13. Juni 2007

Heimliche Aufnahmen von Missständen aus rechtlicher Sicht

Für die Tierschutzarbeit relevante Auszüge aus "Recherchen mit versteckter Kamera - strafrechtlich legal?" von Prof Franz Riklin, Professor für Strafrecht an der Universität Fribourg, in medialex 2/07:

1. Verbotene Aufnahmen

Es geht um den Schutz der Privat- und Geheimsphäre, aber auch des Rechts am eigenen Wort, weil in der Regel auch Gespräche aufgenommen werden. Die heimliche Aufnahme eines nichtöffentlichen Gesprächs durch einen Gesprächsteilnehmer ist gemäss Art. 179ter StGB verboten.... Bei der visuellen Bespitzelung ist der strafrechtliche Schutz restriktiver. Verboten sind gemäss Art. 179quater StGB Aufnahmen von Tatsachen aus dem Geheimbereich oder nicht jedermann ohne Weiteres zugängliche Tatsachen aus dem Privatbereich eines andern ohne dessen Einwilligung. Es geht insbesondere um den häuslichen Bereich, die eigenen vier Wände... Nicht nur Aufnahmen sind strafbar, sondern auch deren Auswertung oder ihre Bekanntgabe an Dritte.

Nicht jede beliebige Aufnahme ist verboten, sondern nur die Abbildung eines besonders «persönlichkeitsträchtigen» Objekts. Dies liegt in erster Linie bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild vor, d.h. dann, wenn es um Aufnahmen der Physiognomie einer Person geht....

Vom Schutz gegen visuelle Bespitzelung erfasst sind innerhalb des erwähnten Bereichs auch Objekte, die eine enge Beziehung zum geschützten Privatbereich und eine besondere Beziehung zur betroffenen Person haben, also z.B. Interieurs einer Wohnung, eines Schlafzimmers, eines Badezimmers etc. Diskussionen zu dieser Thematik gab es bisher etwa bei der Frage, ob Abbildungen tierquälerisch gehaltener Tiere aus einer Stallung die Privatsphäre des Stallbesitzers verletzen, was man sicher verneinen kann...

2. Rechtfertigungsgründe

Bedeutsam ist der ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Dieser ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt. Seine Grenzen sind jedoch umstritten. Es geht um die Sicherung allgemeiner Freiheitsrechte und die Verwirklichung sozial erwünschter oder gebilligter Zustände. Einig ist man sich, dass dieser Rechtfertigungsgrund auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss. Es würde nicht angehen, mit einer grosszügigen Praxis Wertungen des Gesetzgebers breitspurig auszuhebeln und die Grenzen des strafbaren Verhaltens aufzulösen.

Dieser Rechtfertigungsgrund sollte zumindest dann zum Zuge kommen, wenn einerseits der «Täter» mehr oder weniger wichtige Ziele verfolgt und andererseits die Beeinträchtigung des Betroffenen geringfügig bleibt... Die Wahrnehmung berechtigter Interessen kann man auch bei einem Hausfriedensbruch von Tierschützern bejahen, die in eine Stallung eindringen und Aufnahmen machen, um Missbräuche in der Tierhaltung zu dokumentieren. In diesem Fall ist das Ziel der Eindringlinge legitim und die Beeinträchtigung des Hausfriedens des Stallbesitzers geringfügig.

Nach der Praxis des Bundesgerichts muss die Tat erstens zur Erreichung des berechtigten Zieles ein notwendiges und angemessenes Mittel sein, zweitens muss es diesbezüglich den einzig möglichen Weg darstellen und drittens offenkundig weniger schwer wiegen als die Interessen, die der Täter zu wahren sucht (BGE 120 IV 213). In BGE 127 IV 166 verweigerte das Bundesgericht das Vorliegen dieses Rechtfertigungsgrundes sogar dann, als sich ein italienischer Journalist zum Zweck der Recherche unter dem Namen eines Kosovo-Albaners zusammen mit wahren Flüchtlingen durch ein Loch im Grenzzaun an der Südgrenze der Schweiz in unser Land einschleusen liess, um aus erster Hand über das Schicksal dieser heimlich auf Schweizer Boden weilenden Personen zu berichten, obwohl die Rechtsverletzung (illegale Überschreitung der Grenze) marginal und eine verdeckte Recherche aus journalistischer Sicht ergiebiger war als andere Methoden der Informationsbeschaffung...

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Gutachten von Prof Riklin für den VgT zum gleichen Thema: Gutachten


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