25. August 2005

Podiumsdiskussion "Untier Mensch"

Donnerstag, 25. August, Rathaus Frauenfeld. Teilnehmer: VgT-Präsident Erwin Kessler, der Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes Hansjörg Walter und der Thurgauer Kantonstierarzt Dr Witzig
Leitung der Diskussion: Armin Menzi
Veranstalter: Junge Wirtschaftskammer Thurgau

Das einleitende Kurzreferat von Erwin Kessler:

Höhere Säugetiere wie Hunde, Schweine und Rinder erleben die Welt ähnlich wie Kleinkinder; sie sollten darum ebenso schonend behandelt werden.

In einem historischen Buch über die Sklaverei in den USA habe ich folgende Begebenheit gelesen, die mich sehr berührt hat: Eine Negersklavin auf einer Farm hatte ein Kind geboren. Das Baby wurde ihr nach der Geburt weggenommen und einer Amme auf einer anderen Farm zur "Aufzucht" übergeben, damit die junge Mutter sofort wieder zur Arbeit auf den Feldern eingesetzt werden konnte. Die Farm, wo der Säugling nun war, lag mehrere Wegstunden entfernt. Nacht für Nacht machte sich die Mutter heimlich auf den Weg dorthin, um ihr Kind zu besuchen. Sie konnte es nur kurz besuchen, denn im Morgengrauen, wenn die harte Feldarbeit begann, musste sie wieder zurück sein.

Die weissen Farmer sprachen den Neger-Sklaven menschliche Gefühle ab. Wer behauptete, Schwarze hätten ähnliche Empfindungen wie Weisse und ihre Versklavung sei ein Unrecht, war ein Extremist und Staatsfeind - genau so wie ich heute, wenn ich behaupte, Säugetiere würden Freude, Trauer, Angst und Schmerz ähnlich empfinden wie das Säugetier Mensch, und müssten deshalb vor Misshandlung ähnlich geschützt werden wie wehrlose kleine Kinder.

Die Farmer in den Südstaaten der USA behaupteten, ohne die Negersklaven könnten sie wirtschaftlich nicht überleben. Heute behaupten unsere "Farmer" sinngemäss ähnliches: ohne die rücksichtslose, unmenschliche Ausbeutung der Nutztiere könnten sie wirtschaftlich nicht überleben.

Natürlich sagen unsere Bauern das nicht mit diesen Worten. Die Bauernlobby indoktriniert die Öffentlichkeit systematisch mit der Behauptung, wir hätten ein gutes Tierschutzgesetz, die Tierhalter würden ihre Tiere lieben und die Tiere würden nur bei guter Haltung und Pflege eine optimale Leistung erbringen. Das sind nichts als Propaganda-Lügen.

Eine optimale Pflege und Haltung könnte sich darin zeigen, dass die Tiere gesund alt würden. Unsere Nutztiere werden aber nicht alt, im Gegenteil werden sie schon in jungen Jahren geschlachtet. Legehennen zum Beispiel können bei artgerechter Haltung 10 und mehr Jahre alt werden. In unseren Hühnerfabriken werden sie im jungen Alter von 15 Monaten brutal abgeschlachtet und "entsorgt". In diesem jungen Alter sind sie physisch und psychisch bereits erledigt, erschöpft, ausgebeutet, in einem grässlichen Zustand. Auf www.vgt.ch finden Sie diese in der Öffentlichkeit wenig bekannte Tatsache ausführlich dokumentiert.

Masthühner werden nicht einmal zwei Monate alt, Mastschweine ein knappes halbes Jahr. Auch Mutterschweine und Milchkühe werden in der Regel schon in jugendlichem Alter getötet und ersetzt, da ihre Leistung unter den ausbeuterischen Verhältnissen nachlässt.

Ich hoffe, niemand wagt zu behaupten, den Negersklaven sei ein glückliches Leben gegönnt gewesen, weil sie nur so eine optimale Leistung erbracht hätten. Und es wird hoffentlich niemand behaupten wollen, die Zwangsarbeiter in den Nazi-KZs hätten unter optimalen Verhältnissen glücklich leben können, damit sie opitmale Leitstungen erbracht hätten. - Sobald sie verbraucht waren, wurden sie einfach ersetzt - so wie heute Schweine und Hühner in den Tier-KZs.

Bei der gegenwärtigen Revision des Tierschutzgesetzes besteht unter den schweizerischen Tierschutzorganisationen ein Konsens über die notwendigen Verbesserungen. Bundesrat und Parlament wurde ein sorgfältig ausgearbeiteter Entwurf der dringend nötigen Verbesserungen vorgelegt. Unsere Bauern lieben ihre Tiere so sehr, dass ihre Vertreter im Parlament diese Forderungen vehement bekämpft und einen nennenswerten Fortschritt verhindert haben. Den wenigen Verbesserungen stehen ebenso viele Verschlechterungen gegenüber.

Netto sind wir im Tierschutz so weit wie vor 20 Jahren. Die im Parlament übervertretene Agro-Lobby hat erreicht, dass zB Schweine weiterhin lebenslänglich auf einem halben Quadratmeter Vollspaltenboden pro Tier ohne Einstreu und ohne Auslauf ins Freie gehalten werden dürfen (Bild 1 und 2), und dass Mastrinder weiterhin lebenslänglich in dichtem Gedränge, Tier an Tier, auf Vollspaltenböden gehalten werden dürfen, ohne Auslauf ins Freie (Bild 5):

Kühe dürfen weiterhin mit Elektroschocks, dem sog elektrischen Kuhtrainer, zum Strammstehen an der Kette gezwungen werden, obwohl die Tierärzte festgestellt haben, dass diese Elektroschockvorrichtung die Kühe derart verkrampft, dass gehäuft Fruchtbarkeitsstörungen auftreten.


Bild 1: Typische Schweizer Schweinemast - genau gleich wie in Ländern ohne Tierschutzgesetz


Bild 2: Typische Schweizer Schweinemast  - genau gleich wie in Ländern ohne Tierschutzgesetz


Bild 3: Legehennen in "Bodnehaltung"


Bild 4: Bio-Hühner


Bild 5: Rindermast auf Vollspaltenboden

Von den wenigen, schwachen Tierschutzvorschriften, welche bei der Verwässerung des Tierschutzgesestzes übriggeblieben sind, merken insbesondere die Schweine kaum etwas, da der Tierschutzvollzug in den meisten Kantonen nur zum Schein stattfindet. Die Landwirtschaftsämter sind fest im Griff in der Agrolobby, und die Tierschutzorganisationen haben kein Klage- und Beschwerderecht.

Und wenn mal ein Kantonstierarzt seine Aufgabe ernst nimmt, wird er unter Druck gesetzt: Als der St Galler Kantonstierarzt in einer Arena-Sendung des Schweizer Fernsehens darauf hinwies, dass Tierschutzmissstände nicht nur bei ein paar schwarzen Schafen vorkommen - wie die Bauernvertreter stets behaupten -, sondern weit verbreitet sind, fiel ihm Herr Walter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes, ins Wort und drohte mit Konsequenzen. Hier wurde einmal öffentlich sichtbar, was sonst hinter den Kulissen abläuft, wie die Agrolobby den Vollzug sogar der minimalen, verwässerten Tierschutzvorschriften mit Druck und Drohungen verhindert.

In der Diskussion wurde aus dem Publikum die Frage gestellt, ob denn nicht wenigstens alle die Fälle eliminiert werden könnten, wo die Tiere im eigenen Kot liegen müssen. Nicht einmal dieser elementaren Forderung mochte Nationalrat und  Bauernpräsident Hansjörg Walter zustimmen.


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