25. August 2000

Kloster Fahr: Gewalt gegen Tier und Mensch
Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht gegen den skandal�sen Freispruch

 

Der VgT hat heute beim Kassationsgericht des Kantons Z�rich die Begr�ndung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Freispruch des gewaltt�tigen Betriebsleiters des Klosters Fahr eingereicht:

 

Antr�ge

1. Das angefochtene Urteil sei aufzuheben und der Fall zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zur�ckzuweisen.

2. Es sei festzustellen, dass die Vorinstanzen das Verfahren menschenrechtswidrig verz�gert haben, und die Gesch�digte sei hief�r angemessen zu entsch�digen.

 

Begr�ndung

1. Sachverhalt

Im Laufe des Jahres 1994 sind dem VgT von Spazierg�ngern verschiedene Beschwerden zugegangen �ber die tierqu�lerische Nutztierhaltung im Kloster Fahr. Ein Schreiben an die bekannte, im Kloster Fahr residierende Dichterin Schwester Silja Walter brachte die erhofften Verbesserungen nicht. Sie antwortete, dass sie sich in einer Schweigezeit befinde. Auch sonst war niemand im Kloster bereit, sich mit dem tiersch�tzerischen Anliegen zu befassen. Der VgT hatte deshalb keine andere Wahl, als die kl�sterliche Tierhaltung ab Fr�hjahr 1995 �ffentlich zu kritisieren. Dazu wurden die einzigen verf�gbaren legalen M�glichkeiten genutzt: Pressemitteilungen, Verteilen von Drucksachen und Kundgebungen mit Spruchb�ndern - alles Aktivit�ten, welche durch die Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit der Europ�ischen Menschenrechtskonvention gesch�tzt sind. Dabei ging es darum, die Verantwortlichen aus ihrem selbstgef�lligen Schlaf des Ungerechten aufzuwecken. Andererseits ging es auch darum, der �ffentlichkeit zu zeigen, wieviele Tierqu�lereien von den Beh�rden immer noch geduldet werden und wie sogar ein christliches Kloster diese Vollzugsm�ngel schamlos ausn�tzt (neben direkten Verst�ssen gegen Tierschutzvorschriften).

Nachdem seit Fr�hjahr 1995 immer wieder Kundgebungen beim Kloster durchgef�hrt worden waren, kam es am 24. Dezember 1995 zum Zwischenfall, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist: Die Gesch�digte verteilte - in einem Engels-Kostum - auf der �ffentlichen Strasse vor dem Kloster ein Flugblatt, das den folgenden weihn�chtlichen Tierschutzappell an die Besucher der Mitternachtsmesse enthielt:

Lieber Gottesdienstbesucher!

Wir w�nschen Ihnen eine frohe, besinnliche Weihnachten in W�rme und Geborgenheit mit Ihren Angeh�rigen. M�gen viele Ihrer W�nsche im neuen Jahr in Erf�llung gehen.

Vielleicht gedenken Sie w�hrend diesen festlichen Stunden auch einmal der Leidenden in Ihrer n�chsten Umgebung, im Kloster Fahr, die nichts von Weihnachten erfahren und deren W�nsche von den Klosterleuten nicht erh�rt werden. Ihr trauriges Schicksal ist unab�nderlich besiegelt: Die Tag und Nacht an der Kette stehenden K�he werden mit Elektro-Schocks misshandelt. Die Fachleute nennen das "Kuhtrainer". Neugeborene K�lber werden sogleich ihren jammernden M�ttern entrissen und einsam und allein in eine Box gesperrt. Sie sehen ihre Mutter nie mehr und Artgenossen erst sp�ter einmal.

Die intelligenten, sensiblen Schweine verbringen ihr leidvolles Leben auf dem harten, einstreulosen und verkoteten Boden. Nicht einmal ein weiches Strohnest zum Schlafen ist ihnen geg�nnt in ihrer trostlosen, engen Eint�nigkeit. Ob vielleicht gerade an Weihnachten eine Schwiegermutter eingesperrt in einem Folterk�fig ihre Jungen geb�ren muss? Die Landwirtschaftstechniker nennen diesen nur gerade k�rpergrossen K�fig "Kastenstand". Dieser sei notwendig, damit die Mutter ihre Jungen nicht erdr�cke. Damit tun sie den intelligenten Schweinen Unrecht, denn Schweinem�tter sind gute M�tter, wenn sie nicht von b�sen Menschen so sehr gequ�lt werden, dass sie verhaltensgest�rt werden. Nur dann, im engen, nicht tiergerechten Stall geisteskrank geworden, achten sie zu wenig auf ihre Jungen. W�rden diese Kastenst�nde herausgerissen und den Schweinem�tter genug Platz und Stroh gegeben, passten sie auf ihre frischgeborenen Kinder sehr gut auf - das haben Wissenschafter bewiesen, und im nahegelegenen Juchhof der Stadt Z�rich bew�hrt sich das ausgezeichnet.

Wir bitten Sie, lieber Weihnachtsgottesdienstbesucher, haben Sie Erbarmen mit diesen unschuldig leidenden Tieren und bitten Sie das Kloster, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern. Dazu braucht es nicht viel, nur kleine, aber wichtige Anpassungen. Bitte schreiben Sie dem Kloster oder reden Sie mit Pater Probst, oder unterschreiben Sie ganz einfach diesen Aufruf und senden Sie ihn an das Kloster in Unterengstringen.

Gott wird es Ihnen danken und wir danken Ihnen im Namen der Tiere.

Erwin Kessler, Pr�sident Verein gegen Tierfabriken

Mehr �ber das Kloster Fahr finden Sie in den beiliegenden Tierschutz-Nachrichten auf den Seiten 10, 12, 14 und 16.

 

Auf der R�ckseite des Flugblattes war die folgende, von einer K�nstlerin f�r den VgT gezeichnete Weihnachtskarte mit der �berschrift "Zwei Weihnachten" abgedruckt, welche zum Nachdenken �ber das Leiden der Nutztiere auf Transport und im Schlachthof anregen und den krassen Gegensatz zur Stellung der Tiere in der Weihnachtsgeschichte bewusst machen soll:

 

weihn.gif (17763 Byte)

Weiter war in den verteilten Couverts eine Ausgabe des Journals "VgT-Nachrichten" enthalten.

Der angeklagte landwirtschaftliche Betriebsleiter des Klosters Fahr versuchte, offensichtlich vom schlechten Gewissen getrieben, das Verteilen dieser Drucksachen mit Gewalt zu verhindern. Er stiess und zerrte die Gesch�digte aus der Umgebung der Kirche weg und versuchte, ihr die Drucksachen zu entreissen. Der Angriff war so heftig, dass das Kost�m der Gesch�digten zerrissen und die Drucksachen zerkn�llt wurden. Der Angeklagte liess erst von der Gesch�digten ab, als deren Ehemann, der sich in der N�he befand, zu Hilfe eilte.  

 

2. Zu Antrag 2: Rechtsverz�gerung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist grunds�tzlich kassatorischer Natur. Indessen gibt es Ausnahmen. Hier liegt aus folgenden Gr�nden eine Ausnahme vor:

Dem Kassationsgericht obliegt die Beurteilung von EMRK-Verletzungen. Daraus folgt, dass das Kassationsgericht in seinen Entscheiden mindestens soweit gehen k�nnen muss, wie der EGMR, wo die Feststellung von Rechtsverz�gerungen, dh die Verletzung von EMRK 6, sowie eine entsprechende Entsch�digung beantragt werden kann.

Im vorliegenden Fall kann diese EMRK-Verletzung nicht durch Aufhebung des vorinstanzlichen Urteiles beseitigt werden, da sonst das Verfahren noch mehr verz�gert wird und gar die Verj�hrung droht.

Die Rechtsverz�gerung erfolgte - wie sich aus der folgenden Chronologie ergibt - durch Fehlverhalten unterer Instanzen, was sich an den v�llig gegens�tzlichen Beurteilungen des einfachen Sachverhaltes zeigt und zu einer H�ufung von Rekursen und R�ckweisungen gef�hrt hat.

Da die Gesch�digte im vorliegenden Verfahren nicht einfach nur Gesch�digte ist, sondern - wie unter Ziffer 3.7 ausgef�hrt wird -, durch staatliches Handeln bzw Nichthandeln in ihrem Recht auf freie Meinungs�usserung verletzt wurde, ist diese massiv verz�gerte Behandlung ihres Anliegens im Sinne von EMRK 6 f�r sie unzumutbar.

 

Chronologie des Verfahrens:

Am 29. Januar 1996 reichte die Gesch�digte beim Bezirksamt Baden eine Strafanzeige wegen N�tigung ein, da sie vom Angeklagten mit Gewalt daran gehindert worden war, durch Verteilen der Drucksachen von ihrer Meinungs�usserungsfreiheit Gebrauch zu machen.

Am 21. M�rz 1996 reichte die Gesch�digte die gleiche Strafanzeige bei der Bezirksanwaltschaft Z�rich ein, da sich in der Zwischenzeit herausgestellt hatte, dass die Tat auf Z�rcher Hoheitsgebiet erfolgte. (Die Kantonsgrenze verl�uft entlang der Klostermauer; die Gesch�digte verteilte die Drucksachen auf der �ffentlichen Strasse, die zum Kanton Z�rich geh�rt.)

Am 30. September 1996 stellte die Bezirksanwaltschaft Z�rich (lic iur A Spiller) die Strafuntersuchung mit der haltlosen Begr�ndung ein, der kl�sterliche Betriebsleiter habe von seinem Notwehrrecht gegen Beleidigungen des Klosters Gebrauch machen d�rfen. Die Beweise, dass die Kritik am Kloster Fahr berechtigt ist, wurden nicht abgenommen. Bezirksanwalt Spiller stellte nur auf die Behauptungen des Angeklagten ab.

Am 19. Dezember 1996 wies der Einzelrichter des Bezirksgerichts Z�rich den Rekurs der Gesch�digten gegen die Einstellung der Strafuntersuchung ab.

Am 3. Februar 1997 erhob die Gesch�digte Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht.

Am 10. Februar 1998 protestierte die Gesch�digte beim Obergericht gegen die Verschleppung der Nichtigkeitsbeschwerde.

Am 27. Februar 1998 hiess das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde gut und hob den Rekursentscheid des Bezirksgerichtes auf.

Am 3. April 1998 f�llte der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Z�rich einen neuen, wiederum abweisenden Rekursentscheid.

Am 23. April 1998 erhob die Gesch�digte zum zweiten Mal Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht.

Am 17. August 1998 beschwerte sich die Gesch�digte beim Obergericht �ber die Verschleppung der zweiten Nichtigkeitsbeschwerde.

Am 6. Oktober 1998 hiess das Obergericht auch die zweite Nichtigkeitsbeschwerde gut.

Am 30. Dezember 1998 erliess der Einzelrichter einen neuen, den dritten Rekursentscheid, worin die Sache erstmals gr�ndlich und korrekt behandelt und der Rekurs gegen die Einstellung der Strafuntersuchung gutgeheissen wurde, im wesentlichen mit folgender Begr�ndung:

Die mit dem Flugblatt erfolgte Verletzung der Pers�nlichkeit des Klosters Fahr war indessen nicht rechtswidrig, da sie durch ein �ffentliches Interesse gerechtfertigt war, welches dasjenige des Klosters Fahr daran, in seiner Pers�nlichkeit nicht verletzt zu werden, �berwog.... Der Verein gegen Tierfabriken strebt - was allgemein bekannt ist - seit vielen Jahren eine Besserstellung der Nutztiere in der Schweiz an. Um diesem berechtigten, von einer breiten Oeffentlichkeit geteilten Anliegen mehr und mehr zum Durchbruch zu verhelfen, ist der Verein gegen Tierfabriken aber - als kleine Organisation ohne grosse politische Einflussm�glichkeiten - darauf angewiesen, immer wieder durch gezielte, ein St�ck weit provozierende Aktionen die Oeffentlichkeit daran zu erinnern, dass die Tierhaltungsformen in vielen landwirtschaftlichen Betrieben noch verbesserungsbed�rftig sind. Um solchen Aktionen die n�tige Wirkung zu verleihen, kommt er dabei nicht darum herum, die Tierhaltungsformen auch in ganz bestimmten, in der Oeffentlichkeit n�her bekannten landwirtschaftlichen Betrieben zu kritisieren. Die betroffenen Betriebe haben sich die entsprechende Kritik grunds�tzlich gefallen zu lassen, sofern sie in einer sachlich noch vertretbaren Weise erfolgt. Es besteht n�mlich in einer Demokratie grunds�tzlich ein �ffentliches Interesse daran, dass auch kleinere Organisationen oder Gruppierungen ihre politischen Anliegen wirksam vertreten k�nnen, zeigt doch die Geschichte, dass es vielfach kleine Organisationen oder Gruppierungen sind, die die Verbesserungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft initialisiert haben. Demnach war aber die Flugblattaktion vom 24. Dezember 1995 - die Kritik an den Tierhaltungsformen im Kloster Fahr erfolgte im Flugblatt in einer sachlich vertretbaren Weise - durch ein �ffentliches Interesse gedeckt, das das Interesse des Klosters Fahr, nicht in seiner Pers�nlichkeit verletzt zu werden, �berwog... Anhaltspunkte daf�r, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt gravierendere unwahre, das moralische Ansehen des Klosters Fahr herabsetzende Tatsachenbehauptungen enth�lt ..., liegen nicht vor.

Aus dem vorstehend Ausgef�hrten ergibt sich, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt aus dem Blickwinkel des Pers�nlichkeitsschutzes keinen widerrechtlichen Charakter hat...

Es ist indessen auch aus dem Blickwinkel des strafrechtlichen Ehrenschutzes ein rechtswidriger Charakter des Flugblattes zu verneinen. Anhaltspunkte daf�r, dass das Flugblatt gravierendere unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen enth�lt, liegen nicht vor. Es erscheint sodann - aus der Optik eines Tierschutzes, der auch Nutztieren m�glichst viel Leid ersparen will - sachlich durchaus vertretbar, im Zusammenhang mit den sogenannten Kuhtrainern von einer Misshandlung der K�he mit Elektro-Schocks zu sprechen, die Kastenst�nde (Abferkelbuchten) als Folterk�fige zu bezeichnen und die Haltung von Schweinem�ttern in Kastenst�nden als Qu�lerei zu werten (in einem Flugblatt d�rfen durchaus auch provozierende, ja sogar schockierende Ausdr�cke verwendet werden). Damit kann aber nicht gesagt werden, dass das Flugblatt sachlich unvertretbare Werturteile enthalte. Auch nahm der Verein gegen Tierfabriken mit seiner Kampagne gegen das Kloster Fahr wie bereits oben ausgef�hrt durchaus �ffentliche Interessen wahr; Anhaltspunkte daf�r, dass es dem Verein gegen Tierfabriken in erster Linie darum gegangen sei, dem Kloster Fahr zu schaden, bestehen nicht.

 

Am 8. M�rz 1999 protestierte die Gesch�digte bei der Bezirksanwaltschaft erneut gegen die Verschleppung des Verfahrens.

Am 29. M�rz 1999 stellte die Bezirksanwaltschaft (vertreten durch Bezirksanw�ltin F Stadelmann, genehmigt von Staatsanwalt R Ramer) die Strafuntersuchung ein zweites mal ein. Dabei wurde einmal mehr nur darauf abgestellt, was der Angeschuldigte behauptete. Weder die Feststellungen des Einzelrichters noch die von der Gesch�digten angebotenen Beweise wurden beachtet.

Am 19. April 1999 rekurrierte die Gesch�digte auch gegen die zweite Einstellungsverf�gung.

Am 21. Mai 1999 hiess der Einzelrichter auch den neuen Rekurs wiederum gut und wies die Sache zur�ck an die Bezirksanwaltschaft. Im Rekursentscheid heisst es: "Da sich der Rekurs sofort als begr�ndet erweist, mithin in jedem Fall gutzuheissen ist, ist ausnahmsweise davon abzusehen, eine Stellungnahme seitens der Rekursgegner einzuholen

Am 7. Juni 1999 erhob die Gesch�digte bei der Justizdirektion Aufsichtsbeschwerde gegen Bezirks- und Staatsanwaltschaft wegen Verschleppung und schludriger Amstf�hrung (im Internet unter www.vgt.ch/news/990607.htm#aufsichtsbeschwerde).

Am 11. Juni 1999 �berwies die Justizdirektion die Beschwerde gegen die Bezirksanwaltschaft zur Behandlung an die Staatsanwaltschaft.

Am 30. Juni 1999 wies die Staatsanwaltschaft (Staatsanwalt Robert Akeret) die Beschwerde ab und auferlegte der Gesch�digten Verfahrenskosten in un�blicher H�he von Fr 795.-

Am 5. Oktober 1999 wies auch die Justizdirektion die Beschwerde ab.

Am 9. September 1999 protestierte die Gesch�digte bei der Bezirksanwaltschaft gegen die erneute Verschleppung.

Am 12. November 1999 erhob die Gesch�digte Verschleppungsbeschwerde bei der Staatsanwaltschaft.

Am 24. November 1999 lud der Einzelrichter zur Hauptverhandlung. Dadurch erfuhr der Vertreter der Gesch�digten erstmals, dass die Bezirksanwaltschaft Anklage erhoben und zuvor ohne sein Wissen eine Einvernahme mit dem Angeschuldigten durchgef�hrt hatte.

Am 14. Dezember 1999 fand die erstinstanzliche Hauptverhandlung statt. Einzelrichter Lautner sprach den Angeklagten frei mit der Begr�ndung, der Vorwurf der Tierqu�lerei sei ehrverletzend gewesen. Auf die Ausf�hrungen der Gesch�digten ging er nicht ein, die beantragten Beweise f�r die behauptete Tierqu�lerei nahm er nicht ab. Statt dessen berief er sich auf angefochtene Feststellungen in einem nicht rechtskr�ftigen Urteil des Bezirksgerichtes Baden! Gegen das freisprechende Urteil legte die Gesch�digte sofort Berufung ein.

Am 19. Mai 2000 fand die Berufungsverhandlung statt (Oberrichter Scheidegger und Spiess, Oberrichterin Kneub�hler Dienst). Der Angeklagte wurde freigesprochen!

Am 18. Juli 2000 erhob die Gesch�digte beim Kassationsgericht Verschleppungsbeschwerde, weil die schriftliche Urteilsbegr�ndung immer noch nicht zugestellt worden war.

Am 25. Juli 2000 wurde die schriftliche Urteilsbegr�ndung endlich zugestellt.

Der Fall ist auch vor dem Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte h�ngig wegen menschenrechtswidriger Nicht-Ahndung einer gewaltt�tigen Unterdr�ckung der Meinungs�usserungsfreiheit und wegen Verfahrensverschleppung. Die Beschwerde wird bis zum Abschluss des nationalen Vefahrens pendent gehalten.

  

3. Zu Antrag 1: Nichtigkeitsgr�nde

Da der Gesch�digten der Weg an das Bundesgericht verwehrt ist (BSP 270), hat das Kassationsgericht auch die Verletzung von Bundesrecht zu pr�fen (StPO �430 Ziffer 6 iV mit �430 b).

Mit "Pl�doyer" ist im folgenden stets das Pl�doyer des Gesch�digtenvertreters vor Obergericht gemeint

 

3.1 Verletzung der Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit

Nach Hans Reinhard, Allgemeines Polizeirecht, Verlag Paul Haupt, 1993, Seite 53 und 78, besteht ein Anspruch darauf, dass der Staat die Wahrnehmung von Grundrechten vor St�rungen durch Dritte sch�tzt. Diese Pflicht wurde dadurch verletzt, dass die Vorinstanzen das St�rverhalten rechtlich gesch�tzt haben. Die Gesch�digte muss, wenn dieser Entscheid nicht aufgehoben wird, damit rechnen, k�nftig bei der Wahrnehmung dieser Grundrechte erst recht von Dritten angegriffen zu werden und dagegen auch keine polizeiliche Hilfe zu erhalten.

Gem�ss Artikel 1 der Europ�ischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist die Schweiz verpflichtet, allen ihrer Rechtsprechung unterstehenden Personen die in der EMRK niedergelegten Rechte und Freiheiten zu gew�hrleisten. Die EMRK bildet zudem unmittelbar anwendbares Recht. Zu diesen menschenrechtlich garantierten Freiheiten geh�rt auch die Meinungs�usserungs- und Kundgebungsfreiheit. Zwar gelten die Menschenrechte nicht zwischen Privatpersonen, doch hat der Staat gem�ss EMRK 1 eine umfassende Verpflichtung zu deren Gew�hrleistung. Dazu geh�rt es, die n�tigen gesetzlichen Regelungen zu erlassen und diese durchzusetzen. Duldet ein Staat rechtswidrige, gewaltsame Unterdr�ckung der freien Meinungs�usserung durch Private, indem er die Rechtswidrigkeit nicht ahndet, so werden dadurch die Meinungs�usserung- und die Kundgebungsfreiheit der Gesch�digten verletzt (EMRK-Kommentar von Frowein/Peukert, 2. Auflage, Seite 21-24). Im vorliegenden Fall haben wir dem Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte zur Wahrung der Frist bereits eine Beschwerde eingereicht, als die Strafuntersuchung gegen den Angeklagten zum ersten Mal eingestellt worden ist; die Beschwerde wird bis zum Abschluss des nationalen Verfahrens pendent gehalten.

Die Vorinstanz hat den Angeklagten freigesprochen mit der Begr�ndung, die Flugblattaktion der Gesch�digten sei rechtswidrig gewesen. Diese Feststellung und die daraus abgeleitete Freisprechung des Angeklagten verletzten die Meinungs�usserungsfreiheit der Gesch�digten, und zwar in schwerwiegender Weise, weil dieses Urteil einen Freipass an die Agro-Lobby darstellt, auch k�nftig gewaltt�tig gegen solche Flugblattaktionen vorzugehen.

 

3.2 Aktenwidrige Feststellung bez�glich der angeblichen Gesetzeskonformit�t der Tierhaltung im Kloster Fahr / Willk�rliche, bundesrechtswidrige Rechtsanwendung

Das Obergericht behauptet auf Seite 8, der Gesch�digtenvertreter habe in seinem Pl�doyer einger�umt, dass die Tierhaltung im Kloster Fahr nach den damals geltenden Vorschriften erlaubt gewesen sei. Diese Feststellung ist offensichtlich unwahr und aktenwidrig, allenfalls eine willk�rliche Beweisw�rdigung, denn im Gegenteil wurde im Pl�doyer (Seite 1 bis 3), gest�tzt auf ein Gerichtsgutachten und Urteil aus dem Jahr 1993, dargelegt, dass die Kastenstandhaltung den Artikel 3 des Tierschutzgesetzes verletzt. Dazu wurde festgehalten (Pl�doyer Seite 4 oben), dass der VgT dem Kloster vorwerfe, Tierschutzvollzugsl�cken schamlos auszun�tzen. Vollzugsl�cken sind keine Gesetzesl�cken. Der Gesch�digtenvertreter hat Vollzugsm�ngel einger�umt und bez�glich der Kastenstandhaltung darauf hingewiesen, dass bei der letzten Revision der Tierschutzverordnung mit einem ausdr�cklichen Verbot der Kastenstandhaltung von geb�renden und s�ugenden Mutterschweinen der fr�here Widerspruch zum Tierschutzgesetz beseitigt worden ist.

Nirgends wurde jedoch - wie das Obergericht aktenwidrig behauptet - "einger�umt", die Tierhaltung des Klosters Fahr sei (pauschal) gesetzeskonform gewesen. Im Gegenteil wurden im Pl�doyer neben der Kastenstandhaltung weitere Verletzungen von Tierschutzvorschriften angef�hrt:

Seite 4f: Fehlende Stroheinstreu in den Abferkelbuchten (Verletzung von Artikel 23 der Tierschutzverordnung)

Seite 9f: Elektrischer Kuhtrainer (Verletzung von Artikel 1 der Tierschutzverordnung)

Seite 13: Fehlender Auslauf f�r den Muni (Verletzung von Artikel 18 der Tierschutzverordnung).

Indem die Vorinstanz die damalige Duldung der Kastenstandhaltung von geb�renden und s�ugenden Mutterschweinen durch die Tierschutzverordnung nicht adh�sionsweise auf ihre Gesetzeskonformit�t gepr�ft hat, obwohl im Pl�doyer ausdr�cklich auf die diesbez�gliche Gesetzwidrigkeit der Verordnung hingewiesen wurde, hat die Vorinstanz Bundesrecht falsch, ja sogar willk�rlich angewendet. (Anmerkung: Obwohl die Kastenstandhaltung in der Verordnung grunds�tzlich geduldet wurde, wurde diese Kastenstandhaltung im Kloster Fahr vorschriftswidrig praktiziert, indem Artikel 22 Absatz 2 der Tierschutzverordnung missachtet wurde, wonach den Mutterschweinen zeitweilig ausserhalb des Kastenstandes freie Bewegung gew�hrt werden musste. Diese Vorschrift ist mit dem Verbot der Kastenstandhaltung in der revidierten Verordnung weggefallen.)

Abgesehen davon kommt in casu auf die Tierschutzverordnung nichts an. Das Bundesgericht hat, wenn auch in anderem Zusammenhang, festgehalten:
"Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst, nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck und den Wertungen, die ihm zugrunde liegen, auszulegen. Eine historisch orientierte Auslegung ist f�r sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nur ins Gewicht, wenn sie bei unklaren oder unvollst�ndigen Bestimmungen deren Sinn erkennen lassen..." (BGE 115 II 99 und �hnlich BGE 113 II 355, 103 Ia 290). Daran �ndert auch eine von der Exekutive erlassene, teilweise gesetzwidrige Verordnung nichts. Art 2 TSchG l�sst punkto Klarheit nichts zu w�nschen �brig:


Tiere sind so zu behandeln, dass ihren Bed�rfnissen in bestm�glicher Weise Rechnung getragen wird.

Wer mit Tieren umgeht, hat, soweit es der Verwendungszweck zul�sst, f�r deren Wohlbefinden zu sorgen.

Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Sch�den zuf�gen oder es in Angst versetzen.

Zu allen vom VgT bzw von der BF kritisierten Haltungsarten und Stalleinrichtungen des Klosters Fahr gibt es praxiserprobte, tierfreundliche und wirtschaftliche Alternativen. Der Angeklagte, der kein ungebildeter Stallknecht ist, sondern Ing Agr HTL, weiss dies ganz genau und ist auch in der Lage, Artikel 2 TSchG zu verstehen. Es war deshalb ein starkes St�ck, als er sich am 24. Dezember 1995 wider besseres Wissen dem friedlichen Versuch der BF, ihren Beitrag zur Durchsetzung der geltenden Rechtsordnung im Kloster Fahr zu leisten, mit K�rpergewalt entgegensetzte und damit auch die primitivsten Manieren verletzte, letztlich nur um das falsch verstandene Prestige eines Klosters oder dessen Profitgier zu wahren und/oder seine eigene Bequemlichkeit bei der Arbeit im Umgang mit den Tieren vor Kritik zu sch�tzen.

Vergleichbar verh�lt es sich im vorliegenden Fall, indem damit befasste Instanzen offensichtlich darauf abzielten, aus Solidarit�t mit dem Kloster und/oder der Agro-Lobby, diese "l�stigen" Tiersch�tzer einmal mehr abzuwimmeln. Es besteht kein Zweifel, dass die Vorinstanzen zun�chst den angefochtenen Freispruch im Kopf hatten und sich die dazu geh�renden Erw�gungen erst nachher zurechtlegen mussten. Diese sind mit derart vielen M�ngeln und Inkonsistenzen belastet, dass sich solch ein Schluss aufdr�ngt.

Das Verhalten des Angeklagten am 24. Dezember 1995 ist �brigens der Beweis daf�r, dass ein roher Umgang mit Tieren zu einer allgemeinen sittlichen Verrohung f�hrt, die auch vor der Misshandlung von Menschen nicht Halt macht, denn eine echte - nicht nur egoistisch-selektive - Ethik ist unteilbar (siehe "Lexikon der Tierschutzethik" von Gotthard M Teutsch). Um so weniger darf zugelassen werden, dass die dritte Gewalt alle Augen schliesst, wenn es um Tierqu�lerei geht. Vielmehr sollte ber�cksichtigt werden, dass die Duldung von Tierqu�lerei nicht nur gegen�ber den Tieren unverantwortlich und gesetzwidrig ist, sondern gleichermassen auch gegen�ber den Tiersch�tzern, also besonders wertvollen Menschen, die noch zu Mitleid und ethischer Verantwortung f�hig sind und deshalb unter den Tierqu�lereien (mit-)leiden. "Mensch-sein heisst Verantwortung f�hlen" (Philipp Emanuel von Fellenberg).

 

3.3 Verletzung des Rechts auf den Beweis und willk�rliche Beweisw�rdigung

Auf Seite 14 im Pl�doyer des Gesch�digtenvertreters vor Obergericht ist f�r alle Ausf�hrungen zur Tierhaltung des Klosters Fahr der rechtsgen�gende Beweis offeriert und die Durchf�hrung eines Beweisverfahrens beantragt worden. Durch die Weigerung des Obergerichtes, diese entscheidenden Beweise abzunehmen (Seite 8), wurde das Recht auf den Beweis verletzt.

Das Obergericht h�tte die im Pl�doyer Seite 1-3 geltend gemachte Verletzungen des Tierschutzgesetzes durch die Verordnung in Bezug auf die Kastenstandhaltung adh�sionsweise pr�fen m�ssen, anstatt einfach willk�rlich zu behaupten, die kritisierte Tierhaltung des Klosters sei vorschriftsgem�ss gewesen (willk�rliche Beweisw�rdigung).

 

3.4 Verletzung der Meinungs�usserungsfreiheit durch willk�rliche und EMRK-widrige Rechtsanwendung

Ob bestimmte Formen der Intensivtierhaltung tierqu�lerisch sind oder nicht, stellt eine Sachfrage dar, die nach wissenschaftlichen Kriterien, insbesondere der Verhaltensbiologie und der Tierpsychologie, zu beurteilen ist. Es ist allgemein bekannt, dass nicht alle tierschutzrelevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse ihren Niederschlag in entsprechenden konkreten Tierschutzvorschriften finden und eine ganze Reihe von tierqu�lerischen Methoden der Intensivtierhaltung in der Tierschutzverordnung geduldet werden, obwohl diese gem�ss Artikel 1 bis 3 des Tierschutzgesetzes nicht erlaubt sind. Die Tierschutzverordnung kann aus diesem Grund und weil staatliche (und kirchliche) Vorschriften - wie seit Kepler bekannt - nicht festlegen k�nnen, was wissenschaftlich wahr ist, keine absolute Beurteilungsgrundlage daf�r sein, was tierqu�lerisch ist und was nicht. Der vom Obergericht aufgestellte gegenteilige Grundsatz (Seite 8), eine Tierhaltung d�rfe nicht als tierqu�lerisch bezeichnet werden, egal ob sie objektiv-wissenschaftlich erwiesen ist, wenn diese Haltungsform nicht ausdr�cklich durch "Tierschutzvorschriften" verboten ist, und die darauf abgest�tzte Beurteilung der Kritik an der kl�sterlichen Tierhaltung als rechtswidrig, stellt eine willk�rliche, bundesrechtswidrige und die Meinungs�usserungsfreiheit verletzende Rechtsanwendung dar, weil dadurch wahre �usserungen - die Tierhaltung im Kloster Fahr sei tierqu�lerisch - ohne Abnahme des Wahrheitsbeweises als rechtswidrig erkl�rt werden.

 

3.5 EMRK-verletzende, willk�rliche Einschr�nkung des Begriffs "Tierqu�lerei"

Im "Lexikon der Tierschutzethik" des bekannten Tierschutzethikers Prof Gotthard Teutsch (Verlag Vandenhoeck&Ruprecht) steht zum Stichwort "Tierqu�lerei" folgendes:

Tierqu�lerei ist ein seit 1821 gebrauchter Sammelbegriff f�r Handlungen, durch die Tiere Schmerzen, Leiden oder Sch�den zugef�gt werden... Nach traditionellen Vorstellungen wird Tierqu�lerei auch heute noch als meist vors�tzliches, grundloses und unvern�nftiges Qu�len verstanden. Solche und �hnliche Tierqu�lerei gibt es zwar heute noch, sie spielt aber zahlenm�ssig keine Rolle oder wird, weil seit Jahrhunderten so praktiziert und weil das Qu�len als solches nicht ins Auge f�llt, als eine f�r unvermeidbar gehaltene Nebenerscheinung sinnvoller Nutzung angesehen und daher ohne Unrechtsbewusstsein hingenommen. Vermutlich kommt hier auch noch die gesinnungsethische �berlieferung zum Zuge, die vieles rechtfertigt, solange es nicht in b�ser Absicht getan wird. Dies ist der verst�ndliche Grund, warum sich viele Tierhalter, Wissenschaftler und andere Betroffene oft so heftig gegen den Vorwurf der Tierqu�lerei verwahren. Die Masse der tierqu�lerischen Handlungen wird heute ohne jede b�se Absicht und oft auch ohne unmittelbare T�ter begangen, und zwar von Apparaturen und technischen Haltungssystemen, wie bei der Nutztierhaltung und nicht selten auch im Tierversuch. Die Qu�lerei ist also unbeabsichtigt und h�ufig auch gar nicht sichtbar, zumindest f�r den Laien nicht, weil es sich weniger um das Zuf�gen von Schmerzen, als vielmehr um Erzeugung psychischer Leiden handelt. Sp�testens seit der ethischen Begr�ndung des Tierschutzes soll das Tier aber nicht nur gegen absichtliche und direkte Qu�lerei, sondern grunds�tzlich, also auch gegen das unbeabsichtigte und nur als Begleiterscheinung auftretende Zuf�gen von Schmerzen, Leiden oder Sch�den gesch�tzt werden. Dies ist sicher richtig. Aber auch wer an dieser Zuf�gung nicht pers�nlich beteiligt ist, sondern nur durch Anordnung oder durch das Erfinden neuer wirtschaftlicher Nutzungsm�glichkeiten unter Inkaufnahme der f�r die Tiere damit verbundenen Schmerzen, Leiden oder Sch�den zum Verursacher wird, handelt zumindest dann verwerflich, wenn es um wirtschaftlicher Vorteile willen geschieht...

In �bereinstimmung mit dieser Definition des Begriffes "Tierqu�lerei" ist in dem im Pl�doyer Seite 1ff zitierten Gerichtsgutachten festgehalten worden, die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen werde zu Recht im umgangssprachlichen Sinne als "Tierqu�lerei" bezeichnet.

Entgegen dieser heutigen Bedeutung des Begriffs "Tierqu�lerei" h�lt das Obergericht fest (Seite 7f), dieser d�rfe nur f�r mutwillige (gemeint ist offensichtlich sadistische) Tierqu�lerei verwendet werden. Als Begr�ndung wird angef�hrt, wer sich an die geltenden Tierschutzvorschriften halte, der m�sse sich nicht den Vorwurf der Tierqu�lerei gefallen lassen. Begr�ndet wird diese Auffassung nicht. Eine Interessenabw�gung mit der Meinungs�usserungsfreiheit wurde nicht vorgenommen. Eingriffe in die Meinungs�usserungsfreiheit sind gem�ss Praxis des EGMR nur zul�ssig, wenn hief�r eine zwingende Notwendigkeit besteht. Indessen besteht kein �ffentliches Interesse daran, Klosterleute, welche Vollzugsm�ngel oder "Gesetzesl�cken" schamlos zu einer tierqu�lerischen Ausbeutung der sogenannten Nutztiere ausn�tzen, vor tiersch�tzerischer Kritik zu sch�tzen. Es muss vor dem Hintergrund der Meinungs�usserungsfreiheit vielmehr erlaubt sein, solche kl�sterliche Scheinheiligkeiten mit scharfen Worten anzuprangern. Die Auffassung des Obergerichtes, die durch Vollzugsm�ngel und ungen�gende Verordnungsvorschriften rechtlich erm�glichten Tierqu�lereien d�rften nur rein abstrakt und allgemein, ohne Nennung konkreter F�lle und Namen, kritisiert werden, ist realit�tsfremd und l�sst ausser Acht, dass Tiersch�tzer in der Schweiz keine rechtlichen und demokratischen M�glichkeiten haben, direkt etwas gegen den Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes zu unternehmen. Gesetze, Verordnungen und der Nichtvollzug von Gesetzen sind dem Initiativrecht des Volkes bekanntlich entzogen, und nicht einmal das Parlament kann - ausser deklaratorischen R�gen - etwas gegen Bestimmungen in der Tierschutzverordnung, welche das Tierschutzgesetz verletzen, und gegen den Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes unternehmen.

Da an der vom Obergericht getroffenen Einengung des Begriffs "Tierqu�lerei" im �blichen Sprachgebrauch somit kein �ffentliches Interesse und schon gar nicht eine Notwendigkeit besteht, wird dadurch das durch die EMRK garantierte Grundrecht der freien Meinungs�usserung verletzt.

 

3.6 Willk�rliche Fehlinterpretation der R�ckseite des Flugblattes und Verweigerung des rechtlichen Geh�rs

Das Obergericht behauptet (Seite 7), die Zeichnung "Zwei Weihnachten" auf der R�ckseite des Flugblattes m�sse als Illustration des im Kloster Fahr �blichen Umganges mit Tieren verstanden werden. Anstelle einer Begr�ndung dieser Auffassung behauptet das Obergericht einfach, ein anderer Sinn k�nne die Wiedergabe der Zeichnung nicht haben. Bei dieser Beurteilung hat das Obergericht in willk�rlicher Weise Massgebliches einfach unbeachtet gelassen:

1. Die dem Kloster vorgeworfenen konkreten Tierqu�lereien sind auf der Vorderseite des Flugblattes einzeln aufgef�hrt. Von Schlachtung und Transport ist nicht die Rede.

2. Wer das Kloster Fahr auch nur einigermassen kennt - und dies trifft zweifellos f�r die Besucher der Klosterkirche, mithin der Empf�nger des Flugblattes zu -, weiss, dass im Kloster nicht geschlachtet wird.

3. Den Kirchenbesuchern war aus der schon ein Jahr dauernden tiersch�tzerischen Auseinandersetzung um die Tierhaltung des Klosters Fahr bekannt, was kritisiert wurde. Das Flugblatt hatte nur den Zweck, daran zu erinnern, dass diese Zust�nde auch �ber die Weihnachtszeit unver�ndert fortdauerten. Es war deshalb f�r die Adressaten offensichtlich, dass mit der r�ckseitigen Zeichnung nicht spezifisch die Zust�nde im Kloster gemeint waren.

4. Aus dem Flugblatttext ergibt sich keinerlei Hinweis, welche der beiden "Weihnachten" das Kloster darstellen soll. Die Behauptung des Obergerichtes, mit der dargestellten Schlachtszene werde behauptet, so w�rden die Tiere im Kloster behandelt, ist willk�rlich. Ebensogut k�nnte man annehmen, das sei der weltliche Umgang mit den Tieren im Gegensatz zum biblischen, im Kloster gepflegten in der oberen Zeichnung.

5. Die R�ckseite des Flugblattes gibt eine VgT-Weihnachts-Karte wieder (Beilage 2 zum Pl�doyer) mit einer von einer K�nstlerin angefertigten Zeichnung, die ganz allgemein den Gegensatz zwischen der Situation der Tiere in der biblischen Weihnachtsgeschichte und dem Umgang mit der Tiere in der heutigen Weihnachtszeit andeuten soll. Insofern die untere, h�ssliche Szene mit dem Kloster in Verbindung gebracht wird, ist sie jedenfalls zutreffend: Das Kloster vermarktet seine Tiere konventionell. Diese erleiden also genau das in der unteren Zeichnung dargestellte Schicksal. Das Kloster unternimmt nichts, damit seine Tiere auf Transport und bei der Schlachtung schonender behandelt werden als leider �blich.

Die Behauptung des Obergerichtes, mit der Zeichnung "Zwei Weihnachten" k�nne nur gemeint sein, die Tiere im Kloster w�rden so behandelt, wie in der Schlachtszene dargestellt, ist aus den dargelegten Gr�nden willk�rlich und stellt auch eine Verletzung des rechtlichen Geh�rs dar, denn dabei bleibt v�llig unbeachtet, was im Pl�doyer (Seite 20f) dazu ausgef�hrt wurde. Ungeh�rt blieb insbesondere auch der Hinweis, dass der in der Zeichnung dargestellte allgemein �bliche Umgang mit den Tieren auf Transport und bei der Schlacht tats�chlich auch f�r die Klostertiere zutrifft.

 

3.7 Willk�rliche Beweisw�rdigung bez�glich mutwilliger, strafbarer Tierqu�lerei

Auf Seite 8 behauptet das Obergericht, im Flugblatt werde dem Kloster eine "mutwillige, strafbare Tierqu�lerei" vorgeworfen. Begr�ndet wird diese Behauptung mit den im Flugblatttext verwendeten Ausdr�cken "Folter", "so sehr qu�len" und "Misshandlung". Dem Leser war indessen im Zusammenhang ohne weiteres klar, dass damit nicht ein sadistisches, mutwilliges Qu�len, sondern tierqu�lerische Stalleinrichtungen gemeint waren: Der Text erkl�rt, dass mit "Folterk�fig" die in der Landwirtschaftstechnik verwendeten Kastenst�nde gemeint sind. Auch die Formulierung "so sehr gequ�lt" steht unmissverst�ndlich im Zusammenhang mit dieser Kastenstandhaltung von Mutterschweinen. Auch bei der "Misshandlung" der K�he wird erkl�rt, dass damit der Kuhtrainer gemeint ist. Indem das Obergericht sein Urteil auf aus dem Zusammenhang gerissene Formulierung abstellt und den Textzusammenhang v�llig unbeachtet l�sst, hat es massgebliche Umst�nde nicht beachtet bzw die Sachlage willk�rlich gew�rdigt (willk�rliche Beweisw�rdigung).

Die Behauptung, das Wort "misshandeln" beinhalte Vorsatz, ist willk�rlich, da dem allgemeinen Sprachgebrauch zuwiderlaufend. Im 24-b�ndigen "Meyers Enzyklop�dischem Lexikon" wird unter dem Stichwort "Misshandlung" auf das Stichwort "K�rperverletzung" verwiesen, wo folgendes zu lesen ist: "vors�tzliche oder fahrl�ssige k�rperliche Misshandlung oder Besch�digung der Gesundheit eines anderen. Unter k�rperlicher Misshandlung versteht man eine �ble, unangemessene Behandlung nicht unerheblicher Art, die das k�rperliche Wohlbefinden beeintr�chtigt. Die Einwilligung des Verletzten ist regelm�ssig ein Rechtfertigungsgrund (zB Sportverletzungen, �rztliche Eingriffe), es sei denn, die Tat verstosse trotz Einwilligung gegen die guten Sitten." Daraus folgt, dass eine Misshandlung der Wortbedeutung nach nicht vors�tzlich erfolgen muss. Zudem ist im vorliegenden Fall des Klosters Fahr jedenfalls Eventualvorsatz gegeben, da der Angeklagte die Tiere zwar nicht als Selbstzweck betreibt, das Leiden der Tiere aber um des Profites und/oder der Bequemlichkeit willen in Kauf nimmt.

Insoweit das Obergericht aus der Kritik an der Tierhaltung des Klosters ein strafbares Verhalten herausliest, trifft dies sogar zu, denn die Missachtung von Tierschutzvorschriften ist laut Tierschutzgesetz strafrechtlich zu ahnden. Indessen ist es willk�rlich, da krass unwahr, wenn das Obergericht behauptet (Seite 8), mit dem Flugblatt selbst werde der Vorwurf strafbaren Verhaltens erhoben. Wenn das Obergericht schon willk�rlich behauptet, das Flugblatt erhebe den Vorwurf strafbaren Verhaltens, dann h�tte es jedenfalls zur Vermeidung weiterer Willk�r pr�fen und die angebotenen Beweise abnehmen m�ssen, dass tats�chlich strafbare Missachtungen der Tierschutzgesetzgebung vorliegen, denn nach Art 29 Ziffer 2 der Tierschutzverordnung ist auch die fahrl�ssige Missachtung von Tierschutzvorschriften strafbar.

 Aus all diesen Gr�nden ersuche ich Sie, die Beschwerde gutzuheissen und das Obergericht zu veranlassen, sein Urteil unter Beachtung der massgeblichen Umst�nde bundesrechts-, verfassungs- und EMRK-konform zu revidieren.

Mit freundlichen Gr�ssen
Der Erwin Kessler, Pr�sident VgT, Vertreter der Gesch�digten


Das Kassationsgericht (Kassationsrichter Marco Jagmetti, Bernhard Gehrig, Alfred Keller, Andreas Donatsch, Sylvia Frei) wies die Beschwerde im gleichen tierverachtenden Geist ab wie das Obergericht.


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