VN00-2, April 2000
Privat-Zoo "Hasel" im Kanton Aargau:
Mario: lebenslänglich unschuldig hinter Gittern
Ein Bericht von Marlène Gamper, Vizepräsidentin VgT,
die Mario seit 1985 kennt
Seit 15 Jahren Einzelhaft und kein Ende: mit hoffnungslosen Augen blickt Mario durch die Eisenstangen in die grüne Freiheit
Mein Name ist Mario. Ich werde in ein paar Wochen 18 Jahre alt, lebe unschuldig hinter Gittern, Einzelhaft. Hier werde ich auch sterben, unschuldig hinter Gittern, in Einzelhaft. Geboren wurde ich 1982 im Basler Zoo, dort lebte ich 2,5 Jahre. Bald wurde ich überzählig und wurde an eine Privatperson verkauft. Nicht lange blieb ich dort, es war eine Misere. Als 3-jähriger landete ich im Privatzoo Hasel. Dort steckte man mich in die damalige Bärengrube. Metertief, betoniert, feucht und stinkig, allein. In der Mitte der Grube war ein Kletterbaum an dem ich etwas hochklettern konnte, um die Menschen anzubetteln. Man warf mir Fressen zu. Fressen? Es war Popcorn, ab und zu ein Rüebli, ein Apfel, manchmal auch Kies oder Steine, Spucke. Alles was ich in jenen Jahren in der Bärengrube sah waren die Köpfe der Menschen die zu mir runterschauten und ein kleines Stück Himmel. Nie sah ich einen Baum, nie ein anderes Lebewesen, schon gar nicht einen Artgenossen. Das Veterinäramt «kontrollierte» sporadisch und mein eintöniges, himmeltrauriges Leben ging weiter mit dem Einverständnis der Behörde.
Es gab Leute die Mitleid mit dem armen Bär hatten der neben seinen
eigenen Exkrementen lag. Irgendwann wurde gesammelt, es gab Pächterwechsel,
Finanzmiseren, Besitzerwechsel, für mich änderte sich nichts. 1997 präsentierte man mir
mein neues Gehege. Gitterkäfig, weiterhin Einzelhaft. Mehr als 100'000 Franken soll der
Käfig gekostet haben. Eine Spezialanfertigung aus Beton und Eisenstäben. Mich fragte
keiner nach meinen Bedürfnissen! Kein Kletterfelsen, keine Rückzugsmöglichkeit, kein
Baum, keine Beschäftigung, kein fliessendes Wasser. Besucher werfen mir Popcorn zu und
wundern sich über meine Geschicklichkeit, wie ich die kleinen weissen Dinger auflese und
fresse. Ich tue dies nicht aus Hunger, es ist Langeweile. Ich stehe oft verzweifelt an den
Stangen meines Gefängnisses und sehe sehnsüchtig zu den Bäumen, zum Wald. Meine Pfleger
sagen: Es genügt, wenn er die Bäume sieht. Man prahlt, dass man mich bis ins Detail
kenne und sicher sei, dass es mir an nichts fehle, jede Regung von mir werde genauestens
interpretiert, man sei überzeugt, ich hätte ein tolles Leben. Hilfe! Ich bin
ausgeliefert, entwürdigt, einsam. Nicht einmal Äste und Bäume gönnt man mir. Ich habe
nichts verbrochen, bin unschuldig. Viele Besucher wundern sich, wenn sie beobachten wie
ich mich selbst befriedige. Man bringt die Kinder weg; sie könnten peinliche Fragen
stellen. Diejenigen, die fragen, erhalten die Antwort, dass ich ein Grüsel sei, abnormal,
ein Wichser. Wer und was bin ich? Ich bin allein, einsam, mir ist langweilig. Ein edler
Spender hatte in seinem Garten eine abgestorbene Eiche. Dieser Stamm wurde für mich in
den Käfig gebracht. Damit soll ich mich beschäftigen, das einzige was man mir als
Abwechslung bietet - ein runder, toter Eichenstamm, ohne Ast, ohne Blatt. Was soll ich
damit?
Das Veterinäramt kontrolliert weiterhin fleissig und gibt die nötigen Stempel und
Bewilligungen und attestiert, mir gehe es gut - «tierschutzkonform». Für mich sind das
Lügner, Heuchler, Feiglinge. Wenn ihr mein Leben schon nicht verbessern könnt, dann
erlöst mich von meinem Elend. Tod, du lieber Bruder des Schlafs. Sind 18 Jahre grausame
Einzelhaft nicht genug? Hilfe!
Im Jenseits erst werde ich wohl Bäume um mich haben, Gras unter den weichen Fuss-sohlen,
Blumen und Kräuter, um meine Nase hineinzustecken. Ich träume von Purzelbäumen, Felsen,
einem Flüsschen, einer Gefährtin, einem Revier, das mir alles bietet, was ein Bär
braucht. um glücklich zu sein und nicht lediglich zu überleben.
Euer Bär Mario.
Anmerkungen:
Mario lebt im Privatzoo Hasel im Kanton Aargau. Die Postadresse lautet auf Gemeinde
Rüfenach, der Zoo liegt aber jenseits der Gemeindegrenze auf dem Gebiet der Gemeinde
Remigen. Und übrigens: es leben dort noch andere bedauernswerte Kreaturen, denen es an
einigermassen artgerechten Bedingungen mangelt z.B. Affen und Raubtiere.
"Wir haben der Art und
Weise, in der die menschliche Spezies sich von allen anderen unterscheidet, zu viel
Aufmerksamkeit geschenkt, und der Art und Weise, in der wir wie alle anderen Spezies sind,
zu wenig.»
Aus: «Tierethik - Neue Perspektiven für Menschen und Tiere» von Jean-Claude
Wolf, Fr 25.- + Fr 5.- Versandkosten, erhältlich im VgT-Buchversand
Die Braunbären im Tierpark Langenberg in Langnau am Albis
Das Drama im Zoo Hasel wird deutlich, wenn man mit einem tiergerechten Bärengeheg vergleicht. Vorbildlich ist diesbezüglich der Tierpark Langenberg in Langnau a.A., wo die Braunbären in einem grossen, naturnahen Gehege leben können. Die folgenden Bilder zeigen nur einen kleinen Ausschnitt des Bärengeheges. Im Bild links ist im vorn der Zuschauerbereich zu sehen, abgetrennt durch eine Abschrankung mit Glasswänden. Dahinter das grosszügige Bassin, in das wasserfallartig ein Bächlein vom Wald herunter mündet. Im Urwald, der sich den Hang hinaufzieht, finden die Bären Versteck- und Erkundungsmöglichkeiten. Dort bauen sie Nester aus Zweigen oder graben Erdhöhlen für die Winterruhe. Der Vergleich mit dem betonierten Rundkäfig von Mario zeigt das ganze Ausmass des Tierdramas. Braucht es dazu noch Worte oder wissenschaftliche Beweise?
Die Lebensweise des Braunbärs:
Die Massigkeit des Bärenkörpers täuscht darüber hinweg, dass die Tiere sehr flink sein
können. Über kurze Strecken erreicht ein Braunbär Geschwindigkeiten um die 50 km/h. Er
ist zudem ein gewandter Kletterer und Schwimmer. Alle Sinnesorgane sind hochentwickelt,
besonders Nase und Ohren. Der Braunbär gehört zu den intelligentesten Tierarten. Seine
Neugierde ist sehr ausgeprägt, ebenso seine Lernfähigkeit. Das Erlernte spielt für sein
Verhalten eine grosse Rolle. Da jedes Tier durch seine individuellen Erfahrungen geprägt
ist, können sich die Verhaltensweisen stark unterscheiden. Wo Bären häufig gestört
werden, leben sie dämmerungs- und nachtaktiv. In unbesiedelten Gebieten sind sie auch am
Tag unterwegs.
Der Bär - ein "vegetarischer Fleischfresser"
Warum also sollen vegetarische Hunde
"unnatürlich" sein?
Aus der WWF-Dokumentation über Braunbären (http://www.wwf.ch/german/campaign/baerdok.html):
"Taxonomisch gehört der Braunbär zu den Carnivoren - fleischfressenden -
Säugetieren, doch seine Ernährungsgewohnheiten sind anders: Die grösste aller
Landraubtierarten ernährt sich vorwiegend vegetarisch. Rund drei Viertel des Bedarfs wird
mit pflanzlicher Nahrung gedeckt. Ein Braunbär ist energetisch nie im Gleichgewicht:
Entweder nimmt er rasch zu, oder er magert ab. Gross ist der Hunger namentlich im
Spätsommer und Herbst. Jetzt gilt es, den Winterspeck anzufressen. Erwachsene Bären
müssen dann täglich um 20'000 kcal. Nahrung aufnehmen. Das wären zum Beispiel 30 kg
Äpfel. Die Ernährung
basiert zu dieser Zeit auf Baumfrüchten - Eicheln, Bucheckern, in den südlichen Wäldern
auch Kastanien - und Beeren aller Art. Mit einem Fettvorrat, der etwa einem Drittel des
Körpergewichts entspricht, verzieht sich der Bär in sein Winterlager. Verlässt er im
Frühling die Höhle, verspürt er vorerst noch kaum Hunger. Der Fressapparat muss erst
wieder langsam in Betrieb genommen werden. Viel Bärenfutter steht ohnehin noch nicht zur
Verfügung. Gefressen werden zu dieser Zeit Wurzeln, Gräser und Kräuter (Bärlauch!).
Willkommen ist jetzt auch Aas von wilden Huftieren, die Opfer des Winters geworden sind.
Tierische Proteine werden auch in Form von Insekten aufgenommen. Als Jäger macht sich der
Bär dagegen kaum bemerkbar. Einzig skandinavische und
nordamerikanische Bären erbeuten regelmässig Wildtiere, nämlich Elchkälber."
Hunde haben ein Raubtiergebiss. Trotzdem zeigt die praktische Erfahrung, dass sie sehr gut vegetarisch ernährt werden können und dass sich das sogar gesundheitlich positiv auswirkt. Über diese Erfahrungstatsache habe ich mich auch lange gewundert. Nun ist interessant, dass Bären - ähnliche wie Hunde «Raubtiere» - sich weitgehend vegetarisch ernähren. Die Natur macht beim Bären vor, was der Mensch bei der Heimtierhaltung von Hunden herausgefunden hat: Ein Raubtiergebiss verlangt nicht zwangsläufig Fleischnahrung. Das sollten sich all diejenigen merken, die immer wieder behaupten, vegetarische Ernährung von Hunden und Katzen sei unnatürlich und darum tierquälerisch. Das ist reine Theorie. Die Natur widerlegt mit dem Bären diese abstrakte Theorie. Darüberhinaus sollte auch nicht vergessen werden, dass das Halten von Hunden und Katzen in Wohnungen ohnehin sehr "unnatürlich" ist. Es ist deshalb genau so falsch, sich bei der Ernährung von Hunden und Katzen einfach an Wildtieren zu orientieren, genauso falsch, wie wenn fleischfressende Menschen sich auf die Höhlenbewohner berufen. Tatsache ist, dass der Mensch kein Raubtiergebiss hat und im Gegensatz zu unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, auch keine Reisszähne. Trotz ihren Reisszähnen ernähren sich Schimpansen weitgehend vegetarisch.