Quelle: "Das Freitags-Bit" auf www.pctip.ch
vom 13.12.2002
Sperrt das Internet!
von Bruno Habegger
Vielleicht wähnte sich die Waadtländer Untersuchungsrichterin
Françoise Dessaux beim Abfassen ihrer Briefe in Amerika, dem Land der
grenzenlosen Gedankenfreiheit. Dort ist man unter dem Deckmäntelchen der
Terrorismus-Bekämpfung damit zugange, die Netzbürger an die kurze Leine zu
nehmen. Oder sie orientierte sich an Nordrhein-Westfalen. Dort hat ein deutsches
Gericht erstmals die Sperrung rechtsextremer Sites bestätigt.
Wie auch immer: Jedenfalls versucht sie, die Schweizer Provider zu einer Sperre
zweier missliebiger Internet-Sites zu verknurren. Die Netzbetreiber sollen den
Zugang innert fünf Tagen sperren. Ansonsten droht Strafe. Grund: Gegen den
Betreiber der fraglichen Sites lägen Ehrverletzungsklagen vor.
Die Provider sind entsetzt. Ich auch. Mal abgesehen davon, dass eine Sperre
technisch ein Ding der Unmöglichkeit ist – der Beklagte kann jederzeit
ausweichen, der Surfer einen anderen DNS-Server benutzen – stellt sich die
Frage, ob die Staatsdiener überhaupt wissen, was sie tun. Man stelle sich vor:
Ich sage jemandem auf der Strasse, er sei ein Idiot. Dieser klagt mich wegen
Ehrverletzung ein. Und der Richter lässt daraufhin die Strasse sperren. Oder den
Asphalt an der Stelle herausreissen, wo ich mich beim Aussprechen des Wortes
befunden habe. Absurd!
Dem Arm der Justiz sei hiermit in Erinnerung gerufen: Das Internet ist ein
öffentlicher, bevölkerter Raum. Gesetzesverstösse müssen individuell behandelt
werden. Griffe die Unsitte um sich, wegen irgendwelchen wirrköpfigen Sites
gleich ganze Server zu sperren, sollte jemand eine Volksinitiative zur
Einführung der Scharia lancieren. Schliesslich wäre das Herausschneiden der
Zunge um einiges effizienter als das Beschneiden der DNS-Server von Bluewin und
Sunrise.
Big Brother überall
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