VN07-1, Februar 2007

Eine Reise durchs Archiv der Zeitung "Tierwelt"

(mp) Wer meint, in der Zeitschrift "Tierwelt" nützliche Tipps zur artgerechten Haltung von Kaninchen - nämlich in Gruppen mit genügend Auslauf - zu finden, wird enttäuscht. Es wird intensiv über die Ausstellungen der Kaninchen-Züchtervereine berichtet, bei denen die "liebevoll gepflegten" Tiere oder ihre Artgenossen da und dort auch gleich schon mal als viel gelobte Apero-Häppchen auf dem Tisch landen… Auch über Ernährung, Krankheiten und Impfungen wird man umfangreich informiert. Da wird z.B. seit Jahren vergebens gegen die dramatische Ausbreitung der hochansteckenden Darmlähmung, die Mukoide Enteritis, gekämpft. Ob die in ihrer Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkten Tiere in den Kastenställen vielleicht so auf ihr Schicksal reagieren?

Die Mitglieder der Kaninchenzüchter-Vereine sind stolz auf ihre lebenslang in Kästen gesperrten Kaninchen. Den Vorstandsmitgliedern ist durchaus bewusst, dass es immer noch Kaninchenzüchter gibt, deren Ställe nicht einmal den minimalsten Vorschriften der Tierschutzverordnung entsprechen. Und speziellen Rassen mit seltener Fellfärbung wird sogar das natürliche Sonnenlicht vorenthalten, da sich dieses negativ auf die Farbe auswirke.

Typisch ist die Meinung des Redaktors in einer diesjährigen Tierwelt-Ausgabe zu folgendem Bericht aus dem Jahr 1927, dieser sei "eigentlich topaktuell, wenn wir an die Enterocolitis, den Tierschutz, die Gruppenhaltung und die Zertifizierung denken.":

Tierschützerisches Moment

Das Ideal in der Kaninchenzucht wären zweifellos grösste Ställe mit freiem Auslauf. Aber es wäre ja gleichbedeutend mit der Unterbindung der nützlichen und liebhaberischen Betätigung in der Kaninchenzucht durch den Mann mit geringem Platz, wollte man diese Forderung strikt durchzusetzen versuchen.

Bei der Gelegenheit sei auch einmal auf das tierschützlerische Moment aufmerksam gemacht. Wo ist der Tierschutzverein, der dem Züchter, der auf relativ beschränktem Platz ein kerngesundes, glanzäugiges, temperamentvolles, also lebenslustiges Kaninchen, in blendend sauberem Fellkleide hervorbringt, und vom Preisrichter für Gesundheit und Pflege volle Punktzahl erhält, einmal aus freien Stücken eine besondere Ehrung zukommen lässt?

Hier wird namentlich von dem kleinen Züchter, der wahrlich kein Geld zu viel für Streubeschaffung ausgeben kann, neben Sachkenntnis ein hohes Mass von Liebe und Sorgfalt für seine Pfleglinge nachgewiesen.

Da scheint in den letzten 80 Jahren nichts dazugelernt worden zu sein. Sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse über die angeborenen Bedürfnisse von Kaninchen werden in den Wind geschlagen. "Temperamentvoll" sollen diese Kasten-Kaninchen sein. Mitnichten! Sie können an den Ausstellungen aus dem Käfig herausgenommen und auf den Tisch gestellt werden und bleiben dort sitzen, wie Plüsch-Kaninchen. Ein gesundes Kaninchen würde davon rennen. Geradezu zynisch ist es, wie diese Tierquäler von "Liebe" reden. Diese Rassenzüchter "lieben" ihre Ausstellungsobjekte etwa so, wie Briefmarkensammler ihre Briefmarken. Sollen die Züchter mit zuwenig Platz, welche nicht fähig sind, ihre Kaninchen als beseelte Wesen zu erkennen, doch besser Briefmarken sammeln, das braucht weniger Platz!


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