VN04-1, Mai 2004

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte tritt wegen Überlastung auf über 95 % der Beschwerden nicht ein

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird von den Mitgliedstaaten des Europa Rates finanziell an kurzer Leine gehalten. Dieser Umstand zusammen mit der Tatsache, dass die höchsten Gerichte vieler Mitgliedstaaten - darunter auch die Schweiz - nicht fähig oder willens sind, die Menschenrechte auch in Verfahren gegen Oppositionelle und unbequeme Kritiker zu respektieren, führte in den letzten Jahren zu einer hoffnungslosen Überlastung des Menschenrechts-Gerichtshofes. Als Notlösung missbraucht der Gerichtshof das Vorprüfungsverfahren dazu, ständig rund 95 % (2002 waren es 97 %) aller Beschwerde als "unzulässig" zurückzuweisen - mit einer dreizeiligen, völlig willkürlichen, nichtssagenden Begründung, neuerdings überhaupt ohne jede Begründung. Der Freiburger Rechtsprofessor Franz Riklin hat diese Praxis als "verlogen" bezeichnet. Nach meiner Meinung ist dies sogar menschenverachtend, denn damit werden Opfer staatlicher Willkür, welche mit grossem Aufwand alle nationalen Instanzen durchlaufen haben und sich in letzter Hoffnung an den EGMR wenden, indirekt als Versager und Querulanten hingestellt, welche haltlose Menschenrechtsbeschwerden erheben. In Tat und Wahrheit werden aber auch sehr begründete Beschwerden auf diese verlogene, menschenverachtende Weise zurückgewiesen. Auch die wenigen Beschwerden, auf die der EGMR eintritt, werden erst nach einem überlangen Verfahren entschieden, derart hoffnungslos ist der EGMR überlastet. 2002 gingen über 30 000 neue Beschwerden ein. Der EGMR ist aber personell nicht in der Lage, mehr als - wie bisher - 800 bis 900 Urteile jährlich zu fällen.

Erwin Kessler, Präsident VgT


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