8. April 2005 Ein von der Weltwoche nicht veröffentlichter Leserbrief von VgT-Präsident Erwin Kessler zum Thema Folterung: Die Frage, ob man einen Kidnapper foltern würde, um
das Leben seines Lebenspartners zu retten, geht an der Problematik vorbei.
Ich würde dies tun - und hätte mich danach vor Gericht zu verantworten, was
mir das kleinere Übel wäre. Dennoch bin ich kategorisch dagegen, dass die
Strafuntersuchungsbehörden eine Lizenz zum Foltern erhalten, nicht wegen der
Menschenwürde, sondern weil dies mit Sicherheit missbraucht würde, so wie
alle anderen Mittel ständig missbraucht werden, welche den
Staatsanwaltschaften zur Verfügung stehen. Folter ist etwas zu
Schwerwiegendes, als dass diese dem Missbrauchsrisiko ausgesetzt werden
dürfte. Auch in der Schweiz wird die Justiz immer wieder als Mittel der
Politik missbraucht. Vor diesem realen Hintergrund halte ich es für falsch,
das Folter-Tabu immer nur unter dem Aspekt der "Menschenwürde" zu sehen,
denn dieses Argument überzeugt wenig, sowenig wie das pathetische Postulat,
die Menschenwürde sei unantastbar, dessen Wurzel nicht so humanistisch ist,
wie es den Anschein hat. Das ist wenig mehr als simpler Artegoismus, eine
egozentrische Überhöhung des Homo Sapiens. Viele Individuen dieser Spezies
stehen mit ihrer Niedertracht und Charakterlosigkeit weit unter jedem
anderen Säugetier.
Erwin Kessler |