29.Januar'98
Aufsichtsbeschwerde gegen den Kanton Thurgau
Der Brief ging and das Bundesamt f�r Veterin�rwesen, Schwarzenburgerstr 161 in 3097 Liebefeld-Bern


Antrag:

Der Kanton Thurgau sei anzuhalten, die Auslaufvorschrift f�r Rindvieh sachgem�ss anzuwenden, keine ungerechtfertigten Ausnahmebewilligungen zu erteilen, den Zweck des Tierschutzgesetzes gem�ss Artikel 1 (Schutz des Wohlbefindens der Tiere) nicht aus den Augen zu verlieren und den Vollzug des Tierschutzgesetzes korrekt, nicht nach den W�nschen der Agro-Mafia auszuf�hren.

Begr�ndung:

Landwirt Hermann Engel in Mammern TG hat seine K�he seit Jahren praktisch dauernd an der Kette gehalten, unter krasser Verletzung der Auslaufvorschrift gem�ss Artikel 18 der Tierschutzverordnung. Im Fr�hjahr 1997 hat deshalb eine Nachbarin beim kantonalen Veterin�ramt Anzeige erstattet. Als sich bis im Herbst nichts Entscheidendes �nderte, meldete sie sich beim VgT. Am 3. Oktober intervenierte der VgT beim Veterin�ramt. Da gerade Obsternte war, redete sich Engel damit heraus, er habe w�hrend dem Obsten keine Zeit, seine K�he in den Laufhof (nicht etwa auf die Weide!) zu lassen. Es ist kaum zu fassen: Der Thurgauer Kantonstierarzt Dr N�geli akzeptierte diese fadenscheinige Ausrede und dispensierte Engel mit einer Ausnahmebewilligung w�hrend der Obsternte f�r sechs Wochen von der Auslaufvorschrift. Das stellt einen offensichtlichen Missbrauch des neuen Artikels 76 dar, welcher die kantonalen Beh�rden seit dem 1. Juli 1997 erm�chtigt, in begr�ndeten F�llen befristete Ausnahmen von der Auslaufvorschrift zu bewilligen. Das Argument, keine Zeit zu haben, k�nnten wohl die meisten Landwirte vorbringen, nicht nur im Herbst bei der Obsternte, auch im Fr�hjahr beim Ackern, im Sommer beim Heuen und Ernten und im Winter beim Holzen und Schneer�umen. Nebenerwerbslandwirten, die noch einem zeitraubenden Hauptberuf ausw�rts nachgehen, m�ssten mit diesem Argument fast alle g�nzlich von der Auslaufvorschrift dispensiert werden.

Engel bewirtschaftet zusammen mit seinem Sohn - einen Betrieb in einem klimatisch g�nstigen Obstbaugebiet und hat grosse Obstkulturen. Nach eigener Aussage w�re er auf die Milchwirtschaft nicht angewiesen.

Milch wird in der Schweiz ohnehin zuviel produziert. Die �berschussverwertung kostet den Bund j�hrlich rund eine Milliarde an Steuergeldern. In dieser Situation einen Landwirt gesetzwidrig zu schonen, der seit �ber zehn Jahren die Tierschutzvorschriften missachtet, ist in jeder Beziehung v�llig daneben. Kantonstierarzt N�geli fehlt offensichtlich nicht nur die fachspezifische Kompetenz f�r den Tierschutzvollzug, sondern auch der f�r einen Chefbeamten wichtige volkswirtschaftlich-politische �berblick.

Damit aber noch nicht genug: Kantonstierarzt N�geli erlaubte nicht nur den Verzicht auf Auslauf w�hrend der Obsternte, sondern befreite Engel auch noch ausdr�cklich von der Pflicht, diesen Ausfall w�hrend der �brigen Zeit des Jahres zu kompensieren. Die Tierschutzverordnung verlangt in Artikel 18, dass K�he mindestens an 90 Tagen pro Jahr Auslauf erhalten. Fachleute und Tiersch�tzer sind sich darin einig, dass das viel zu wenig ist und im Widerspruch steht zu Artikel 2 und 3 des Tierschutzgesetzes. J�hrlich w�hrend 265 Tagen ohne Auslauf an der Kette zu stehen, ist sicher nicht tiergerecht. Angesichts dieser Situation weiss Kantonstierarzt N�geli nichts gescheiteres, als Engel ohne jeden vern�nftigen Anlass auch noch dieses absolute Minimum von 90 Tagen zu k�rzen! Engel hat gegen�ber dem VgT erkl�rt, er habe diese K�rzung gar nicht beantragt, sondern die Meinung gehabt, wenn ihm der Auslauf w�hrend der Obsternte erlassen werde, diesen in der �brigen Zeit zu kompensieren.

Mit Schreiben vom 23. Januar 1998 hat der Vorstehe des Departementes f�r Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau, Regierungsrat Lei, unsere Disziplinarbeschwerde gegen den Kantonstierarzt mit der lapidaren Begr�ndung abgelehnt, solche mi�br�uchlichen Ausnahmebewilligungen l�gen "im zul�ssigen Ermessen des Kantonstierarztes". Der Entscheid setzt sich in keiner Weise mit unseren Begr�ndungen, warum hier ein Ermessensmissbrauch vorliegt, auseinander und l�sst keinerlei Willen zu einem korrekten Tierschutz-Vollzug erkennen.

W�hrend die Regierung des Agrar-Kantons Thurgau diesen krassen Nichtvollzug der eidgen�ssischen Tierschutz in gewohnter Weise des Agro-Politfilzes deckt, geht die Tiertrag�die bei Landwirt Engel in Mammern weiter: Die Tiere kommen auch heute, nach Ablauf der befristeten Ausnahmebewilligung nur selten einmal kurz aus dem Stall in den kleinen Laufhof. Das Thurgauer Veterin�ramt duldet das weiterhin - wissentlich, wie angenommen werden muss, denn der Fall ist ja schon lange bekannt.

Engel hat nach eigenen Angaben keine M�glichkeit, seine K�he zu weiden, mit Ausnahme der Galtk�he. Das bedeutet ein doppelte Tragik: Die Milchk�he verbringen praktisch ihr ganzes Leben an der Kette im Stall bzw alle paar Tage einmal eine kurze Stunde im kleinen Auslauf vor der Stallt�re. Einmal im Jahr, w�hrend der Galtzeit, kommen sie auf eine abgelegene Weide. Dort sind sie dann allein oder allenfalls zu zweit von der Herde abgetrennt - f�r Herdentiere eine tierqu�lerische soziale Isolation. (Engel zieht kein Vieh auf. Er kann deshalb nicht, wie es sonst �blich ist, die Galtk�he zusammen mit dem Jungvieh weiden.)

Mit dieser Verhinderung des Tierschutzvollzuges verursacht der Kanton Thurgau nicht nur unakzeptierbares Tierleid, sondern schadet dar�ber hinaus auch dem Ansehen der Landwirtschaft insgesamt, indem er Tierschutzorganisationen zwingt, auch Milchprodukte zum Tierqu�lerprodukt zu erkl�ren (abgesehen von Label-Milchprodukten aus kontrollierter Freilandhaltung, soweit erh�ltlich):

Wir ersuchen Sie deshalb, auch im Interesse der Landwirtschaft, daf�r zu sorgen, dass die minimalen Tierschutzvorschriften auch im Kanton Thurgau zur Anwendung kommen.


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