06.3320 -
Interpellation
Kein Rassismus und Antisemitismus
unter dem Deckmantel des Tierschutzes
Eingereicht
von Maury
Pasquier Liliane
Einreichungsdatum
22.06.2006
Eingereicht im
Nationalrat
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Eingereichter Text |
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Unter dem
Deckmantel des Tierschutzes verschickt der Verein Acusa/VgT Texte
mit rassistischem und antisemitischem Inhalt an die Haushalte in der
Schweiz.
Ich bin über diese Elaborate schockiert, die Situation beunruhigt
mich, und ich bitte daher den Bundesrat, folgende Fragen zu
beantworten:
1. Ist der Bundesrat nicht auch der Meinung, dass das Anliegen des
Tierschutzes nicht für solche nach Artikel 261bis des
Strafgesetzbuches strafbare Meinungsäusserungen missbraucht werden
sollte?
2. Findet der Bundesrat nicht auch, dass, nachdem diese Texte in so
vielen Haushalten der Schweiz gestreut worden sind, die Bevölkerung
ein Anrecht darauf hat zu erfahren, was sich hinter diesen
Publikationen verbirgt, und dass eine Reaktion Not tut, die über
eine schlichte Verurteilung dieser Schriften hinausgeht?
3. Ist der Bundesrat gewillt, seine Missbilligung dieser Texte
öffentlich zu machen, was bereits ein Beitrag zur Wiedereinsetzung
der Wahrheit darstellen würde?
4. Plant der Bundesrat Massnahmen, mit denen die Verteilung
rassistischer und antisemitischer Schriften verhindert
werden kann,
namentlich wenn sie von Personen stammen, die schon früher mit
solchen Elaboraten aufgefallen sind?
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Begründung |
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Die Zeitschrift
"Acusa-news"/"Vgt-Nachrichten" wird gratis 350 000 Haushalten in der
französischen Schweiz und 500 000 Haushalten in der deutschen
Schweiz zugestellt. Redaktor und Geldgeber ist Erwin Kessler. Der
Verein, die Zeitschrift und ihr Initiator engagieren sich radikal
für die Sache des Tiers und prangern schlechte Bedingungen in der
Tierzucht an. Die Existenz solcher Vereinigungen ist zweifellos
nötig, ihre Lobbyarbeit gehört zum demokratischen Spiel. Allerdings
benutzen Herr Kessler und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter
unter dem Deckmantel dieses ehrenwerten Anliegens eine Sprache
voller rassistischer, xenophober und antisemitischer Anspielungen.
So empfiehlt Herr Kessler zum Beispiel in diesen gratis den
Haushalten zugestellten Schriften die Lektüre von Büchern
wohlbekannter Holocaustleugner.
Hier ein paar Kostproben aus diesen widerlichen Texten: Das jüdische
Schächten wird als Massenmord dem Holocaust gleichgestellt. Wegen
ihrer Behandlung der Tiere werden die Türkei und Rumänien als
Barbaren tituliert, die draussen vor der Tür der westlichen
Zivilisation stehen (die gleiche Behandlung der Tiere wird
anschliessend auch anhand von Fällen in der Schweiz beklagt). Von
den Autorinnen und Autoren der Zeitschrift werden Ausdrücke wie
"Endlösung" oder "Konzentrationslager" verwendet, die damit
bezeichneten Sachverhalte dadurch verharmlost. Das ist eine
Verhöhnung der Opfer des Holocaust.
Das Engagement für die Sache des Tieres ist sicher ehrenwert und
absolut nötig. Man kann sich allerdings fragen, ob solche
Veröffentlichungen dem Anliegen nicht mehr Schaden zufügen als dass
sie ihm nützen. Die Bevölkerung, die diese Schriften zugestellt
bekommt, ohne sie verlangt zu haben, ist ob dieser schockierenden
Mischung von tierschützerischen Argumenten und rassistischen und
antisemitischen Elementen desorientiert.
Herr Kessler ist wegen dieser rassistischen und antisemitischen
Texte schon wiederholt verurteilt worden, namentlich auch durch den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
[Skrupellos-unwahres Geschwafel von Parlamentariern, die gegen
Strafverfolgung wegen Verleumdung immun sind. Anmerkung des VgT].
Gegenwärtig sind gegen den Verein Acusa/VgT wegen seiner letzten
Veröffentlichung Klagen hängig, von der CICAD (Coordination
intercommunautaire contre l'antisémitisme et la diffamation;
Initiative der israelitischen Gemeinden der französischen Schweiz)
und der LICRA (Ligue internationale contre le racisme et
l'antisémitisme). Damit die wiederholten Angriffe dieses Vereins
aufhören, ist jedoch eine politische Reaktion, und zwar eine klare
und eindeutige Verurteilung durch den Bundesrat, nötig. |
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Zuständig |
Justiz- und Polizeidepartement
(EJPD)
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Erstbehandelnder Rat: NR |
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Mitunterzeichnende |
Banga Boris -
Barthassat Luc -
Berberat Didier -
Bugnon André -
Cavalli Franco -
Daguet André -
Dormond Béguelin Marlyse -
Dupraz John -
Eggly Jacques-Simon -
Fehr Jacqueline -
Fehr Mario -
Frösch Therese -
Galladé Chantal -
Garbani Valérie -
Glasson Jean-Paul -
Graf-Litscher Edith -
Haering Barbara -
Hämmerle Andrea -
Hubmann Vreni -
Huguenin Marianne -
John-Calame Francine -
Jutzet Erwin -
Kiener Nellen Margret -
Leuenberger Ueli -
Leutenegger Oberholzer Susanne -
Levrat Christian -
Marty Kälin Barbara -
Menétrey-Savary Anne-Catherine -
Meyer Thérèse -
Nordmann Roger -
Pedrina Fabio -
Rechsteiner Rudolf -
Recordon Luc -
Rennwald Jean-Claude -
Rey Jean-Noël -
Robbiani Meinrado -
Rossini Stéphane -
Roth-Bernasconi Maria -
Salvi Pierre -
Savary Géraldine -
Schenker Silvia -
Simoneschi-Cortesi Chiara -
Sommaruga Carlo -
Stump Doris -
Thanei Anita -
Vanek Pierre -
Vermot-Mangold Ruth-Gaby -
Widmer Hans -
Wyss Ursula -
Zisyadis Josef (50) |
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Antwort des Bundesrates vom
30.08.2006 |
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1./4. Der
Bundesrat hat sich wiederholt in aller Deutlichkeit gegen
Rassismus jeglicher Couleur, unter welchem Deckmantel auch
immer, ausgesprochen, umfangreiche Sensibilisierungs-,
Aufklärungs- und Dialogsarbeiten geleistet und verschiedene
Antirassismus-Projekte unterstützt. Am 23. Februar 2005
bekräftigte der Bundesrat seinen Willen zur Bekämpfung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, indem er den Jahreskredit
von 1,1 Millionen Franken zur Unterstützung der Fachstelle für
Rassismusbekämpfung und von Drittprojekten verlängerte. Der
Bundesrat tritt also erwiesenermassen für ständige und
langfristige Präventions- und Sensibilisierungsmassnahmen ein.
Der Bundesrat hat bislang mehrere parlamentarische Vorstösse
abgelehnt, die die Abschaffung oder die Einschränkung von
Artikel 261bis StGB bezweckten (vgl. insb. Motion Hess Bernhard
04.3607 "Aufhebung der Rassismusstrafnorm", Motion Germann
Hannes 04.3812 "Ergänzung des Rassismusartikels", Motion
SVP-Fraktion 05.3013 " Streichung des Rassismusartikels").
Der Bundesrat teilt die Ansicht der Interpellantin insofern, als
rassistische und fremdenfeindliche Äusserungen oder gegen die
Menschenwürde gerichtete Verhaltensweisen durch nichts zu
rechtfertigen sind. Es gehört allerdings nicht zu seinen
Aufgaben, sich zu Presseartikeln oder Veröffentlichungen zu
äussern oder gar zu beurteilen, ob eine bestimmte Publikation
gesetzeswidrig ist. In einem Rechtsstaat ist es Sache der
Justiz, über einen allfälligen Verstoss gegen die
Rassismusstrafnorm zu befinden und die entsprechenden Strafen zu
verhängen. Die Justiz ist es auch, die Massnahmen zur
allfälligen Anordnung der Beschlagnahme einer Veröffentlichung
ergreifen muss.
2./3. Im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung ist
individuelles Engagement unabdingbar. Der Bund legt zwar den
gesetzlichen Rahmen fest, doch die Bekämpfung des Rassismus
liegt hauptsächlich in der Verantwortung der einzelnen
Bürgerinnen und Bürger. Die Zivilgesellschaft und die NGOs
können bei Bedarf öffentlich Stellung nehmen.
Was die Öffentlichmachung der Beschlüsse zur Rassismusstrafnorm
anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die Eidg. Kommission
gegen Rassismus (EKR) eine Datenbank mit Entscheiden und
Urteilen erstellt hat, die von den einzelnen Gerichtsinstanzen
auf der Grundlage von Artikel 261bis StGB gefällt wurden. Die
Datenbank ermöglicht der interessierten Öffentlichkeit präzise
Recherchen. Zudem können Juristen den Stand der
Rechtsprechungspraxis zu Artikel 261bis StGB einsehen. Von 1995
bis Ende 2002 haben verschiedene Gerichts- oder Rekursinstanzen
auf der Grundlage der Rassismusstrafnorm 277 Entscheide und
Urteile gefällt, von denen die EKR vollkommen anonymisierte
Kurzfassungen angelegt hat. Das gesammelte Material ist nach
Jahr, Kanton und Deliktart gegliedert, und die Datenbank wird
periodisch aktualisiert. |
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