VN99-5, Oktober 1999
Editorial:
2000 Jahre Christentum
von Erwin Kessler
Die Redaktion von «Reformierte Presse» und «Leben&Glauben» hat mich gebeten, einen Beitrag «2000 Jahre Christentum» zu schreiben. Er wurde nicht veröffentlicht. Dafür drucken wir ihn hier in den VN ab:
2000 Jahre Christentum sind eng verwoben mit 2000 Jahren europäischer Kultur und Politik. Aus dieser abendländischen Geschichte lerne ich, dass es nicht gut ist, wenn Religion organisiert und hierarchiert wird. Religion ist für mich etwas höchst Persönliches. Wird Religion veräusserlicht, dann besteht - wie uns die Geschichte lehrt - die Gefahr eines fanatischen Fundamentalismus oder eines "scheinheiligen" Machtmissbrauches. Kurz: Religiosität ja, Religion nein. Einen wirklich religiösen Menschen erkennt man an seiner Haltung, nicht daran, dass er sich hör- und sichtbar zu einer bestimmten Religion bekennt. Wenn ich zB an die Hexenprozesse denke, läuft es mir jedes mal kalt den Rücken hinunter. Es lohnt sich, das Buch "Hexenbrände" von Franz Rueb, erschienen im Weltwoche-Verlag, zu lesen. Nur eine Religion, nicht Religiosität konnte zu diesen teuflischen Exzessen führen. Und heute ist es nicht viel anders: Was heute Grauenhaftes mit den Nutztieren und den Versuchstieren abläuft, geschieht eher mit der Unterstützung als gegen den Widerstand der Kirche. Nicht das Christentum, sondern - meist konfessionslose - religiöse Menschen (wie zB ich) sind es, die für mehr Menschlichkeit auf die Barrikaden gehen - und dabei in den Clinch mit Kirche und Staat kommen. Klöster, in denen ebenso fleissig wie gedanken- und seelenlos gebetet wird, wo Tiere ausgebeutet und ungesundes und unmoralisches Quälfleisch mit dem täglichen Brot verwechselt wird, haben mich veranlasst, unsere Leser und Mitglieder aufzurufen, unter Protest aus der Kirche auszutreten und die eingesparte Kirchensteuer dem VgT zukommen zu lassen - als Unterstützung im Kampf gegen klösterliche Tierquälerei.
(c) Verein gegen
Tierfabriken Schweiz
VN99-5, Oktober 1999
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