23. November 2005
VgT-Erfolg vor Bundesgericht gegen die
Schaffhauser Willkür-Justiz
Das Bundesgericht hat in einem soeben
eingegangenen Entscheid eine Beschwerde des VgT gegen ein Urteil des
Schaffhauser Obergerichtes wegen Verletzung des Legalitätsprinzips
aufgehoben (BGE 1P.464/2005). Die Schaffhauser Steuerzahler müssen
den VgT für die Willkür ihrer Justizorgane mit 2000 Franken
entschädigen.
Zwei Schweinefabrik-Besitzer in Schleitheim -
Stephan Schudel und Mathias Russenberger -, über deren Tierhaltung der
VgT in den VgT-Nachrichten anhand von Fotos berichtete, reichten eine
Klage gegen Unbekannt ein wegen unbefugtem Betreten ihrer
Schweinefabriken. Die Klage richtete sich gegen die unbekannten
Personen, die zu einem unbekannten Zeitpunkt die Fotos gemacht hatten.
Da die "Täter" nicht ermittelt werden konnte, auferlegte der
Schaffhauser Untersuchungsrichter R. Nido die Verfahrenskosten
kurzerhand Erwin Kessler als verantwortlichem Redaktor der
"VgT-Nachrichten" Diese Willkür wurde von Staatsanwalt P. Sticher
gedeckt. Auch das Schaffhauser Obergericht - in der Besetzung Arnold
Marti, Cornelia Stamm Hurter, Rolf Bänziger und Gerichtssekretär Ulrich
Baur - deckte diese politische Justizwillkür gegen den VgT.
Der VgT erhob dagegen Staatsrechtliche Beschwerde
beim Bundesgericht, mit folgender Begründung:
A. Das Obergericht geht krass aktenwidrig und
damit willkürlich davon aus, der Beschwerdeführer (Erwin Kessler) habe
durch sein Verhalten die Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn
veranlasst (wofür ihm Kosten auferlegt werden könnten).
1. Das Obergericht behauptet, der Beschwerdeführer habe durch die
Publikation der Bilder das Verfahren „gegen ihn“ veranlasst. Unter
"ihn" ist der Beschwerdeführer gemeint. Dies steht jedoch im krassen
Gegensatz zu dem, was in der Einstellungsverfügung des
Untersuchungsrichters vom 2. Februar 2005 und im Einsprache-Entscheid
der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen vom 3. März 2005
steht, wonach es nicht um ein Strafverfahren gegen den
Beschwerdeführer, sondern gegen unbekannte Täterschaft gegangen ist.
2. Auch wenn vielleicht am Anfang ein entfernter Tatverdacht gegen den
Beschwerdeführer bestand, wurde er als Auskunftsperson und nicht als
Beschuldigter behandelt. Gemäss obergerichtlichem Urteil machte der
Beschwerdeführer als Auskunftsperson vom Aussageverweigerungsrecht
Gebrauch. Im Befragungsprotokoll der Kantonspolizei Thurgau vom
12.1.2005 wird als Grund der polizeilichen Befragung des
Beschwerdeführers angegeben: "Verdacht des unbefugten Eindringens in
zwei Schweinestallungen...". Dieser Verdacht richtete sich gemäss
Strafantrag und Einstellungsverfügung gegen Unbekannt, mithin nicht
gegen den Beschwerdeführer. Dem Beschwerdeführer wurde bei der
Befragung auch kein Delikt-Vorhalt gemacht.
B. Das Obergericht geht in willkürlicher Rechtsanwendung davon aus,
der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten die
Strafverfolgungsbehörden
"adäquat kausal" zur Einleitung eines Strafverfahrens (gegen ihn)
veranlasst (wofür ihm Kosten auferlegt werden könnten).
3. Das Obergericht behauptet, der Beschwerdeführer habe durch sein
Verhalten die Strafverfolgungsbehörden "adäquat kausal" zur Einleitung
eines Strafverfahrens veranlasst. Die Publikation der Bilder hat das
Verfahren aber höchstens insofern veranlasst, als die betroffenen
Stallbesitzer durch die Zustellung des Artikels zur Stellungnahme
wussten, dass jemand in die Ställe eingedrungen war. Ein solches
Verhalten kann jedoch nicht zur Kostenauferlegung führen, weil es in
keiner Weise widerrechtlich ist. Mit der Zustellung der Bilder hat der
Beschwerdeführer lediglich Forderungen des Presserats Rechnung
getragen, wonach es aus berufsethischen Gründen geboten ist, die
Stellungnahme der Betroffenen einzuholen.
4. Indem der Beschwerdeführer somit für eine korrekte, durch die
Medienfreiheit geschützte Veröffentlichung mit korrekter vorgängiger
Anhörung der Betroffenen willkürlich mit Kosten "bestraft" wurde, ist
die Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit verletzt worden.
C. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer als Auskunftsperson und
Medienschaffender ohne gesetzliche Grundlage mit Verfahrenskosten
belastet und damit gegen das Legalitätsprinzip, das Willkürverbot und
die Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit verstossen.
5. Die Kostenauferlegung stützt sich auf Art. 347 Abs. 1 StPO SH.
Diese Norm gestattet es unter bestimmten Voraussetzungen, die Kosten
einem Beschuldigten aufzuerlegen. Der Beschwerdeführer war aber wie
erwähnt nicht Beschuldigter, sondern Dritter. In seiner
Einstellungsverfügung vom 2.2.05 schreibt der Untersuchungsrichter
ausdrücklich, dass er dem Beschwerdeführer als Präsidenten und
Leitfigur des VgT die Kosten auferlege. Die Schaffhauser
Strafprozessordnung sieht jedoch keine Belastung Dritter mit
Verfahrenskosten vor. Die Ausführungen des Obergerichts Schaffhausen
zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kostenauflage gegenüber
einem Angeschuldigten möglich ist, ignorieren die Gegebenheiten des
vorliegenden Falles. Es fehlt somit an einer gesetzlichen Grundlage,
um den Beschwerdeführer als Auskunftsperson und Medienschaffender mit
Verfahrenskosten zu belasten. Das Obergericht erklärt auf S.6
ausdrücklich, dass dem Beschwerdeführer wegen der Aussageverweigerung
kein Vorwurf gemacht werden könne. Soweit sich diese
Auskunftsverweigerung auf Art. 27bis StGB (Zeugnisverweigerungsrecht
als Medienschaffender) gestützt hat, konnte sich der Beschwerdeführer
sogar auf ein verfassungsmässiges Recht berufen (Art. 17 BV, Art. 10
EMRK). Es handelt sich um eine krasse Verletzung des
Legalitätsprinzips gemäss Art. 5 Abs. 1 BV, die zugleich gegen das
Willkürverbot von Art. 9 BV verstösst.
6. Der Beschwerdeführer ist verantwortlicher Redaktor der vom VgT
herausgegebenen Zeitschrift VgT-Nachrichten. Als Medienschaffender
kann er sich daher auf die Medienfreiheit von Art. 17 BV berufen.
Indem das Obergericht festhält, die Kostenauflage verfüge über eine
rechtliche Grundlage, um in diese Pressefreiheit des Beschwerdeführers
einzugreifen, verletzt es Art. 347 Abs. 1 StPO SH krass und handelt
daher willkürlich.
D. Das Obergericht geht willkürlich davon aus, dass bei bekannter
Täterschaft eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs erfolgt wäre
7. Das Obergericht behauptet, es sei unbestritten, dass die nicht
konkret ermittelte Täterschaft im Juli 2004 Hausfriedensbrüche gemäss
Art. 186 StGB begangen habe. Diese Erwägung ist krass aktenwidrig und
damit willkürlich. In seiner Beschwerdeschrift an das Obergericht
bestreitet der Beschwerdeführer die objektive Tatbestandsmässigkeit
des Hausfriedensbruchs und darüber hinaus hält er den
Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen für gegeben.
8. Indem das Obergericht unterstellt, die vom Beschwerdeführer
veröffentlichten Bilder seien unter Begehung von Hausfriedensbruch
zustande gekommen - womit er sie nicht ohne weiteres verwenden durfte
und daher mit Kosten belastet werden könne -, obwohl die Untersuchung
bis zu dieser Frage gar nicht vorstiess, wendet es das Recht krass
falsch und damit willkürlich an:
Aufgrund der Verfahrenseinstellung wegen unbekannter Täterschaft blieb
die Frage offen, ob die Täterschaft, wenn sie gefunden worden wäre,
wegen Hausfriedensbruchs hätte verurteilt werden können. Beim
Eindringen von Tierschützern in Stallungen im Hinblick auf die
Aufnahme misslicher, wenn nicht sogar tierquälerischer Zustände stellt
sich stets die Frage, ob sie sich nicht auf den Rechtfertigungsgrund
der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können (Franz Riklin:
Zum Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen, in:
Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für
Stefan Trechsel, Schulthess 2002). Denn es ist legitim, auf die
fragwürdige Haltung von Tieren aufmerksam zu machen. Bei der
Interessenabwägung, ob es diesfalls sogar zulässig ist, in eine
Stallung einzudringen und formell einen Hausfriedensbruch zu begehen,
ist zu berücksichtigen, dass das Eindringen in einen Schweinestall
keine schwerwiegende Beeinträchtigung des Hausrechts darstellt, vor
allem wenn wie in casu nicht eingebrochen, nichts beschädigt und
nichts gestohlen wurde, wie das Obergericht festhält. Indem das
Obergericht diese schonende Beschaffung der Aufnahmen als durch das
öffentliche Interesse a priori nicht gerechtfertigt erachtete, verfiel
es in Willkür. Dass das Verfahren wegen Tierquälerei gegen die
betroffenen Stallbesitzer eingestellt worden ist, lässt entgegen der
Auffassung des Obergerichtes nicht automatisch auf das fehlende
öffentliche Interesse an der Publikation der Aufnahmen schliessen. Ein
solcher Automatismus ist willkürlich. Denn es kann auch legitim sein,
Zustände in Stallungen dokumentarisch festzuhalten, um im Fall einer
Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs die Öffentlichkeit zu
informieren, wie schwach entweder die Tierschutzgesetzgebung ist oder
wie schlecht sie umgesetzt wird. In letzterem Sinn beklagt sich denn
auch der VgT in seiner Zeitschrift zum betreffenden Fall. Diese Kritik
ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Tierschutz ein öffentliches
Interesse mit Verfassungsrang darstellt. Es besteht deshalb ein
öffentliches Interesse daran bekannt zu machen, welche Praktiken in
der Tiermast von Bundesrat und Vollzugsbehörden toleriert werden,
welche offensichtlich die Grundsätze des Tierschutzgesetzes
(insbesondere Artikel 1 bis 3) verletzen. Die vom Beschwerdeführer
veröffentlichten Aufnahmen zeigen dies eindrücklich.
9. Zudem geht aus den vom Beschwerdeführer publizierten
Fotos hervor,
dass die Schweine entgegen den Anforderungen der Tierschutzverordnung
gehalten werden. Gemäss Art. 20 Tierschutzverordnung müssen sich
Schweine über längere Zeit mit Stroh, Raufutter oder anderen
geeigneten Gegenständen beschäftigen können, vgl. dazu die Richtlinien
für die Haltung von Schweinen des Bundesamtes für Veterinärwesen BVET
vom 1. Dezember 2003. Eine solche
Beschäftigungsmöglichkeit fehlte zumindest im Zeitpunkt als diese
Fotos gemacht wurden. Anlässlich der angekündigten Kontrolle des
Landwirtschaftsamtes des Kantons Schaffhausen waren diese
Beschäftigungsmöglichkeiten offenbar alibimässig gewährleistet, was
zur Einstellung des Strafverfahrens führte. Gemäss Übergangsbestimmung
vom 14. Mai 1997 Abs. 5 lit. a TSchV müssen sich Sauen, die während
der Galtzeit wie auf den vom Beschwerdeführer publizierten Fotos
ersichtlich in Kastenständen (die noch bis Ende Juni 2007 erlaubt
sind) gehalten werden, täglich ausserhalb der Standplätze bewegen
können (ausgenommen während der ersten zehn Tage nach dem Absetzen)
und für diese tägliche Bewegung muss ausreichend Platz vorhanden sein.
Auch dieser Platz fehlte in der Schweinefabrik Schudel
vorschriftswidrig.
10. Die vom Beschwerdeführer publizierten
Aufnahmen zeigen somit, dass
das Wenige an "Tierschutz", das in der Tierschutzverordnung des
Bundesrates vom Zweck und den Grundsätzen des Tierschutzgesetzes noch
übrig geblieben ist, insbesondere im Kanton Schaffhausen nicht
vollzogen wird. Trotz den durch die fraglichen Aufnahmen belegten
Vorschriftswidrigkeiten wurde die durch die Anzeige des
Beschwerdeführers ausgelöste Untersuchung eingestellt. Dieses
Nichtfunktionieren des Tierschutzvollzuges, gegen welche der
Beschwerdeführer mangels Klage- und Beschwerderecht der Tierschutz-
und Konsumentenschutzorganisationen keine rechtlichen Mittel hat, ist
von erheblichem öffentlichen Interesse. Dies hat das Obergericht
willkürlich verkannt.
11. Das Obergericht verneint ein öffentliches Interesse an den
Aufnahmen einzig aufgrund der Tatsache, dass die Strafuntersuchungen
gegen die beiden Tierfabriken eingestellt wurden. Das Obergericht hat
sich für die Umstände, welche zur Einstellung führten, nicht
interessiert und die entsprechenden Akten nicht beigezogen. Die Frage
des öffentlichen Interesses an den Aufnahmen kann deshalb gar nicht
objektiv beurteilt werden. Die Beweiswürdigung des Obergerichtes ist
deshalb willkürlich.
E. Das Obergericht geht willkürlich und in Verletzung der
Unschuldsvermutung davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach Art.
179quater Abs. 3 StGB strafbar gemacht habe (weshalb die Kostauflage
zu bestätigen sei).
12. Das Obergericht behauptet, der Beschwerdeführer habe sich nach
Art. 179quater Abs. 3 StGB strafbar gemacht, indem er Bilder aus dem
Geheim- und Privatbereich der Kläger veröffentlicht habe.
13. Zu diesem neuen, entscheidtragenden Vorhalt der letzten kantonalen
Instanz konnte sich der Beschwerdeführer nicht äussern. Das
Obergericht
hat dadurch den verfassungsmässigen Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör verletzt.
14. Zudem ist die Rechtsauffassung des Obergerichts krass falsch und
damit willkürlich. Denn es wäre ein starkes Stück, wenn man einen
Schweinestall als "Tatsache aus dem Geheimbereich" oder als "Tatsache
aus dem Privatbereich" der betroffenen Personen bezeichnen würde.
Verwiesen sei beispielsweise auf eine Aussage des Präsidenten des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Luzius Wildhaber, im von
ihm herausgegebenen Internationalen Kommentar zur EMRK, Art. 8
Randziffer 107, wonach es beim Schutz der Wohnung um den Bereich
"privat" gehe, in dem man sich zurückziehen und von der Öffentlichkeit
abgekapselt sein könne. Das betrifft wohl nicht einen mit Schweinen
vollgepferchten Schweinestall.
15. Das Bezirksgericht Frauenfeld hat sich in einem rechtskräftigen
Urteil vom 17. September 2002 in Sachen Schick gegen Hunziker
betreffend Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch
Aufnahmegeräte einem Gutachten von Prof. Franz
Riklin angeschlossen (www.vgt.ch/justizwillkuer/
Riklin_StGB_179quater.pdf) und begründete den Freispruch kurz und
prägnant wie folgt:
"Nach Auffassung des Gerichts betreffen
Tatsachen den Privatbereich eines Menschen nur, wenn sie sich in
dessen häuslicher Umgebung oder in dessen unmittelbarem Umfeld, z.B.
vor der Haustür, im umfriedeten Garten etc. abspielen. Ausserhalb
dieses Schutzbereichs können Tatsachen den Privatbereich einer
Person nur betreffen, wenn sie ohne weiteres dieser bestimmten
Person zugeordnet werden können, wenn also ein enger Bezug zur
Privatsphäre besteht.... Insgesamt ist also der vom Angeklagten
zitierten Auffassung Prof. Dr. Franz Riklins zu folgen, wonach nicht
nachvollziehbar ist, inwiefern das blosse Fotografieren von Tieren
in einem Stall einen Bezug zu dessen Halter aufweisen sollte. Allein
aufgrund der veröffentlichten Fotos ist ein aussenstehender Dritter
nicht in der Lage, einen Bezug zur Geschädigten herzustellen,
weshalb ihr Privatbereich nicht berührt und damit auch nicht
verletzt ist. Der Angeklagte ist deshalb vom Vorwurf der Verletzung
des Geheim- oder Privatbereiches durch Aufnahmegeräte
freizusprechen."
16. Mit der zitierten Feststellung verletzt das
Obergericht auch die Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6
Ziff. 2 EMRK). Denn in Bezug auf dieses Delikt wurde keine
Strafuntersuchung geführt. Die Untersuchung bezog sich nur auf den
Hausfriedensbruch. Ein Strafantrag wegen Verstosses gegen Art.
179quater Abs. 1/3 StGB lag nicht vor. Wenn er gestellt worden wäre,
hätte man separat prüfen müssen, ob die Aufnahmen strafbar waren. Das
waren sie selbst dann nicht automatisch, wenn ein strafbarer
Hausfriedensbruch vorgelegen hätte.
17. Selbst wenn die Aufnahmen deliktisch waren, bliebe offen, wer der
Täter ist. Was den Beschwerdeführer betrifft, steht entgegen der
Auffassung des Schaffhauser Obergerichts, wonach der Beschwerdeführer
mit der deliktischen Beschaffung der Bilder etwas zu tun gehabt oder
zumindest davon gewusst habe, keineswegs fest, ob der Beschwerdeführer
effektiv wusste, wer in den Stallungen Bilder erstellte. Denn auch
diese Thematik war nicht Gegenstand der Untersuchung. Indem das
Obergericht behauptet, etwas anderes sei vernünftigerweise nicht
denkbar, verkennt es krass die Realitäten des Journalismus und handelt
willkürlich. Es kann durchaus vorkommen, etwa bei einer
Amtsgeheimnisverletzung, dass Medien anonym ein Dokument oder Bilder
zugespielt werden. Das Obergericht begründet seine Behauptung, wonach
der Beschwerdeführer "mit der deliktischen Beschaffung" der Fotos
"etwas zu tun gehabt bzw. zumindest davon gewusst habe", einzig und
allein mit der Tatsache, dass "die Bilder nach den Taten zwecks
Veröffentlichung in die Hände des VgT bzw des Beschwerdeführers"
kamen. Damit wird willkürlich
a) der Beschwerdeführer mit dem VgT gleichgesetzt,
b) der Beschwerdeführer der Anstiftung, Mittäterschaft, oder
Gehilfenschaft verdächtigt.
Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Erledigung der vorliegenden
Beschwerde:
Entweder ist die Verdächtigung der Vorinstanz so vage und unbestimmt,
dass darauf kein staatliches Handeln zum Nachteil des
Beschwerdeführers (Kostenauflage) gestützt werden kann oder diese
Verdächtigung ist bestimmt genug, dann verletzte das Obergericht damit
die Unschuldsvermutung gemäss Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2
EMRK.
18. Wenn einem Beschuldigten trotz Verfahrenseinstellung in der
Begründung eines Entscheids direkt oder indirekt vorgeworfen wird, er
habe sich strafbar gemacht bzw. es treffe ihn ein strafrechtliches
Verschulden, weshalb ihm Kosten aufzuerlegen seien, so verstösst eine
solche Kostenauflage gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung gemäss
Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK (BGE 120 Ia 147 E. 3b S.
155; 119 Ia 332 E. 1b, S. 334; 116 Ia 162 E. 2e S. 175). Was für den
Beschuldigten bei Verfahrenseinstellung gilt, muss umso mehr für einen
am Strafverfahren nicht beteiligten Dritten wie den Beschwerdeführer
gelten.
"Wird ein Angeklagter von einem ihm in der Anklageschrift gemachten
Vorwurf freigesprochen, so dürfen ihm die Kosten nicht mit der
Begründung auferlegt werden, er habe objektiv einen anderen
Straftatbestand erfüllt, denn dadurch würde zum Ausdruck gebracht,
dass er sich doch eines Deliktes schuldig gemacht habe." [Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 5.
Auflage, 108.16a]. Dagegen verstösst das Obergericht in Erwägung 3
lit. b) bb) mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe sich dadurch
strafbar gemacht, dass er Bilder aus dem Geheim- und Privatbereich der
Kläger veröffentlicht habe. Und selbst wenn die veröffentlichten Fotos
Art. 179quater Abs. 3 StGB verletzen würden, wäre dies nicht kausal
gewesen für die Einleitung eines Strafverfahrens wegen
Hausfriedensbruch.
F. Das Obergericht geht in willkürlicher Rechtsanwendung davon aus, der
Beschwerdeführer habe mit der Publikation der Bilder gegen die
zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechte der Privatkläger verstossen,
weshalb die Kostenauflage zu bestätigen sei.
19. Das Obergericht behauptet, der
Beschwerdeführer habe mit der Publikation der Bilder gegen die
zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechte der Privatkläger verstossen.
Indem die Vorinstanz annimmt, die Publikation von Bildern misslich
gehaltener Schweine sei eine Persönlichkeitsverletzung des
Schweinehalters, handelte sie krass willkürlich. Bezeichnenderweise
liefert die Vorinstanz für ihren pauschalen Hinweis keine nähere
Begründung. Damit hat das Obergericht den von ihm selber zuvor
dargelegten Rechtsgrundsatz willkürlich missachtet, nämlich: "Das normwidrige Verhalten muss jede pflichtgemäss
handelnde Strafverfolgungsbehörde zur Einleitung eines Strafverfahrens
veranlasst oder die Durchführung desselben erschwert haben, wobei klar
zu begründen ist, inwiefern gegen klare Verhaltensnormen verstossen
wurde." Eine solche Begründung fehlt, was eine Verletzung der
Begründungspflicht als Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör
(Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 EMRK) darstellt.
20. Wie in Ziff. 16 dargelegt, haben die Betroffenen - Schudel und
Russenberger - keine Strafanträge wegen Verletzung der Privatsphäre eingereicht und dementsprechend befasste sich die
Untersuchung nicht mit der Zulässigkeit dieser Publikation; vielmehr
ging es im Verfahren nur um Hausfriedensbrüche. Auch aus
zivilrechtlicher Sicht haben die Betroffenen nichts gegen die
Bildpublikation vorgenommen. Da der Beschwerdeführer den Betroffenen
den Artikel mit den Bildern entsprechend Forderungen des Presserates
vorgängig der Publikation zur Stellungsnahme unterbreitete, hätten die
Schweinehalter die Möglichkeit gehabt, eine vorsorgliche Massnahme zu
beantragen und post festum, gestützt auf Art. 28 ZGB gegen den
Beschwerdeführer vorzugehen, wenn sie der Meinung gewesen wären, die
Publikation sei zivilrechtlich widerrechtlich. Dies ist jedoch nicht
geschehen.
21. Selbst wenn in der Publikation der Schweinebilder eine
Persönlichkeitsverletzung des Schweinehalters zu sehen wäre, müsste
man aus der Sicht von Art. 28 ZGB prüfen, wie weit nicht überwiegende
Interessen für eine Publikation sprechen. Das Obergericht geht davon aus, es habe ein berechtigtes Interesse
für das Eindringen gefehlt, da die Verfahren wegen Tierquälerei gegen
die betroffenen Stallbesitzer eingestellt worden sind. Ein solcher
Automatismus besteht jedoch nicht und indem die Vorinstanz einen
solchen Automatismus annahm, verletzte sie erneut das Willkürverbot.
Es kann auch legitim sein, Zustände in Stallungen dokumentarisch
festzuhalten, um im Fall einer Verfahrenseinstellung oder eines
Freispruchs die Öffentlichkeit zu informieren, wie schwach entweder
die Tierschutzgesetzgebung ist oder wie schlecht sie umgesetzt wird.
In diesem Sinn beklagt sich denn auch der VgT in seiner Zeitschrift
zum betreffenden Fall, vgl. dazu oben in Ziff. 8 f., wonach die vom
Beschwerdeführer publizierten Photos belegen, dass die abgebildeten
Schweine vorschriftswidrig gehalten werden, womit die Vorinstanz ein
überwiegendes öffentliches Interesse an deren Publikation willkürlich
verneint hat, wobei sie wie erwähnt bereits willkürlich von einer
Persönlichkeitsverletzung des Schweinehalters ausgeht. Dabei ist zu
beachten, dass es nicht genügt, tierquälerische Zustände in anonymer
Form zu veröffentlichen, weil die Agroindustrie dann sofort behauptet,
die betreffenden Aufnahmen seien im Ausland gemacht worden. Der
Beschwerdeführer ist gezwungen, um glaubwürdig zu sein, Aufnahmen von
konkreten Betrieben unter Angabe von Name und Adresse zu verwenden, wo
immer solche überhaupt verfügbar werden.
22. Das Bundesgericht hat betont, dass "der Überbindung von
Verfahrenskosten an den Angeschuldigten bei Freispruch oder
Einstellung des Verfahrens Ausnahmecharakter" zukomme (zitiert nach
Marc Forster, in: "Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte",
Festschrift für Stefan Trechsel, 700). So müsse das vorgeworfene
Verhalten unbestritten oder klar nachgewiesen erscheinen (Forster,
a.a.O., 701). Damit hat das Bundesgericht erkannt, dass einem
Freigesprochenen ansonsten, wenn er dem Gericht - aus welchen
(politischen oder persönlichen) Gründen auch immer - unsympathisch
ist, stets irgendwelche auf blossen Vermutungen und Spekulationen
basierende Vorwürfe zwecks Kostenauferlegung gemacht werden könnten,
wie vorliegender Fall lehrbuchreif illustriert.
23. Sogar wenn die veröffentlichten Bilder persönlichkeitsverletzend
wären, wäre dieser Umstand nicht kausal gewesen für die Einleitung der
Strafuntersuchung wegen Hausfriedensbruchs. Eine Kostenauflage kann
aber nur mit einem rechtswidrigen Verhalten begründet werden, das für
die Einleitung der Untersuchung kausal war. Dies hat das Obergericht
bei seinen brainstorm-artig zusammengesuchten Anschuldigungen und
Verdächtigungen aus den Augen verloren.
24. Und sogar wenn die veröffentlichten Bilder
persönlichkeitsverletzend UND kausal für die Einleitung der
Strafuntersuchung wegen Hausfriedensbruchs gewesen wären, hätte dies
die Kostenauferlegung nicht zugelassen, siehe die nachfolgenden
Ziffern 24 ff.
G. Verletzung der Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit
25. Gemäss dem Bundesgerichtsurteil im Fall Aliesch (1P.59/2003/sta
vom 14.8.2003) dürfen Kostenauflagen keine Freiheitsrechte
beeinträchtigen, das heisst die Wahrnehmung von Freiheitsrechten
(Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit) im Rahmen des strafrechtlich
Erlaubten darf einem Freigesprochenen nicht vorgehalten werden. Das
muss erst recht gegenüber Dritten – mithin Nicht-Angeschuldigten, am
Verfahren nicht beteiligten Personen - gelten.
26. Das Obergericht begründet die Kostenauflage in Erwägung 3 lit. c)
damit, der Beschwerdeführer habe sich "unkorrekt" verhalten. Mit Blick
auf den Grundsatz gemäss Ziffer 24, kann damit nur ein strafbares
Verhalten gemeint sein, da die Wahrnehmung der Pressefreiheit im
Rahmen des strafrechtlich Erlaubten nicht durch Kostenauflagen
behindert werden darf. Im angefochtenen
Entscheid des Obergerichtes wird dem Beschwerdeführer zudem
zusammenfassend ganz direkt strafbares Verhalten vorgeworfen. Damit
verletzt das Obergericht die Unschuldsvermutung sowie die Presse- und
Meinungsäusserungsfreiheit ("Bestrafung" einer Presseveröffentlichung
durch Kostenauflage).
H. Willkürliche Gleichsetzung des Beschwerdeführers mit dem VgT
27. Das Obergericht stützt seinen Entscheid auf
einen angeblichen "Tatverdacht wegen Hausfriedensbruch gegen den VgT
bzw. den Beschwerdeführer als dessen Präsident und Vertreter". Damit
wird der Beschwerdeführer ohne sachliche Grundlage und damit
willkürlich mit dem VgT - einer im Handelsregister eingetragenen
Vereinigung mit rund 30'000 Mitgliedern - gleichgesetzt (vgl. im
Rubrum, wo der VgT sogar als Beschwerdeführer bezeichnet wird) und
willkürlich für behauptete, aber nicht erwiesene angebliche Handlungen
unbekannter Organe oder Vertreter des VgT verantwortlich gemacht.
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Obergericht insbesondere das
rechtliche Gehör, die Medienfreiheit, das Willkürverbot und die
Unschuldsvermutung verletzte, indem es annahm, die Staatsanwaltschaft
habe die Überbindung der Kosten der eingestellten Strafuntersuchung
betreffend Hausfriedensbruch an den Beschwerdeführer als nicht
beschuldigter Dritter zu Recht bejaht.
Auch Prof. Riklin kommt in seiner Stellungnahme zum angefochtenen
Entscheid zum Schluss, dass es sich nach seiner Überzeugung um einen
Willkürakt handle, der auch die zitierten verfassungsmässigen Rechte
berühre (Stellungnahme von Prof. Dr. iur. Franz Riklin vom 12. Juli
2005 zum Entscheid des Obergerichtes).
Die Veröffentlichungen des VgT zu den
Schweinefabriken von Schudel und Russenberger:
-
Der VgT deckt im Kanton Schaffhausen laufend neue Missstände auf
(VgT-Nachrichten VN04-3)
- Die Agromafia in Aktion:
Gewalt nicht nur gegenüber Tieren (VgT-Nachrichten VN05-2)
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