Aus dem Katalog der Sonderrechte der Agro-Mafia:

Illegale Bewilligungen für neue Tierfabriken in der Landwirtschaftszone

von Erwin Kessler


 

Einige Kantone - insbesondere Bern, Fribourg, Aargau - erteilen laufend Bewilligungen für bodenunabhänggie Intensivmastbetriebe in der Landwirtschaftszone. Das verletzt das eidg Raumplanungsgesetz, wonach in der Landwirtschaftszone nur standortgebundene Bauten, die der Landbewirtschaftung dienen, errichtet werden dürfen. Nachdem in einem solchen Fall das Solothurner Obergericht die Klagelegitimation des VgT gestützt auf das Natur- und Heimatschutzgesetz bejahte, klagte der VgT gegen Dutzende solcher Tierfabrik-Neubauprojekte, hauptsächlich im Kanton Bern. Das Bundesgericht trat auf diese Klagen nicht ein und verneinte die Klagelegitimation des VgT. Eigentlich wäre das Bundesamt für Raumplanung (BRP) verpflichtet, die Oberaufsicht über die Kantone auszuüben und gegen illegale kantonale Bewilligungen einzuschreiten.

Im Herbst ersuchte der VgT das BRP gegen die Bewilligung einer bodenunabhängigen Schweinefabrik im Kanton Aargau Behördenbeschwerde einzulegen, doch das BRP tat nichts. Der VgT reichte deshalb am 20. Sept 1992 beim Eidg Justiz- und Polizeidepartement von Bundesrat Koller Aufsichtsbeschwerde gegen das BRP ein. Am 30. Oktober 1996 - also nach vier Jahren! - hat nun Kollers Departement diese Aufsichtsbeschwerde endlich behandelt, natürlich negativ, mit einem nichtssagenden bürokratischen Gefasel

Das ist nicht überraschend: Den Grund für diese Untätigkeit der Bundesverwaltung habe ich schon in meinem Buch «Tierfabriken in der Schweiz - Fakten und Hintergründe» (Orell Füssli Verlag) auf Seite 136 aufgedeckt, im folgenden auszugsweise wiedergegeben: Koller- die Unschuld vom Lande

... Eine Pouletfabrik mit tausenden von Hühnern, die mit zugekauftem Futter gefüttert werden, ist ein Musterbeispiel einer bodenunabhängigen, nicht landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Pouletmäster daneben noch eine traditionelle Landwirtschaft mit Milchkühen betreibt. Aus rein wirtschaftlichen Gründen, nur um die Existenz eines sonst nicht überlebensfähigen Kleinbetriebes sicherzustellen, darf laut Bundesgericht nicht mit zonenfremden Bauten aufgestockt werden. Sonst wäre es bald vorbei mit der Trennung von Bau- und Nicht-Bauland. Jeder, der etwas Land in der Landwirtschaftszone hat, könnte für seine wirtschaftliche Existenz irgendwelche Bauten errichten, die nichts mit der Bodenbewirtschaftung zu tun haben. Warum nicht auch eine Werkstätte, ein Restaurant, eine Tankstelle etc? Auch so kann ein Kleinbauer sein Einkommen verbessern. Wo liegt der Unterschied zwischen einer bodenunabhängigen Pouletfabrik und einer Traktoren- und landmaschinen-Werkstatt? Und wo liegt der Unterschied zwischen einer Traktorenwerkstatt und einer Autowerkstatt..? Die konsequente und restriktive Interpretation der Standortgebundenheit im Landwirtschaftsgebiet durch das Bundesgericht ist offensichtlich eine Notwendigkeit. Das hat bisher auch das Bundesamt für Raumplanung in verschiedenen Stellungnahmen so gesehen. Das hindert aber den Direktor dieses Amtes nicht daran, die anhaltende Bewilligung solcher illegaler Bauten in verschiedenen Kantonen zu tolerieren. Dieser Widerspruch ist schnell erklärt: Bundesrat Koller hat ihm "empfohlen", von der Möglichkeit der Amtsbeschwerde gegen solche kantonalen Baubewilligungen "zurückhaltend" Gebrauch zu machen. Diese "Empfehlung" wurde ernst genommen: man lässt den Kantonsregierungen alles durch und verzichtet auf eine amtliche Einsprache mit der Begründung personeller Engpässe. In Tat und Wahrheit - das weiss ich aus direkter Quelle - hat der Chef des Bundesamtes für Raumplanung solche Einsprachen durch seine Mitarbeiterverhindert. Das unschuldige Lächeln von Bundesrat Koller in derFichen-Affäre vergesse ich nicht mehr. "Von nichts gewusst, falsch informiert" - aber die angeblichen Falsch-Informierer in der Verwaltung werden auffällig geschont.

Die Agrar-Lobby hält Tierfabriken für das Ueberleben kleinerer Betriebe für wichtig. An dieser Landwirtschaftspolitik ist folgendes falsch: Mit Pouletmast oder Legehennen verdient der Bauer sehr wenig. Der Hauptgewinn wandert in die Taschen der Verteiler-Organisationen (SEG, Migros-Optigal), der Bauer ist praktisch nur noch für die Fütterung zuständig, aber auch das Futter wird ihm vorgeschrieben und geliefert. Auch alles andere wird ihm abgenommen - vertraglich. Deshalb braucht er grosse Tiermassen, um überhaupt noch etwas zu verdienen. Mit dem Trick über den Bauer betreiben SEG und Migros Industrien auf billigem Landwirtschaftsland. Ein Freiland-Legehennenhalter mit knapp 200 Hühnern, welcher die Eier direkt vermarktet, sagte mir: um den gleichen Verdienst als Vertragsproduzent von SEG oder Migros zu erwirtschaften, müsste er zehnmal soviel Tiere haben!

Die Tolerierung zonenfremder Tierfabriken in der Landwirtschaftszone durch Bundesrat Koller und sein Departement dient nicht einer gesunden landwirtschaftlichen Entwicklung in Richtung auf eine naturnahe Bewirtschaftung. Das Raumplanungsgesetz wird vielmehr verletzt, um alte, überholte Strukturen der industriellen Massentierhaltung zu erhalten. Was er tut, ist deshalb doppelt verwerflich: es schadet nicht nur den Tieren, sondern längerfristig auch der bäuerlichen Landwirtschaft und der ganzen Volkswirtschaft. Wenn Landwirtschaftsbetriebe nur noch mit Tierquälerei und Gesetzesbruch am Leben erhalten werden können, steht es wahrlich schlecht um die Landwirtschaft - und um unser politisches System.


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