 Abs. 2 BV) und dementsprechend auch von einer
Grundrechtsbindung des jeweiligen Dienstleisters ausgegangen werden. Diese
Bindung gilt gem�ss Art. 35 Abs. 2 BV gleichermassen f�r die Post als
�ffentlichrechtliche Anstalt und f�r Private, die in Anwendung von Art. 5
ff.
PG f�r die Erbringung von nicht reservierten Postdiensten der
Konzessionspflicht unterstellt worden sind (vgl. BGE 127 I 84 E. 4b S. 88
f.
als Anwendungsfall eines Privaten, der bei der Erf�llung staatlicher
Aufgaben
an die Grundrechte gebunden ist).
5.3 Wenn eine Grundrechtsbindung nach Art. 35 Abs. 2 BV im vorliegenden
Fall
ausser Betracht f�llt, kann sich die Frage stellen, ob die Post in ihrer
Eigenschaft als selbst�ndige Anstalt des �ffentlichen Rechts gest�tzt auf
Art. 35 Abs. 1 und 3 BV an die Grundrechte gebunden ist, auch wenn sie
unmittelbar keine staatliche Aufgaben wahrnimmt. Entgegen der Auffassung
der
Vorinstanz ist diese Frage zu verneinen. Der Bundesgesetzgeber hat die
Stellung der Post im Bereich der Wettbewerbsdienste eindeutig geregelt.
Einerseits wird im Postgesetz klar bestimmt, dass die Post in diesem
Bereich
- im Gegensatz zum Universaldienst - nicht verpflichtet ist, die
entsprechenden Dienstleistungen zu erbringen. Vielmehr kann die Post ihre
Dienste in Konkurrenz zu privaten Anbieterinnen oder Anbietern im In- und
Ausland anbieten (Art. 9 Abs. 1 PG). Andrerseits sieht das Gesetz vor,
dass
die Post vorbeh�ltlich gesetzlicher Ausnahmen denselben Regeln untersteht
wie
die privaten Anbieter (Art. 9 Abs. 3 PG). Mit der ausdr�cklichen Anordnung
hat der Gesetzgeber klar gewollt, dass die Post im freien Wettbewerb mit
Privaten gleich lange Spiesse haben soll wie die Konkurrenten. Dies ergibt
sich eindeutig auch aus der parlamentarischen Beratung (vgl. AB 1996 N S.
2337 ff. [S. 2339, Votum Baumberger; S. 2340, Votum Hegetschweiler; S.
2341,
Voten Binder und H�mmerli; S. 2342, Votum Christen "...armes �gales
(gleich
lange Spiesse)"; S. 2342, Votum BR Leuenberger). Wenn der
Bundesgesetzgeber
klar angeordnet hat, dass die Post im privaten Wettbewerb zur Erzielung
von
Gewinn wie eine Privatperson t�tig sein und genau den gleichen Regeln
unterstehen soll wie Private (unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen, die
im
vorliegenden Zusammenhang nicht vorgesehen sind), so ist das Bundesgericht
daran gebunden.
5.4 Damit kann festgehalten werden, dass keine Grundrechtsbindung gem�ss
Art.
35 Abs. 2 BV besteht, weil die Post im hier interessierenden Bereich keine
staatlichen Aufgaben wahrnimmt (E. 5.2). Desgleichen f�llt eine spezielle
Grundrechtsbindung der Post in ihrer Eigenschaft als selbst�ndige Anstalt
des
�ffentlichen Rechts ausser Betracht, wie sie in der Literatur teilweise
aus
Art. 35 Abs. 1 und 3 BV abgeleitet wird (Yvo Hangartner,
Grundrechtsbindung
�ffentlicher Unternehmen, AJP 2000, S. 515 ff.), weil der Gesetzgeber klar
bestimmt hat, dass die Post im Bereich der Wettbewerbsdienste gleich
gestellt
ist wie ihre private Konkurrenz (E. 5.3). Wenn aber eine spezielle
Grundrechtsbindung der Post bei der Erbringung der Wettbewerbsdienste
abzulehnen ist, liesse sich eine Bindung an die Grundrechte nur mit einer
Drittwirkung der Grundrechte - d.h. der Geltung der Grundrechte im
Rechtsverkehr der Privaten untereinander - begr�nden. Diese Diskussion ist
im
vorliegenden Fall entbehrlich, weil sich im Folgenden aufgrund rein
privatrechtlicher �berlegungen ergeben wird, dass die Post nicht
berechtigt
war, die Bef�rderung der "VgT-Nachrichten" und "ACUSA-News" zu verweigern.
6.
Eine Transportpflicht der Post, die im Bereich der Wettbewerbsdienste wie
ihre privaten Konkurrenten in den Formen des Privatrechts handelt, besteht
dann, wenn von einem Kontrahierungszwang auszugehen ist.
6.1 Die Privatrechtsordnung beruht auf der Privatautonomie. Im Schuldrecht
wird die Privatautonomie durch die Vertragsfreiheit konkretisiert. Die
Vertragsfreiheit hat verschiedene Aspekte (Abschlussfreiheit,
Partnerwahlfreiheit, Inhaltsfreiheit, Formfreiheit und Aufhebungsfreiheit;
anstatt aller Gauch/Schluep/ Schmid/Rey, Schweizerisches
Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, Band I, 7. Auflage, Z�rich 1998, Rz. 613 ff.). Die
Abschluss- und Partnerwahlfreiheit als Teilaspekte der Vertragsfreiheit
k�nnen ausnahmsweise durch Kontrahierungspflichten eingeschr�nkt werden.
Solche Kontrahierungspflichten beruhen entweder auf Vertrag (in der Regel
einem Vorvertrag) oder gesetzlicher Grundlage (anstatt aller: Ernst A.
Kramer, Berner Kommentar, N. 100 ff. zu Art. 19/20 OR). Im Folgenden
interessieren nur die Kontrahierungspflichten, die auf einer gesetzlichen
Grundlage beruhen.
6.2 Allgemein anerkannt ist, dass sich eine Kontrahierungspflicht aufgrund
einer ausdr�cklichen Gesetzesbestimmung ergeben kann (anstatt aller:
Kramer,
a.a.O., N. 103). Die �berwiegende Zahl der in Betracht fallenden
Tatbest�nde
geh�ren dem �ffentlichen Recht an. Ein anschauliches Beispiel im
vorliegenden
Zusammenhang ist die Kontrahierungspflicht im Bereich der Universaldienste
der Post (Art. 2 ff. PG). Umstritten ist hingegen die Frage, ob sich eine
Kontrahierungspflicht ausserhalb einer ausdr�cklichen gesetzlichen
Grundlage
auch aus allgemeinen Prinzipien des Privatrechtes - insbesondere dem
Schutz
der pers�nlichen Wirtschaftsfreiheit (Art. 28 ZGB) oder der guten Sitten -
ergeben kann.
6.2.1 Im viel beachteten Entscheid Seelig (BGE 80 II 39) hatte das
Bundesgericht die Klage eines Filmkritikers zu beurteilen, dem der Zutritt
zu
einem Kino verweigert worden war. Es verneinte unter Hinweis auf die
Vertragsfreiheit eine Rechtspflicht der Kinoinhaberin, mit dem
missliebigen
Filmkritiker einen Vorstellungsbesuchsvertrag abzuschliessen. Eine
Kontrahierungspflicht k�nne auch nicht aus dem Gebot zur Beachtung der
guten
Sitten abgeleitet werden. Ein solcher Zwang k�nne sich nur in ganz
besonderen
Ausnahmef�llen ergeben, n�mlich dort, wo eine sachlich nicht
gerechtfertigte
Verweigerung des Vertragsabschlusses lebenswichtige Interessen des davon
Betroffenen verletze oder gef�hrde. Davon k�nne f�r den vom Filmkritiker
angestrebten Zutritt zur Filmvorf�hrung keine Rede sein (a.a.O., E. 4 S.
37).
Die Weigerung, mit dem Filmkritiker einen Vertrag abzuschliessen, stelle
auch
keine Verletzung von Art. 28 ZGB dar, da keine Rechtspflicht zum
Vertragabschluss und damit kein widerrechtliches Handeln vorliege (a.a.O.,
E.
5 S. 39 f.). Insbesondere liege auch keine Verletzung der
privatrechtlichen
Pressefreiheit gem�ss Art. 28 ZGB vor. Da die verfassungsrechtliche
Pressefreiheit nach Art. 55 aBV keinen Rechtsanspruch auf die Vermittlung
von
Informationen liefere, k�nne auch aus der privatrechtlichen Pressefreiheit
nach Art. 28 ZGB kein Rechtsanspruch auf einen Vertragsabschluss zum
Besuch
eines Films abgeleitet werden (a.a.O., E. 6 S. 40). Zwar gebe das Vorgehen
der Kinoinhaberin, eine ihr nicht genehme Filmkritik mit der
Ausschliessung
des betreffenden Journalisten zu beantworten, im Hinblick auf die
w�nschbare
Unabh�ngigkeit der Kritik zu gewissen Bedenken Anlass, doch sei diesen
Unzuk�mmlichkeiten auf dem Boden des geltenden Privatrechtes nicht
beizukommen (a.a.O., E. 7 S. 44).
Dieser Entscheid wurde in der Literatur unterschiedlich bewertet.
Ausdr�cklich gebilligt wurde er de lege lata von Eugen Bucher, welcher f�r
eine Kontrahierungspflicht des privaten Kinobetriebers die erforderliche
gesetzliche Grundlage vermisst ("Drittwirkung der Grundrechte?", SJZ
83/1987,
S. 37 ff., S. 42 f.). Demgegen�ber hat Peter J�ggi am Entscheid insoweit
Kritik ge�bt, als darin das �ffentliche Besuchsangebot und damit die
Duldungspflicht des Anbieters zu wenig beachtet worden sei; seines
Erachtens
liesse sich der Ausschluss eines Filmkritikers vom Vorstellungsbesuch
gegen
den Vorwurf einer Verletzung von Art. 28 ZGB und das
Rechtsmissbrauchsverbot
nur halten, wenn mit einer unsachlichen Kritik zu rechnen sei (Bemerkungen
zum Fall Seelig, SJZ 50/1954, S. 353 ff.; �hnlich Emile Thilo, Journal des
Tribunaux, 1955 I 146 ff.). Schliesslich erwuchs dem Entscheid auch aus
grundrechtlicher Sicht Kritik (J�rg Paul M�ller, Elemente einer
schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 50; Peter Saladin,
Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, Bern 1982, S. 72 und 86), auf welche
Diskussion hier aber wie erw�hnt nicht weiter einzugehen ist (vgl. oben,
E.
5.4).
6.2.2 In der Literatur zum allgemeinen Vertragsrecht werden
unterschiedliche
Auffassungen zur Frage der Kontrahierungspflicht vertreten. Eine eher
restriktive Meinung geht dahin, dass f�r eine Kontrahierungspflicht eine -
in
der Regel �ffentlichrechtliche - gesetzliche Grundlage gefordert wird
(Eugen
Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Auflage,
Z�rich 1988, S. 90; neuerdings l�sst dieser Autor allerdings auch Art. 28
ZGB
als gesetzliche Grundlage gelten [Basler Kommentar, N. 7 Vorbemerkungen zu
Art. 1-40]). Mit Zur�ckhaltung bejahen andere Autoren eine
Kontrahierungspflicht ausserhalb ausdr�cklicher gesetzlicher Anordnung
unter
Hinweis auf des Verbot sittenwidrigen Verhaltens, wenn eine lebenswichtige
Leistung grundlos verweigert wird (von Tuhr/Peter, Allgemeiner Teil des
Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, Z�rich 1979, S. 284 f.; Alfred
Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, Bern
1996, Rz. 1507; Pierre Engel, Trait� des obligations en droit suisse, 2.
Auflage, Bern 1997, S. 100). Mit �hnlicher Argumentation wird aus dem
Verbot
sittenwidrigen Verhaltens eine Kontrahierungspflicht abgeleitet, wenn f�r
die
Beschaffung lebenswichtiger Leistungen keine zumutbare Ausweichm�glichkeit
besteht (Gauch/Schluep/Schmid/Rey, a.a.O., Rz. 1114; Sch�nenberger/J�ggi,
Z�rcher Kommentar, N. 541 zu Art. 1 OR; Hans Merz, Vertrag und
Vertragsschluss, 2. Auflage, Freiburg 1992, Rz. 289, S. 153 f.). Noch
einen
Schritt weiter geht die Meinung, dass eine Kontrahierungspflicht nicht
streng
an die Monopolstellung des Unternehmers und die Lebenswichtigkeit der von
ihm
verweigerten G�ter- bzw. Dienstleistung gekoppelt werden sollte. Vielmehr
rechtfertige es sich, anstelle des Erfordernisses der
"Lebensnotwendigkeit"
den gesellschaftlich unabdingbaren "Normalbedarf" und anstelle des
Erfordernisses der "Monopolstellung" bereits eine "marktbeherrschende oder
massgeblich beeinflussende Stellung eines Anbieters" f�r die Annahme einer
Kontrahierungspflicht gen�gen zu lassen (Kramer, a.a.O., N. 110 zu Art.
19-20
OR). Die zuletzt genannte Meinung lehnt sich im Wesentlichen an eine auch
in
der Schweizer Literatur viel zitierte Formel von Franz Bydlinski an.
Danach
darf ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen oder Dienste
�ffentlich in Aussicht gestellt hat, einem zum angesprochenen
Personenkreis
geh�rigen Interessenten, wenn diesem zumutbare Ausweichm�glichkeiten
fehlen,
die zur Befriedigung seines Bedarfs n�tige einschl�gige Leistung und den
sie
vorbereitenden Vertragsschluss ohne sachlich gerechtfertigte Gr�nde nicht
verweigern, wenn es sich um den "Normalbedarf" oder den "Notbedarf"
handelt
(Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwangs, Archiv f�r
civilistische Praxis, Bd. 180/1980, S. 29 ff., insbes. S. 41).
6.3 Vor dem Hintergrund des Meinungsstandes in der Literatur ist seit dem
Entscheid Seelig (BGE 80 II 39) eine Tendenz zur Ausweitung von
Kontrahierungspflichten feststellbar. Heute darf allgemein als anerkannt
gelten, dass eine Kontrahierungspflicht nicht auf die F�lle beschr�nkt
ist,
in denen eine ausdr�ckliche gesetzliche Grundlage vorliegt. Vielmehr kann
sich eine Kontrahierungspflicht auch aus allgemeinen Prinzipien des
Privatrechtes wie dem Verbot sittenwidrigen Verhaltens ergeben. F�r die
Konkretisierung dieses Grundsatzes ist jedoch vorab festzuhalten, dass die
Vertragsfreiheit - und damit auch die Vertragsabschlussfreiheit - als
Element
der Privatautonomie einen ausserordentlich hohen Stellenwert in der
Privatrechtsordnung hat. Da sich Einschr�nkungen der
Vertragsabschlussfreiheit bereits heute in grosser Zahl aus ausdr�cklichen
-
meist �ffentlichrechtlichen - Gesetzesbestimmungen ergeben, haben
Kontrahierungspflichten ausserhalb von ausdr�cklichen gesetzlichen
Anordnungen ausgesprochenen Ausnahmecharakter und k�nnen nur mit grosser
Zur�ckhaltung angenommen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann
jedoch
aus dem Grundsatz des Verbots sittenwidrigen Verhaltens eine
Kontrahierungspflicht abgeleitet werden.
Eine Kontrahierungspflicht auf dieser Grundlage setzt erstens voraus, dass
ein Unternehmer seine Waren oder Dienstleistungen allgemein und �ffentlich
anbietet. Der Bereich des rein privaten G�teraustausches ist von einer
Kontrahierungspflicht zum Vornherein ausgenommen. Zweitens kann sich der
Kontrahierungszwang nur auf G�ter und Dienstleistungen beziehen, die zum
Normalbedarf geh�ren. Dazu z�hlen G�ter und Leistungen, die heute
praktisch
jedermann zur Verf�gung stehen und im Alltag in Anspruch genommen werden.
Die
Beschr�nkung der Kontrahierungspflicht auf "lebenswichtige" - d.h. f�r das
nackte �berleben notwendige - G�ter und Leistungen (so noch BGE 80 II 26
E.
4c S. 37) scheint zu eng. Drittens kann ein Kontrahierungszwang nur
angenommen werden, wenn dem Interessenten aufgrund der starken
Machtstellung
des Anbieters zumutbare Ausweichm�glichkeiten zur Befriedigung seines
Normalbedarfs fehlen. Von einer solchen Machtkonstellation ist dann
auszugehen, wenn entweder nur ein einziger Anbieter zureichend erreichbar
ist, oder wenn sich alle in Frage kommenden Anbieter gegen�ber dem
Interessenten gleichermassen ablehnend verhalten. Und viertens kann von
einer
Kontrahierungspflicht nur dann ausgegangen werden, wenn der Unternehmer
keine
sachlich gerechtfertigten Gr�nde f�r die Verweigerung des
Vertragsabschlusses
anzugeben vermag.
Nur wenn diese vier Voraussetzungen kummulativ erf�llt sind, rechtfertigt
es
sich, die Vertragsabschlussfreiheit ausnahmsweise einzuschr�nken und den
Unternehmer zu verpflichten, mit einem Interessenten einen Vertrag zu den
von
ihm allgemein kundgegeben Bedingungen abzuschliessen.
6.4 Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass Publikationen wie die
"VgT-Nachrichten" und die "ACUSA-News" von der Post normalerweise als
unadressierte Massensendung entgegengenommen und transportiert werden, wie
die Post selbst einr�umt. Das betreffende Dienstleistungsangebot wird in
der
Informationsbrosch�re "Promopost" umschrieben. Es kann daher ohne weiteres
davon ausgegangen werden, dass die Post die vom Kl�ger nachgefragte
Dienstleistung allgemein und �ffentlich angeboten hat.
Ferner kann davon ausgegangen werden, dass die von der Post angebotene
Dienstleistung zum "Normalbedarf" im oben umschriebenen Sinn z�hlt. Die
Versendung von Informations- und Werbepublikationen wird von vielen
Unternehmen und Institutionen nachgefragt, so dass ohne weiteres gesagt
werden kann, dass die von der Post �ffentlich angebotene Dienstleistung
vom
Durchschnittsnachfrager regelm�ssig in Anspruch genommen wird und insofern
zum Normalbedarf z�hlt.
Weiter kann im vorliegenden Fall auch davon ausgegangen werden, dass die
Post
gegen�ber dem Kl�ger als marktstarke - oder sogar marktbeherrschende-
Anbieterin auftritt. Die marktm�chtige Position der Post ergibt sich
einerseits aus dem Umstand, dass diese vor Kurzem aus einem Monopolbetrieb
-
der PTT - hervorgegangen ist und gegen�ber der sich allm�hlich
etablierenden
privaten Konkurrenz eine starke Stellung einnimmt. Andrerseits f�llt unter
diesem Gesichtspunkt auch die heutige Monopolstellung in Teilen des
Universaldienstes und das fl�chendeckende Verteilnetz in Betracht. F�r den
Kl�ger d�rfte es daher nicht oder nur mit unzumutbaren Schwierigkeiten
m�glich gewesen sein, auf einen anderen Anbieter als die Post
auszuweichen,
der bereit und in der Lage gewesen w�re, 500'000 Exemplare der
"VgT-Nachrichten" an Deutschschweizer und 200'000 Exemplare der
"ACUSA-News"
an Westschweizer Haushalte zu verteilen.
Schliesslich kann auch festgehalten werden, dass die Post den Transport
der
fraglichen Publikationen ohne sachliche Gr�nde verweigert hat. Der Hinweis
der Post, die Publikationen w�rden ihrem Ruf schaden und ihre
Gesch�ftst�tigkeit beeintr�chtigen, weil viele Landwirte darin namentlich
kritisch erw�hnt w�rden, �berzeugt nicht. Es ist allgemein bekannt, dass
sich
die Leistungen der Post auf die blosse Verteilung von Sendungen jeglicher
Art
bezieht und beschr�nkt. Mit dem redaktionellen Inhalt der von ihr
bef�rderten
Sendung wird die Post nicht identifiziert. Die Begr�ndung der Post, dass
andere Kunden - die namentlich erw�hnten Landwirte - durch die Bef�rderung
der Publikation ihre Gesch�ftsbeziehungen mit der Beklagten in Frage
stellen
k�nnten, d�rfte kaum zutreffen. Im �brigen behauptet die Post auch nicht,
dass der redaktionelle Inhalt rechtswidrig sei, was als sachlicher Grund
f�r
die Abweisung des Kl�gers zu anerkennen w�re.
Unter diesen Umst�nden stellt die Weigerung der Post, die Publikationen
des
Kl�gers zu transportieren, einen Verstoss gegen die guten Sitten dar. Die
Post w�re daher verpflichtet gewesen, die Sendungen des Kl�gers zu den von
ihr in der Brosch�re "Promopost" �ffentlich und allgemein bekannt
gegebenen
Bedingungen zu bef�rdern.
6.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Post im Bereich der
Wettbewerbsdienste keine staatlichen Aufgaben erf�llt und deshalb nicht an
die Grundrechte gebunden ist. Im Bereich der Wettbewerbsdienste gilt daher
sowohl f�r die Post als auch f�r ihre private Konkurrenz grunds�tzlich die
Vertragsfreiheit und insbesondere auch die Vertragsabschlussfreiheit (E.
6.1). Eine Kontrahierungspflicht ist ausnahmsweise denkbar, wenn sie auf
vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage beruht (E. 6.2).
Als gesetzliche
Grundlage kommen nicht nur ausdr�ckliche gesetzliche Regelungen, sondern
auch
allgemeine privatrechtliche Grunds�tze wie das Verbot des Verstosses gegen
die guten Sitten in Frage (E. 6.3). Im vorliegenden Fall hat die Post mit
ihrer Weigerung, die kl�gerischen Publikatonen zu transportieren, gegen
dieses Verbot verstossen (E. 6.4). Im Ergebnis hat das Obergericht des
Kantons Thurgau somit zutreffend festgehalten, dass die Post zur
Bef�rderung
der "VgT-Nachrichten" und der "ACUSA-News" verpflichtet gewesen w�re.
7.
Die Berufung ist daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und das
angefochtene Urteil ist zu best�tigen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird
die Post kosten- und entsch�digungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159
Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das
Urteil
des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. M�rz 2001 wird best�tigt.
2.
Die Gerichtsgeb�hr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.
3.
Die Beklagte hat den Kl�ger f�r das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 3'000.-- zu entsch�digen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Mai 2002
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Pr�sident: Der Gerichtsschreiber:
Mail an den Verein gegen Tierfabriken
Schweiz
Mail an den Webmaster
http://www.vgt.ch/news2002/021111.htm