Neues Tier-Elend durch Genmanipulation

von Erwin Kessler


Wie einfach es sich die Tierexperimentatoren mit dem Leiden der Tiere machen, zeigt die Aussage des Sandoz-Pharma-Forschers Kurt Bürki (Tagesanzeiger vom 19.11.93): "Sie leiden nicht, ich würde es ihnen ansehen." Die Tierexperimentatoren wissen in aller Regel sehr wenig über Verhalten und angeborene Bedürfnisse ihrer Versuchstiere. Sie sind in dieser Richtung nicht ausgebildet. Verhaltenskunde ist im Studium sogar von Tierärzten nur ein Wahlfach. Ich habe mehrfach festgestellt, wie Tierversuchs-Laborpersonal keine Ahnung hat vom Leiden der Tiere und sich die Kenntnisse darüber auch gar nicht aneignen, sondern lieber verdrängen. Die durch soziale Isolation hervorgerufene Apathie von Kaninchen interpretierte zum Beispiel der Verantwortliche für die Versuchstierhaltung im Inselspital Bern, ein Biologe, einfach als "Zahmheit", da man die Tiere wie leblose Plüschtierchen anfassen und herumtragen konnte. Wenn solche Leute behaupten, sie würden es den Tieren ansehen, wenn sie leiden, dann ist das ganz einfach ein leerer Spruch, mit dem sie ihr Gewissen beruhigen. Bei genmanipulierten "künstlichen" Tieren wird die Situation noch viel schlimmer: Über das Wohlbefinden oder Leiden gentechnisch veränderter Tiere lassen sich kaum mehr wissenschaftlich fundierte Aussagen machen, da es keine Vergleichsmöglichkeit mit dem natürlichen, artgerechten Verhalten mehr gibt. Was ist für Frankenstein-Monster natürlich und artgerecht? Um dies zu erforschen, gibt es keine wissenschaftlichen Methoden. Bei der Genmanipulation stehen wir wieder einmal am Anfang einer Fehlentwicklung, welche von einigen engstirnigen Technokraten gesteuert und vorangetrieben wird, während Ethik und Tierschutz hoffnungslos hintennach hinken. Der Bundesrat in seiner einseitigen Wirtschafts- und Technikgläubigkeit gibt dazu seinen Segen und beruhigt das Volk mit schönklingenden, aber wertlosen Vorschriften: "Wenn einem Tier durch gentechnologische Manipulation weder Schaden noch Leid zugefügt wird und seine Erscheinung keine ethischen, religiösen oder ökologischen Bedenken auslöst, soll es patentiert werden können." Eine praktische Wirkung wird diese Gummi-Richtlinie ebensowenig haben wie das ganze Tierschutzgesetz. Der Tierschutz wird nicht einmal dort durchgesetzt, wo wissenschaftliche Beweise für das Leiden der Tiere klar vorliegen, geschweige denn bei gentechnologischen Monstern, wo solche Beweise unmöglich sind.

Die heutigen schweren und tödlichen Zivilisationskrankheiten sind zum grössten Teil selbst verschuldet (Bewegungsmangel und Fehlernährung, insbesondere mit zuviel Fleisch, Butter, Käse, Weissmehl und Zucker). Es wäre der Gesundheit förderlicher, diese elementaren Erkenntnisse über krankmachende Lebensgewohnheiten ernst zu nehmen, anstatt auf eine Lebensverlängerung durch eine immer aufwendigere und unmenschlichere Medizin zu hoffen, die mit ihrer Hightech-Apparatur, Tierversuchs- und Gentechnik weniger die Gesundheit als vielmehr den Profit der Pharma- und Spital-Industrie fördert.


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