24. Oktober 2001
Die Bauern �berd�ngen die B�den
(aus einem Bericht im Tages-Anzeiger vom 24.10.2001, gek�rzt)
Die Bauernlobby hat sch�rfere D�ngevorschriften abgeblockt, die
Schweinem�ster k�nnen weiterhin die B�den �berd�ngen. Wann werden die Tierbest�nde
endlich reduziert?
Der Grudaf 2001, der die Grundlagen f�r die D�ngung im Acker- und Futterbau regelt, wird
auf das n�chste Jahr in Kraft gesetzt, ohne dass der �kologische
Leistungsnachweis versch�rft w�rde. Voraussichtlich Ende Oktober wird der Bundesrat die
revidierte Direktzahlungsverordnung absegnen. Nach monatelangem Seilziehen hat sich somit
die Bauernlobby gegen�ber dem Bundesamt f�r Landwirtschaft (BLW) durchgesetzt.
Gem�ss Grudaf 2001 enth�lt die stark phosphorhaltige Schweineg�lle etwa 15
Prozent weniger Phosphor als vor ein paar Jahren; pro Mastplatz sind es noch sechs statt
sieben Kilogramm. Um zu verhindern, dass die Bauern auf Grund der gesch�nten
N�hrstoffbilanz handkehrum die Tierbest�nde um 15 Prozent aufstocken, wollte das
Bundesamt f�r Landwirtschaft die Direktzahlungsverordnung versch�rfen. Laut dem neuen
�kologischen Leistungsnachweis w�re tierstarken Betrieben nur noch 70 Prozent des
Phosphorbedarfes zugestanden worden. Die Konsequenz: Etwa 7500 Betriebe, rund 13 Prozent,
h�tten die Tierbest�nde reduzieren oder den �bersch�ssigen D�nger anderswo verwerten
m�ssen.
Die Agrarlobby reagierte st�rrisch. Tausende von Tierhaltungsbetrieben mit Aufstockung in
der Schweine- und Gefl�gelhaltung seien in der Existenz bedroht, protestierte die
Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren. Allein im Kanton Luzern, so hiess es,
m�ssten zwischen 500 bis 1000 Betriebe
innert k�rzester Zeit aufgegeben werden. Das Bundesamt f�r Landwirtschaft, das diese
Bef�rchtungen eigentlich f�r �bertrieben h�lt, liess sich trotzdem von diesem
"Saubannerzug", wie ein BWL-Mitarbeiter das Kesseltreiben umschreibt,
beeindrucken und beauftragte eine Arbeitsgruppe, den Landfrieden wieder
herzustellen. Diese Arbeitsgruppe, unter dem Pr�sidium von Walter M�ller,
Vorstandsmitglied beim Schweizerischen Bauernverband, hat die D�ngevorschriften
inzwischen gezielt verw�ssert, jedenfalls bleiben die hohen Tierbest�nde unangetastet.
Der "Konsens" zwischen Bauern und Bund, von dem BLW-Vizedirektor Christoph
Darbellay spricht, wird nach Aussage von verschiedenen Experten die N�hrstoffbilanz der
�berd�ngten B�den nicht verbessern. Denn die scharfen Sanktionen, die jenen Bauern
angedroht werden, die ihre N�hrstoffbilanz um mehr als zehn Prozent �berschreiten, sind
kaum praktikabel.
Paradebeispiel f�r diese �berd�ngung ist der Sempachersee, der inzwischen seit 17
Jahren k�nstlich bel�ftet wird. Noch immer wird der Mittellandsee mit j�hrlich 15
Tonnen Phosphor belastet, rund doppelt so viel, wie ihm zutr�glich w�re. Verantwortlich
f�r die Umweltverschmutzung ist die Landwirtschaft, die im Einzugsgebiet des maroden Sees
die G�lle von 25 000 Mastschweinen ausbringt. Fatal ist, dass die Tierbest�nde im so
genannten Schweineg�rtel, der die Kantone Luzern, Zug, St. Gallen und Thurgau umfasst,
nicht etwa zur�ckgegangen, sondern in der zweiten H�lfte der Neunzigerjahre markant
angestiegen sind. So nahm der
Schweinebestand im Kanton Luzern innert vier Jahren um 12 Prozent zu; die G�lle von weit
mehr als 30 000 Schweinen ist �bersch�ssig und muss via D�ngeabnahmevertr�ge
andernorts ausgebracht werden.
Die intensive Tiermast �bers�ttigt die B�den. Seit 1990 haben sich laut Buwal in der
Umwelt mehr als 140 000 Tonnen Phosphor akkumuliert; im Kanton Luzern zum Beispiel sind
mehr als die H�lfte der B�den mit Phosphor �berversorgt. Obschon das Buwal, aber auch
die Fachgruppe Bodend�ngung Umwelt (D�ngeberater
in den Kantonen) dringend raten, die �berversorgten B�den als Kriterium in den
D�ngegrundlagen k�nftig zu ber�cksichtigen, steht davon im Grudaf 01 kein Wort. Das
bedeutet, dass Nitrat und Phosphor noch auf Jahre hinaus Grundwasser und Seen
verschmutzen. Denn die Landwirtschaft geh�rt nach wie vor zu den gr�ssten
Umwelts�ndern. Jedenfalls sind die Reduktionsziele beim Stickstoffhaushalt Schweiz, wie
sie die Arbeitsgruppe Biedermann 1996 vorgab, nicht erreicht worden. "H�chstens zur
H�lfte", sch�tzt der Pr�sident der damaligen Arbeitsgruppe, Roger Biedermann. Das
gilt insbesondere auch f�r die Ammoniak-Emissionen, die zu 80 Prozent auf die Tierhaltung
zur�ckzuf�hren sind und zu �berd�ngten W�ldern f�hren. Technische Massnahmen allein
seien nicht ausreichend, um den Stickstoffhaushalt zu sanieren, sagt Biedermann,
Kantonschemiker und Pr�sident der Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzamtsstellen der
Schweiz (KVU). Der �kologische Leistungsnachweis m�sse jetzt sch�rfer definiert werden.
Lokal werde die Landwirtschaft nicht darum herumkommen, die Tierbest�nde zu reduzieren.
Im Rahmen der aktuellen Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrar 2007) m�chte die KVU
den Dialog mit der Landwirtschaft intensivieren, um gemeinsam zu nachhaltigen L�sungen zu
kommen.
Die SP Schweiz fordert in ihrem Positionspapier zur Agrarreform ausdr�cklich einen Abbau
der �berm�ssigen Tierbest�nde. "Mit der neuen Runde der Agrarreform m�ssen sie um
20 bis 30 Prozent reduziert werden", verlangt Agronom Michael Kaufmann, Mitglied der
Gesch�ftsleitung. Unzufrieden sind auch Umweltschutzverb�nde. Es brauche griffigere
Begleitmassnahmen, erkl�rt Walter Vetterli vom WWF Schweiz, zum Beispiel einen D�ngeplan
f�r Einzelbetriebe (ab 2 DGVE), um Aufstockungen in Problemgebieten in Zukunft zu
verhindern. "Denn es ist unsinnig, f�r Gew�sserschutzmassnahmen Geld auszugeben und
gleichzeitig die Tierbest�nde zu erh�hen."
Der erste Artikel, der sich im Handarchiv zum �berd�ngten Mittellandsee findet,
datiert vom Oktober 1979. "Sempachersee soll ab 1981 saniert werden", lautet der
Titel. Heute, 22 Jahre sp�ter, wird dieser See immer noch k�nstlich bel�ftet. Statt das
�bel an der Wurzel zu packen und die Tierbest�nde zu reduzieren, wird den Schweinen
phosphatarmes �kofutter vorgesetzt und der �bersch�ssige Hofd�nger in andere Kantone
verfrachtet.
Mit ihrem geballten Widerstand gegen versch�rfte D�ngevorschriften hat die Bauernlobby
ein Eigentor geschossen. So mag zwar kurzfristig der Landfrieden gewahrt bleiben, doch das
Problem ist nicht gel�st. Die Zeitbombe mit den �berd�ngten B�den tickt weiter. Die
Quittung werden die Bauern zu begleichen haben. Denn eine Landwirtschaft, die den
R�ckhalt bei der Kundschaft verliert, wird auch politisch in Bedr�ngnis kommen. Laut
einer Univox-Umfrage vom September w�nscht sich eine Mehrheit der Schweizer Bev�lkerung
eine umweltgerechte Landwirtschaft, doch 57 Prozent der Befragten erachten die Kosten als
eher zu hoch. Wenn
der Bundesrat f�r die "Agrarpolitik 2007" rund 14 Milliarden Franken
bereitstellen will, muss er den �kologischen Leistungsnachweis versch�rfen. Eine
Landwirtschaft, die den Bund jedes Jahr fast vier Milliarden Franken kostet, ist das Geld
nur wert, wenn sie auch umweltvertr�glich wirtschaftet.
Mail an den Verein gegen Tierfabriken Schweiz
Mail an den Webmaster
http://www.vgt.ch/news/011024.htm