Brief als Beilage zu VN2003-3, an die Mitglieder und Abonnenten:
Tuttwil, im Oktober 2003
Geschätzte Mitglieder, Gönner und Abonnenten!
Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen der Frage "Wie weiter?". Das Scheiteren der Initiative gegen das betäubungslose - Schächten trotz Versand des Initiaitvbogens in sämtliche Haushaltungen der deutschen Schweiz - hat bleibende Zweifel am Sinn meiner Tierschutzarbeit aufkommen lassen. Dazu kommt ein finanzieller Engpass, der uns leider zwingt, die VgT-Nachrichten künftig weniger häufiger herauszugeben und weniger breit zu streuen.
Während früher die Reaktionen auf meine Arbeit vor allem Beschimpfungen und Drohungen waren, sind es heute eher Abbestellungen, weil man/frau Tierquälerei nicht ertrage und darum die schrecklichen Bilder nicht mehr sehen möge. Zynisch ist es, wenn solche Abbestellungen dann auch noch mit dem Dank für mein Engagement und dem Wunsch "weiterhin viel Erfolg" enden.
Dem immer wieder vorgebrachten Wunsch, auch schöne Tierhaltungen zu zeigen, nicht nur immer so schreckliche, werde ich NICHT nachkommen. Wir können - wenn überhaupt - nur etwas bewirken, wenn die Konsumenten schonungslos aufgeklärt werden und wissen, welches Unheil sie mit dem Konsum tierischer Produkte anrichten. Der Wunsch, auch schöne Beispiele serviert zu bekommen, entspringt dem Bedürfnis, die schrecklichen Bilder mit dem Trost verdrängen zu können, dass es ja auch noch schöne Tierhaltungen gebe. Es ist aber nicht Aufgabe des VgT, den Konsumenten beim Verdrängen der schrecklichen Tatsachen zu helfen.
Geben Sie doch die VgT-Nachrichten einfach weiter, wenn Sie sie nicht sammeln. Warum nicht einfach in einen Briefkasten werfen, damit andere aufgeklärt werden? Das ist nicht verboten und braucht auch nicht wahnsinnig viel Zeit und Mut, sondern kann zB sinnvoller Anlass für einen Abendspaziergang sein.
Sie können gratis zusätzliche Exemplare zum Weitergeben und Verteilen bestellen. Auch Geschenkabonnements für Bekannte sind möglich.
Vielleicht ist das alles eine Sysiphusarbeit, für Sie wie für mich, denn die Masse schaut lieber weg, als sich den Appetit auf die Tierquälerprodukte verderben zu lassen. Sollen wir trotzdem weitermachen? Eine schwierige Frage. Aber was ist die Alternative? Kann man wirklich einfach "das Leben geniessen" ohne auch einen Beitrag zugunsten der Unterdrückten und Gefolterten zu leisten? Ein solcher Lebensgenuss ist doch in Wirklichkeit nur eine Droge, nichts, das in der Bilanz des Lebens positiv ins Gewicht fällt. Der grosse Musik Richard Wagner soll einmal gesagt haben:
"Ich weiss nicht, wie der Liebe Gott einmal mein Lebenswerk bewerten wird. In den letzten Wochen habe ich über fünfzig Partiturseiten vom Parsifal geschrieben und drei jungen Hunden das Leben gerettet. Warten wir ab, was gewichtiger auf die Waagschale drücken wird."
In diesem Sinne sene ich Ihnen meine herzlichsten Grüsse
Erwin Kessler
Mail an den Verein gegen Tierfabriken Schweiz
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