21. November 2003

Beschwerde gegen Bundesamt für Veterinärwesen
betr Anbindehaltung von Pferden

Der VgT hat heute beim Eidgenössischen Volkswirtschafts-Departement folgende Aufsichtsbeschwerde gegen das Bundesamt für Veterinärwesen wegen Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes betreffend der tierquälerischen Anbindehaltung von Pferden eingereicht:


Sehr geehrter Herr Bundesrat Deiss,

Ihr Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) blockiert vorsätzlich den Vollzug des Tierschutzgesetzes betreffend der tierquälerischen Anbindehaltung von Pferden. Wir ersuchen Sie, das BVET anzuweisen, seine Richtlinien zur Pferdehaltung unverzüglich dem geltenden Tierschutzgesetz anzupassen.

Begründung:

Der Bundesrat hat es aus unverständlichen Gründen leider unterlassen, in der Tierschutzverordnung auch den Schutz der Pferde zu regeln. Indessen hat der Bundesrat in seiner Beantwortung der Motion 03.3043 "Öffentliche Gelder an Pferdehalter" von Ständerat Jenny am 9.5.2003 richtig festgestellt:

Für Pferde gelten in Ermangelung von spezifischen Vorschriften in der Tierschutzverordnung die folgenden Grundsatzartikel der Tierschutzgesetzgebung:
- "Tiere sind so zu behandeln, dass ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen wird" (Art 2 Abs 1 TSchG).
- "Wer ein Tier hält, muss es angemessen nähren, pflegen und ihm soweit nötig Unterkunft gewähren" (Art 3 Abs 1 TSchG).
- "Tiere sind so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird" (Art 1 Abs 1 TSchV).
Die Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET) zur Haltung von Pferden, Ponys, Eseln, Maultieren und Mauleseln legen fest, was im Zusammenhang mit diesen Tierarten unter tiergerechter Haltung zu verstehen ist..."

In dieser Aufzählung der massgebenden gesetzlichen Vorschriften hat das BVET, welches diese Stellungnahme des Bundesrates ausgearbeitet hat, sonderbarerweise die folgenden, auch für Pferde wichtigen Vorschriften unterschlagen:

- "Die für ein Tier notwendige Bewegungsfreiheit darf nicht dauernd oder unnötig eingeschränkt werden, wenn damit für das Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind" (Art 3 Abs 2 TSchG).

Gemäss Rechtsgutachten von Prof Niggli von der Universität Freiburg (siehe www.vgt.ch/vn/0303/Gutachten-Niggli.pdf) ist als "unnötig" jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit zu betrachten, die sich sachlich nicht rechtfertigen lässt. Sachlich gerechtfertigt wäre etwa Anbinden während medizinischen Behandlungen und der Fell- bzw Hufpflege, während Futteraufnahme, bei Ausstellungen oder zur Übernachtung auf Wanderritten.

- "Tiere dürfen nicht dauernd angebunden gehalten werden" (Art 1 Abs 3 TSchV).

Die dauernde Anbindehaltung gemäss dieser Bestimmung ist nach Gutachten Niggli ganz allgemein unzulässig. Als "dauernd" hat dabei jede Anbindehaltung zu gelten, bei der für das Pferd kein anderes Haltungssystem vorhanden ist oder ein solches überhaupt nicht oder jeweils nur für kurze Zeit benutzt wird.

In der Richtlinie des BVET wird die Anbindehaltung von Pferden als zwar unerwünscht, aber als in bestehenden Ställen doch erlaubt hingestellt: Einerseits wird unter Hinweis auf Art 3 TSchG festgehalten, die Anbindehaltung sei abzulehnen (Seite 5). Dann wird aber sofort eingeschränkt, (nur) "bei Neu- und Umbauten ist auf Stände zu verzichten" und es werden Mindestabmessungen für "Stände" (das bedeutet in der Fachsprache Anbindehaltung) angegeben. Diese widersprüchliche Darstellung wird von einigen Kantonsveterinären so ausgelegt, als sei die Anbindehaltung zwar unerwünscht, aber erlaubt, und der Verzicht sei freiwillig. Indessen kommt das Gutachten (veröffentlicht unter www.vgt.ch/vn/0303/Gutachten-Niggli.pdf) ganz klar zum Schluss, dass die Anbindehaltung nach geltendem Recht verboten ist.

In Kenntnis des Gutachtens Niggli hat sich das BVET auf unserer Aufforderung hin geweigert, die Pferdehaltungs-Richtlinie dem geltenden Recht anzupassen. Statt dessen wird auf die hängige Revision der Tierschutzverordnung vertröstet. Dieses Verhalten des BVET ist unakzeptabel und pflichtwidrig, denn es ist sachlich nicht gerechtfertigt, die mit dem Gutachten Niggli nun in aller Klarheit festgestellte falsche rechtliche Darstellung der Anbindehaltung in der BVET-Richtlinie auf unbestimmte Zeit weiter bestehen zu lassen, nur weil eine Revision der Tierschutzverordnung hängig ist. Dies kann noch Jahre dauern, zumal auch eine Revision des Tierschutzgestzes geplant ist und nicht anzunehmen ist, dass noch kurz vorher eine Totalrevision der Verordnung in Kraft gesetzt wird. Sinn und Zweck des Instituts der Richtlinien des BVET als unterste Regelungsstufe im Tierschutzrecht ist ja gerade deren leichte und rasche Revidierbarkeit; das BVET hat deshalb Mängel in den Richlinien schneller, nicht langsamer als Verordnungs-Revisionen zu bewerkstelligen!

Diese vorsätzliche Amtspflichtverletzung durch das BVET ist durch ein aufsichtsrechtliches Einschreiten der Departementsleitung zu korrigieren.

Wir ersuchen Sie um speditive Erledigung vorliegender Beschwerde und behalten uns andernfalls eine Beschwerde an die Geschäftsprüfungskommission der Räte  vor.

Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen
Dr Erwin Kessler, Verein gegen Tierfabriken Schweiz VgT


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