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November 2004 St Gallen - ein Tierquäler-Kanton! Entgegnung zu "St Gallen - ein Kanton der Tierquäler? Fachleute widerlegen provokative Behauptung der Voralberger Nachrichten" im St Galler Tagblatt vom 11.11.04 Richtig ist, dass die Zahl der Verurteilungen nichts sagt über den Zustand des Tierschutzes und der Tierquälerei im Kanton. Eine hohe Zahl an Verurteilungen kann verschiedene Ursachen haben. Einmal ist es klar, dass diese Zahl in einem grossen Kanton wie Zürich oder St Gallen höher ist als im Kanton Uri. Ein anderer Grund kann der unterschiedliche Vollzug des eidgenössichen Tierschutzgesetzes sein. Wie auch immer, die Verurteilungen erfolgen jedenfalls hauptsächlich im Heimtierbereich. Gegenüber den landwirtschaftlichen Tierquälern sind die St Galler Behörden meistens auf beiden Augen blind. Anders als die Heimtierhalter haben die landwirtschaftlichen Tierquäler eine starke Lobby hinter sich. (Die Landwirtschaftsvertreter sind in den Parlamenten in Bund und Kanton massiv übervertreten, um die Milliarden-Subventionen zu sichern.) Insbesondere in der Schweine-Zucht- und Mast herrschen im Kanton St Gallen grauenhafte Zustände. Anzeigen verlaufen meistens im Sand. Dies ist teilweise auf die minimalistischen Vorschriften in der Tierschutzverordnung des Bundesrates zurückzuführen, aber auch darauf, dass die wenigen Vorschriften, die es zur Schweinehaltung gibt, von den kantonalen Behörden nicht durchgesetzt werden. In der Schweinehaltung herrschen Zustände wie in Ländern ohne Tierschutzgesetz! Der staatliche Tieranwalt im Kanton Zürich hat sich im Gegensatz zu immer wieder gehörten schwärmerischen Behauptungen NICHT bewährt und ist zumindest in der Nutztierhaltung praktisch ohne jede Wirkung. Der Tieranwalt hat in Zürich vor allem eine Alibifunktion, um die Bevölkerung glauben zu machen, der Tierschutz werde durchgesetzt. Als Tieranwalt wurde ein Jurist ohne jedes tierschützerische Engagement eingesetzt, der dieses Amt offenbar nur als Ergänzung zu seiner nicht ausgelasteten Anwaltskanzlei ausübt. Dazu kommt, dass dieser Tieranwalt nur bezüglich Strafverfahren Kompetenzen hat. Das Strafrecht bewirkt jedoch sehr wenig gegen die verbreiteten Missstände in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die jahrelange, grobe Missachtungen von Tierschutzvorschriften gilt als blosse Übertretungen und wird mit Trinkgeldbussen erledigt. Wirksamer sind verwaltungsrechtliche Verfügungen, die vom Veterinäramt erlassen werden können, um Missstände zu beseitigen. Hier hat der Tieranwalt nichts zu sagen. Deshalb beurteile ich das St Galler Modell, wo das Veterinäramt sowohl strafrechtlich wie auch verwaltungsrechtlich Parteistellung hat und vor Gericht auftreten kann, als weit wirkungsvoller als ein Tieranwalt. Ich habe deshalb dem zuständigen Thurgauer Regierungsrat empfohlen, das St Galler Modell auch im Thurgau einzuführen. Das wäre politisch relativ einfach und rasch möglich. In jedem Fall hängt es aber völlig vom Charakter und der fachlichen Kompetenz der zuständigen Personen -Tieranwalt oder Kantonstierarzt - ab, ob diese rechtlichen Kompetenzen genützt werden. Die Kantonstierärzte haben wenig Handlungsspielraum ohne politische Gefährdung ihres Jobs. Als der St Galler Kantonstierarzt in einer "Arena"-Sendung des Schweizer Fernsehens auf Missstände in der landwirtschaftlichen Tierhaltung hinwies, viel der Präsident des Bauernverbandes, Hansjörg Walter, sofort lautstark ins Wort und drohte im Konsequenzen an. Hier kam ein bisschen an die Öffentlichkeit, was sonst hinter den Kulissen abläuft. Wenn ein Tieranwalt oder ein Kantonstierarzt seine rechtlichen Möglichkeiten nicht nützt, nützt alles nichts. Das ist der Grund, warum die schweizerischen Tierschutzorganisationen schon lange ein Verbandsklage- und Beschwerderecht fordern. Nur so würden die Interessen der Tiere vor Gericht wirksam vertreten. Das weiss auch der Agro-Politfilz; er bekämpft deshalb das Verbandsklagerecht vehement. Letztlich ist genau das der Grund, dass die Tierschutzvorschriften weitgehend toter Buchstabe bleiben und in der "sauberen" Schweiz KZ-artige Zustände hinter verschlossenen Türen die Regel sind. Im Thurgau gibt es mehr Schweine als Menschen, aber man sieht sie nicht. Im Kanton St Gallen ist es ähnlich. Und es gibt keine Aussicht auf Besserung. Bundesrat Blocher will die Tierschutzvorschriften für die Landwirtschaft vielmehr ganz abschaffen. Der abnehmende Konsum tierischer Produkte ist die letzte Chance der Millionen ausgebeuteter und missbrauchter Nutztiere. Der VgT empfiehlt deshalb: Essen Sie vegetarisch - Ihrer Gesundheit und den Tieren zuliebe! Erwin Kessler, Verein gegen Tierfabriken Schweiz VgT |