6. Mai 2008
Gedanken zum Fall Josef Fritzl, Amstetten, Österreich
von Claudia Zeier
Seit Tagen sind die Zeitungen voll mit Berichten über den Fall Josef
Fritzl, der seine Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in einem
Keller-Verlies gefangen hielt. Es ist ein absoluter Horror-Fall, der
gefühlsmässig grosses Entsetzen auslöst - das erlittene Leid der
heutigen 42-jährigen Elisabeth übersteigt jegliches
Vorstellungsvermögen.
In einigen Berichten konnte man auch lesen, dass Elisabeth "wie ein Tier
eingesperrt und gehalten wurde". Da in diesem Fall der Mensch-Tier
Vergleich mehrmals herbeigezogen wurde,
erlaube ich mir diesen Vergleich auch noch von einer anderen Perspektive
zu durchleuchten:
Während
sich Empörung und Entsetzen ob dem Fall Fritzl in der Bevölkerung breit
macht, wird gleichzeitig mit einer Selbstverständlichkeit akzeptiert,
dass in der Schweiz Millionen (weltweit Milliarden) von Nutztieren unter
grausamen, qualvollen Bedingungen gehalten werden. Ein Leben lang in
dunklen Tierfabriken eingekerkert, ohne Bewegung, ohne Sonnenlicht, ohne
frische Luft und ohne Beschäftigung - einfach dahinvegetierend, bis sie
nach ihrem kurzen, tristlosen Leben im Schlachthof landen. Und das wird
vom Durchschnittsbürger als völlig normal betrachtet, denn es sind ja
nur Tiere...
Und das alles nur, damit Fleisch - und möglichst viel Billig-Fleisch -
produziert werden kann. Das Leiden der Tiere wird gefühlsmässig
unterdrückt, verdrängt, da schaut man - vor allem aus Bequemlichkeit -
lieber weg. Wagt man es, sich während einer Diskussion über den Fall
Fritzl auch auf das (als selbstverständlich hingenommene) unendliche
Leid der Nutztiere hinzuweisen, wird
man meistens sofort empört angeschaut mit der Bemerkung: "Aber das kann
man doch
nicht vergleichen! Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu
tun!" Und wieso soll man das denn nicht aus dieser Perspektive
vergleichen dürfen? Wenn man davon ausgeht, dass Tiere genauso wie der
Mensch Freude, Schmerz, Leid und Trauer empfinden können, dann ist
dieser Vergleich überhaupt nicht abwegig. Die Aussage dieses Vergleiches
ist doch nur, dass weder Mensch noch Tier eingesperrt und gequält werden
sollen - ob Mensch oder Tier, jedes leidensfähige Lebewesen hat doch ein
Recht auf ein würdiges Dasein. Nur darum geht es und nichts anderes.
*
Mehr zur
Problematik Tier-Mensch-Vergleich siehe
www.vgt.ch/doc/tier-mensch-vergleich
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