Kanton Solothurn: Lebenslänglich an der Kette - mit amtlicher Bewilligung

von Erwin Kessler

1992 hatte der VgT aufgedeckt, dass der Solothurner Kantonstierarzt Dr Wäffler schwere Verletzungen der Tierschutzvorschriften vorsätzlich duldet.Es ging um Bauern, welche unter Missachtung der Auslaufvorschrift gemäss Artikel 18 der Tierschutzverordnung ihr Vieh lebenslänglich an der Kette halten und für diese Tierquälerei sogar noch Subventionen beziehen. Während mich Kantonstierarzt Dr Wäffler in der damaligen Diskussion um den Vollzug der Tierschutzvorschriften öffentlich als "Psychopath" beschimpfte und deswegen vom Richteramt Solothurn-Lebern zu einer Busse von Fr 500.- und einer Parteientschädigung von Fr 2000.-, mit Eintragung im Strafregister, verurteilt worden war, wies die Solothurner Regierung eine Disziplinarbeschwerde gegen Wäffler wegen vorsätzlichem Nichtvollzug der Tierschutzvorschriften gröss-tenteils ab. Immerhin wurde im Beschwerdeentscheid festgehalten, "dass das hohe Alter des Tierhalters sowie - damit verbunden - eine vorgesehene Betriebsaufgabe keineausreichenden Kriterien sind, die für sich allein betrachtet ein Absehen von jeglichen Massnahmen bezüglich Gewährung von Auslauf rechtfertigen". Mit Entscheid vom 23.4.96 stellte die Zürcher Bezirksanwaltschaft in einem Entscheid gegen das Zürcher Veterinäramt klar, das Ausnahmebewilligungen zur Nichteinhaltung der Auslaufvorschrift rechtswidrig sind und objektiv Amtsmissbrauch darstellen (siehe VN 97-6).

 

Aufruf an die Bevölkerung!

Wo Kühe und Kälber dauernd angekettet sind, können praktisch nur Nachbarn herausfinden. Wir sind deshalb auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen.

Es ist feige, die Tiere ihrem Schicksal zu überlassen, nur dem Frieden mit dem Nachbarn zuliebe. Bitte melden Sie uns solche Fälle nicht anonym, damit Rückfragen möglich sind.Wir sichern Diskretion zu.

VgT 

 

Im Sommer 1996 wurde uns erneut ein Fall aus dem Kanton Solothurn gemeldet, wo die Kühe mit Wissen der Behörden dauernd angekettet gehalten wurden. Erst nachdem der VgT gegen Kantonstierarzt Wäffler Strafanzeige wegen Amtsmiss-brauch erhob, wurde ein Tierhalteverbot erlassen und der Stall zwangsgeräumt." Die tierschutzfeindliche Haltung des Veterinäramtes ist solange nicht erstaunlich, als die Regierung die gleiche tierverachtende Haltung an den Tag legt: Der Kanton SO gehört zu jenen Kantonen, welche sich in der Vernehmlassung zur Revision der eidgenössichen Tierschutzverordnung grundsätzlich gegen Verbesserungen im Nutztierschutz gestellt hat. Die geringfügigen Verbesserungen, welche der Revisionsentwurf vorsah, gingen dem Solothurner Regierungsrat "eindeutig zu weit". Er lehnt diese "entschieden ab". Zur Begründung wurden rein wirtschaftliche Argumente angeführt, als ob es um Vorschriften über totes Rohmaterial, nicht um leidensfähige, ausgebeutete Lebewesen ginge. Diese Haltung ist nicht nur tierverachtend sondern auch Demokratie-verachtend: Der eindeutige Entscheid des Volkes zum Tierschutzgesetz (81 % Ja-Stimmen) hindert die Solothurner Regierung nicht daran, zugunsten eines Tierschutzvollzuges zu plädieren, welche diesem Gesetz krass widerspricht. Sämtliche Tierschutzorganisationen sind sich einig, dass die Tierschutzverordnung zahlreiche Tierquälereien erlaubt und damit das Tierschutzgesetz missachtet («Erlaubte Tierquälerei»). Das geht auch aus Gerichtsurteilen und dem Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates zum Tierschutzvollzug hervor. Die Solothurner Regierung hat offenbar die Demokratie- und Rechtsstaat-feindliche Einstellung, dass Gesetze nur soweit anzuwenden sind, wie es den betroffenen Wirtschaftskreisen bzw dem herrschenden Politfilz passt. Kein Wunder deshalb, dass das Veterinäramt ungestört mit seinem Tierschutz-Nichtvollzug weiterfahren kann und auch heute noch Fälle von bewilligter bzw geduldeter lebenslänglicher Ankettung ans Tageslicht kommen.

Grausamkeit gegen die Tiere ist eines der kennzeichnendsten Laster eines niedren und unedlen Volkes. Sie ist ein sicheres Zeichen der Unwissenheit und Rohheit und kann auch durch alle Zeichen des Reichtums und der Pracht nicht übertüncht werden. Alexander von Humboldt


VN97-2 Inhaltverzeichnis

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URL: http://www.vgt.ch/vn/9702/staat.htm