VN2002-1  / 17. April 2001

Walliser Coop-Bio-Käser will gerichtlichen Maulkorb für VgT

Nachdem der VgT kürzlich aufgedeckt hat, wie im Wallis sogar die Bio-Kühe den vorgeschriebenen Winterauslauf nicht erhalten, hat nun der Präsident der Biobergkäserei Goms einen Rechtsanwalt beauftragt, beim Bezirksgericht Brig einen vorsorglichen Maulkorb für den VgT zu verlangen. Konkret wurde das Rechtsbegehren gestellt, dem VgT sei ohne vorherige Anhörung superprovisorisch zu befehlen, die entsprechende Veröffentlichung "Das traurige Leben der Walliser Kettenkühe" aus dem Internet zu entfernen. Auf dieses Begehren ist das Gericht insofern nicht eingetreten, als der VgT vorerst nur aufgefordert wurde, dazu Stellung zu nehmen. In seiner heute eingereichten Stellungnahme schreibt der VgT unter anderem folgendes: 

Stellungnahme zum Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen
von
André Imfeld, Bio-Landwirt, 3988 Ulrichen, vertreten durch Rechtsanwalt Urban Carlen,  3900 Brig

In der fraglichen Publikation im Internet geht es hauptsächlich um das, was der Haupttitel ankündigt, also um "Das traurige Leben der Walliser Kettenkühe". Sozusagen als Untergruppe der Walliser Kühe werden - wie der Untertitel ankündigt - auch Gomser-Bio-Kühe behandelt.

Bei den angeführten Beispielen wurde unbestritten korrekt angegeben, wo es sich um Bio-Betriebe handelt. Daraus kann der Leser klar ersehen, welches Biobetriebe sind und welches nicht. Die Biobetriebe sind in einem in sich geschlossenen Block behandelt. Die geografischen Angaben zu jedem gezeigten Beispiel schliessen eine Verwechslung zusätzlich aus. Der implizite Vorwurf des Klägers, es werde der Eindruck erhoben, auch bei den gezeigten Nicht-Biobetrieben handle es sich um Betriebe der Bio-Bergkäserei Goms entbehrt jeder Grundlage.

Die Behauptung des Klägers, alle der Bio-Bergkäserei Goms angeschlossenen Betriebe würden ihren Kühen vorschriftsgemäss Auslauf gewähren, mag hoffentlich künftig zutreffen; wir werden dies im nächsten Winter erneut überprüfen.

Im Laufe des vergangenen Winters wurden bei wiederholten Kontrollen bei den in der fraglichen Internetpublikation aufgeführten Betrieben der Bio-Bergkäserei Goms keine Spuren einer Auslaufbenutzung gefunden (auch nicht auf dem Laufhof hinter dem Betrieb des Klägers!), was bedeutet, dass der Auslauf dieser Betriebe jeweils vor diesen Kontrollen über längere Zeit nicht benutzt worden sein kann. Dies zeigen auch die Abbildungen. Die Behauptung des Klägers, darauf sei frischer Schnee zu sehen, ist unzutreffend. Hingegen ist der Schnee - von den Fahrspuren abgesehen - "unberührt".

Der Kläger macht geltend, vorgeschrieben sei nur ein Auslauf an 13 Tagen pro Monat, die Kühe könnten deshalb jeweils an 17 Tagen ohne Auslauf gehalten werden. Eine solche Haltung von Kühen unterscheidet sich nicht mehr wesentlich von konventioneller und ist sicher nicht tierfreudlich und artgerecht, wie die Coop- und Bio-Werbung ständig versprechen. Zudem entspricht diese Haltung nicht einmal den tierschutzrechtlichen Mindesanforderungen: Artikel 18 der Tierschutzverordnung verlangt für angebundenes Vieh ausdrücklich einen "regelmässigen" Auslauf und die "Richtlinien für die Haltung von Rindvieh" des Bundesamtes für Veterinärwesen präzisieren dies in Ziffer 2.17 dahingehend, "dass die Tiere nicht über mehrere Wochen ohne Unterbruch angebunden" sein dürfen. Wenn Bio-Vorschriften sogar weniger streng sind als die gesetzlichen Tierschutzmindestvorschriften, dann liegt eine derart krasse Konsumententäuschung vor, dass das öffentliche Interesse zwingend gebietet, dies bekannt zu machen. Zudem sind für die Frage, ob ein Konsumententäuschung vorliegt, nicht irgendwelche Normen massgebend, die den Konsumenten nicht bekannt und schwer zugänglich sind; massgebend ist vielmehr, was den Konsumenten versprochen wird, zB "Weidegang oder regelmässiger Auslauf ist obligatorisch, auch im Winter. " (Zeitschrift BIO SUISSE), "Die Kühe gehen mindestens einmal pro Woche ins Freie." (Coop-NaturaPlan-Prospekt "Bio-Milch").

Ein richterlicher Maulkorb wäre in dieser Situation verfehlt und mit der Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit nicht vereinbar.

Eine Persönlichkeitsverletzung liegt auch deshalb nicht vor, weil der Kläger in der fraglichen Veröffentlichung gar nicht namentlich erwähnt ist und er nicht zur Geltendmachung von Rechten Dritter, insbesondere der Bio-Bergkäserei Goms, legitimiert ist.

Die Veröffentlichung erfolgte zudem unter Wahrnehmung überwiegender öffentlicher Interessen (Aufdecken von Konsumententäuschungen). Ziel (Konsumentenschutz) und Mittel (Veröffentlichung von Konsumententäuschungen) sind schutzwürdig.

Es fehlt deshalb in jeder Hinsicht an den Voraussetzungen für sofortige Massnahmen. Der Kläger ist auf den ordentlichen Prozessweg zu verweisen. Dieser ist ihm unbenommen und wird von uns sogar begrüsst, da ein öffentliches Gerichtsverfahren dazu beitragen kann, in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, dass sich die Gomser Bio-Bauern berechtigt fühlen, ihre angeblich "glücklichen" Bio-Kühe jeden Monat bis zu 17 Tagen ununterbrochen zur Bewegungslosigkeit an der Kette zu halten, mit einem Elektroschockapparat (sog Kuhtrainer) zusätzlich zur Bewegungslosigkeit gezwungen.

Sollte der Kläger mit uns über eine konstruktivere, zukunftsgerichtete Beilegung des Konfliktes verhandeln wollen, dann sind wir dazu bereit, aber nicht vor Gericht, wo es ausschliesslich um zurückliegende Feststellungen im vergangenen Winter geht. Uns interessiert, wie die Tiere künftig gehalten werden. Unsere Kritik verfolgt nicht den Zweck, die Bio-Bergkäserei Goms zu ruinieren, es sei denn, wir müssten im nächsten Winter erneut feststellen, dass die Gomser Kettenkühe wiederum aus blosser Bequemlichkeit über lange Perioden keinen Auslauf erhalten.

Den für Bio-Betriebe verbindlichen RAUS-Vorschriften des Bundes kann entnommen werden, dass Anbindeställe ohnehin problematisch und neue nicht mehr zulässig sind. Umso mehr muss erwartet werden können, dass Bio-Kühe, die noch an der Kette gehalten werden, wenigstens regelmässig Auslauf erhalten. Wenn diese Erkenntnis bis nach Goms dringt, was zu hoffen ist, dann braucht es kein kostspieliges Gerichtsverfahren. Einer Rindviehhaltung, die nicht nur in der Werbung, sondern auch in der Realität tierfreundlich ist, stehen wir durchaus positiv gegenüber.

Mit freundlichen Grüssen
Dr Erwin Kessler, Präsident


Inhaltsverzeichnis VN2002-1

Archiv VgT-Nachrichten

Startseite VgT


Mail an den Verein gegen Tierfabriken Schweiz
Mail an den Webmaster
URL: http://www.vgt.ch/vn/0102/walliser-biokaes.htm