Der ökologische Rinderwahnsinn

Aus dem Buch Das Imperium der Rinder von Jeremy Rifkin, Campus Verlag


Anmerkung von Erwin Kessler:

1995 wurde das GATT-Referendum vom Volk abgelehnt. Damit wurde der Schweizer Markt dem skrupellosen und schrankenlosen globalen Freihandel geöffnet - für den Tierschutz eine Katastrophe. Aus parteipolitischen Gründen hat der Schweizer Tierschutz STS - dessen Präsidentin der FDP angehört, welche Wirtschaft und Handel über jede Ethik stellt - diese Tierschutzkatastrophe befürwortet und mitgeholfen, den Stimmbürgern Sand in die Augen zu streuen. Die warnenden Stimmen des VgT und von Franz Weber blieben ungehört. Nun ist die Schweiz schutzlos eingebunden in das internationale Treiben der Fleisch-Mafia und in die globale Umweltzerstörung durch die Fleischproduktion. Migros verkauft zum Beispiel als «Schweizer Produkt» deklarierte Pouletschnitzel aus China und Brasilien, die in der Schweiz lediglich paniert und verpackt werden. Unmerklich und unwissend beteiligen sich die fleischessenden Schweizer Konsumenten am globalen Fleischwahnsinn. Einzige Hoffnung: der anhaltende Trend zum Vegetarismus. [Migros Tierquäler-Produkte (Teil 3, Schweizer Poulets-Schnitzel aus China)]

Während die Menschen in der Dritten Welt hungern, weil es am nötigen Getreide fehlt, sterben in der industrialisierten Welt gleichzeitig Millionen Menschen, weil sie zuviel Fleisch von mit Getreide gemästeten Tieren essen. In Nordamerika, in Europa und zunehmend auch in Japan konsumieren die Menschen Rindfleisch in rauhen Mengen und sterben an den sogenannten «Wohlstandskrankheiten» wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs.

Während die Reichen an Wohlstandskrankheiten sterben, gehen die Armen dieser Welt zugrunde, weil es ihnen am Notwendigsten zum Leben fehlt

Weltweit wird etwa ein Drittel der gesamten Getreideernte an Vieh verfüttert. In den Entwicklungsländern werden Millionen von Bauern vom Land ihrer Vorfahren verdrängt; ihre traditionelle Eigenbedarfswirtschaft muss dem kommerziellen Futtergetreideanbau weichen.

Seit 1960 sind mehr als 25 Prozent der Wälder Südamerikas abgeholzt worden, um Weideflächen Platz zu machen Von 1966 bis 1983 wurden fast 100 000 Quadratkilometer Regenwald am Amazonas abgeholzt. Heute grasen in diesem Gebiet Millionen von Rindern Die bittere Ironie dieser Entwicklung liegt darin, dass das gerodete Land nicht einmal besonders gut als Weideland geeignet ist. In einem tropischen Ökosystem ist die Humusschicht sehr dünn und enthält wenige Nährstoffe. In diesen uralten Lebensgemeinschaften wird die Energie sehr schnell aus den Wurzeln an das Kronendach zurückgegeben, und es bleibt nur wenig verwertbare Energie im Boden zurück, der schon nach kurzer Zeit - gewöhnlich nach drei bis fünf Jahren - von der Weidewirtschaft ausgelaugt ist, so dass die Viehzüchter gezwungen sind, weitere unberührte Waldflächen zu roden.Heute treten die Bulldozer des Caterpillar-Konzerns überall in Lateinamerika gegen die Urwälder an. Täglich fordern sie ihren Tribut, fressen sich weiter und weiter in den Dschungel hinein und zerstören alles, was ihnen im Wege steht. In Mexiko und Mittelamerika, wo es einst 400 000 Quadratkilometer tropischen Regenwald gab, sind heute noch 130 000 Quadratkilometer übriggeblieben. Auch dieser noch verbliebene Waldbestand wird aller Voraussicht nach innerhalb der nächsten 25 Jahre vernichtet sein. Die brasilianische Verstrickung in die Rinderindustrie wurde vielen erst bewusst, als die Medien vom gewaltsamen Tod des brasilianischen Kautschuckpflanzers Chico Mendes berichteten, der von brasilianischen Gross-grundbesitzern ermordet worden war.

Die Zerstörung der Natur durch Rinderherden beschränkt sich nicht auf die Regenwälder, sondern betrifft riesige Landflächen in aller Welt. Die Rinderwirtschaft gehört heute zu den Hauptursachen für die Ausbreitung der Wüstenregionen. Die Zahl der Opfer, die die Ausbreitung der Wüste unter den Menschen fordert, ist unvorstellbar: Abermillionen Menschen ziehen, besitzlos und von ihrem Laden vertrieben, auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort über verdörrte Felder, durch unfruchtbare Wüsten und kahlgerodete ehemalige Waldgebiee und finden am Ende ihrer sinnlosen Wanderung nichts als überfüllte Slums, Barackensiedlungen oder einen Schlafplatz am Strassenrand. Die Erwärmung der Erde entwickelt sich rasch zur grössten Bedrohung des Menschen und seiner Umwelt, die es je in der Geschichte gegeben hat Die Beiträge der Rinderhaltung zum Treibhauseffekt sind ähnlich gross wie die des gesamten Autoverkehrs, wenn wir die Waldrodung fürs Rind und für Futtermittel einbeziehen.

Um den Rindfleischbedarf einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie für ein Jahr zu decken, werden etwa tausend Liter Treibstoff gebraucht, bei

deren Verbrennung 2.5 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben werden - das entspricht dem Abgasausstoss eines Mittelklassenwagens in sechs Monaten bei normaler Nutzung Es mutet ironisch an, ist aber durchaus verständlich, dass die Männer in unserer modernen High-Tech-Gesellschaft um so entschlossener zu sein scheinen, den männlichen Mythos des Fleischessens aufrechtzuerhalten, je weiter sie sich von der Notwendigkeit körperlicher Arbeit entfernen. Eine Ernährungswissenschaftlerin erklärt das Phänomen damit , dass Männer, die den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen müssen, das Bedürfnis haben sich ihrer Männlichkeit zu versichern, indem sie blutige Fleischlappen, das letzte Symbol des Machismo, verschlingen.


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