VN95-4

TV-Sponsoring treibt seltsame Blüten:

"Tier-Report" ohne Biss im Schweizer Fernsehen

von Erwin Kessler

In der vom "Schweizer Tierschutz STS" mitfinanzierten Sendung “Tier-Report” von Erich Gysling wurde in der ersten Folge als einziges Markenfleisch-Label das “Gourmet-mit-Herz” des STS namentlich erwähnt - eines der minimalistischsten Labels, das keine Freilandhaltung garantiert, sondern lediglich eine etwas verbesserte Stallhaltung, mit tierquälerischen Kompromissen.

Die Sendung zeigte, wie Masthühner (Poulets) brutal in Transportkisten eingepackt und im Schlachthof container-weise, auf Förderbänder gekippt und schliesslich lebend und unbetäubt an den Füssen - Kopf nach unten - an Förderanlagen eingehakt werden. Verschwiegen wurde, dass dieser rücksichtslose, tierquälerische Umgang mit Tieren auch mit den Gourmet-mit-Herz-Poulets praktiziert wird. In täuschender Weise wurde den Konsumenten eingeredet, sie könnten Tierquälerei vermeiden durch Bevorzugung von Gourmet-mit-Herz-Produkten! Kein Wort davon, dass bei gewissen Label-Produkten, insbesondere Gourmet-mit-Herz, die Werbeversprechen mit der Realität wenig zu tun und in der heutigen Situation deshalb der Verzicht auf die unnötige Fleischnahrung die Massentierquälerei am wirkungsvollsten und konsequentesten eindämmt.

Als "Tier-Report ohne Biss” bezeichnet die sonst als tierschutz-gleichgültig bekannte NZZ (Ausgabe vom 6.2.95) die erste Folge. Schweinemäster spendeten dem moderaten Moderator Erich Gysling grosses Lob ("Schweizer Bauer" vom 8.2.1995) - kein Wunder: Erich Gysling versteht es, unsere einheimische Tierhaltung mit Horrorbildern aus dem bösen Ausland in ein insgesamt positives Licht zu stellen. Nur: Die in der zweiten Folge gezeigten, von Karremann gedrehten Aufnahmen aus der EU zeigen die tägliche Realität, die Schweizer Eigenproduktion des sonst couragierten und engagierten Filmers Mark Rissi dagegen einen Fohlentransport aus der Schweiz nach Italien, zudem sich Rissi vom Bundesamt für Landwirtschaft einladen liess! Dieser amtlich ausgesuchte und begleitete Transport ist wohl nicht gerade das, was objektiv den Aufnahmen von Karremann in der EU gegenübergestellt werden kann. Die coole und moderate Moderation von Erich Gysling ist offensichtlich keine Garantie für Objektivität und schonungslose Darstellung der Wahrheit.

Unser Angebot an Erich Gysling, zur Sendung "Tiertransporte" unser Wissen beizutragen, blieb unbeantwortet. So blieb es beim amtlich begleiteten Fohlentransport, und die Fernsehzuschauer haben nicht erfahren, wie die Realität ist, dass zum Beispiel dieSchlachtfohlen zum oft schon am Vorabend in die Transporter gepfercht werden, die ganze Nacht hindurch mit den Hufen gegen die Wände trommeln und schon acht Stunden diesem Stress ausgesetzt und erschöpft sind, bevor die Reise nach Italien ohne vorheriges Tränken überhaupt erst los geht (von mir mit Nachtsichtgerät gefilmt!).

Wie schon in der ersten Folge, existierte für Gysling auch in der zweiten Sendung nur der Schweizer Tierschutzverband STS als Repräsentant des Nutztierschutzes in der Schweiz. Nur dessen Stimme wird wiedergegeben, nur dessen Markenfleisch-Programm wird erwähnt, offensichtlich als Dank an den Sponsor STS. Auch Erich Gysling scheint - trotz seiner coolen Präsentation - käuflich zu sein, wie leider so manche Politiker und Medienschaffende. Ein Tier-Report ohne Biss - trotz Horrorbildern.

Im dritten Teil ging es um exotische Vögel und Reptilien als Heimtiere - eine gute Sendung, da dieses Thema mit keiner mächtigen Lobby in Konflikt kommt.


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VN95-4, April 1995
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