20. Mai 2005, aktualisiert am 22. November 2005

Kienberg, Kanton Solothurn:

Lebenslänglich an der Kette
- vom Veterinäramt geduldet

Robert Belser in Kienberg hält seine Kühe seit Jahrzehnten in einem dunklen Stall lebenslänglich an der Kette. Eine schwache Glühlampe gibt spährliches Licht, während draussen die Sonne scheint und die Frühlingsblumen auf den grünen Wiesen blühen. Von all dem sehen Belsers Kühe nie etwas. Sie verbringen ihr ganzes trauriges Leben in dem dreckigen, dunklen Loch, das die Bezeichnung "Stall" nicht verdient. Und dieses Elend wird vom Solothurner Veterinäramt schon seit 12 Jahren wissentlich und vorsätzlich geduldet!

 

Nur durch die offene Tür dringt etwas Tageslicht zu den Kühen, die in diesem dunklen Loch ihr ganzes Leben an der Kette verbringen. Ein Hohn auf das Tierschutzgesetz:

Belser rechtfertigt sich damit, er sei berufstätig und habe keine Zeit, um das Vieh auf die Weide zu führen. Belser betreibt eine Agentur der «Schweizer-Mobiliar»-Versicherung. Die Kühe halte er nur als Hobby. Das Tierschutzgesetz gilt aber auch für Hobby-Tierquäler, die keine Zeit für ihre Tiere haben! Nur in besonderen Härtefällen ist nach Bundesrecht eine befristete(!) Ausnahmebewilligung für die Auslaufvorschrift zulässig. Belser betreibt seine tierquälerische Viehhaltung aber schon seit Jahrzehnten, nicht kurzfristig!

Am 19. August 1993 hat der VgT aufgrund eines Hinweises aus der Öffentlichkeit und einer Überprüfung vor Ort beim kantonalen Veterinäramt Anzeige erstattet. Geändert hat sich seither nichts. Die tierschutzfeindliche Solothurner Regierung hat diese Machenschaften des Veterinäramtes all diese Jahre hindurch geschützt und Beschwerden des VgT abgewiesen. Darum halten die katastrophalen Missstände bis heute an.

Am 15. September 1997 reichte der VgT gegen den Tierschutzbeamten Kummli eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch und Missachtung von Tierschutzvorschriften ein, weil er die Missstände bei Belser aktiv deckt.  Artikel 18 der eidgenössischen Tierschutzverordnung verlangt für angebundenes Rindvieh regelmässigen Auslauf. Hierauf wurde gegen Kummli ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen die Tierschutzvorschriften erlassen. Trotz erwiesenem Tatbestand erhob Kummli - auf Kosten der Steuerzahler vom Rechtsdienst des Volkswirtschaftsdepartementes unterstützt - Einsprache gegen diesen Strafbefehl, worauf er vom Präsidenten des Richteramtes Solothurn-Lebern, Frank Urs Müller, freigesprochen wrude. Gegen diesen Freispruch legte die Staatsanwaltschaft am 6. September 1999 Berufung ans Obergericht ein wegen willkürlicher Sachverhaltsfeststellung und willkürlicher Rechtsanwendung. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Bestrafung Kummlis gestützt auf Artikel 29 Ziffer 2 des eidgenössischen Tierschutzgesetzes. Dieser Artikel hat folgenden Wortlaut: "Wer in anderer Weise dem Gesetz oder den darauf beruhenden Vorschriften ... vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Busse bestraft." Vor dem Obergericht ging es nun mit der seit Jahren gewohnten Willkür, mit der Missstände in Staat und Ställen normalerweise gedeckt werden, weiter. Das Obergericht sprach Kummli frei mit der Begründung, der vom Staatsanwalt angeführte Artikel 29 sei zu unbestimmt. Diese Begründung ist nicht nur fadenscheinig, sondern auch ganz klar falsch, denn die Tierschutzverordnung des Kantons Solothurn konkretisiert in §109 den Artikel 29 des eidgenössischen Tierschutzgesetzes. Einmal mehr wurden die Machenschaften des Veterinäramtes mit krasser Justizwillkür gedeckt.

Belser ist kein Einzelfall. Immer wieder hat der VgT im Laufe der Jahre solche Fälle aufgedeckt. Die meisten aber bleiben im Dunkeln. Wie sagte doch schon Berthold Brecht so treffend: Die im Dunkeln sieht man nicht...

Der VgT kämpft schon seit 15 Jahren gegen den Nichtvollzug der Auslaufvorschrift (Artikel 18 der eidg Tierschutzverordnung) im Kanton Solothurn. Auf mehrere Anzeigen gegen Landwirte, welche die Auslaufvorschrift missachteten, teilte uns das Veterinäramt mit, diese Vorschrift werde nur nach Gutdünken angewendet.und die Nichteinhaltung der Auslaufvorschrift werde in vielen Fällen toleriert. Gegen diese rechtswidrige, tierverachtende Praxis erhob der VgT beim Solothurner Regierungsrat Beschwerde und nannte namentlich sieben Landwirte, bei denen das Veterinäramt die Missachtung der Auslaufvorschrift duldete. Gegen die Beschwerde machte das Veterinäramt geltend, von einer konsequenten Durchsetzung der Auslaufvorschriften wären 200 Betriebe betroffen, was als unzumutbar erachtet werde. Ob eine Daueranbindung für die Kühe unzumutbar ist, interessiert das Veterinäramt nicht. Diese 200 Betriebe liessen die gesetzliche zehnjährige Übergangsfrist, nach welcher die Auslaufvorschrift erst definitiv in Kraft trat, tatenlos verstreichen, und das Solothurner Veterinäramt glaubt, für solch skrupellose Landwirte das eidgenössische Tierschutzgesetz eigenmächtig ausser Kraft setzen zu können, was klar rechtswidrig ist. Trotzdem lehnte der Regierungsrat - unterstützt vom korrupten Bundesamt für Veterinärwesen - die Beschwerde mit der lapidaren Behauptung ab; «nur» in 5 bis 10 % aller Landwirtschaftsbetriebe werde die Auslaufvorschrift nicht eingehalten. Als ob das eine Rechtfertigung sein könnte, die Vorschrift bei diesen nicht durchzusetzen. Trotzdem lehnte die Solothurner Regierung die Aufsichtsbeschwerde des VgT am 15. Juni 1993 ab. Darum geht die Missachtung des eidg Tierschutzgesetzes im Kanton Solothurn bis heute weiter. Der Fall Besler zeigt das exemplarisch. 

Die Solothurner Regierung sabotiert das eidgenössische Tierschutzgesetz wo es nur geht. Am 5. Dezember 1995 nahm die Solothurner Regierung zur geplanten Revision der eidgenössischen Tierschutzverordnung ablehnend Stellung. Die (wenigen) geplanten Verbesserungen gingen zu weit und würden entschieden abgelehnt, liess die Solothurner Regierung gegenüber dem Bundesrat verlauten. Dass einer derart tierschutzfeindlichen Regierung ein Veterinäramt, das den Tierschutz verhindert, anstatt pflichtgemäss zu vollziehen, nur recht ist, überrascht nicht, stellt aber eine Bankrotterklärung von Rechtsstaat und Demokratie dar. Das eidgenössische Tierschutzgesetz wurde vor 25 Jahren vom Schweizervolk mit einer überwältigenden Mehrheit gutgeheissen, und dieses Gesetz schreibt vor, dass den Bedürfnissen der Tiere in bestmöglicher Weise Rechnung getragen werden müsse und dass Tierhalter für das Wohlbefinden der Tiere zu sorgen haben. Mit dieser gesetzlichen Vorschrift ist die lebenslängliche Kettenhaltung von Kühen ganz klar nicht vereinbar. Das Tierschutzgesetz bleibt - ganz besonders im Kanton Solothurn - toter Buchstabe, und Tierschutzorganisationen haben kein Klage- und Beschwerderecht.

Wie im jüngsten Kaninchenskandal in Solothurn wird das Veterinäramt wohl auch in Kienberg erst dann etwas gegen die krass tierquälerischen Zustände unternehmen, wenn der VgT den vorliegenden Bericht mit seiner Zeitschrift VgT-Nachrichten in alle Haushaltungen im Kanton Solothurn verteilt.


Nachtrag vom 22. November 2005:

Stall stillgelegt!

Belser hat seine illegale, tierquälerische Viehhaltung endlich aufgegeben. Der Stall ist nun leer und offensichtlich stillgelegt.

Die Gemeinde Kienberg hat dem VgT schriftlich mitgeteilt, der Stall sei "seit Anfangs Mai" stillgelegt. Dies ist eindeutig unwahr. Am 4. Mai hatte es noch Tiere im Stall. Eine Überprüfung hat ergeben, dass der Stall aber jetzt stillgelegt ist.

Dank der Hartnäckigkeit des VgT sind die Tiere in diesem Fall nun erlöst. In allen anderen Fällen, auf die der VgT noch nicht gestossen ist, geht das Tierlend weiter. Gemäss jahrelanger Erfahrung unternimmt das Veterinäramt erst etwas gegen schlimmste MIssstände, wenn der VgT diese hartnäckig an die Öffentlichkeit bringt.


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