Medialex 2/2003 vom 06.2003

Zuständigkeit des BAKOM zur Prüfung von politischer Werbung in einem Werbespot

Das BAKOM ist für die Beurteilung von Fragen im Zusammenhang mit der unerlaubten Finanzierung von Radio- und Fernsehprogrammen im Sinne von Art. 18 Abs. 5 RTVG i. V. m. Art. 15 Abs. 1 lit. a RTVV (Verbot der politischer Werbung) innerhalb des Werbeblocks zuständig. Da die Ausstrahlung von Werbespots der Finanzierung des Veranstalters dienen, stellen sich in erster Linie finanzrechtliche Fragen und es geht zumindest auch um die Einhaltung von Finanzierungsvorschriften. Wenn das BAKOM schon im Programm für finanzrechtliche Fragen zuständig ist, muss das erst recht für die Beurteilung von Werbespots gelten.

L'OFCOM est compétent pour trancher les questions relatives au financement non autorisé de programmes de radio et de télévision à l'intérieur des blocs publicitaires (art. 18 al. 5 LRTV et 15 al. 1 lit. a ORTV - interdiction de la publicité politique). Etant donné que la diffusion de spots publicitaires profite économiquement au diffuseur, ce sont d'abord les questions financières qui entrent en ligne de compte, et à tout le moins la question du respect des dispositions sur le financement. Puisque l'OFCOM est déjà compétent pour juger des aspects financiers relatifs au programme, cela vaut d'autant plus pour les spots publicitaires.

Sachverhalt (Zusammenfassung):

Ab Mitte Februar 2003 strahlte die SRG auf den drei sprachregionalen Senderketten des Schweizer Fernsehens einen Werbespot des «Forums Stromversorgung Schweiz» aus. Dieser zeigt einen Mann und eine Frau in einem Lift. Beide wünschen sich einen Stromausfall. Doch es bleibt beim Wunsch, der Lift erreicht sein Ziel. Mann und Frau gehen in verschiedenen Richtungen davon. Eine Stimme sagt: «Damit das so bleibt, sind Wasserkraft und Kernenergie ein unverzichtbares Paar.» Eingeblendet wird eine blaue Seite mit den Aussagen «Wasserkraft + Kernenergie», «Die sichere Stromversorgung» sowie die Internetadresse www.6040. ch. Die Ausstrahlung des Spots dauerte bis zur Eröffnung der nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Verfügung an.

Am 25. Februar 2003 eröffnete das BAKOM ein aufsichtsrechtliches Verfahren gegen die SRG. Es äusserte die Vermutung, dass ein im Werbeblock von TV DRS ausgestrahlter Spot mit Blick auf die bevorstehende Volksabstimmung vom 18. Mai 2003 gegen das Verbot der politischen Werbung in Art. 18 Abs. 5 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 21. Juni 1991 verstosse.

Aus den Erwägungen:

(...) a) Die SRG bestreitet in ihrer Eingabe vom 7. März 2003 die Zuständigkeit des BAKOM zum Erlass einer aufsichtsrechtlichen Verfügung, da es hier um politische Werbung und somit um Fragen der Transparenz sowie der Meinungs- und Willensbildung gehe. Hierfür sei nach der Praxis des Bundesgerichts die Unabhängige Beschwerdeinstanz (UBI) zuständig. Die SRG verweist insbesondere auf die Entscheide BGE 118 Ib 356 ff. (Camel Trophy Watch) und 126 II 7 E. 3 S. 11 (Verkehrssponsoring ACS/TCS). Für die Zuständigkeit des BAKOM bestehe aufgrund dieser Entscheide kein Raum, weder allein noch neben der UBI. Das durch das BAKOM geführte Verfahren sei ohne Ausfällung von Verfahrenskosten einzustellen.

b) Dem BAKOM obliegt die allgemeine konzessionsrechtliche Aufsicht über die Radiound Fernsehveranstalter (Art. 56 Abs. 1 RTVG in Verbindung mit Art. 51 RTVV). Die Aufsichtskompetenz ist unter Vorbehalt der eigentlichen Programmaufsicht umfassend. Das Amt prüft, ob die Konzessionäre die einschlägigen internationalen Übereinkommen, das RTVG, die Ausführungsvorschriften und die Konzession einhalten. Diese Aufsicht erstreckt sich auf Fragen der Finanzierung - etwa bei der Durchsetzung der Werbevorschriften -, auf die Einhaltung technischer Bestimmungen, aber auch auf Fragen, welche die Programmgestaltung und somit die Willensbildung des Publikums betreffen können. So musste das BAKOM etwa beurteilen, ob die SRG einen bestimmten Werbespot ablehnen durfte mit dem Argument, es handle sich um politische Werbung

(BGE 123 II 402 ff.). Ebenso hat das Bundesgericht die Verwaltung für die Beurteilung als zuständig erachtet, ob die SRG auf die Berichterstattung über die Einreichung einer Volksinitiative verzichten durfte (BGE 125 II 624 ff.).

c) Die eigentliche Programmaufsicht überträgt das RTVG dagegen der UBI. Die Instanz beurteilt ausgestrahlte Sendungen (Art. 58 Abs. 2 RTVG) daraufhin, ob Programmbestimmungen verletzt worden sind (Art. 65 Abs. 1 RTVG). Bei der Schaffung der UBI wurde nicht eine neue Funktion geschaffen, sondern es ging lediglich darum, einen genau definierten Teil der Rechtsaufsicht auszugliedern (Martin Dumermuth, Rundfunkrecht, in Rolf H. Weber (Hrsg.), Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Informations- und Kommunikationsrecht, Basel 1996, Rz. 433). Die Regelung über die Programmaufsicht umschreibt somit eine genau spezifizierte Ausnahme von der allgemeinen Aufsichtsordnung. Vor diesem Hintergrund erscheint die Zuständigkeit des BAKOM im Rahmen der Aufsicht als Grundsatz- oder Auffangkompetenz, die in bestimmten Fällen durch die Zuständigkeit der UBI verdrängt oder ergänzt wird.

d) Die Entstehung und die Funktion der UBI sind vor allem im historischen Kontext zu begreifen. Nachdem in den siebziger Jahren die Beschwerden gegen eine angeblich einseitige Programmgestaltung der SRG zugenommen hatten (dazu etwa Ulrich Saxer, Fernsehen unter Anklage, Zürich 1979), sah das zuständige Departement in seiner Aufsichtstätigkeit potentiell die Gefahr einer zu starken Staatsintervention. Es setzte in der Folge eine unabhängige Konsultativkommission zur Beurteilung der Beanstandungen ein und verpflichtete sich, deren Beurteilungsergebnisse als wegleitend für die Aufsichtsentscheide zu akzeptieren. Durch den Bundesbeschluss über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 7. Oktober 1983 wurde die Konsultativkommmission in eine unabhängige Instanz transformiert mit der Befugnis, eigenständig zu entscheiden (zum Ganzen Martin Dumermuth, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel 1992, S. 153 ff.). Die Funktion der Programmaufsicht dient zwar den Interessen des Publikums und der unverfälschten Willensbildung, die Ausgliederung dieser Funktion aus der Verwaltung ist aber im Interesse der Veranstalter und zum Schutz ihrer Programmautonomie erfolgt. Die Entstehungsgeschichte zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der UBI an bestimmte Konstellationen gedacht hat und macht verständlich, warum die Abgrenzung der Zuständigkeit der UBI von der allgemeinen Aufsichtskompetenz namentlich im Bereich der Werbung Schwierigkeiten bereitet.

e) Eine gefestigte Praxis der Kompetenzabgrenzung zwischen UBI und Verwaltung hat sich vor allem bezüglich bezahlter Werbung etabliert, die innerhalb des Programms und nicht in abgetrennten Werbespots platziert ist (Schleichwerbung, Art. 15 Abs. 2 RTVV). Soweit im Programm werbende Effekte auftreten, stellt sich die Frage nach der Manipulation des Publikums, d.h. das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 Abs. 1 RTVG) ist betroffen und die UBI prüft, ob diese Programmbestimmung verletzt worden ist (BGE 118 Ib 355 f.). Da bei bezahlter Werbung im Programm auch finanzrechtliche Aspekte betroffen sind, welche durch die Programmbestimmungen nicht erfasst werden, bleibt die Zuständigkeit der allgemeinen Aufsichtsbehörde in diesem Punkt bestehen (BGE 114 Ib 154; 118 Ib 360 f.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist somit in solchen Fällen eine Doppelzuständigkeit der beiden Instanzen möglich.

f) Weniger klar präsentiert sich die Situation bei eigentlichen Werbespots, d.h. bei Sequenzen, die vom Programm abgetrennt sind. Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich bei einem gesendeten Werbespot überhaupt um eine ausgestrahlte Sendung im Sinne von Art. 58 Abs. 2 RTVG handelt, welche der Prüfung durch die UBI unterliegt. Eine Sendung umfasst einen in sich geschlossenen Programmteil (Martin Dumermuth, Rundfunkrecht, in Rolf H. Weber (Hrsg.), Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Informations- und Kommunikationsrecht, Basel 1996, Rz. 448). Gemeint ist in erster Linie das redaktionelle Programm. Nicht zum Programm werden im allgemeinen Werbespots gezählt (Franziska Grob, Die Programmautonomie von Radio und Fernsehen in der Schweiz, Zürich 1994, S. 96; Martin Dumermuth, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel 1992, S. 182 ff.). Auch das Bundesgericht zählt Werbung nicht zum eigentlichen Programm und hält fest, dass die Werbetätigkeit nicht durch den Leistungsauftrag und die Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG erfasst wird (BGE 123 II 409 f.). Das in Art. 4 Abs. 1 RTVG enthaltene Sachgerechtigkeitsgebot hat als Manipulationsverbot zum Ziel, dass sich das Publikum «durch die in einer Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild machen kann und damit in die Lage versetzt wird, sich eine eigene Meinung zu bilden» (BGE 121 II 363). Dieses Anliegen wird im Falle von Werbespots in erster Linie durch formale Anforderungen erfüllt. Ins Gewicht fällt hier vor allem die Vorschrift in Art. 18 Abs. 1 RTVG, wonach Spots vom Programm deutlich zu trennen und als Werbung zu kennzeichnen sind (BGE 123 II 410). Das Trennungsgebot sichert hier die Anliegen des Sachgerechtigkeitsgebots (Martin Dumermuth, Rundfunkrecht, in Rolf H. Weber (Hrsg.), Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Informations- und Kommunikationsrecht, Basel 1996, Rz. 274). Da Werbung naturgemäss einseitig ist (BGE 123 II 410), ist es für das Publikum wichtig, dass Transparenz herrscht und es zwischen Werbung und Programm unterscheiden und sich auf einseitige Darstellungen einstellen kann.

g) Da die UBI einzig die Einhaltung von Programmbestimmungen überprüft (Art. 65 Abs. 1 RTVG), stellt sich ferner die Frage, ob auch Werbevorschriften unter diese Kategorie fallen. Die Werbebestimmungen regeln in erster Linie kommerzielle Möglichkeiten der Veranstalter. Dies ergibt sich auch bei einer systematischen Betrachtungsweise: Die Werbevorschriften sind im RTVG im Abschnitt «Finanzierung» geregelt und stehen nicht bei den Vorschriften über die «Grundsätze für Radio und Fernsehen», wo die Bestimmungen über die Programmgestaltung enthalten sind (BGE 123 II 410; 126 II 11). Vor diesem Hintergrund stellen Werbevorschriften nicht Programmbestimmungen dar, d.h. ihre Verletzung kann nicht bei der UBI gerügt werden (BGE 114 Ib 206; Martin Dumermuth, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel 1992, S. 194 ff.; 356 f.). Um eine Werbevorschrift und somit nicht um eine Programmvorschrift handelt es sich auch beim Verbot der politischen Werbung (Art. 18 Abs. 5 RTVG). Diese Bestimmung ist auch nicht in erster Linie zum Schutze des Publikums vor Manipulation erlassen worden. Da eine abgetrennte politische Werbung durch das Publikum als solche und in ihrer Einseitigkeit erkannt werden kann, ist die Gefahr der Irreführung geringer als bei nicht sachgerecht gestalteten redaktionellen Sendungen. Das Verbot der politischen Werbung soll sicherstellen, dass der Wettbewerb unter den politischen Akteuren nicht verzerrt wird. Werbung in elektronischen Medien ist teuer und die Notwendigkeit, im Rahmen von Wahl- und Abstimmungskämpfen solche Werbung zu schalten, könnte die wirtschaftlichen Möglichkeiten von politischen Akteuren rasch überfordern (Botschaft RTVG, BBl 1987 III 734; Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 18. Dezember 2002, BBl 2003 1676).

h) Das Bundesgericht hat die Frage der Zuständigkeit der UBI für Werbespots bisher nur in einem Falle geprüft und verneint. Es ging dabei um die Frage der Alkoholwerbung, zu deren Beantwortung das Bundesgericht das BAKOM als zuständig erachtete (BGE 126 II 21 ff.). Ferner hat das Bundesgericht in einem anderen Fall im Rahmen eines nicht entscheidrelevanten obiter dictums festgehalten, soweit zur Diskussion stehe, ob ein im Werbefernsehen ausgestrahlter Spot das Verbot politischer Werbung verletze, sei die UBI zuständig (BGE 126 II 12). Dabei hat das Bundesgericht allerdings die Fragen, ob es sich bei Werbespots um Sendungen handelt bzw. ob Werbevorschriften Programmbestimmungen darstellen, nicht explizit beantwortet. Das Gericht hielt dafür, politische Inhalte gehörten ins eigentliche Programm und sollten nicht mit der primär wirtschaftlich orientierten und tendenziell manipulativ wirkenden Werbung vermischt werden. Geschehe dies dennoch, werde Programmrecht verletzt, da durch die Verwischung von Werbung und Programm die freie politische Meinungsbildung des Zuschauers berührt sei, deren verwaltungsunabhängige Wahrung aus staatspolitischen Gründen der Beschwerdeinstanz übertragen wurde.

i) Wann diese besondere Konstellation der Vermischung von politischen Inhalten in der Werbung und dem Programm sowie das damit verbundene Manipulationspotenzial zur Diskussion stehen (dazu Martin Dumermuth, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel 1992, S. 184 f.) und somit eine Zuständigkeit der UBI begründet wird, kann hier offen bleiben.

j) Die Ausstrahlung von Werbespots dient der Finanzierung des Veranstalters, d.h. in erster Linie stellen sich finanzrechtliche Fragen und es geht zumindest auch um die Einhaltung von Finanzierungsvorschriften. Dies begründet in jedem Falle eine Zuständigkeit des BAKOM. Wenn das BAKOM schon im Programm - der eigentlichen Domäne der UBI - für finanzrechtliche Fragen zuständig ist (BGE 114 Ib 154; 118 Ib 360 f.), muss das erst recht für die Beurteilung von Werbespots gelten. Hier ist die SRG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht im Rahmen des Programmauftrags öffentlichrechtlich, sondern grundsätzlich privatrechtlich tätig (BGE 123 II 412). Das BAKOM muss somit im konkreten Fall überprüfen, ob die SRG das Verbot der politischen Werbung verletzt und sich auf diesem Wege Finanzquellen erschlossen hat, deren Nutzung das Gesetz nicht zulässt. Würde eine solche Zuständigkeit nicht anerkannt, würde der Verstoss gegen das Verbot der politischen Werbung gegenüber Verletzungen anderer Werbevorschriften privilegiert. Eine Intervention von Amtes wegen wäre nicht mehr möglich und die für die Durchsetzung der Werbevorschriften wichtige Möglichkeit der Abschöpfung des widerrechtlich erzielten Gewinns (Art. 67 Abs. 1 lit. b RTVG) wäre ausgeschlossen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das BAKOM sich für die Beurteilung von Fragen im Zusammenhang mit der unerlaubten Finanzierung von Radio- und Fernsehprogrammen im Sinn von Art. 18 Abs. 5 RTVG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 lit. a RTVV (Verbot der politischen Werbung) innerhalb des Werbeblockes als zuständig erachtet. Es erachtet sich auch als befugt, im Falle von Verstössen gegen das Verbot der politischen Werbung innerhalb des Werbeblockes administrative Massnahmen im Sinne von Art. 67 ff. RTVG zu ergreifen und in schweren oder wiederholten Fällen die Strafbestimmungen von Art. 70 Abs. 2 lit. a RTVG anzuwenden.

III. Materielles

(...) b) Art. 18 Abs. 5 RTVG verbietet die politische Werbung. Bei der Frage nach der Tragweite dieses Verbots ist zunächst auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 28. Juni 2001 gegen die Schweiz einzugehen, in welchem sich der Gerichtshof einlässlich mit dieser Bestimmung befasst hat. Zu beurteilen war die Rechtmässigkeit der Weigerung der SRG (bzw. der Publisuisse SA), einen TV-Spot des «Vereins gegen Tierfabriken» (VgT), der die Schweinetierhaltung anprangerte und zur Einschränkung des Fleischkonsums aufrief, im Werbefernsehen auszustrahlen. Der EGMR hatte sich mit Art. 18 Abs. 5 RTVG auseinanderzusetzen, da sich sowohl die SRG (bzw. die Publisuisse SA) wie später auch die Schweizer Behörden und das Bundesgericht auf diese

Vorschrift berufen hatten. Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass ein Verbot für politische Werbung nicht a priori als unvereinbar mit den Garantien von Art. 10 EMRK erscheine. Insbesondere erachtete er die Argumentation in der Botschaft zum RTVG (BBl 1987 III 689 ff.), die das Verbot mit der unerwünschten Einflussnahme von finanzkräftigen politischen Organisationen und einer daraus resultierenden möglichen Verzerrung der demokratischen Entscheidfindung begründet, als nachvollziehbar. Im Fall des von der SRG (bzw. der Publisuisse SA) abgewiesenen Spots des VgT kam er zunächst zum Schluss, dass die vom VgT vertretene Haltung nicht in erster Linie kommerziell orientiert, sondern auf die Teilnahme in einer gesellschaftlichen Debatte ausgerichtet sei (zur diesbezüglichen bisherigen Praxis des Gerichtshofs vgl. Jörg Paul Müller/Martin Looser, Zum Verhältnis von Meinungs- und Wirtschaftsfreiheit im Verfassungsrecht des Bundes und in der EMRK, medialex 2000, S. 17 f.). Darum habe hier kein dringendes soziales Bedürfnis bestanden, den VgT von einem Zugang zur Fernsehwerbung auszuschliessen. Die Schweizer Behörden hätten zudem keine «relevanten und ausreichenden Gründe» für die Anwendung des Verbots politischer Werbung (und damit den Eingriff in das von der Konvention garantierte Recht der Meinungsäusserungsfreiheit) auf den konkreten Fall nachgewiesen. So handle es sich beim VgT nicht um eine finanzstarke Gruppe, die mit ihrer Werbung die Unabhängigkeit des Veranstalters gefährden, die öffentliche Meinung über Gebühr beeinflussen und so das Gleichgewicht der gesellschaftlichen Kräfte stören könnte. Der VgT habe sich mit dem umstrittenen Spot lediglich in einer laufenden Debatte über den Tierschutz und die Haltung von Tieren zu Wort melden wollen.

c) Das Urteil des EGMR ist bei der Anwendung von Art. 18 Abs. 5 RTVG zu berücksichtigen. Ein generelles Verbot der politischen Werbung in dem Sinne, dass jede werbende Äusserung mit politischer Relevanz verboten wäre, ist nicht mehr haltbar. Dagegen ist festzuhalten, dass der Gerichtshof die ratio legis von Art. 18 Abs. 5 RTVG, wonach eine einseitige Beeinflussung der demokratischen Willensbildung durch finanzkräftige Akteure verhindert werden soll, unter dem Gesichtswinkel von Art. 10 EMRK als legitim betrachtet. Das Verbot der politischen Werbung gemäss Art. 18 Abs. 5 RTVG ist somit auf einen Kernbereich zu reduzieren, in welchem der institutionalisierte demokratische Prozess in Form von Abstimmungen und Wahlen direkt berührt ist. Es soll namentlich verhindert werden, dass die Ausdehnung der Wahl- und Abstimmungskämpfe auf die Werbung in den elektronischen Medien entsprechende Anstrengungen von Parteien, Verbänden und Organisationen erheblich verteuert und finanzschwache Gruppen benachteiligt. Neben einem zeitlich nicht beschränkten Werbeverbot für politische Parteien und Inhaberinnen politischer Ämter ist es mit dem Urteil des EGMR und der ratio legis von Art. 18 Abs. 5 RTVG vereinbar, dass im Vorfeld von Wahlen auch die Werbung von und für kandidierende Personen verboten bleibt. Schliesslich ist Werbung für bestimmte Themen zwar nicht generell, aber im Vorfeld von entsprechenden Volksabstimmungen auch weiterhin als unvereinbar mit Art. 18 Abs. 5 RTVG einzustufen (so jetzt explizit Art. 10 Abs. 1 lit. c des Entwurfes für ein neues RTVG; dazu Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 18. Dezember 2002, BBl 2003 1676 f.).

d) Vorliegend ist somit zu prüfen, ob die den Atomstrom propagierende Werbung im beanstandeten Werbespot eine unzulässige Themenwerbung im Umfeld einer bevorstehenden Volksabstimmung darstellt. Ausschlaggebend für die Beantwortung dieser Frage sind insbesondere die Kriterien der sachlichen und zeitlichen Nähe zur entsprechenden Abstimmung.

Zeitlicher Konnex: Die Volksabstimmung, in der der Souverän auch über die beiden Volksinitiativen «Strom ohne Atom» und «Moratorium plus» entscheidet, findet am 18. Mai 2003 statt. Der Bundesrat hat diesen Termin am 29. Januar 2003 festgelegt und ihn der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Mit der Bekanntgabe des Abstimmungstermins beginnt für die beteiligten Akteure die eigentliche Abstimmungskampagne. Themenwerbung, die sich auf Fragen bezieht, zu denen eine Volksabstimmung bevorsteht, gerät somit spätestens mit der Festlegung und Bekanntgabe des Abstimmungsdatums in den Kernbereich der Verbotsnorm von Art. 18 Abs. 5 RTVG. Vorliegend war der Abstimmungstermin vor der ersten Ausstrahlung des beanstandeten Spots bekannt.

Inhaltlicher Konnex: Zu prüfen ist weiter, ob ein thematischer Konnex des Werbespots zur bevorstehenden Abstimmung besteht. Dies ist vorliegend klar der Fall. Zunächst wird ein «Strommix» (60% Wasserkraft, 40% Atomenergie) beworben, der eine sichere Stromversorgung gewähre. Erheblich ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang die Aussage «damit das so bleibt, sind Wasserkraft und Kernenergie ein unverzichtbares Paar». Mit dieser Formulierung wird impliziert, dass die Zukunft der Stromversorgung zur Diskussion steht - ein subtiler, aber unmissverständlicher Hinweis auf die bevorstehende Volksabstimmung über die beiden Initiativen «Strom ohne Atom» und «Moratorium plus» mit einer ebenso unmissverständlichen Parteinahme für die Nuklearenergie. Schliesslich schafft die Einblendung der Internetadresse www.6040.ch einen zusätzlichen und direkten Konnex zur Abstimmung vom 18. Mai 2003. Auf dieser Internetsite thematisiert das «Forum Stromversorgung Schweiz» praktisch ausschliesslich die bevorstehende Volksabstimmung über die beiden Initiativen und nimmt dezidiert für deren Ablehnung Stellung.

Im Sinne einer Zusammenfassung ist somit festzuhalten: Der auf den drei Senderketten des SRG-Fernsehens ausgestrahlte Spot «Jetzt ein Stromausfall» verstösst aufgrund seiner zeitlichen Nähe und der inhaltlichen Bezugnahme zur Volksabstimmung vom 18. Mai 2003 gegen das Verbot der politischen Werbung in Art. 18 Abs. 5 RTVG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 lit. a RTVV. (...)

Das BAKOM verfügt: Es wird festgestellt, dass die SRG gegen die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 21. Juni 1991 (RTVG) verstossen hat, indem im Vorfeld der Volksabstimmung vom 18. Mai 2003 ein Werbespot des «Forums Stromversorgung Schweiz» ausgestrahlt wurde (Art. 18 Abs. 5 RTVG). (...)

ANMERKUNGEN:

1. Das BAKOM beansprucht in dieser Verfügung, grundsätzlich allein zuständig zu sein, um Fragen politischer Werbung in Werbeblöcken zu beurteilen. Ist diese Kompetenzinterpretation vereinbar mit der bundesgerichtlichen Regel, wonach im Zusammenhang von Werbung im Fernsehen die UBI grundsätzlich für inhaltliche, das BAKOM für wirtschaftliche oder technische Fragen der Werbung zuständig und in Grenzfällen eine Doppelzuständigkeit beider Behörden möglich ist?

2. Schutzzweck des Verbots politischer Werbung ist die freie politische Meinungsbildung des Publikums. Diese ist jedenfalls im Falle von politischer Blockwerbung im Fernsehen gefährdet, die im Vorfeld von Wahlen oder Abstimmungen ausgestrahlt wird, weil sich solche Auftritte bloss wirtschaftlich potente Akteure leisten können. Das Werbeverbot bezweckt somit zu verhindern, dass wirtschaftliche Kräfte politische Entscheide steuern können. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) i.S. Verein gegen Tierfabriken (VgT) c. Schweiz vom 28. Juni 2001 kann zum Schutz der freien politischen Meinungsbildung selbst ein absolutes Werbeverbot gerechtfertigt sein, sofern die konkreten Umstände des Falles dies nicht als unverhältnismässig erscheinen lassen. Im erwähnten Urteil warf der EGMR den Schweizer Behörden vor, nicht konkret geprüft zu haben, ob der von der SRG abgelehnte Werbespot des VgT dem Verbot der politischen Werbung zuwiderlief (vgl. C.B. Graber in: medialex 1/2003, 60). Aus diesem Urteil folgt somit, dass die Behörde, die das Verbot politischer Werbung anwendet, auch bei einem Werbespot inhaltlich prüfen muss, ob es sich um politische Werbung handelt oder nicht.

3. Bei der inhaltlichen Prüfung eines Werbespots ist danach zu fragen, wie eine bestimmte Information als Ensemble von Sprach-, Text- und Bildelementen vom Publikum rezipiert wird. Für diese Aufgabe ist die UBI besser geeignet als das BAKOM, weil sie verwaltungsunabhängig ist und der Bundesrat bei der Wahl ihrer Mitglieder nicht nur auf die ausgewogene Vertretung der Geschlechter, Sprachregionen und politischen Parteien achtet, sondern auch auf die medienspezifische Fachkompetenz.

4. UBI-Entscheide sind Feststellungsentscheide. Weil der UBI Ombudsstellen vorgeschaltet sind, dauert das Verfahren von der Ausstrahlung eines Programms bis zum Entscheid der UBI in der Regel länger als 7 Monate. Stellt die UBI eine Programmrechtsverletzung fest, so beschränkt sich ihre Sanktionsmacht darauf, den fehlbaren Veranstalter aufzufordern zu berichten, welche Vorkehrungen er getroffen hat, um solche oder ähnliche Rechtsverletzungen in Zukunft zu vermeiden. Aufgrund der langen Verfahrensdauer und der beschränkten Sanktionsgewalt der UBI ist klar, dass dieses Prozedere in Fällen wie dem vorliegenden nicht geeignet ist, die freie politische Meinungsbildung des Publikums wirksam zu schützen.

5. Auch das BAKOM-Verfahren kann eine Schädigung der demokratischen Meinungsbildung nicht vollständig ausschliessen. Der vorliegende Fall zeigt jedoch, dass das BAKOM es schafft, innert sehr viel kürzerer Zeit zu entscheiden, als die UBI: Zwischen der Verfahrenseröffnung und der Verfügung vergingen weniger als drei Wochen. Mit dem Entzug der aufschiebenden Wirkung im Falle einer Anfechtung steht ihm eine griffige vorsorgliche Massnahme zur Verfügung, um den Schaden mit sofortiger Wirkung zu begrenzen. Die in Art. 67 Abs. 1 Bst. b RTVG vorgesehene Sanktionsmöglichkeit, die durch die unerlaubten Werbespots erzeugten Nettoeinnahmen abzuschöpfen, erweist sich präventiv als sehr wirksam (im vorliegenden Fall geht es um rund 480'000 Franken!).

6. Stellt man diese Gesichtspunkte einander gegenüber, so ist es aus einer ergebnisorientierten Perspektive begrüssenswert, wenn das BAKOM in Fällen politischer Werbung in Werbespots zuständig ist. Nicht zwingend ist jedoch die Argumentation des BAKOM, dass diese Kompetenz eine ausschliessliche sei und jene der UBI grundsätzlich verdränge. Aus institutioneller Sicht ist es problematisch, dass eine Verwaltungsbehörde selbst dort eine ausschliessliche Kompetenz beansprucht, wo es um die Beurteilung der Frage geht, ob ein fraglicher Werbespot überhaupt politisch ist. Das ist eine inhaltliche Frage, deren Beantwortung gerade im vorliegenden Fall nicht trivial ist und das Fachwissen einer besonders legitimierten Behörde verlangt.

7. De lege ferenda scheint es mir wichtig, dass der Entscheid über Fragen politischer Blockwerbung einer Behörde zufällt, die gleichzeitig verwaltungsunabhängig ist und Sanktionen ergreifen kann, welche die politische Meinungsbildung wirksam vor wirtschaftlicher Einflussnahme schützen. Diese Überlegung ist ein Argument für die im Entwurf zum neuen RTVG vorgesehene unabhängige Kommission, die im Bereich der Fernsehwerbung die Aufsichtsfunktionen des BAKOM übernehmen soll.

Prof. Christoph Beat Graber, Bern und Luzern


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