21. Oktober 1998
In einem politischen Willk�rurteil hat das Bundesgericht das Kundgebungsverbot best�tigt. Verantwortliche Bundesrichter: Aemisegger, Nay, F�raud, Jacot-Guillarmod, Catenazzi
Der VgT, eine gesamtschweizerische Konsumenten- und Tierschutzorganisation, kritisierte �ber Jahre die nicht artgerechte landwirtschaftliche Intensivtierhaltung auf dem Gutsbetrieb des Klosters Fahr und f�hrte wiederholt Kundgebungen durch, welche sich an den Ausflugsverkehr in das Kloster richteten. In der Folge wurde dem VgT durch richterliches Urteil Kundgebungen auf �ffentlichem Grund in der Umgebung des Klosters Fahr in jeder Form generell verboten. Gegen dieses Verbot ist beim EGMR bereits eine Beschwerde h�ngig (Akten-Nummer 40124).
Das Kloster Fahr untersteht dem Kloster Einsiedeln. Am 14. Februar 1997 ersuchte der VgT den Bezirk Einsiedeln um Bewilligung einer Kundgebung am Sonntag, den 23. Februar 1997, von 14 bis 16 Uhr, auf dem "Klosterplatz" in Einsiedeln. An der Kundgebung sollten ca 20 Mitglieder des VgT teilnehmen. Vorgesehen war lediglich das friedliche, schweigende Aufhalten eines Spruchbandes zwischen Brunnen und Strassenrand, in Sichtweite des Klosters; Kundgebungsaktivit�ten waren nicht geplant. Aufgrund der ausgew�hlten Stelle auf dem grossen Platz und mit Blick auf die kleine Kundgebungsgruppe war mit keinerlei Verkehrsbehinderungen zu rechnen.
Mit Verf�gung vom 18. Februar 1997 verweigerte der Bezirk Einsiedeln die Bewilligung mit der Begr�ndung,
- es handle sich beim Klosterplatz nicht um einen beliebigen Dorfplatz, sondern um ein religi�ses Zentrum von internationaler Bedeutung. Die Besonderheit des Platzes solle nicht durch politische Manifestationen beeintr�chtigt werden;
- es bestehe die Gefahr von St�raktionen durch Dritte;
- das Anliegen, um welches es bei der geplanten Kundgebung gehe, betreffe gar nicht das Kloster Einsiedeln.
Dagegen erhob der VgT gleichentags, am 18. Februar 1997, Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Schwyz, welche mit Beschluss vom 2. Sept 1997 abgewiesen wurde, im wesentlichen mit der Begr�ndung, ein generelles Verbot auf dem Klosterplatz sei rechtlich haltbar, da auf diesem Platz ein erh�htes Bed�rfnis nach Ruhe und Ordnung bestehe. Die �brigen Argumente des Bezirksrates wurden stillschweigend gebilligt.
Gegen diesen Entscheid reichte der VgT am 12. September 1997 beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein mit folgenden Antr�gen:
"1. Die vorinstanzlichen Entscheide des Regierungsrates und des Bezirksrates seien aufzuheben;
2. Es sei festzustellen, dass die Demonstrationsfreiheit auch auf dem Klosterplatz in Einsiedeln G�ltigkeit habe;
...
4. Eventuell sei der Bezirksrat Einsiedeln anzuweisen, Kundgebungen des VgT auf der �ffentlichen Strasses vor dem Kloster grunds�tzlich, allenfalls mit Auflagen, zu bewilligen."
Am 9. Oktober 1997 ersuchte der VgT den Bezirk Einsiedeln erneut um Bewilligung einer Kundgebung vor dem Kloster, diesmal im Bereich von Strasse und Parkplatz, ausserhalb des Platzes vor dem Kloster. Geplant war wieder das Aufhalten eines Spruchbandes und das Verteilen von Drucksachen, diesmal mit nur 7 Kundgebungsteilnehmern. Mit Verf�gung vom 10. Oktober 1997 wurde auch dieses Gesuch abgelehnt, mit der Pr�zisierung zur vorhergehenden Ablehnung, dass das generelle Kundgebungsverbot nicht nur f�r den eigentlichen Klosterplatz gelte, sondern f�r die gesamte Umgebung des Klosters, einschliesslich Hauptstrasse, Parkpl�tze und Nebenpl�tze. Dieser Entscheid wurde dem Verwaltungsgericht zur Pr�zisierung des �rtlichen Geltungsbereiches nachgereicht.
Mit Entscheid vom 24. Oktober 1997 wies das Verwaltungsgericht als letzte kantonale Instanz die Beschwerde ab. Es �bernahm im Wesentlichen die Begr�ndungen der Vorinstanzen.
Am 10. November 1997 ersuchte der VgT den Bezirk Einsiedeln um Bewilligung eines vorweihn�chtlichen Fackelumzuges am 7. Dezember 1997. Der Umgzug, zu dem rund 20 Personen erwartet wurden, sollte vom Bahnhofplatz die Hauptstrasse hinauf bis zum Klosterplatz f�hren und dort mit einem schweigenden Gedenken an die Nutztiere, deren Leiden auch �ber die Festtage weiter dauert, enden. Mit Schreiben vom 18. November 1997 wurde auch hief�r eine Bewilligung verweigert mit der Begr�ndung, vom 6. bis zum 14. Dezember 1997 finde auf dem Klosterplatz ein Weihnachtsmarkt statt. Es wurde in Aussicht gestellt, dass allenfalls eine andere, das Kloster nicht tangierende Route bewilligt w�rde, welche indessen vom VgT nicht als taugliche Alternative angesehen wurde. Eine Bewilligung auf der beantragten Route an einem anderen Datum wurde nicht in Aussicht gestellt und war auch nicht zu erwarten, da es offensichtlich darum ging zu verhindern, dass in Sichtweite des Klosters gegen dieses in irgend einer Weise demonstriert werde, und sei es auch nur ein friedlicher, schweigender Fackelumzug, der - weil vom VgT organisiert - als Kundgebung gegen das Kloster verstanden werden k�nnte. (Bei diesem Fackelumzug sollte ausser Fackeln nichts mitgetragen werden, insbesonder keine Spruchb�nder und �hnliches. Es ging um ein schweigendes Gedenken an die unter kl�sterlicher Verantwortung leidenden Tiere, deren Leiden auch �ber die Festtage weitergehen w�rde.)
Am 26. November 1997 erhob der VgT Staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Am 26. August 1998 lehnte das Bundesgericht ohne neue Argumente die Beschwerde ab.
Von allen Vorinstanzen wurde der "besondere Charakter" des Klosterplatzes als Hauptgrund f�r das Kundgebungsverbot angef�hrt. Aufgrund der unzutreffenden Beschreibung des Platzes durch die Vorinstanzen k�nnte bei Ortsunkundigen der Eindruck entstehen, es handle sich um einen Platz der Andacht und der religi�sen Besinnung. Dem ist nicht so: Das Kloster und der Klosterplatz sind ein Ausflugsziel f�r Touristen, von den Vorinstanzen irref�hrend als "Pilger" bezeichnet. Auf dem Klosterplatz hat es Souvenirl�den, eine Minigolfanlage, Parkpl�tze, Restaurants etc und die Hauptstrasse f�hrt durch den Klosterplatz hindurch. An Wochenenden herrscht ein reger Fahrzeug- und Fussg�ngerverkehr. Der Charakter des Platzes ist von Tourismus, nicht von religi�ser Andacht gepr�gt. Zwischen Kloster und �ffentlichem Klosterplatz liegt privates Klostergel�nde. Das Kundgebungsverbot betrifft deshalb nicht Kundgebungen, die unmittelbar vor dem Zugang zum Kloster, sondern im unteren, �ffentlichen Teil bei der Strasse geplant waren. Zur Verdeutlichung dieser Umst�nde wird auf die folgenden Fotoaufnahmen des Klosterplatzes verwiesen:
Aufnahme des Klosterplatzes mit Souvenirl�den und (rechts unten) Minigolfanlage:
Aufnahmen des Klosterplatzes anl�sslich der trotz verweigerter Bewilligung durchgef�hrten Kundgebungen:
Aufnahmen des Klosterplatzes anl�sslich des Weihnachtsmarktes:
Der trotz verweigerter Bewilligung durchgef�hrte Fackelumzug:
Verletzung der Europ�ischen Menschenrechtskonvention (EMRK):
Der VgT sieht eine Verletzung von EMRK 6 darin, dass die Sachurteile ohne �ffentliche Verhandlung und ohne �ffentliche Urteilsverk�ndung ergangen sind. Die Feststellung des Bundesgericht, der VgT habe auf eine �ffentliche Verhandlung vor Verwaltungsgericht verzichtet, ist unzutreffend: Der VgT konnte nicht voraussehen, dass das Verwaltungsgericht das �ffentlichkeitsgebot missachten w�rde. Der VgT konnte sich dazu nicht �ussern. Der VgT hatte keinen Anlass, vorsorglich eine �ffentl Verhandlung zu verlangen. Es ist perfid, unter solchen Umst�nden einen konkludenten Verzicht anzunehmen. Wegen der beschr�nkten Kognition des Bundesgericht ist die Verletzung des �ffentlichkeitsgebotes durch die �ffentliche Verhandlung vor Bundesgericht nicht geheilt worden.
Der VgT sieht eine Verletzung des Rechts auf den Beweis (EMRK 6) darin, dass das Bundesgericht den beantragten Augenschein zur Feststellung des vom Verwaltungsgericht willk�rlich einseitig und irref�hrend beschriebenen "besonderen Charakters" des Klosterplatzes als "religi�ses Zentrum", verweigert hat.
Der VgT sieht eine Verletzung von EMRK 11 darin, dass ihm Versammlungen jeder Art, auch Einmannkundgebungen und vorweihn�chtliche Fackelumz�ge (ohne Spruchb�nder und dergleichen!) auf �ffentlichem Grund in Sichtweite des Klosters generell verboten wurden (Klosterplatz, Strasse, Parkpl�tze, Nebenpl�tze), und zwar ohne gesetzliche Grundlage, allein aufgrund von Verwaltungsvorschriften, und mit nur vorgeschobenen angeblichen �ffentlichen Interessen, w�hrend es in Wirklichkeit offensichtlich um eine politisch motivierte Verhinderung von Kundgebungen gegen das Kloster ging. Wie aus der Stellungnahme des Justizdepartementes vom 30.9.97 vor Verwaltungsgericht hervorgeht, ist das generelle Kundgebungsverbot auf dem Klosterplatz aus allesamt nicht haltbaren Gr�nden erlassen worden, n�mlich:
1. Es existiere kein Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit.
2. Die Kundgebung k�nnen genau so gut anderswo durchgef�hrt werden, da "es nicht um die Tierhaltung im Kloster Einsiedeln geht". Dieses schon von der ersten Instanz (Bezirksamt Einsiedeln) vorgebrachte irref�hrende Argument entlarvt die Bestrebung der Schwyzer Beh�rden, welche das Kundgebungsverbot erlassen und gedeckt haben, um das Kloster Einsiedeln politisch zu sch�tzen. Man will den Anschein erwecken, das kritisierte Kloster Einsiedeln habe gar keine Tiere. In Tat und Wahrheit richtet sich die Kritik des VgT gegen das Klosters Einsiedeln, weil diesem das Kloster Fahr und dessen Tierhaltung untersteht und es das Kloster Einsiedeln in der Hand h�tte, dort f�r eine artgerechte Tierhaltung zu sorgen.
3. Zugegeben wird vom Verwaltungsgericht, dass im Bereich des Klosterplatzes (motorisierter) Verkehr herrscht und das Parkpl�tze und Restaurationsbetriebe vorhanden sind. Aber - so wird argumentiert - trotzdem sei dieser Platz "ein bedeutendes religi�ses Zentrum von internationaler Bedeutung" und die Durchf�hrung von Demonstrationen stelle im Gegensatz zum gew�hnlichen Verkehr einen gesteigerten Gemeingebrauch dar. �bersehen wird dabei, dass gesteigerter Gemeingebrauch kein ausreichender Grund ist f�r ein Verbot von Kundgebungen, ebensowenig der religi�s-kulturelle Hintergrund des Klosterplatzes. Religi�ses Zentrum ist allenfalls das Kloster, sicher nicht die Strassen und Parkpl�tze um das Kloster herum. Mit dem Argument eines "religi�sen Zentrum" soll wohl ein Ort der Andacht, Stille und des Gebetes suggerieret werden, was der Klosterplatz absolut nicht ist. Die normale Ben�tzung und der Charakter des Klosterplatzes unterscheiden sich nicht im geringsten von anderen Pl�tzen bei touristischen Ausflugszielen.
Wenn die Demonstrationsfreiheit mit derart fadenscheinigen Gr�nden nach beliebigem, politisch-parteiisch motiviertem Ermessen ausser Kraft gesetzt werden kann, dann wird diese Menschenrechtsgarantie zur leeren Floskel, welcher der Staat nur noch nachzuleben hat, wenn es ihm gerade passt und Zweck und Anlass der Demonstration den politischen Pr�ferenzen der staatlichen Bewilligungsorgane entsprechen.
Der VgT sieht eine Verletzung von EMRK 18 darin, dass die Demonstrationsfreiheit aus anderen als den in �bereinstimmung mit EMRK 11 vom Gesetz vorgesehenen massiv eingeschr�nkt worden ist. Es liegen keine der in EMRK 11 genannten Einschr�nkungsgr�nde vor (nationale und �ffentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverh�tung, Schutz der Gesundheit und der Moral, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer). Das Gesetz sieht keine Einschr�nkungen der Demonstrationsfreiheit vor zur Bewahrung des "besonderen Charakters" eines Platzes. Die geltend gemachten Gr�nde sind, soweit sie sich auf dne "besonderen Charakter" des Platzes beziehen, EMRK-widrig und, soweit sie Gr�nde der �ffentlichen Sicherheit (St�rung durch Dritte) geltend machen, haltlos).
Der VgT sieht ferner eine diskriminierende Einschsr�nkung der Kundgebungsfreiheit (EMRK 14 in Verbindung mit EMRK 11) darin, dass auf dem gleichen Platz Weihnachtsm�rkte bewilligt werden, welche alle anderen bestimmungsgem�ssen Nutzungsm�glichkeiten des Platzes w�hrend jeweils 9 Tagen praktisch verhindern und deshalb einen unvergleichlich viel st�rkeren gesteigerten Gemeingebrauch darstellen als eine kleine Kundgebung w�hrend zwei Stunden.