VN 99-5, Oktober 1999

Arme Schweine im Kloster Fahr

(Grosser Bericht zum Kloster Fahr)

Am 7. Mai 1999 fand vor dem Aargauer Obergericht die Hauptverhandlung statt im sogenannten Maulkorbprozess des Klosters Fahr gegen den VgT. Unter dem Druck der vom VgT vorgelegten Beweise und der voraussehbaren Niederlage hat das Kloster seine Klage kurz vor dem zweitinstanzlichen Urteil überraschend zurückgezogen.

Gegenstand der Hauptverhandlung war das vom Bezirksgericht Baden (Gerichtspräsident Rüegg, Bezirksrichter Meier, Brozzo, Perret und Rohner) am 17. Februar 1998 erlassene  politische Willkür-Urteil gegen den VgT und dessen Präsident Erwin Kessler, das wie folgt lautete:

1. In teilweiser Gutheissung der Klage wird

a) festgestellt, dass die Beklagten die im folgenden sinngemäss wiedergegebenen Ausdrücke und Redewendungen widerrechtlich gegen die Klägerin [Kloster Fahr] verwendet haben:

- die Klägerin begehe durch ihre Tierhaltung fortgesetzt Tierquälerei
- die Klägerin misshandle ihre Kühe mittels Elektroschocks und foltere die Tiere
- die Klägerin sei eine Kindsentführerin, indem sie den Kühen ihre Kälber unmittelbar nach der Geburt wegnehme
- die Klägerin verletze die Würde des Tieres
- die Klägerin verletze die Tierschutzgesetzgebung

b) den Beklagten, namentlich Dr Erwin Kessler und den weiteren rechtlichen und faktischen Organen des VgT verboten, über die Klägerin und das Kloster Maria Einsiedeln im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Tierhaltung weiterhin herabsetzende, verletzende Äusserungen zu verbreiten und öffentlich zu verwenden, namentlich die Klägerin oder das Kloster Maria Einsiedeln weiterhin der Tierquälerei zu bezichtigen oder in irgendeiner Form zu behaupten oder den Eindruck zu erwecken, die Klägerin oder das Kloster Maria Einsiedeln misshandle Tiere mit Elektroschocks oder foltere die Tiere oder sei eine Kindsentführerin.

Weiter wird den Beklagten verboten, andere, namentlich die sog Tierbefreiungsfront (TBF) zu illegalen Aktivitäten gegen die Klägerin oder das Kloster Maria Einsiedeln aufzurufen oder auch nur in irgendeiner Form dazu zu animieren.

c) für den Fall der Verletzung des Verbotes gemäss lit b vorstehend den Fehlbaren und/oder den Verantwortlichen die Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art 292 StGB angedroht.

2. Die Beklagten werden verpflichtet, das vorliegende Urteilsdispositiv nach Rechtskraft auf eigene Kosten in der nächsten Nummer der VgT-Nachrichten zu veröffentlichen.

3. Die Klägerin wird ermächtigt, das vorliegende Urteilsdispositiv nach Rechtskraft gemäss nachstehendem Text auf Kosten der Beklagten in je einer Tages- und/oder Wochenzeitung ihrer Wahl veröffentlichen zu lassen (maximale Grösse DIN A5).

Dieses Willkür-Urteil wurde erlassen unter völliger Missachtung sämtlicher Beweisanträge des VgT.

Am 7. Juni 1998 verlangte der VgT mit Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau die Aufhebung des obigen Urteils.

Am 7. Mai 1999 kam es zur Hauptverhandlung vor Obergericht.

Unter dem Druck der an der Haupverhandlung vorgetragenen Gegenbeweise des VgT (siehe das im folgenden wiedergegebene Plädoyer von VgT-Präsident Erwin Kessler) zog das Kloster die Klage noch vor dem Urteilsspruch zurück.

Hierauf verurteilte das Aargauer Obergericht den VgT in einem weiteren Willkürakt zur Hälfte der Verfahrenskosten, obwohl ein Klagerückzug als 100-prozentige Niederlage gilt und alle Verfahrenskosten sowie eine Entschädigung an den VgT dem Kloster hätten auferlegt werden müssen.

 

Aus dem Plädoyer von Erwin Kessler

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Die Appellationsantwort des Klosters erschöpft sich in unbewiesenen Behauptungen und Stimmungsmache. Der einzige angebotene Beweis ist eine Strafanzeige an die Bezirksanwaltschaft Zürich wegen angeblicher Zuwiderhandlung gegen den vorsorglichen gerichtlichen Maulkorb. Eine Strafanzeige ist indessen kein Beweis für ein schuldhaftes Verhalten, was ein Rechtsanwalt eigentlich wissen müsste...

Dass sich die betroffenen Klosterverantwortlichen durch die vom VgT erhobene Kritik gestört fühlten, ist nicht verwunderlich, aber noch lange keine hinreichende Rechtfertigung für einen radikalen richterlichen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit. Dazu müsste die vorgetragene Kritik völlig abwegig und unwahr sein. Dass sie das nicht ist, sondern - in anschaulicher, aufrüttelnder Formulierung - objektiv richtig ist, wurde schon vor erster Instanz dargelegt, vom Gericht aber völlig ignoriert, ebenso wie die angebotenen Beweise.

Dieser Umstand wie auch die Tatsache, dass es in diesem Maulkorb-Prozess bisher noch nie zu einer korrekten öffentlichen Verhandlung gekommen ist, haben dazu geführt, dass es heute entsprechend viel zu sagen gibt. Es ist bedauerlich, aber leider unvermeidlich, dass das Obergericht wegen groben Fehlern der Vorinstanz und wegen der Prozessfreudigkeit des Klosters viel Zeit für diesen Fall aufbringen muss. Das Kloster gibt übrigens mehr Geld aus für dieses Gerichtsverfahren als für eine tierfreundliche Anpassung der Stallungen nötig wäre.

Inzwischen hat das Bezirksgericht Zürich in einem Strafverfahren gegen den Betriebsleiter des Klosters Fahr festgestellt, dass unsere Kritik an der klösterlichen Tierhaltung nicht rechtswidrig sei.

Beweis: Verfügung des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 30. Dezember 1998 in Sachen Heidi Keller-Walti, Fahrweid, gegen Beat Fries, Betriebsleiter, des Klosters Fahr, betreffend Rekurs gegen die Einstellungsverfügung vom 30. September 1996 in der Strafuntersuchung Nr 96/04633, betreffend Nötigung, Tätlichkeiten.

Dieses Zürcher Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen; indessen geht es nicht mehr um die Frage der Rechtmässigkeit unserer Kritik, sondern nur noch um einen vom angeschuldigten Kloster-Betriebsleiter vorgeschobenen Irrtum: er sei irrtümlich der Meinung gewesen, die Kritik des VgT sei rechtswidrig und er sei berechtigt, gegen Tierschützer, die friedlich ein Flugblatt verteilten, Gewalt anzuwenden.

In diesem Zürcher Verfahren ging es um den Inhalt eines Flugblattes, in welchem die Tierhaltung des Klosters Fahr kritisiert wird. Das Flugblatt ist auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (bei den Akten) und enthält alle Formulierungen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden. Das Zürcher Gericht hat diese Kritik als zulässig beurteilt und dazu folgendes festgestellt:

Die mit dem Flugblatt erfolgte Verletzung der Persönlichkeit des Klosters Fahr war indessen nicht rechtswidrig, da sie durch ein Öffentliches Interesse gerechtfertigt war, welches dasjenige des Klosters Fahr daran, in seiner Persönlichkeit nicht verletzt zu werden, überwog.... Der Verein gegen Tierfabriken strebt - was allgemein bekannt ist - seit vielen Jahren eine Besserstellung der Nutztiere in der Schweiz an. Um diesem berechtigten, von einer breiten Oeffentlichkeit geteilten Anliegen mehr und mehr zum Durchbruch zu verhelfen, ist der Verein gegen Tierfabriken aber - als kleine Organisation ohne grosse politische Einflussmöglichkeiten - darauf angewiesen, immer wieder durch gezielte, ein Stück weit provozierende Aktionen die Oeffentlichkeit daran zu erinnern, dass die Tierhaltungsformen in vielen landwirtschaftlichen Betrieben noch verbesserungsbedürftig sind. Um solchen Aktionen die nötige Wirkung zu verleihen, kommt er dabei nicht darum herum, die Tierhaltungsformen auch in ganz bestimmten, in der Oeffentlichkeit näher bekannten landwirtschaftlichen Betrieben zu kritisieren. Die betroffenen Betriebe haben sich die entsprechende Kritik grundsätzlich gefallen zu lassen, sofern sie in einer sachlich noch vertretbaren Weise erfolgt. Es besteht nämlich in einer Demokratie grundsätzlich ein öffentliches Interesse daran, dass auch kleinere Organisationen oder Gruppierungen ihre politischen Anliegen wirksam vertreten können, zeigt doch die Geschichte, dass es vielfach kleine Organisationen oder Gruppierungen sind, die die Verbesserungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft initialisiert haben. Demnach war aber die Flugblattaktion vom 24. Dezember 1995 - die Kritik an den Tierhaltungsformen im Kloster Fahr erfolgte im Flugblatt in einer sachlich vertretbaren Weise - durch ein öffentliches Interesse gedeckt, das das Interesse des Klosters Fahr, nicht in seiner Persönlichkeit verletzt zu werden, überwog... Anhaltspunkte dafür, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt gravierendere unwahre, das moralische Ansehen des Klosters Fahr herabsetzende Tatsachenbehauptungen enthält ..., liegen nicht vor. 

Aus dem vorstehend Ausgeführten ergibt sich, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt aus dem Blickwinkel des Persönlichkeitsschutzes keinen widerrechtlichen Charakter hat...

 Es ist indessen auch aus dem Blickwinkel des strafrechtlichen Ehrenschutzes ein rechtswidriger Charakter des Flugblattes zu verneinen. Anhaltspunkte dafür, dass das Flugblatt gravierendere unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen enthält, liegen nicht vor. Es erscheint sodann - aus der Optik eines Tierschutzes, der auch Nutztieren möglichst viel Leid ersparen will - sachlich durchaus vertretbar, im Zusammenhang mit den sogenannten Kuhtrainern von einer Misshandlung der Kühe mit Elektro-Schocks zu sprechen, die Kastenstände (Abferkelbuchten) als Folterkäfige zu bezeichnen und die Haltung von Schweinemüttern in Kastenständen als Quälerei zu werten (in einem Flugblatt dürfen durchaus auch provozierende, ja sogar schockierende Ausdrücke verwendet werden). Damit kann aber nicht gesagt werden, dass das Flugblatt sachlich unvertretbare Werturteile enthalte. Auch nahm der Verein gegen Tierfabriken mit seiner Kampagne gegen das Kloster Fahr wie bereits oben ausgeführt durchaus öffentliche Interessen wahr; Anhaltspunkte dafür, dass es dem Verein gegen Tierfabriken in erster Linie darum gegangen sei, dem Kloster Fahr zu schaden, bestehen nicht.

In einem zum vorliegenden analogen Verfahren eines österreichischen Klosters gegen den VgT Österreich ist zwischenzeitlich ein Urteil des Obersten Gerichtshofes der Republik Österreich vom 27. Mai 1998 bekannt geworden, das ich als Novum zu den Akten gegeben habe. Wegen der weitgehenden Analogie zum vorliegenden Fall und weil die durch die Menschenrechtskonvention garantierte Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz genau gleich gilt wie in Österreich, sind die Überlegungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes auch für den vorliegenden Fall stichhaltig und anwendbar.  

In diesem Urteil wird der von den Österreichischen Vorinstanzen verhängte richterliche Maulkorb bezüglich der Vorwürfe "Tier-KZ" und "Tierquälerei" gegen die Intensivtierhaltung des Klosters Kremsmünster aufgehoben und diese Kritik als im Rahmen der Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvenion (EMRK) als zulässig beurteilt. Die beiden Fälle sind derart weitgehend ähnlich, dass ich mich veranlasst sehe, einige Schlüssel-Stellen aus dem Urteil wörtlich anzuführen:  

(Seite 17:)Das Berufungsgericht hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Bedeutungsinhalt rufschädigender Äusserungen nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie fielen, zu beurteilen ist. Weiters wurde die bei der Kollision des Grundrechts auf freie Meinungsäusserung und des Rechtes auf Schutz der Ehre gebotene Interessenabwägung unterlassen....

In die Ehre eines anderen eingreifende beleidigende Werturteile können nach der vorzunehmenden Interessenabwägung gerechtfertigt sein.

(Seite 18:)Der Vorwurf des Beklagten, im Betrieb des Klägers befinde sich ein "Schweine-KZ", ist ein Werturteil, das im Zusammenhang mit dem weiteren Vorwurf, die detaillierte beschriebene Massentierhaltung sei eine Tierquälerei, geäussert wurde...

Eine Äusserung ist grundsätzlich als noch richtig anzusehen, wenn sie nur in unwesentlichen Details nicht der Wahrheit entspricht. Nach dem Gesammtzusammenhang der Äusserungen kann die Ansicht der Vorinstanzen, dass dem Kläger der Vorwurf einer strafrechtlich relevanten Tierquälerei gemacht worden sei, nicht geteilt werden.

(Seite 20:)Unter Diffamierung kann nur eine unbegrpndete (Beschimpfung) oder sachlich eben nicht mehr zu rechtfertigende (exzessive) Ehrverletzung verstanden werden.

(Seite 19-21:)Den Interessen des Klägers am absolut geschptzten Gut der Ehre sind die Interessen des Handelnden und der Allgemeinheit gegenpberzustellen... Dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf freie Meinungsäusserung (Art 10 EMRK) kommt in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu.... Solange bei wertenden Äusserungen die Grenzen zulässiger Kritik beachtet werden, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein. Diese vom erkennenden Senat in nunmehr ständiger Rechtsprechung vertretenen Grunsätze führten in ... [einem ] vergleichbaren Fall zur Bejahung eines Rechtfertigungsgrundes für eine Äusserung, mit der die Zootierhaltung wilder Tiere als Tierquälerei bezeichnet wurde.... Damit werde die Grenze zulässiger Kritik bei einem allgemein bekannten und diskutierten Problem nicht überschritten. Diese Ansicht ist auch im vorliegenden Fall zu vertreten. Für die Interessenabwägung ist auch die Gewichtigkeit des Themas, zu dem die zu beurteilende Kritik geäussert wurde, von Bedeutung.

Für den vorliegenden Fall kann die allgemeine Bedeutung des Themas aber nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, ist doch der Tierschutz seit Jahren Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion.

(Seite 21:)Der legitime Vereinszweck des Beklagten und das Recht der Öffentlichkeit auf einen Meinungsbildungsprozess in einer wichtigen Frage sind hier für die Interessenabwägung ausschlaggebend. Ein Wertungsexzess liegt nicht vor. Dass eine Massentierhaltung für die betroffenen Tiere äusserst unangenehme Lebensbedingungen schafft, kann nicht bezweifelt werden. Dies darf auch mit massiver Kritik als Tierquälerei oder mit dem Vergleich "Tier-KZ" plakativ und provokant zum Ausdruck gebracht werden. 

Soweit die Feststellungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes, welche direkt auf den vorliegenden, analogen Fall anwendbar sind - mit dem einzigen Unterschied, dass wir nicht so weit gegangen sind, die Tierhaltung des Klosters Fahr als Tier-KZ zu bezeichnen. Umso mehr muss unsere zwar ebenfalls provokative, aber weniger scharfe Kritik im Rahmen der Meinungsäusserungsfreiheit zulässig sein. Eine allenfalls unterschiedliche Auslegung der Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz und in Österreich wäre nötigenfalls vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu überprüfen sein.

Aufschlussreich bezüglich der Meinungsäusserungsfreiheit im Zusammenhang mit Tierschutz ist auch ein Urteil des Landgerichtes Berlin vom 7.7.1998. Das deutsche Pelz-Institut hatte gegen Tierschützer geklagt, welche mit Schlagworten wie "Vergast, erschlagen, erschossen" die Pelzwirtschaft als "Tierquälerei" brandmarkten und zum Boykott von Pelzkleidern aufriefen. Wenn es nach dem Willen der deutschen Pelz-Lobby gegangen wäre, hätte den Tierschützern, ähnlich wie im vorliegenden Kloster-Fahr-Prozess, ein richterlicher Maulkorb aufgezwungen werden sollen. Das Landgericht Berlin wies die Klage jedoch ab unter Hinweis auf die Meinungsäusserungsfreiheit. Darüber heisst es im Urteil:

Bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der dem Boykottaufruf dienenden Äusserungen ist zwischen den geschützten Rechten des Klägers und dem durch das Grundgesetz geschützten Recht der Beklagten auf freie Meinungsäusserung abzuwägen. Dabei spricht eine Vermutung für die Meinungsfreiheit, soweit es sich - wie hier bezüglich der Öffentlichen Diskussion um die Notwendigkeit und vor allem den Umfang des Tierschutzes - um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt.

Im Laufe des Jahres 1994 sind dem VgT von Spaziergängern verschiedene Beschwerden zugegangen über die Nutztierhaltung im Kloster Fahr. Mitglieder des VgT konnten sich in der Folge davon überzeugen, dass die geschilderten und fotografierten Zustände tatsachenkonform waren. Ein Schreiben an die bekannte, im Kloster Fahr residierende Dichterin Schwester Silja Walter brachte die erhofften Verbesserungen nicht. Sie antwortete, dass sie sich in einer Schweigezeit befinde und sich deshalb nicht um unser Anliegen kümmern könne. Offenbar war auch sonst niemand im Kloster bereit, sich mit diesem Thema zu befassen. Der VgT hatte deshalb keine andere Wahl, als die klösterliche Tierhaltung öffentlich zu kritisieren. Dazu wurden die einzigen verfügbaren legalen Möglichkeiten genutzt: Pressemitteilungen, Verteilen von Drucksachen und Kundgebungen mit Spruchbändern - alles Aktivitäten, welche durch die Meinungsäusserungs- und Kundgebungsfreiheit der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt sind. Dabei ging es darum, die Klosterverantwortlichen aus ihrem selbstgefälligen Schlaf des Ungerechten aufzuwecken. Andererseits ging es auch darum, der Öffentlichkeit zu zeigen, wieviele Tierquälereien immer noch "erlaubt" bzw von den der Aggrolobby nahestehenden Vollzugsbehörden als "gesetzeskonform" bezeichnet werden und wie sogar ein christliches Kloster diese Vollzugsmängel schamlos ausnützt.

Das Bezirksgericht Baden weist im angefochtenen Urteil auf Seite 21 darauf hin, dass die Beklagten bekanntermassen „bereits vorgängig öffentliche Institutionen zum Ziel ihrer Kritik gemacht" hätten und erwähnt die „Kritik am Landwirtschaftsbetrieb der Psychiatrischen Klinik Königsfelden". Hier zeigt sich die Geisteshaltung, die zum vorinstanzlichen Maulkorb geführt hat, deutlich: allein schon der Umstand, dass der VgT die Tierhaltung der Klinik Königsfelden kritisiert hat, wird negativ gewertet. Ob die Kritik berechtigt, nötig und wirksam war, wird überhaupt nicht erwogen. Kritik an staatlichen und kirchlichen Institutionen scheint im "Kulturkanton" Aargau im voraus ein Unrecht zu sein. Dabei ist gerade der Fall Königsfelden ein Musterbeispiel dafür, dass die hartnäckige und scharfe öffentliche Kritik des VgT notwendig ist, um Verbesserungen im Umgang mit den Nutztieren zu bewirken. Was aargauische Tierschutzvereine über Jahre nicht fertig gebracht haben, bewirkte die scharfe öffentliche Kritik des VgT: Eine tierfreundliche Sanierung dieses Staatsbetriebes. Nach längerem Widerstand und Ableugnen durch die Verantwortlichen wurden schliesslich tierfreundliche Zustände hergestellt: die vorher ständig angeketteten Kühe erhielten Auslauf und das lebenslänglich angekettete Mastvieh erhielt einen Laufstall. Ich habe dazu eine Videoaufzeichnung einer Sendung des Schweizer Fernsehens zum Fall Königsfelden zu den Akten gegeben, welche exemplarisch zeigt, dass unsere Kritik an öffentlichen Instituten mit schlechter Tierhaltung nicht „unnötig verletzend" ist, wie die Vorinstanz behauptet, sondern den allgemein bekannten Erfolg des VgT ausmacht, weil moderatere Kritik nicht gehört wird.

  

1. Die Tierhaltung des Klosters Fahr

 Die Kritik an der Tierhaltung des Klosters Fahr beruht auf den folgenden nicht tiergerechten, teilweise tierquälerischen, teilweise vorschriftswidrigen Zuständen, für welche ich Beweise offeriert habe, die jedoch vom Bezirksgericht ohne Begründung nicht abgenommen wurden. Das Bezirksgericht ging nur auf Beweisanträge der Gegenpartei ein. Das verletzt das Recht auf den Beweis (Art 6 EMRK) und das verfassungsmässige Gleichbehandlungsgebot.

 

1.1 Schweine

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Aufnahmen Kloster Fahr Februar 1995

a) Kastenstände für säugende Mutterschweine

 Vor Jahren habe ich dem Kloster Notkersegg bei St Gallen Tierquälerei vorgeworfen, weil - wie im Kloster Fahr - die gebärenden und säugenden Mutterschweine in engen Käfigen, sog Kastenständen, eingesperrt waren, in denen sie sich nicht einmal umdrehen konnten. Aufgrund eines vom Gericht eingeholten Fachgutachtes wurde ich vom Vorwurf der Ehrverletzung freigesprochen. Im freisprechenden Urteil der Bezirksgerichtskommission Werdenberg heisst es unter anderem: 

...Weder das Tierschutzgesetz noch die Tierschutzverordnung geben eine klare Antwort auf die Frage, in welchem Umfange Schweinen Bewegungsmöglichkeiten einzuräumen sind. Gemäss Art. 3 des Tierschutzgesetzes darf die für ein Tier notwendige Bewegungsmöglichkeit nicht dauernd oder unnötig eingeschränkt werden, wenn damit für das Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind. Für Sauen, die in Kastenständen oder angebunden gehalten werden, schreibt Art. 22 der Tierschutzverordnung vor, sie müssten sich zeitweilig ausserhalb des Standplatzes bewegen können...

Zu beantworten ist hier insbesondere die Frage, ob die Sauen auch während der Säugezeit Bewegung ausserhalb des Standplatzes haben müssen.

Dr. B. Wechsler [Verhaltensforscher an der Universität Zürich] hat dies in seinem Bericht ... bejaht. Zur Begründung führt er insbesondere an, die Haltung in Kastenständen schränke das arttypische Verhalten der Muttersauen sehr stark ein. Als besonders kritisch sei zu bewerten, dass die Muttersau in der Kastenstandhaltung gezwungen sei, an demselben Ort zu koten und zu harnen, an dem sie auch ihre Ferkel säugen müsse. Stark eingeschränkt sei auch das Sozialverhalten der Muttersau, die aufgrund ihrer Fixierung kaum in der Lage sei, von sich aus taktilen Kontakt mit den Ferkeln aufzunehmen. Es sei schliesslich zu bedenken, dass die Möglichkeit zur Fortbewegung für die Sau nicht Selbstzweck, sondern Grundvoraussetzung für arttypisches Verhalten wie das Trennen von Nest- und Kotplatz, die Suche nach Neureizen oder die Aufnahme von Schnauzenkontakt mit den ruhenden Ferkeln sei...

Der neuere Stand der Verhaltensforschung spricht deutlich dafür, den Muttersauen auch während der Säugezeit Auslauf zu gewähren. Die Bewegungsmöglichkeit erweist sich für die Muttersau gerade in dieser Zeit als besonders wichtig, weil zu den Einschränkungen, die mit der Fixierung ohnehin verbunden sind, die Erschwernisse im Sozialkontakt mit den Ferkeln und der Zwang, am Kotplatz auch noch säugen zu müssen, hinzukommen. Der Entzug jeglicher Bewegungsmöglichkeiten während der Säugezeit verletzt mithin den Grundsatz, dass den Bedürfnissen der Tiere bestmäglichst Rechnung getragen werden muss (Art 2 des Tierschutzgesetzes) und stellt auch eine Überforderung der Anpassungsfähigkeit der Muttersau dar (Art 1 der Tierschutzverordnung) . Der an die Adresse des Klägers gerichtete Vorwurf, es seien die Vorschriften über die Bewegungsmöglichkeiten für Muttersauen verletzt worden, ist mithin vom Angeklagten begründeterweise erhoben worden.

Bei der zweiten ehrverletzenden Äusserung geht es um den Vorwurf an den Kläger, er betreibe eine Halteform bei säugenden Muttersauen (wochenlanges Fixieren), welche eine Tierquälerei darstelle. Der Nutztierethologe Dr. B. Wechsler führte zur Frage der Tierquälerei folgendes aus: Eine ununterbrochene Fixierung von Muttersauen in einem Kastenstand während der Säugezeit sei nicht tiergerecht. Diese Haltung versetze die Sau in eine Situation, die ihrer evoluierten Verhaltenssteuerung und ihren motivationalen Bedürfnissen nicht entspreche. Als besonders gravierend falle in Betracht, dass die Muttersau keine Möglichkeit habe, mit ihrem Verhalten auf die nicht tiergerechte Haltungssituation einzuwirken und sie, im Sinne einer aktiven Bewältigungsstrategie, zu verändern. Aufgrund der heute vorliegenden Erkenntnisse der Verhaltenskunde über das arttypische Verhalten und die Verhaltenssteuerung von säugenden Sauen erachte er es als gerechtfertigt, die ununterbrochene Fixierung von Muttersauen in einem Kastenstand während der Säugezeit im umgangssprachlichen Sinn als Tierquälerei zu bezeichnen.

Die Möglichkeit zur Fortbewegung ist nach heutigen Erkenntnissen Grundvoraussetzung für ein arttypisches Verhalten des Schweines. Bezeichnenderweise wird in den Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen...auch ausgeführt, dass die Schweine die meisten Tätigkeiten im Gehen ausüben würden. Den angebundenen Sauen ist es verwehrt, einen ausserhalb des Liege- und auch Säugeplatzes liegenden Kotplatz aufzusuchen, wie es ihrer Art entsprechen würde. Schwer wiegt auch, dass die Fixierung das Sozialverhalten der Muttersau ganz erheblich einschränkt. Insbesondere ist es ihr kaum möglich, von sich aus Kontakt mit den Ferkeln aufzunehmen, wie es ihr Instinkt verlangen würde. All diese Beeinträchtigungen für die Muttersau, die mit dem wochenlangen Fixieren zwangsläufig verbunden sind, erhalten insgesamt ein Gewicht, welches es rechtfertigt, von einer Tierquälerei zu sprechen. Auf jeden Fall ist es sachlich vertretbar, aufgrund des herrschenden Standes der Forschung über das artgerechte Verhalten des Schweines und auch der Tatsache, dass die Bewegungsvorschriften des Tierschutzgesetzes verletzt wurden, die Schlussfolgerung zu ziehen, die fragliche Halteform stelle eine tierquälerische Haltung dar.

Ende Zitat aus dem St Galler Urteil betreffend das Kloster Notkersegg.
Seither ist die Tierschutzverordnung des Bundesrates diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen teilweise angepasst worden. Kastenstände für säugende Muttersauen wie im Kloster Fahr sind nun verboten; allerdings mit einer Übergangsfrist für bestehende Stallungen. Ich komme darauf zurück.

  

b) Einstreu in den Abferkelbuchten

Diese Abbildungen (wie auch die obigen)

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zeigen die Abferkelbuchten des Klosters Fahr. Die Aufnahmen datieren vom Februar 1995 und zeigen die qualvolle Enge der Käfige und die gesetzwidrig fehlende Einstreu. Art 23 der Tierschutz-Verordnung schreibt für Abferkelbuchten vor:

 Einige Tage vor dem Abferkeln und während zweier Wochen danach ist Einstreu in die Bucht zu geben.

Und die "Richtlinien für die Haltung von Schweinen" des Bundesamtes für Veterinärwesen erläutern diese Vorschrift auf Seite 7 wie folgt:

 Die Einstreu ermöglicht das Nestbauverhalten, dient als Läger und verhindert Verhaltensstörungen der Muttersau.

Man vergleiche die Aufnahmen aus dem klösterlichen Schweinestall mit diesen Vorschriften: Die vereinzelten Strohhalme können ja wohl nicht im Ernst als Einstreu im Sinne des Tierschutzgesetzes bezeichnet werden. Darauf kann das Muttertier weder weich liegen noch kann sie damit das angeborene Nestbauverhalten ausführen.

Beweisofferte: Folgende Zeugen als Beweis, dass die Mutterschweine in den Abferkelbuchten keine Einstreu hatten (wie auf den Fotos) und dass deshalb Art 23 der Tierschutz-Verordnung verletzt war...

Das klagende Kloster behauptet fadenscheinig, diese Fotos der Mutterschweine in den Kastenständen und ohne Stroheinstreu seien gerade im Augenblick des Ausmistens durch die offene Stalltüre gemacht worden. Indessen lassen die Aufnahmen erkennen, dass sie weder von der Stalltüre aus noch bei offener Stalltüre, sondern mit Blitzlicht im dunklen Stall aufgenommen worden sind.

Ich beantrage dazu eine Expertise durch den kriminaltechnischen Dienst der Stadtpolizei Zürich.

Unbestritten ist, dass die Mutterschweine im Kloster Fahr um die Zeit der Geburt herum heute noch in die Kastenstände eingesperrt werden (Protokoll des Augenscheines vom 17. Februar 1998, Seite 16). Unbestritten ist auch, dass die Mutterschweine in der für diesen Prozess massgeblichen Zeit 1994/95 während Wochen so eingesperrt waren (Protokoll des Augenscheines Seite 17).  

Das Einsperren im Kastenstand ist auch tierquälerisch, wenn es nur ein paar Tage dauert, denn gerade die Zeit der Geburt ist für das Muttertier sehr wichtig, und gerade zu dieser Zeit sollte es sich artgemäss bewegen können. Die Unterdrückung der angeborenen Verhaltensweisen ist in dieser Zeit besonders brutal. In einem Forschungsbericht in der Zeitschrift „Animal Behavior Science" (51/1997) ist das so formuliert:

Am Vortag der Geburt ist die Bewegungsaktivität der Sauen besonders gross. Es ist demnach gegen ihr natürliches Verhalten und somit tierschutzwidrig, sie gerade zu diesem Zeitpunkt in einem Kastenstand einzusperren.

Der landwirtschaftliche Betriebsleiter des Pestalozziheimes Neuhof in Birr schrieb am 26. März 1997 in einem Leserbrief in der Aargauer Zeitung vom 26.3.1997 im Zusammenhang mit einem Brand auf dem Betrieb über seine tiergerechte Schweinehaltung ohne Kastenstände :

 „Der Neuhof hat 1993 mit dem Neubau des Offenlaufstalles für Milchkühe und Rinder sowie mit der Sanierung der Schweinestallung optimale Voraussetzungen für eine artgerechte Tierhaltung geschaffen. Für das Konzept der Schweinehaltung bedeutet dies unter anderem: Beim Abferkeln befindet sich das Muttertier in einer sogenannten Schmid-Bucht. Dr Hans Schmid, Ethologe und ETH-Agronom, hat das natürliche Verhalten der Schweine erforscht. Seine Erkenntnisse führten zur Entwicklung der Schmid-Abferkelbucht. Nach zwei bis drei Wochen leben bis zu drei Muttersauen zusammen mit ihren Ferkeln in einer Familienbucht mit Aussenauslauf. Dank diesem System konnten sich vier Galtsauen, ein Muttertier mit ihren älteren Ferkeln und der Eber beim Brand retten. Das System der Dreiflächenbuchten (Fressplatz, Strohnest, Auslauf) überzeugt auch in unserer Mastschweinehaltung. Die Haltungsart erlaubt uns, die Tiere als Label-Fleisch der Bezeichnung Porco-Fidelio zu vermarkten. ... Der Neuhof ist eine Institution für die Lebensschulung und Berufsbildung von jungen Menschen. Die Tierhaltung und unser Umgang mit Tieren ... hat im Neuhof einen grossen pädagogischen Wert. Unsere Haltung liegt in einer inneren Überzeugung begründet, die sich im Mitgefühl, in der Achtung und Verantwortung gegenüber der Natur und Kreatur ausdrückt."

Dieses Mitgefühl, diese Achtung und Verantwortung gegenüber der Natur und Kreatur fehlt offenbar in den Klöstern Fahr und Einsiedeln. Das ist schockierend und muss Öffentlich bekannt gemacht und kritisiert werden dürfen. 

Ich habe einmal ein Mutterschwein kurz vor der Geburt beobachtet, wie es auf dem nackten, einstreulosen Betonboden mit den Vorderfüssen Scharrbewegungen machte. So stark war ihr angeborenes Bedürfnis, ein Geburtsnest zu bauen, dass das arme Tier zu einem neurotischen Schein-Nestbau getrieben wurde. Die gewaltsame Unterdrückung dieses angeborenen Verhaltens, die zu sinnlosen neurotischen Bewegungen führt, ist ein wissenschafltich eindeutiger Beweis für eine tierquälerische Überforderung der Tiere.

Seit 1997 sind Kastenstände für gebärende und säugende Mutterschweine verboten! Bestehende Kastenstände sind noch während einer Übergangsfrist erlaubt. Wenn der Kastenstand keine Tierquälerei wäre, wäre er wohl auch nicht verboten worden. Ich frage das Gericht: wollen Sie im Ernst behaupten, die Kastenstandhaltung sei erst nach Ablauf der Übergangsfrist eine Tierquälerei? Was Tierquälerei ist, bestimmt die Natur, nicht eine vom Bundesrat unter dem Druck der Agro-Mafia verwässerte Tierschutzverordnung. Dass naturwissenschaftliche Tatsachen universelle Gültigkeit haben und nicht von bundesrätlichen Vollzugsfristen abhängen, müsste eigentlich sogar ein Bezirksgerichtspräsident erkennen können. Das Urteil ist schleunigst aufzuheben, soll dem Ansehen der Aargauer Justiz durch die politischen Willkürurteile zugunsten eines tierquälerischen Klosters nicht definitiv Schaden zugefügt werden. Menschenrechtsbeschwerden gegen die bisherigen zwei Kloster-Fahr-Urteile des Aargauer Obergerichtes sind vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugelassen worden und werden zur Zeit behandelt.

  

1.2 Kühe

a) Auslauf 

Kühe sind typische Weidetiere. Im Auslauf können sie sich nicht nur bewegen, sondern auch andere angeborene Bedürfnisse besser befriedigen als an der Kette: Nur auf der Weide können sie unbehindert aufstehen und abliegen und ungezwungen und entspannt liegen. Im Stall an der Kette legt zum Beispiel nie eine Kuh ihren Kopf auf den Boden. Im Stall können Kühe auch nicht alle vier Beine von sich strecken. Sie liegen dort fast immer mit untergeschlagenen Beinen. Und schliesslich können sie sich nur im freien Auslauf an den hintereren Körperpartien lecken. Sie brauchen dazu viel Platz und einen guten Stand, wie ihn praktisch nur Erdboden bietet: Um sich hinten zu lecken, stemmt die Kuh ihre Beine leicht gespreizt gegen den Boden und schwingt den schweren Kopf mit herausgestreckter Zunge nach hinten. Im Stall ist ein solches Lecken nicht möglich. Im Stall des Klosters Fahrs werden die Kühe auch nicht gestriegelt. Juckreize müssen die Tiere einfach hinnehmen. Das zählt bei den Agro-Technokraten dieses Klosters überhaupt nichts. Denn es sind ja "nur Tiere", und Milch geben sie trotzdem.

Den Auslauf der Kühe richtet das Kloster nach dem gesetzlichen Minimum. Heute sind 90 Tage pro Jahr vorgeschrieben. Früher – dh bis 1997 - erhielten die Klosterkühe weniger Auslauf, wie der Betriebsleiter erklärt hat, da damals nur 60 Tage vorgeschrieben waren (Protokoll des Augenscheins Seite 11).

Winterauslauf erhielten die Kühe nach unseren Beobachtungen im fraglichen Zeitraum bis 1997 überhaupt nicht.
Beweisofferte:  ... als Zeugen. 

Den ganzen Winter hindurch waren die Tiere dem Heustaub und Stalldreck ausgesetzt, ohne eine artgemässe Körperpflege. Das war auch ein berechtigter Punkt unserer Kritik. Heute gewährt das Kloster das gesetzliche Minimum an Winterauslauf – eine der Verbesserungen, die uns zum Abbruch der Öffentlich Kritik bewogen hat. Ich komme darauf zurück. Sollte sich die Tierhaltung wieder verschlechtern, weil der VgT gerichtlich zum Schweigen gezwungen wurde, dann dürften wir dies aufgrund des pauschalen Maulkorbes nicht kritisieren. Unvorstellbar, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies mit Blick auf die Meinungsäusserungsfreiheit als zulässig erklären wird. 

 

b) Elektrischer Kuhtrainer 

Die Bewegungsfreiheit der Kühe, durch die kurze Anbindung ohnehin schon stark eingeschränkt, wird im Kloster Fahr durch Elektroschock-Bügel, sog elektrische Kuhtrainer, zusätzlich eingeschränkt. Untersuchungen der eidgenössischen Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik in Tänikon haben ergeben, dass der Kuhtrainer einen verherenden Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere hat ("Der Kuhtrainer", Bericht der eidg Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik). 

Sehr eindrücklich wird die Wirkung des elektrischen Kuhtrainers auch in einer Sendung des Schweizer Fernsehens "Menschen, Technik, Wissenschaft" gezeigt (Videocassette bei den Akten).

Die Klosterleute verharmlosen den Kuhtrainer mit der Behauptung, dieser sei nicht immer eingeschaltet. Das hilft den Tieren jedoch wenig. Das intermittierende Einschalten der Kuhtrainer wirkt sich wie folgt aus:

Die Kuh Belinda spürt am hinteren Körperteil ein lästiges Jucken. Sie schwingt den Kopf rückwärts, um mit herausgestreckter Zunge die juckende Stelle zu erreichen, bricht die Bewegung aber unter dem Schock eines elektrischen Schlages ab. Belinda ist unsanft daran erinnert worden, dass sie nicht frei auf der Weide steht, sondern angekettet an der Futterkrippe, von einem Elektrisierapparat zusätzlich in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Diesen elektrischen Schlag vergisst sie nicht so rasch wieder. Die nächsten Tage verbringt sie bewegungsarm fast in Achtungstellung. Ihre natürlichen Bewegungen beim Aufstehen und Abliegen und zum Lecken von Hals und Kopf der Nachbarkuh oder ihres hinteren Körperbereiches unterdrückt sie weitgehend bzw führt diese nur noch verhalten und verkrampft ganz minimal durch. Nach ein paar Tagen hat sie diese elektrische Bedrohung nicht mehr ständig im Bewusstsein und wird in ihren Bewegung wieder etwas lockerer. Das merkt auch der Stallmeister, der deshalb den Kuhtrainer jetzt wieder einschaltet. Dies führt auf die Dauer zu einer anhaltenden Verkrampfung und zu Fruchtbarkeitsstörungen. Die Mehrzahl der Tierärzte lehnt deshalb den Kuhtrainer ab, wie eine in der Fachzeitschrift SwissVet (Nr 5, 1992, Seite 25) publizierte Umfrage ergeben hat.

 Diese Foto zeigt den Einsatz des Kuhtrainers im Kloster Fahr:

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Der Verzicht auf den grausamen Kuhtrainer hätte lediglich einen etwas grösseren Arbeitsaufwand beim Misten zur Folge. Arbeitsrationalisierung halte ich jedoch nicht für einen hinreichenden Grund, um Tiere zu quälen - besonders nicht in einem Kloster.

Es gibt Alternativen zum elektrischen Kuhtrainer, welche sowohl die Tiere schonen als auch die Arbeit erleichtern: Ein Bericht in der Zeitschrift "Tier & Konsum" der Konsumentenarbeitsgruppe KAG ("Jetzt ist der Kuhtrainer weg!" KAG "Tier & Konsum" 3/96) beschreibt eine solche Möglichkeit, die wie folgt zusammengefasst wird: "Zweite Stange statt Kuhtrainer - saubere Einstreu ohne Elektroschock."  

Auch die KAG spricht von Elektroschock, und es ist auch nicht ersichtlich, warum diese umgangssprachliche Bezeichnung für 300-Volt-Schläge unzutreffend oder - verglichen mit dem fachtechnischen Ausdruck "elektrische Schläge" - irreführend oder falsch sein sollte. Im "Beobachter" trug ein kritischer Artikel zum Kuhtrainer die überschrift "Elektroschock statt Mistgabel" ("Jetzt ist der Kuhtrainer weg!" KAG "Tier & Konsum" 3/96). Sogar Fachleute sprechen umgangssprachlich von "Elektroschock", wie einem Bericht im Badender Tagblatt vom 15.07.96 entnommen werden kann: Laut Darstellung von Markus Zemp, Leiter der Aargauischen Zentralstelle für Tierzucht, ist der Kuhtrainer eine "Erziehungsmassnahme mittels Elektroschock". 

Bei elektrischen Zäunen auf der Weide können die Tiere elektrischen Schlägen nach kurzer Lernphase ausweichen, ohne unnatürliche Verhaltensweisen anzunehmen. Im Stall dagegen unterdrückt der Kuhtrainer natürliche, angeborene Verhaltensweisen. Wie im erwähnten Bericht der eidg Forschungsanstalt Tänikon nachgelesen werden kann, wird mit dem Kuhtrainer das Anpassungsvermögen der Tiere überfordert.  

„Überforderung des Anpassungsvermögens" ist die wissenschaftliche Ausdrucksweise für den landläufigen Begriff Tierquälerei. Beim Kuhtrainer ist eine ähnliche tierquälerische Überforderung der Tiere festzustellen wie beim Kastenstand für Schweine, für den wie erwähnt ein rechtskräftiges Urteil festhält, dass eine solche Situation umgangssprachlich als Tierquälerei bezeichnet werden dürfe.  

Da auch für den Kuhtrainer wissenschaftlich belegt ist - und zwar nicht durch irgend ein unbekanntes ausländisches Institut, sondern durch die wissenschaftliche Sektion des Bundesamtes für Veterinärwesen an der eidg Forschungsanstalt in Tänikon -, dass das Anpassungsvermögen der Tiere überfordert wird, verletzt die Duldung dieser Tierquälerei den Artikel 1 der Tierschutzverordnung, der lautet 

Tiere sind so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird. Fütterung, Pflege und Unterkunft sind angemessen, wenn sie nach dem Stand der Erfahrung und den Erkenntnissen der Physiologie, Verhaltenskunde und Hygiene den Bedürfnissen der Tiere entsprechen.

Ich beantrage erneut, wie ungehört schon vor Bezirksgericht, ein Gutachten der ethologischen Station Hasli des Zoologischen Institutes der Universität Bern, zur Frage, ob es sachlich gerechtfertigt ist, den elektrischen Kuhtrainer als Tierquälerei zu bezeichnen. 

Zusätzlich beantrage ich ein Gutachten der Eidg Forschungsantstalt in Tänikon zur Frage, ob es sachlich gerechtfertigt ist, den elektrischen Kuhtrainer als Tierquälerei zu bezeichnen und ob die Bezeichnung "Elektro-Schock" in diesem Zusammenhang zutreffend bzw sachlich vertretbar ist. Das Bezirksgericht hat sich angemasst, ohne Beizug der beantragten Experten und ohne Berücksichtigung der zu den Akten gegebenen Fachliteratur, über unsere Kritik am elektrischen Kuhtrainer zu richten. Sogar der konservative "Schweizer Tierschutz STS" verlangt ein Verbot des tierquälerischen Kuhtrainers: So kürzlich wieder in seiner Zeitschrift vom Juni 1998, die ich als neues Beweismittel zu den Akten gegeben habe.

Der Bezirksgerichtspräsident hat anlässlich des Augenscheins den elektrischen Kuhtrainer nach langem Zögern, als er glaubte, unter den erwartungsvollen Blicken der Umstehenden nicht mehr anders zu können, selber berührt. Ein solcher Selbsttest ist jedoch nichtssagend. Natürlich kann man den Kuhtrainer berühren ohne getötet oder verletzt zu werden. Dazu braucht es nur etwas Mut. Aber abgesehen davon, dass der Herr Bezirksgerichtspräsident ganz schön zusammengezuckt ist, war er im Gegensatz zu den Tieren auf den Schlag vorbereitet. Ich glaube nicht, dass er sich diesen Schlag immer wieder und überraschend wünscht, zB wenn er ahnungslos beim Nachtessen ist. Die Kühe bekommen diese Schläge immer dann wieder, wenn sie vergessen haben, dass sie still stehen müssen. Es ist der Schreck, den der Kuhtrainer auslöst, was diese Elektrisiereinrichtung zum Folterinstrument macht, nicht eine unmittelbare Gefährlichkeit. Es ist ein Skandal, dass ein Gericht ein Kernfrage in einem Gerichtsverfahren derart dilettantisch beurteilt und Beweisanträge dazu schweigend übergeht! 

Die eingeklagte Kritik, dass die Kühe im Kloster Fahr mit Elektroschocks gefoltert werden, umschreibt die wissenschaftlichen Erkenntnisse zutreffend in anschaulich-umgangssprachlicher Formulierung.

Das Weglassen des elektrischen Kuhtrainers würde übrigens nach Angaben des klösterlichen Betriebsleiters pro Kuh nur zwei Minuten Mehrarbeit täglich bedeuten (Protokoll des Augenscheines Seite 11). Dass dieser Mehraufwand schon zuviel ist, illustriert das tierverachtende Nützlichkeitsdenken in diesem Kloster.  

Laut Propaganda der Agro-Lobby hat die Schweiz das beste Tierschutzgesetz der Welt.

Indessen ist der in der Schweiz geduldete Kuhtrainer in anderen Ländern verboten, so zB in Schweden und im deutschen Bundesland Niedersachsen. Das Landwirtschaftsministerium in Hannover begründete das Verbot mit den „wiederholten erheblichen Schmerzen und Leiden oder Schäden", die den Tieren mit dem Kuhtrainer zugefügt werden. Leiden Schweizer Kühe unter elektrischen Schlägen weniger als schwedische oder niedersächsische? Ist eine Tierquälerei, die in der Schweiz begangen wird, keine Tierquälerei, nur weil der Bundesrat glaubt, ständig Konzessionen an die Agro-Mafia machen zu müssen, damit pro Kuh und Tag zwei Minuten Misten gespart werden können? In der revidierten bundesrätlichen Tierschutzverordnung ist der Kuhtrainer auf Druck der Agro-Mafia weiterhin erlaubt worden, unter Missachtung des Artikels 2 des Tierschutzgesetzes und Artikel 1 der Tierschutzverordnung.

Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht, über solche Missstände informiert zu werden. Ein Kloster ist nicht irgend eine private Einrichtung. Als Institut der Landeskirche ist es Teil des öffentlichen Lebens und sollte Vorbild sein in jeder Beziehung.

 

1.3 Kälber

Die Kuhmutter kann, wenn ihr das Kalb weggenommen wird, ihr emotionales Leiden nicht wie eine Menschenmutter durch bewusstes Denken und Verstehen dämpfen. Eine Tiermutter ist dem Trennungsschmerz voll ausgeliefert. Ähnliches gilt für das Tierkind, das im Kloster Fahr einsam und im wahrsten Sinne des Wortes mutterseelenallein in eine Einzelbox gesperrt wird.

 Im bekannten Standardwerk "Nutztier-Ethologie" von Prof Hans Hinrich Sambraus (Paul Parey Verlag, 1978) wird dazu ausgeführt: 

Domestizierte Rinder leben sozial, ebenso wie verwilderte Artgenossen und Wildrinder. Auch wenn ihnen eine grosse Weidefläche zur Verfügung steht, entfernt sich selten ein Tier weit vom Herdenverband. Nach Möglichkeiten bilden Rinder Gruppen, in denen das einzelne sich dem Verhalten der Herdengenossen anpasst.... Nur ungern lässt sich ein einzelnes Rind von der Herde forttreiben. Es versucht zurückzugelangen, hält durch Brüllen Verbindung zu den Artgenossen aufrecht und kann sogar gegen die treibende Person aggressiv werden. Einzeln gehaltene Kühe lassen in der Milchleistung nach, weil der Mangel an Sozialkontakt ihr Wohlbefinden beeinträchtigt...

Das "Mutter-Kind-Verhalten" – diese Bezeichnung wird auch in der Fachsprache verwendet! - wird von Sambraus wie folgt beschrieben (Seite 97 ff): 

Schon einige Tage vor der Geburt macht sich eine Veränderung im Verhalten der Kuh bemerkbar, sie wird scheuer, und extensiv gehaltene Rinder kommen immer seltener zur Fütterung. Kurz vor der Geburt sondert die Kuh sich von der Herde ab und sucht einen ruhigen, vor Einblicken geschützten Platz. Oft wird auch eine durch besondere Merkmale gekennzeichnete Stelle der Weide, zB eine Hecke oder Baumgruppe, gewählt...

Nach einigen erfolglosen Bemühungen gelingt es dem Kalb, 10-30 Minuten nach der Geburt aufzustehen... In den ersten 4-8 Lebensstunden des Kalbes gilt dessen Haupaktivität der Eutersuche... Ungefähr mit fünf Tagen wird das Kalb von der Mutter zur Herde geführt, wo sich die Jungtiere zu einem "Kindergarten" zusammenschliessen. Wenn sich die Kühe entfernen, bleibt immer mindestens ein Muttertier bei der Kälbergruppe als Wache zurück...

Wenn das Muttertier sein Kalb nicht mehr findet, ruft es stundenlang nach ihm...

Die Bindung zwischen Kuh und Kalb lockert sich mit zunehmendem Alter und fortschreitender Laktation. Eine gewisse Bindung an die Mutter bleibt aber über Jahre hinweg bestehen.

Auch in einem anderen nutztierethologischen Standardwerk, Bogner/Grauvogel, "Verhalten landwirtschaftlicher Nutztiere" (Verlag Eugen Ulmer, Stuttgar, 1994) wird im Zusammenhang mit der Kuh-Kalb-Beziehung von "Mutter-Kind-Beziehung" gesprochen. Die Formulierung "Kindsentführung" ist deshalb überhaupt nicht abwegig oder unsachlich vermenschlichend, sondern lehnt sich an die wissenschaftliche Fachsprache an. Bogner/Grauvogel führen zum Mutter-Kind-Verhalten folgendes aus:  

Die Mütter setzen ihre Kälber versteckt im Gebüsch oder hohen Gras ab... Zum Schutz hält sich die Mutter ausserdem noch 2-3 Tage nach dem Kalben in der Nähe des Neugeborenen auf. Dann lockert sich diese enge Bindung zwischen Mutter und Kind allmählich. Die Kuh kehrt zur Herde zurück und trifft sich nur noch zum Säugen mit dem Kalb.

Aus teilnehmender Einsicht in diese Verhaltensweisen von Kuh und Kalb lassen fortschrittliche Bauern ihre Kühe in einer separaten Abkalbbucht gebären, wo sich das sonst angebundene Muttertier frei bewegen und um das Neugeborene kümmern kann. Die ersten Tage wird das Kalb bei der Mutter gelassen, wo es frei säugen kann, da die sog Kolostralmilch sowieso für den menschlichen Genuss nicht zugelassen ist. Nach einigen Tagen wird das Kalb zusammen mit anderen Kälbern gehalten (Gruppenhaltung, "Kindergarten") und bis zur Entwöhnung nur noch jeweils zum Säugen zur Mutter gelassen. Das stellt eine tierfreundliche, dem natürlichen Verhalten angenäherte Tierhaltung und Entwöhnung dar.

Beweisofferte: Ernst Frischknecht, Biobauer, Zürcher Kantonsrat und Präsident der Vereinigung Schweizerischer Biologischer Landbauorganisationen, Lindenhof, 8632 Tann, als Experte zur Frage der Haltung von Kuh und Kalb nach der Geburt. 

Für die Einzelhaltung von Kälbern gibt es keine vernünftigen Gründe, auch in den ersten Lebenstagen und -wochen nicht. Landwirte geben unzählige Gründe verschiedener Art an, welche allesamt auf Urgrossvaters Bauernregeln beruhen: So etwa "Ruh und Rast ist die halbe Mast". Tatsache ist, dass zahlreiche Kälbermäster ihre Tiere ohne Probleme vom ersten Tag an mit älteren Tieren in einer Gruppe halten. Weil diese Praxis gut funktioniert, hat der Schweizerische Kälbermäster-Verband (SKMV) in Verhandlungen mit dem VgT schon vor Jahren schriftlich erklärt, dass er jede Form der Einzelhaltung von Kälbern ablehnt.  

Ein frischgeborenes Kalb steht schon am ersten Tag auf und vollführt nach wenigen Tagen die ersten Sprünge - wenn es nicht, wie im Kloster Fahr, durch eine enge Kiste daran gehindert wird. Es ist grausam, soziale, spiel- und bewegungsfreudige Jungtiere einsam und bewegungsarm in einer Kiste zu halten. Die Aufnahme (nicht vom Kloster Fahr!)

kuh-kalb.jpg (666003 Byte) 

 

Farb-Postkarte, erhältlich beim VgT
10 Stück 20 Fr,
Voreinzahlung auf PC 85-4434-5,
Vermerk "Karte Kuh-Kalb"

 

 

 

 

zeigt einfühlsam ein glückliches Kalb mit seiner glücklichen Mutter. Man vergleiche damit die Trostlosigkeit einer Kälber-Boxe wie im Kloster Fahr:

fahr2.jpg (216419 Byte)   Kälber-Einzelboxen im Kloster Fahr

Eine solche soziale Isolierung in einer Einzelbox ist grausam; der Vorwurf der Tierquälerei ist gerechtfertigt. 

Kälber in Einzelboxen hat es im Kloster Fahr bis heute. Das ist gerichtlich festgestellt worden und im Protokoll des Augenscheines, Seite 6, festgehalten.

Ebenfalls zugegeben hat der Betriebsleiter, dass das Kalb nach der Geburt von der Mutter weggenommen und einsam in eine Einzelbox gesperrt wird – getrennt von Mutter und Artgenossen. Das haben wir in anschaulicher Weise als Kindsentführung bezeichnet. Für die in diesem Kloster herrschende rücksichtslose, tierverachtende Einstellung tönt dies natürlich allzusehr nach Vermenschlichung. Objektiv gesehen kann sich über diese Formulierung nur aufregen, wer mit einem unterentwickelten ethischen Bewusstsein immer noch glaubt, man dürfe höhere Säugetiere nicht mit Menschen vergleichen, obwohl nach neueren Forschungsergebnissen zum Beispiel Schimpansen zu 98 Prozent die gleiche Erbsubstanz haben wie der Mensch. In merkwürdiger Widersprüchlichkeit sind es dann aber die selben Kreise, die Vergleiche zwischen Tier und Mensch als menschenverachtend bezeichnen, welche Tierversuche in der Humanmedizin als unbedingt notwendig und die Resultate als auf den Menschen übertragbar bezeichnen. Hier ist dann ein Vergleich zwischen Mensch und Tier plötzlich möglich, sogar so weit gehend, dass Medikamente für Menschen an Tieren entwickelt und geprüft werden. Es ist offenkundig, was da psychologisch und politisch abläuft: Je nachdem, wie es für den menschlichen Egoismus nützlich ist, sind Tiere dem Menschen sehr ähnlich oder absolut unvergleichbar. Wenn die Meinungsäusserungsfreiheit überhaupt einen Sinn haben und nicht zu einem leeren Schlagwort zerfallen soll, dann muss es erlaubt sein, solche menschliche Verirrungen zu kritisieren, und zwar auch scharf und aufrüttelnd. 

Man redet heute viel von Geschichtsaufarbeitung. Frühere grausame Verirrungen der Menschheit sollen bewusst gemacht werden, damit sie sich nicht mehr wiederholen. Aber wenn die gleichen Charakterstrukturen und Denk-Clichées in einem anderen Kleid erneut, hier und jetzt - Sklaverei und Holocausts hervorbringen, scheinen die Verantwortlichen in dieser Gesellschaft nicht fähig zu sein, dies zu erkennen. Es müsste offenbar wieder ein Hitler mit Schnurrbart und Scheitel auftauchen! Oder es müssten wieder Neger versklavt und in grauenhaften Transporten von Afrika nach Amerika verschifft werden. Wenn – wie heute - die Opfer solcher Machenschaften vier statt zwei Beine haben, wenn ein an Nicht-Menschen statt an Nicht-Ariern stattfindet, schweigt die Welt und moralisiert lieber scheinheilig über frühere Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

Ich habe in historischer Literatur über die Sklaverei in den Südstaaten der USA einen erschütternden Bericht gelesen: Einer Negermutter, einer Sklavin, wurde – wie damals üblich – das Neugeborene weggenommen, damit sie sofort wieder zur Arbeit aufs Feld geschickt werden konnte. Das Baby wurde auf eine benachbarte Farm, mehrere Wegstunden entfernt, gebracht, sozusagen zur Sklaven-Aufzucht. Nach der langen harten Tagesarbeit lief die Mutter jede Nacht diesen weiten Weg, um ihr Baby zu sehen, und dann den weiten Weg wieder zurück, damit sie beim Morgengrauen rechtzeitig zur Arbeit zurück war. Wer damals Mitleid mit dieser Neger-Mutter zeigte, wurde etwa gleich behandelt, wie wir heute, die wir Mitleid mit einer Kuhmutter haben, der das Neugeborene weggenommen wird. Damals hiess es, es sei abwegig, Neger-Müttern ähnliche Gefühle zuzuschreiben wie weissen Müttern. Heute meint das ethisch unterentwickelte Bezirksgericht Baden, es müsse verboten werden, Verbrechen gegen Tiermütter mit den gleichen Worten zu kritisieren wie analoge Verbrechen gegen Menschen. Wer sich damals für die Sklavenbefreiung einsetzte, war genau so im Unrecht wie wir Tierschützer heute. Wie damals in der Sklavenhaltung, so geht es auch bei der heutigen Tierhaltung nur um Profit. Wieder sind es rücksichtslose Bauern und Farmer, welche empfindsame Lebewesen ausbeuten: damals Negersklaven, heute Nutztiere. Die Geschichte wiederholt sich, nur leicht verändert, und wieder sind gewisse Gerichte auf der Seite der Unmenschen.  

Wenn die Meinungsäusserungsfreiheit überhaupt einen Sinn haben soll, muss es erlaubt sein, die Meinung zu äussern, dass das Wegnehmen eines Kalbes von der Kuhmutter ähnliche Trennungsschmerzen verursacht, wie bei Menschen, und dass diese Praxis eigentlich eine brutale Kindsentführung darstellt, die nicht zu rechtfertigen ist mit blosser Bequemlichkeit und dem Schlagwort, "es sind ja nur Tiere". Angesichts der Tatsache, dass sogar in der verhaltensbiologischen Fachliteratur von "Mutter" und "Kind" gesprochen wird, kann es ja wohl nicht verboten sein, wenn wir Tierschützer uns auch dieser Sprache bedienen und folgerichtig das Wort "Kindsentführung" verwenden, zumal aus dem Zusammenhang unmissverständlich hervorgeht, dass ein Tierkind gemeint ist.  

Wie vom Kloster zugegeben wird, waren die Kälber bis zu unserer Kritik bis zu 4 Wochen in Isolationshaft in Einzelboxen, bevor sie in die Gruppenhaltung mit anderen Kälbern kamen. Üblich waren nach Aussagen des Stallpersonals 2 bis 3 Wochen Isolationshaft. Beweisofferte: M G.. als Zeugin.

Es wurden aber auch Kälber monatelang in Einzelhaft gehalten. Das wird durch eine Videoaufnahme belegt, die wir im Summarverfahren als Beweismittel eingereicht haben, und die ein Kalb in einer Einzelbox zeigt, das sicher älter als einen Monat ist.
Beweisofferte: Gutachten des ethologischen Institutes der Universität Bern zur Schätzung des Alters des Kalbes auf dieser Aufnahme aus dem Kloster Fahr und Beurteilung, ob eine solche Einzelhaltung tiergerecht oder tierquälerisch ist. 

Der Kloster-Betriebsleiter behauptet, es habe sich dabei um ein krankes Kalb gehandelt. Das ist ja noch schlimmer: anstatt in eine geräumige Krankenbucht wurde ein krankes Kalb in eine enge Kiste gesperrt! Das finde ich geradezu teuflisch - und das in einem Kloster. 

Im Protokoll des Augenscheines (Seite 13) ist folgende Aussage des klösterlichen Betriebsleiters festgehalten bezüglich der Tierhaltung in der massgeblichen Zeit 1994/95: „... damals waren aber 4 Wochen Einzelboxe erlaubt. Wir nahmen nach der Intervention durch Herrn Kessler die Zwischenwände heraus." Auch diese Teil-Verbesserung wurde erst nach jahrelanger öffentlicher Kritik erreicht, nachdem erste direkte Kontaktversuche mit dem Kloster völlig fruchtlos verliefen. Das bestätigt einmal mehr die Erfahrung, dass leider meistens nur scharfe öffentliche Kritik Missstände in der Tierhaltung zu beseitigen vermag, wenn überhaupt.  

Dieser Tierschutz-Vollzugsschlendrian, der im Kanton Aargau besonders ausgeprägt ist, ist mittlerweile - dank des VgT - auch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Weil nur unerschrockene, scharfe öffentliche Kritik von Missständen etwas zu bewirken vermag, erhält der VgT viel Unterstützung, was sich im anhaltenden raschen Anstieg der Mitgliederzahl zeigt. Es ist schon sehr bedenklich, dass ein Gericht trotz solcher Umstände dazu kommt, ein praktisch vollständiges tierschützerisches Kritikverbot gegenüber einem Kloster, das in unverantwortlicher Weise ein schlechtes Beispiel vorlebt, auszusprechen! Das ist nur mit einer ungeheuren, politisch bedingten Voreingenommenheit zu erklären. Mit Rechtstaatlichkeit hat das jedenfalls nichts mehr zu tun. 

Der VgT feiert in wenigen Wochen sein 10-jähriges Bestehen; heute sind bereits zwei von tausend Schweizern Mitglied beim VgT. In kurzer Zeit ist der VgT zu einer der grössten und einflussreichsten Tierschutzorganisatione der Schweiz geworden. Die andauernden Versuche, uns mit Justizwillkür zum Schweigen zu bringen, werden wird mit unserem Journal "VgT-Nachrichten" im ganzen Land bekannt machen. Die heutige Auflage von 200 000 reicht, um mit einer einzigen Ausgabe alle Briefkästen im Kanton Aargau einzudecken. 

 

1.4 Muni

fahr7.jpg (202747 Byte)  Muni an der Kette im Kloster Fahr, Aufnahme 1995

Artikel 18 der eidgenössischen Tierschutzverordnung verlangt für Rindvieh in Anbindehaltung regelmässigen Auslauf. Das Bezirksgericht hat (Seite 23 oben) festgestellt, dass die Munihaltung inzwischen dieser Vorschriften angepasst worden sei und der angekettete Muni heute Auslauf erhalte. Diese richterliche Feststellung schliesst ein, dass es früher anders war, nämlich so wie wir damals kritisierten: eine gesetzwidrige Daueranbindung des Muni. Trotzdem behauptet das Bezirksgericht in seinem Urteil, die Tierhaltung des Klosters habe den Vorschriften entsprochen. Das ist krasse Willkür. 

Ein kurzes Herumführen des Munis am Nasenring zwecks Besamung von Kühen – bis zur öffentlichen Kritik des VgT die einzige Bewegungsmöglichkeit des Munis im Kloster Fahr - ist nicht als Auslauf zu qualifizieren, sondern sozusagen als "bewegte Anbindung". Sinn und Zweck des gesetzlichen Auslaufs ist, dass sich das sonst angebundene Tier zwischendurch frei bewegen kann. Die Bedeutung eines freien Auslaufs für Körperpflege und Sozialkontakt habe ich bereits bezüglich des Winterauslaufes der Kühe dargelegt.  

Wir haben vom Kloster entweder eine Freilaufbucht im Stall oder regelm�ssigen freien Auslauf im Laufhof oder zusammen mit den Kühen auf der Weide gefordert. Tierfreundliche Bauern weiden ihren Muni zusammen mit den Kühen. Wie Ketten-Hunde werden auch Munis erst durch die dauernde Kettenhaltung aggressiv und gefährlich. 

Aufgrund unserer Kritik ist das Kloster zuerst dazu übergegangen, den Muni regelmässig im Hof frei laufen zu lassen. Im Juli 1998 haben wir festgestellt, dass sogar - still und heimlich - eine Freilaufbucht im Stall eingerichtet wurde. Der Muni ist damit endgültig von der Kette befreit. Es ist keine Frage, dass eine dauernde Kettenhaltung eines so kraftvollen, noch jungen und bewegungsfreudigen Tieres eine Tierquälerei darstellt. Auch in diesem Punkt ist der Vorwurf der Verletzung des Tierschutzgesetzes, der Tierquälerei und der Verletzung der Würde des Tieres berechtigt und das vorinstanzliche Urteil, welches willkürlich das Gegenteil behauptet, aufzuheben. Seit der Muni Auslauf erhält, haben wir die diesbezügliche Kritik nicht mehr erhoben. Im Gegenteil: in einer Pressemitteilung vom 12. Juli 1998 haben wir diese Verbesserung öffentlich bekanntgemacht. Die Voraussetzungen für ein richterliches Wiederholungsverbot sind deshalb nicht gegeben. Und falls im Kloster eines Tages wieder der frühere Schlendrian aufkommen sollte, muss der VgT die Freiheit haben, dies erneut zu kritisieren. Der Erlass eines heute gar nicht aktuellen, unbefristeten Verbotes auf alle Ewigkeit ist ganz offensichtlich unvereinbar mit der Meinungsäusserungs- und Presssefreiheit.

Beweisofferte:
Gutachten der Ethologischen Station Hasli der Universität Bern, 3032 Hinterkappeln, zur Frage, ob eine Dauerankettung eines Munis, bzw das blosse Herumführen an einem Nasenring, eine Verletzung des Tierschutzgesetzes, eine Tierquälerei und eine Verletzung der Würde des Tieres darstelle.

  

2. Die Tierschutzverordnung  

Im Juni 1996 hat das Bundesamt für Veterinärwesen das "Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens über die Änderung der Tierschutzverordnung vom 27. Mai 1981" (im folgenden kurz ,"Vernehmlassungs-Bericht" genannt) veröffentlicht. Daraus können die folgenden, für das vorliegende Verfahren wesentlichen Tatsache entnommen werden: 

a. Elektrische Kuhtrainer 

Die Tierärztevereinigung, die Hochschulen, Migros und Coop, Metzgerverbände und sämtliche Tierschutzorganisationen forderten ein Verbot des Kuhtrainers. Ich zitiere dazu aus dem Vernehmlassungsbericht (Seite 24): 

Tierschutz-, aber auch verschiedene weitere Kreise fordern... ein generelles Verbot des Elektrobügels.... Von Tierschutz- und nahestehenden Kreisen, aber auch von Vertretern der Tierärzteschaft (Schweizerische Tierärztliche Vereinigung für Ethologie), der Hochschulen (Universiät Zürich, Universität Bern), des Konsumentenschutzes (Stiftung für Konsumentenschutz), der Grossverteiler (Migros Genossenschafts-Bund, Coop Schweiz), der Wissenschaft (Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung), der fleischverarbeitenden Branche (Verband Schweizer Salamifabrikanten, Verband Schweizer Fleischwarenfabrikanten, Vereinigung Schweizer Bindefleischfabrikanten) sowie von zwei weiteren Parteien (Sozialdemokratische Partei der Schweiz, Landesring) wird deshalb die Streichung von Absatz 3 [Kuhtrainer] verlangt...

Es besteht also ein landesweiter Konsens darüber, dass der Kuhtrainer eine Tierquälerei darstellt, welche verboten gehört. Ein richterliches Verbot, diese Tierquälerei in einem Kloster zu kritisieren, stellt eine krasse Verletzung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit dar, welche der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aufgrund seiner bisherigen Praxis sicher nicht gutheissen wird. 

 

b. Abferkelbucht mit Kastenstand

 Im Vernehmlassungs-Bericht heisst zur Abferkelbucht mit Kastenstand (Seite 30): 

Hingegen plädieren neun Kantone (AR, BE, BS, GL, LU, OW, SO, TI, ZH) für ein Verbot der Kastenstände auch für bestehende Buchten... Ein generelles Verbot für alle Kastenstände verlangen alle Tierschutzorganisationen, Vertreter aus Wissenschaft und Tierärzteschaft, der Hochschulen... Von Landwirtschaft und Gewerbe schliessen sich dem vier Organisationen an und von diversen Seiten ebenfalls vier.

Auch hier also ein breiter Konsens darüber, dass der Kastenstand eine Tierquälerei darstellt. Dass solche Vorrichtungen zur Fixierung von Mutterschweinen eine Tierquälerei darstellen, ist erfahrungsgemäss jedem denkfähigen und denkwilligen Menschen ab Kindergartenalter auf Anhieb klar. Das Kloster Fahr und das Bezirksgericht Baden scheinen zu einer anderen Menschenkategorie zu gehören, die ich hier nicht näher umschreiben will, um ein neues Ehrverletzungsverfahren zu vermeiden. 

 

c. Körperpflegeverhalten von Schweinen

Seite 31 im Vernehmlassungsbericht heisst es dazu:

Von Tierschutzkreisen und anderen Vernehmlassungsteilnehmern werden für Schweine Scheuermöglichkeiten und Abkühlungsmöglichkeiten bei heissem Wetter verlangt.

Schweine haben praktisch keine Schweissdrüsen. Sobald die Temperatur über 18 bis 20 Grad steigt, haben sie das Bedürfnis, sich abzukühlen. Auf der Weide graben sie sich in der feuchten Erde eine Mulde und legen sich hinein. In solchen Mulden bleibt Regenwasser lange liegen und es entsteht die sogenannte Suhle, wo Schweine bei heissem Wetter ,,suhlen", dh ein Schlammbad nehmen. In fortschrittlichen Schweinehaltungen werden Duschen eingerichtet als Ersatz für solche Suhlen, um die Schweine vor dem leidvollen Hitzestress zu bewahren.

Anatomisch bedingt (dicker, kurzer Hals) können sich Schweine nicht lecken. Sie scheuern sich an Steinen und Bäumen, um sich von Ungezifer und juckendem Staub zu befreien. In fortschrittlichen Schweinehaltungen werden - wenn solche Möglichkeiten im Auslauf fehlen - spezielle Scheuermöglichkeiten (Kratzbürsten) eingerichtet."

Im Kloster Fahr fehlen sowohl Dusche als auch Suhlen und Scheuermöglichkeit. Das Kloster hat somit laut Vernehmlassungsbericht des Bundesamtes für Veterinärwesen keine „fortschrittliche Schweinehaltung". Das angefochtene Urteil verbietet es uns, eine amtlich als rückständig deklarierte Schweinehaltung zu kritisieren! ----- Das ist derart krass, dass ich diesen Satz nochmals wiederhole: "Das angefochtene Urteil verbietet es uns, eine amtlich als rückstündig deklarierte Schweinehaltung zu kritisieren!" 

Im "Lexikon der Tierschutzethik" (Gotthard Teutsch, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1987) ist zum Stichwort Tierquälerei folgendes zu lesen: 

Tierquälerei ist ein seit 1821 gebrauchter Sammelbegriff für Handlungen, durch die Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Zeitweilig wurde alternativ oder gleichzeitig auch von Tiermisshandlung gesprochen.

Nach traditioneller Vorstellung wird Tierquälerei auch heute noch als meist vorsätzliches, grundloses und unvernünftiges Quälen verstanden. Solche und ähnliche Tierquälerei gibt es zwar heute noch, sie spielt aber zahlenmässig keine Rolle oder wird, weil seit Jahrhunderten so praktiziert und weil das Quälen als solches nicht ins Auge fällt, als eine für unvermeidbar gehaltene Nebenerscheinung sinnvoller Nutzung angesehen und daher ohne Unrechtsbewusstsein hingenommen. Vermutlich kommt hier auch noch die gesinnungsethische Überlieferung zum Zuge, die vieles rechtfertigt, solange es nicht in böser Absicht getan wird. Dies ist der verständliche Grund, warum sich viele Tierhalter, Wissenschaftler und andere Betroffene oft so heftig gegen den Vorwurf der Tierquälerei verwahren.

Die Masse der tierquälerischen Handlungen wird heute ohne jede böse Absicht und oft auch ohne unmittelbare Täter begangen, und zwar von Apparaturen und technischen Haltungssystemen, wie bei der Nutztierhaltung und nicht selten auch im Tierversuch. Die Quälerei ist also unbeabsichtigt und häufig auch gar nicht sichtbar, zumindest für den Laien nicht, weil es sich weniger um Zufügen von Schmerzen, als vielmehr um Erzeugung psychischer Leiden handelt.

Spätestens seit der ethischen Begründung des Tierschutzes soll das Tier aber nicht nur gegen absichtliche und direkte Quälerei, sondern grundsätzlich, also auch gegen das unbeabsichtigte und nur als Begleiterscheinung auftretende Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden geschützt werden. Dies ist sicher richtig. Aber auch wer an dieser Zufügung nicht persönlich beteiligt ist, sondern nur durch Anordnung oder durch das Erfinden neuer wirtschaftlicher Nutzungsmöglichkeiten unter Inkaufnahme der für die Tiere damit verbundenen Schmerzen, Leiden oder Schäden zum Verursacher wird, handelt zumindest dann verwerflich, wenn es um wirtschaftlicher Vorteile willen geschieht.

 

3. Zwischenzeitliche Verbesserungen der klösterlichen Tierhaltung

Ein Verhaltensmuster, das ich immer wieder erlebte, wenn ich Tierschutz-Missstände in öffentlichen Betrieben kritisierte: während in der Öffentlichkeit alles abgeleugnet wird, werden still und leise Verbesserungen vorgenommen. Auch das Kloster Fahr hat, nachdem es seine Klage gegen uns eingeleitet und behauptet hat, unsere Kritik sei haltlos, still und leise Verbesserungen vorgenommen, die jeweils zur Einstellung unserer diesbezüglichen Kritik führten. Die Verbesserungen, die anlässlich des gerichtlichen Augenscheins vom 17. Februar 1998 festgestellt werden konnten, sind insgesamte das Resultat unserer hartnäckigen Protestaktionen: 

a. Der Muni hat eine Freilaufbucht. Die gesetzwidrige Daueranbindung wurde beseitigt.

b. Die Kühe erhalten auch im Winter Auslauf.

c. Im Schweinestall hat es jetzt Stroheinstreu.

d. Alle Kastenstände im Schweinestall waren anlässlich des Augenscheines offen, so dass sich die Mutterschweine frei bewegen konnten, auch ein Muttertier mit erst zwei Tage alten Ferkeln, das bei offenem Kastenstand abferkeln konnte - laut Aussage des klösterlichen Betriebsleiter wegen unserer Kritik. 

Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass diese Verbesserung für eine ethisch verantwortbare Tierhaltung, wie sie von einem Kloster erwartet werden muss, nicht genügt. Es gibt immer noch tierquälerische Stalleinrichtungen: der elektrische Kuhtrainer, die Einzelboxen für Kälber, Kastenstände für Mutterschweine. Trotzdem hat der VgT letztes Jahr offiziell erklärt, seine tierschützerischen Kampagnen gegen das Kloster einzustellen, weil die Tierhaltung jetzt zwar immer noch zu schlecht sei, um glücklich zu machen, insgesamt aber auch zu wenig schlecht, um weitere Kampagnen zu rechtfertigen. Ich komme darauf zurück.

  

4. Die eingeklagten angeblichen Äusserungen

Die Tatsache, dass sogar die nur minimalen zwischenzeitlichen Verbesserungen erst mittels massiver öffentlicher Kritik erreicht werden konnten, widerlegt die Behauptung der Vorinstanz, den Beklagten sei es nicht um sachliche tierschützerische Kritik gegangen, sondern nur darum, das Kloster zu verunglimpfen und herabzuwürdigen. Einen Anhaltspunkt für solch absurde Unterstellung gibt es nicht, zumal wir nicht wissen und daran nicht interessiert sind, welcher Religion die misshandelten Tiere angehören.

Die Erfahrung zeigt aber, dass moderat und zurückhaltend vorgetragene Kritik keine Wirkung hat. Wenn sich das Gericht über diese umfangreich belegbare, ja wohl notorische Erfahrungstatsache hinwegsetzt, urteilt es realitätsfremd und willkürlich.  

Die Vorwürfe gegen das Kloster, welche den Beklagten im vorinstanzlichen Urteil zu Unrecht als widerrechtlich vorgehalten werden, beschreiben die festgestellten Tierquälereien anschaulich, eindrücklich und einfühlbar, sind aber nicht „unnötig verletzend". Es handelt sich um sachbezogene Kritik in pointierter Formulierung.

Die Formulierungen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden, sind auf Seite 18 im vorinstanzlichen Urteil angeführt. Ich werde nun einzeln dazu Stellung nehmen:  

I. "Das Kloster begehe durch seine Tierhaltung Tierquälerei" 

Der Vorwurf der Tierquälerei war berechtigt für die Daueranbindung des Munis, die Einzelhaltung der Kälber, den elektrischen Kuhtrainer und die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen.  

Der Wahrheitsbeweis wurde ohne Begründung nicht abgenommen. Die eingereichte Fachliteratur wurde nicht gewürdigt. Ebenfalls nicht gewürdigt wurde das erwähnte St Galler Gerichtsurteil, in welchem die umgangssprachliche Bezeichnung „Tierquälerei" für die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen als berechtigt und zulässig beurteilt wurde.

Alle Tierschutzorganisationen in der Schweiz sind sich einig, dass in der Nutztierhaltung noch viele Tierquälereien nicht strafbar sind. Sogar der konservative, kompromissfreudige "Schweizer Tierschutz STS" bezeichnet Kastenstände und Kuhtrainer als "erlaubte Tierquälerei" und fordert deren Verbot.   

II. "Das Kloster misshandle oder foltere die Kühe mit Elektroschocks" 

Aus dem Zusammenhang war den Lesern unmissverständlich klar, dass es um tierquälerische Haltungsformen, nicht um sadistische Tierquälerei geht. Unbestritten und von der Vorinstanz anlässlich des Augenscheines festgestellt, betreibt das Kloster tatsächlich bis heute einen sogenannten elektrischen Kuhtrainer, welcher den Kühen bei bestimmten Bewegungen eletrische Schläge erteilt. Die eingereichte Fachliteratur über die schlimme Wirkung bei den Tieren wurde von der Vorinstanz nicht gewürdigt, ebensowenig, dass es dazu praxiserprobte Alternativen gibt. Der Antrag auf ein Gutachten wurde weder angenommen noch abgelehnt, sondern einfach ignoriert.   

III. "Das Kloster betreibe Kindsentführung, indem den Kühen ihre Kälber unmittelbar nach der Geburt weggenommen würden"

Mit der Bezeichnung "Kindsentführung" wird auf den Trennungsschmerz zwischen Mutter und Kind hingewiesen, den andere höhere Säugetiere nicht wesentlich anderes erleben als der Mensch. Aus dem Zusammenhang ging unmissverständlich hervor, wie diese Bezeichnung gemeint war, insbesondere, dass es um Tierkinder geht. Es handelt sich um eine wahrheitsgemässe, pointierte Formulierung. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind auch provozierende, schockierende Äusserungen von der Meinungsäusserungsfreiheit geschützt. Im "Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention" (Villiger, Handbuch der EMRK, Schulthessverlag 1993, Seite 345 ff) heisst es dazu:

 Zusammen mit dem Recht auf Leben und dem Verbot der Folter steht das Recht auf freie Meinungsäusserung hierarchisch an der Spitze des Grundrechtssystems... Geschützt werden nicht nur einzelne oder bestimmte Informationen. Artikel 10 umfasst auch Inhalte, die "offend, shock or disturb".

IV. "Das Kloster verletze die Würde der Tiere" 

Gemäss Urteil des Bezirksgerichtes soll die richterliche Feststellung in zwei Tages- oder Wochenzeitungen halbseitig auf Kosten des VgT veröffentlicht werden, die Behauptung, das Kloster verletze die Würde der Tiere, sei widerrechtlich erfolgt, mit anderen Worten unwahr. Im vorinstanzlichen Verfahren haben die Beklagten bestritten, diese Äusserung so gemacht zu haben. Im angefochtenen Urteil wird den Beklagten diese Äusserung gleichwohl vorgehalten, ohne Nachweis, wie und wo diese gemacht worden sein soll. Zudem ist die Feststellung, die klösterliche Tierhaltung verletze die Würde der Tiere auf jeden Fall vertretbar: Tiere zu einem nicht-artgerechten, qualvollen Leben zu zwingen, Mutterschweine in enge, einstreulose Käfige zu sperren, Kühe mit Elektrisiervorrichtungen zu disziplinieren und ihnen die neugeborenen Tierkinder rücksichtslos wegzunehmen, dem jungen Muni nur gerade sporadische Bewegung am Nasenring zu ermöglichen - das alles ist auf jeden Fall eines Klosters unwürdig und verletzt die naturgegebenen Lebensrechte und die Würde dieser Tiere.   

V. "Das Kloster verletze die Tierschutzgesetzgebung"

 In Ziffer 1 des klägerischen Rechtsbegehrens wird behauptet, wir hätten gesagt, das Kloster Fahr verletze die Tierschutzgesetzgebung. Dies haben wir jedoch zumindest in dieser pauschalen Form nie behauptet, obwohl dies in mehrfacher Hinsicht tatsächlich zutreffend war: Die fehlende Einstreu in den Abferkelbuchten, die wochenlange Fixierung der Muttersauen in Kastenständen sowie die Daueranbindung des Munis verletzten - wie dargelegt - ganz konkrete Tierschutzvorschriften, insbesondere Artikel 2 und 3 des Tierschutzgesetzes. Aber auch der Kuhtrainer und die Einzelhaltung von Kälbern ist mit den Artikeln 1 bis 3 des Tierschutzgesetzes sowie mit Artikel 1 der Tierschutzverordnung unvereinbar. Daran ändert nichts, dass diese Missachtungen von Tierschutzvorschriften von der Verwaltung wie viele andere Tierquälereien rechtswidrig geduldet werden. Weil Tierschutzorganisationen kein Klagerecht haben, bestimmt allein der Filz aus Agro-Lobby und Veterinär- und Landwirtschaftsämtern, ob und wieweit die Tierschutzvorschriften angewendet werden. Im Übrigen darf ja wohl noch gesagt werden, dass ein rechtskräftiges Gerichtsurteil zum Schluss gekommen ist, die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen verletze das Tierschutzgesetz und stelle eine Tierquälerei dar! Oder darf in der Schweiz 2000 nicht mehr gesagt werden, was von einem Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist?

Da die (zutreffende) Feststellung, das Kloster Fahr verletze die Tierschutzgesetzgebung, von den Beklagten in dieser pauschalen Form gar nie veröffentlicht worden ist, fehlt es im vornherein an der Voraussetzung für ein Feststellungsurteil bzw ein Äusserungsverbot. Das Urteil des Bezirksgerichtes ist allein schon deshalb aufzuheben. 

Insgesamt sind die eingeklagten kritischen Äusserungen über die klösterliche Tierhaltung zutreffend und im öffentlichen Interesse erfolgt.

 Die Öffentlichkeit hat ein Recht und ein Interesse zu erfahren, dass und wo Tiere in einem Betrieb der Landeskirche schlecht gehalten werden. Die Kritik des VgT machte auf das Leiden der Tiere aufmerksam und befasste sich nur am Rande mit der Einhaltung der bekanntermassen untauglichen gesetzlichen Minimalvorschriften. Im Zentrum der Kritik stand eindeutig die Tatsache, dass die Tiere im Kloster Fahr wegen nicht artgerechter Haltung leiden, was das Kloster übrigens nie bestritten hat.

 Ich stelle erneut den schon in der Duplik vor Bezirksgericht (ungehört) gestellten Beweisantrag:
Zur Frage der Berechtigung der eingeklagten, an der klösterlichen Tierhaltung geübten Kritik sei ein Gutachten einzuholen von der Eidgenössischen Forschunganstalt Tänikon (8356 Ettenhausen) bzw von der dortigen Sektion für Stalleinrichtungsprüfungen des Bundesamtes für Veterinärwesen.

 

5. Willkürliche Beweiswürdigung: Das vorinstanzliche Urteil beruht auf einem nicht massgeblichen Augenschein zwei Jahre nach Klage-Einleitung

Die Vorinstanz stützt das angefochtene Urteil praktisch allein auf Behauptungen des Klosters und auf den laienhaften, subjektiven Eindruck, welcher der am 17. Februar 1998 - zwei Jahre nach Klage-Einleitung! - durchgeführte Augenschein hinterlassen hat. Der vorangemeldete Augenschein war für die Beurteilung der früheren Zustände, welche Grundlage für die eingeklagte Kritik des VgT bildeten, offensichtlich nicht geeignet,. 

 

6. Das Urteil stützt sich auf ein tendenziöses Kurzgutachten eines befangenen Experten

Als angeblicher Beweis dafür, dass die Tierhaltung des Klosters in der fraglichen Zeit 1994/95 gesetzeskonform gewesen sei, verweist die Vorinstanz auf ein Kurzgutachten des kantonalen Tierschutzbeauftragten Junker. Dessen Inhalt ist falsch! Dieses Gutachten wurde im Rahmen eines anderen, summarischen Verfahrens erstellt. Die Beklagten konnten sich weder zur Person des Gutachters noch zur Fragestellung äussern. Der Gutachter liegt zudem im Streit mit dem VgT, als einer Partei in vorliegendem Verfahren, und ist deshalb befangen und als Gutachter gar nicht zulässig. Zudem hatte er sich schon früher zur Gesetzeskonformität der Tierhaltung im Kloster Fahr geäussert und sich damit bereits im voraus festgelegt, so dass die Voraussetzungen für ein neutrales Gutachten auch deshalb nicht erfüllt waren. Dieses Kurzgutachten ist somit schon aus formellen Gr�nden nicht beweisfähig.  

Dass die Beklagten mit diesem Gutachter, dem Aargauischen Tierschutzbeauftragten Junker, im Streit liegen, ist mehrfach belegt, ebenso dessen Parteilichkeit und Befangenheit. Die entsprechenden Dokumente befinden sich bei den Akten:

Im Landwirtschaftsbetrieb der Psychiatrischen Klinik Königsfelden wurden bis zum Einschreiten des VgT die Kühe und Rinder seit Jahren gesetzwidrig ständig an der Kette gehalten. Nach öffentlicher Kritik durch den VgT erhielten dann vorerst nur die Kühe Auslauf, denn der Tierschutzbeauftragte Junker erklärte laut Bericht im Badener Tagblatt vom 8.12.94, die Auslaufvorschrift für Rindvieh gelte nur für Kühe, nicht für Mastmunis. Mit dieser Unwahrheit versuchte er, die Kritik des VgT zu diskreditieren, die Missstände an diesem Staatsbetrieb herunterspielen und seine eigene Vollzugsschlamperei zu verschleiern.
Dass dieser kantonale Tierschutzbeamte diese krassen Missstände in Königsfelden wissentlich jahrelang duldete, sagt ja wohl bereits alles über dessen Glaubwürdigkeit. Erst nach unserer hartnäckigen, scharfen Kritik erhielten dann die Mastmunis schliesslich einen Laufstall, was hauptsächlich der Verdienst von Regierungsrätin Mörikofer war, nicht von Junker, der dabei nur den Bremsklotz spielte.

In der Geflügelfabrik Kohler in Reitnau herrschen seit vielen Jahren erbärmliche Zustände. Am 25. Januar 1995 erstatteten wir erstmals eine Anzeige, deren Eingang vom Tierschutzbeauftragten Junker schriftlich bestätigt wurde. Die Fenster blieben jedoch mit Brettern zugenagelt – ein klarer Verstoss gegen die Tageslicht-Vorschrift. Am 25. Mai 1995 erstatteten wir deshalb gegen Junker eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs und Begünstigung, evtl passiver Bestechung. Die Sache verlief wie immer im Sand. Indessen hielten die Missstände in Reitnau weiter an. In einem untauglichen Ofen wurden regelmässig haufenweise tote Hühner verbrannt. Am 16. Dezember 1997 riss uns die Geduld und wir beschwerten uns beim Bundesamt für Umwelt gegen diese illegale private Kadaverbrennung. Während die zuständigen kantonalen Beamten öffentlich bekanntgaben, der Kanton könne eine solche private Kadaververbrennung durchaus bewilligen, erklärte das Buwal dies als eindeutig illegal und verlangte am 24. Dezember 1997 vom Kanton Aargau entsprechende Massnahmen.

Auf Anzeige des VgT hin hat das Bezirksamt Baden mit Datum vom 20. November 1997 einen Strafbefehl gegen Landwirt Pius Brühlmeier, Wettingen, erlassen, weil er seine Kühe und Kälber seit Jahren immer an der Kette gehalten und damit die Auslaufvorschrift gemäss Artikel 18 der Tierschutzverordnung verletzt hatte. Zuvor hatte Tierschutzbeauftragter Junker, an den sich der VgT ein halbes Jahr vorher gewandt hatte, nichts unternommen. Weder hatte er verwaltungsrechtlich die Einhaltung der Auslaufvorschrift erzwungen, noch hatte er den Fall an die Strafbehörden überwiesen. Einmal mehr betrachtete Junker auch bei offensichtlichen Gesetzesverstössen alles als angeblich gesetzeskonform. Der VgT informierte am 28. November 1997 die Aargauer Medien einmal mehr über die pflichtwidrige Amtsführung Junkers.

Am 7. April 1995 gab der VgT in Aarau eine Pressekonferenz mit Tatortbesichtigung, an der ich gegenüber den Medien folgendes bekanntgab:
„Der aargauische Tierschutzbeauftragte Junker verhält sich uns gegenüber unkooperativ. Auf unsere Anzeigen hin reagiert er regelmässig bürokratisch-nichtssagend – ein typisches Verhalten, das wir nur in Kantonen antreffen, in denen der Tierschutzvollzug im Argen liegt. Dazu gehört auch der Kanton Aargau. Der Fall, den wir Ihnen zeigen werden, ist den Behörden bekannt, ohne dass etwas unternommen wurde. Der aargauische Tierschutzbeauftragte verdreht das Tierschutzgesetz stets zugunsten der Tierquäler und erklärt tierquälerische Missstände einfach als gesetzeskonform. Da Tierschutzorganisationen kein Klagerecht gegen diesen amtlichen Schlendrian und gegen Tierschutzmissstände haben, bleibt uns nur der Appell an die Öffentlichkeit und der Aufruf zum Konsumboykott gegen tierische Lebensmittel. Wir zeigen Ihnen nun an Ort und Stelle ein Beispiel für den Tierschutz-Schlendrian im Aargau."
Die Medienvertreter wurden dann zum Hof von Landwirt Alois Loser in Lengnau geführt, der seit Jahren die angeketteten Kühe nicht mehr aus dem Stall liess, obwohl auch der Aargauische Tierschutzverein früher schon eine Strafanzeige gemacht hatte. Fotografiert wurde auch ein in einer Kälberkiste eingesperrtes Jungrind, das bereits Hörner hatte. Seine Körperlänge war länger als die Kiste; es konnte nur normal stehen, wenn es den Kopf aus der Kiste herausstreckte. Zum Abliegen musste es den Kopf abwinkeln und sich durch Buckeln zusammenziehen. Artgemässes Liegen war unmöglich; das Tier konnte nur mit abgedrehtem Kopf knien.- Gegenüber der Presse erklärte Junker wahrheitswidrig, Losers Kühe seien im Herbst im Auslauf gewesen. Mit dieser Lüge deckte Junker nicht nur den fehlbaren Tierhalter, sondern auch seine eigene Amtspflichtverletzung durch jahrelanges untätiges Dulden der Missstände. Für die Zeugen aus der Nachbarschaft, welche die anhaltende Verletzung der Auslaufvorschrift bestätigen konnten, interessierte er sich nicht. Frei erfunden behauptete er einfach, die Kühe hätten Auslauf erhalten, während die Wiese hinter Losers Hof offensichtlich keinerlei Spuren eines Weideganges aufwies. Dabei ist Loser nicht irgendein unbeschriebenes Blatt, sondern ein den Behörden bekannter notorischer Tierquäler. Gebüsst werden musste er einmal, weil er Ziegen in Kisten gehalten hatte. Die Kisten deckte er mit Brettern ab, damit sie nicht herausspringen konnten. Als die Tiere die Bretter wegstiessen, stellte er einfach noch ein Fass darauf. Sogar ein solcher Typ wird vom Aargauer Tierschutzbeauftragten Junker gedeckt. Das sind korrupte Zustände.

Ein solcher Tierschutzbeauftragter, der mit dem VgT seit Jahren im Streit liegt und nur darauf wartet, vom VgT aufgedeckte Missstände zu bestreiten, um seine Amtspflichtverletzungen zu verschleiern, wurde vom Badener Bezirksgericht als „Gutachter" bestellt. Der VgT erhielt rechtswidrig nicht Gelegenheit, dessen Befangenheit und Unfähigkeit geltend zu machen.  

Der Aargauische Tierschutzverein macht mit Junker und überhaupt mit den Aargauer Veterinär- und Tierschutzbehörden ähnliche Erfahrungen. Beweisofferte: Tierärztin C L... als Zeugin.

Das „Gutachten" ist inhaltlich untauglich. Im Wesentlichen beschränkt es sich darauf, unkritisch und unüberprüft das als Tatsachen hinzustellen, was der klösterliche Betriebsleiter einfach behauptete. Das Einzige, was diesem Gutachten entnommen werden kann, ist die totale Verfilzung der Tierschutzbeamten mit den Tierhaltern. Dass dabei geradezu mafiose Methoden der Vertuschung und Begünstigung angwendet werden, zeigt der Fall des Pachtbetriebes Schloss Wildegg: Vor Jahren kritisierte der VgT die dortige Schweinehaltung und erstattete Anzeige. Die Tiere hatten insbesondere keine Stroheinstreu, was für Direktzahlungen des Bundes aber Voraussetzung ist. Jahrelang hatten die kantonalen Beamten, welche regelmässig die Einhaltung der Subventionsvoraussetzungen kontrollieren müssen, beide Augen zugedrückt und dem Pächter ermöglicht, rechtswidrig Subventionen zu beziehen. Das ist eine klare Form von Amtsmissbrauch und Begünstigung.
Beweisofferte: Sektionschef C. W... im Bundesamt für Landwirtschaft als Zeuge.

Solche Vorkommnisse erstaunen nicht, wenn man weiss, dass kantonale Landwirtschafts- und Veterinärämter sozusagen Filialen der Agro-Lobby in der Verwaltung darstellen. Die Tierschutzbeamten werden direkt aus der Agro-Lobby, nicht aus Tierschutzkreisen, rekrutiert und bleiben von deren Wohlwollen abhängig. Im Kanton Aargau wird nie ein tierfreundlicher Tierarzt Kantonstierarzt oder ein tierschutzbewusster Ethologe oder Biologe Tierschutzbeauftragter, sondern nur ein Agro-Technokrat, der auch ja sicher die Interessen der Tierhalter über den Tierschutz stellt. Das öffentliche Interesse, das diese Beamten vertreten müssten, wozu auch der Tierschutz gehört, ist kaum in ihrem Bewusstsein. Hauptinteresse ist offensichtlich das möglichst ungestörte Weiterfliessen der Subventionen und die Abwendung tierschutzbedingter Mehrkosten oder Mehrarbeit, indem einfach immer alles als gesetzeskonform erklärt wird. So auch im Fall „Kloster Fahr".

Sollte dem Gericht nicht schon aus den Tagesmedien bekannt sein, mit welcher Kaltblütigkeit die Verwaltung des Bundes und einiger Kantone den Vollzug des vom Volk mit 80 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissenen Tierschutzgesetzes hintertreiben, durch Untätigkeit, durch falsche Auslegung und Nichtanwendung des Gesetzes, so müsste dies dem Gericht zumindest in dem zu den Akten gegebenen Urteil der Gerichtskommission Werdenberg zur Kenntnis gelangt sein. In diesem Urteil wird - gestützt auf ein neutrales Gutachten - ganz klar festgehalten, dass die St Galler Tierschutzbehörden das vom VgT kritisierte Kloster Notkersegg - auch ein Kloster! - rechtswidrig gedeckt haben, indem offensichtliche Missstände in unsachlicher Weise als gesetzeskonform hingestellt wurden. Das Gleiche spielte sich im Fall des Klosters Fahr ab.

Des weiteren weise ich das Gericht auf eine (auf Anzeige des VgT hin) kürzlich ergangene Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich hin, in welcher festgehalten wird, dass das Zürcher Veterinäramt krasse Verletzungen des Tierschutzgesetzes jahrelang amtsmissbräuchlich deckte.

 Aus diesen Beispielen - sie liessen sich beliebig vermehren - kann das Gericht erkennen, dass

1. die Tierschutzbehörden mit dem Tierschutzgesetz oft willkürlich umgehen;

2. die Tierschutzbehörden bestrebt sind, Missstände zu verdecken, da sie mit ihrem Vollzugsschlendrian mitverantwortlich sind;

3. die Kritik des VgT in sachlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich mindestens so ernst zu nehmen ist, wie Behauptungen von Tierschutzbeamten.

Dass unter diesen Umständen unser Antrag, einen neutralen Gutachter beizuziehen, einfach übergangen wurde, stellt eine Verletzung des Rechts auf den Beweis dar. Ohne Anhörung der Parteien wurde ein Tierschutzbeamter mit einem Gutachten beauftragt, der sich und seine Arbeit selbst disqualifizieren würde, wenn er gravierende Missstände im Kloster Fahr, also in seinem Verantwortungsbereich, zugeben würde. Er hatte dem Kloster Fahr schon früher einen Persilschein ausgestellt und hätte schon deshalb im vorliegenden Verfahren als befangen betrachtet und abgelehnt werden müssen. Dementsprechend unbrauchbar ist das Gutachten auch ausgefallen. Dazu beigetragen hat die Fragestellung an den Gutachter, zu der die Parteien nichts zu sagen hatten:

Warum musste dieser "Gutachter" Sachverhalte überprüfen, welche von den Beklagten gar nie kritisiert oder behauptet wurden, wie etwa die Grösse der Abferkelbucht? Warum musste dieser Gutachter überprüfen, ob die unmenschlich-minimalistische Tierschutzverordnung eingehalten werde, während die Kritik des VgT die nicht artgerechte Tierhaltung und den eines Klosters unwürdigen tierquälerischen Umgang mit den Tieren kritisiert - egal, ob dies nun von den Tierschutzbehörden als "gesetzeskonform" erklärt wird oder nicht? In der heutigen öffentlichen Tierschutzdiskussion geht es um das Wohl bzw das Leiden der Tiere und schon lange nicht mehr um die bekanntlch völlig untauglichen gesetzlichen Minimalvorschriften. Nicht diese Vorschriften, sondern das Leiden der Tiere, bewegt die Öffentlichkeit und waren Gegenstand der Kritik des VgT an der klösterlichen Tierhaltung!

Auffallend ist, dass dem "Gutachten" keine Fotos beigelegt sind. Eine Fotodokumentation wäre eine Selbstverständlichkeit eines ernst zu nehmenden Gutachtens. Nach unserer Erfahrung machen Tierschutzbehörden dann nie Fotos, wenn damit ihre verbalen "Feststellungen" Lügen gestraft würden. Die auffällig banal-knappe Feststellung "In den Abferkelbuchten liegt Einstreu in Form von Stroh." ist typisch für tendenziöse Rapporte. Wieviel Stroh? Mikroskopische Spuren? Ein, zwei oder drei Strohhalme, wie auf den Fotos (siehe oben)? Oder reichlich, bodenbedeckend, damit das Muttertier ein Nest bauen kann, wie das die Vorschriften verlangen? Letzteres ist nicht anzunehmen, sonst hätte dies der voreingenommene "Gutachter" wohl triumphierend und überschwenglich hervorgehoben und gelobt und sicher auch mit beeindruckenden Fotos dokumentiert. Höchst wahrscheinlich wurde das übliche Bild angetroffen: In den Ecken der Abferkelbuchten einige alte Strohreste, unerreichbar für das Muttertier im Kastenstand. In objektivem Klartext also: keine Einstreu. Der Gutachter behaupet denn auch nicht, das Muttertier habe Stroh zur Beschäftigung und zum Nestbau gehabt. So faustdick zu lügen wagte er offenbar doch nicht. Er arbeitete lieber mit irreführenden Halbwahrheiten: es habe Stroh in der Abferkelbucht gehabt. Falls nur ein einziger Strohhalm in einer Ecke lag, glaubt der feine Tierschutzbeauftragte, dessen Stil beim Übersehen von Missständen sattsam bekannt ist, er habe nicht gelogen.

Befremdend auch die Frage an den Experten, ob der Kuhtrainer richtig eingestellt sei, obwohl der VgT nie das Gegenteil behauptet hat. Hingegen bestätigen - wie erwähnt - ein Fachbericht der eidg Forschungsanstalt Tänikon und eine Beurteilung der Tierärzteschaft, was der VgT kritisiert, nämlich, dass der elektrische Kuhtrainer grundsätzlich nicht tiergerecht ist, egal ob richtig oder falsch eingestellt. Falsch eingestellt ist er nur noch schlimmer. Die Tierquälerei wird nicht dadurch beseitigt, dass dieses Folterinstrument nach Angaben des Herstellers "richtig" eingestellt ist. Etwas grundsätzlich Falsches kann man gar nicht richtig einstellen.

Der Forschungsbericht der eidgenössischen Forschungsanstalt Tänikon kommt aufgrund wissenschaftlicher Fakten zum Schluss, dass das Anpassungsvermögen der Tiere durch elektrische Kuhtrainer überfordert wird. Es verstösst deshalb gegen die geltenden Tierschutzvorschriften (Artikel 6 der Tierschutzverordnung), wenn gewisse Tierschutzbeamte den Kuhtrainer immer noch als gesetzeskonform beurteilen. Umgangssprachlich nennt man eine solche Überforderung eines Tieres, das neurotische Verhaltensstörungen, dh Abweichungen vom natürlichen Normalverhalten verursacht, kurz und treffend "Tierquälerei".

Nach Aussage des Stallpersonals des Klosters Fahr lehnen 50 Prozent der Kühe ihre neugeborenen Kälber ab.
Beweisofferte: D H... als Zeugin.

Uns überrascht weder die Tatsache, dass diese Kühe unter dem elektrischen Kuhtrainer fast wahnsinnig werden und ihre Jungen ablehnen, noch dass der "Gutachter" davon nichts bemerkt. Auch das ein deutlicher Hinweis auf die Qualität sowohl des Gutachters als auch seiner "Feststellungen".

Was lediglich die Klosterleute behaupteten, wird in diesem Gutachten wiederholt als "Feststellungen" wiedergegeben. Der VgT hat nie behauptet, die Kühe hätten im Sommer nicht genügend Auslauf, sondern nur den fehlenden Winterauslauf kritisiert. Indem der "Gutachter" nun im Sommer Kühe auf der Weide antrifft und der klägerische Stallmeister behauptet, die Kühe hätten auch im Winter Auslauf, kommt dieser Gutachter (Zitat) "aufgrund dieser Feststellungen" (Zitat-Ende) zu einer positiven Beurteilung des Auslaufs. Gerüchte vom Hörensagen sind für diesen Gutachter "Feststellungen". Ein solches Gerichtsgutachten ist ein Skandal, kein tauglicher Beweis. Im Übrigen hat der VgT nie behauptet, der Auslauf genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen, welche nach damals herrschender Praxis der Tierschutzbehörden mit einem Auslauf an 60 von 365 Tagen bereits erfüllt war, was bedeutet, dass sie während 10 Monaten pro Jahr dauernd an der Kette gehalten werden durften. Das ist für diese beamteten und mit Steuergeldern finanzierten Vertreter der Agro-Mafia bereits tiergerecht! Bis zum Winter 95/96 haben wir Winterauslauf nie beobachtet. Die Unterlassung von genügendem Winterauslauf haben wir beanstandet, jedoch nie behauptet, ein solcher sei vorgeschrieben gewesen. Dass er aber nötig ist, belegt allein schon die Tatsache, dass nun Winterauslauf seit 1997 gesetzlich vorgeschrieben ist.

Der "Gutachter" erweckte schliesslich - gestützt auf blosse Behauptungen der Klosterleute - den Eindruck, der Muni habe schon damals regelmässig Auslauf erhalten. Nur wer die Fachsprache versteht, kann aus der Formulierung entnehmen, dass die Kritik des VgT im Grund bestätigt wird: Der Muni konnte sich lebenslänglich nie frei bewegen. Im Bericht des Gutachters heisst es, er "wird bewegt". Dh im Klartext: Hie und da wurde er am Nasenring "bewegt", dh die Daueranbindung, an welcher der Muni hängt, wurde bewegt, und der Muni musste diese paar Schritte hinterher laufen. Das ist kein Auslauf im Sinne des Gesetzes. Ein Gutachten dazu habe ich schon vor dem Bezirksgericht Baden beantragt und stelle diesen Beweisantrag hier erneut.

Mit dem fehlenden Auslauf für den angeketteten Munis wurde ganz klar die Auslaufvorschrift gemäss Artikel 18 der Tierschutzverordnung verletzt. Anhand dieser Missachtung einer klaren, unzweideutigen Tierschutz-Verordnung kann man ermessen, was Feststellungen des Aargauischen Tierschutzbeauftragten Wert sind, welcher dem Kloster Gesetzeskonformität attestierte! Das Verfahren vor Bezirksgericht trägt alle Merkmalen eines parteiischen, politisch-opportunistischen Willkürprozesses, der im vornherein nur ein Ziel hatte: Kritischen Tierschützern richterlich das Maul zu stopfen. Die Medien haben diesen Prozess denn auch treffend als „Maulkorb-Prozess" bezeichnet.

 

7. Menschenrechts-verletzende Auslegung des Persönlichkeitsrechtes und Verweigerung des Wahrheitsbeweises

Im sogenannten Mikrowellen-Prozess, wo es um Unlauteren Wettbewerb und um das Recht auf freie Meinungsäusserung ging, verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 28. August 1998 die Schweiz wegen Verletzung der EMRK-Garantie auf freie Meinungsäusserung. Die nationalen Entscheide bis hin zum Bundesgericht, welche die Meinungsäusserungsfreiheit zugunsten wirtschaftlicher Interessen einschränkten, wurden als menschenrechtswidrig qualifiziert. Solche Menschenrechts-Urteile gegen die Schweiz häufen sich immer mehr. Dabei sind die Menschenrechtsgarantien und die Auslegungspraxis des Gerichtshofes sogar für Laien gut verständlich. Im Mikrowellen-Prozess legte der Gerichtshof das entscheidende Kriterium einmal mehr dar, indem er wörtlich ausführte, welche Frage er sich zur Urteilsfindung stellt:

War der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig?
Das Adjektiv notwendig iSv. Art. 10 (2) EMRK bedeutet das Vorliegen eines dringenden gesellschaftlichen Bedürfnisses.

Wendet man dies auf das Äusserungsverbot im vorliegenden Maulkorbprozess des Klosters Fahr gegen den VgT an, erkennt man sofort die völlige Unverhältnismässigkeit und die politische Willkür, mit der das Bezirksgericht Baden gegen den VgT geurteilt hat.  

Bei jeder öffentlichen Kritik gibt es Betroffene. Das gehört zur Auseinandersetzung in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Nach Villiger, Handbuch der EMRK (N 588), steht das Recht auf freie Meinungsäusserung hierarchisch an der Spitze des Grundrechtssystems. Der Europäische Gerichtshof unterstrich dies, als er ausführte:  

"Freedom of expression constitutes one of the essential foundations of a democratic society and one of the basic conditions for its progress and for the development of every man and woman."

Gerade in Tierschutzfragen, welche die Öffentlichkeit heute in besonderem Masse beschäftigen, muss es erlaubt sein, konkrete Fälle öffentlich zu kritisieren.

 Eine Persönlichkeitsverletzung ist nur dann widerrechtlich, wenn keine Rechtfertigungsgründe vorliegen. Nach herrschender Lehre und Praxis zählen ein überwiegendes öffentliches Interesse und das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu den Rechtfertigungsgründen. Im vorliegenden Fall betreffen die eingeklagten Äusserung den Tierschutz, also ein öffentliches Interesse mit Verfassungsrang. Der ungenügende Schutz der Nutztiere stellt seit Jahren ein die Öffentlichkeit stark bewegendes Thema dar. Deshalb war die wahrheitsgemässe öffentliche Kritik der Beklagten an der tierquälerischen Nutztierhaltung gerechtfertigt, zumal wenn diese in einem Kloster praktiziert wurde. Die Auffassung des Bezirksgerichtes, diese Kritik dürfe nicht herabwürdigend sein und Tierquälerei müsse so sachlich kritisiert werden, dass die Ehre der Tierquäler nicht verletzt werde (so sinngemäss im Urteil auf Seite 20), geht aus verschiedenen Gründen fehl: Zum Ersten ist jeder Vorwurf eines tierquälerischen Verhaltens selbstverständlich herabwürdigend, mit welchen Worten dies auch vorgetragen wird, denn Tierausbeutung und Tierquälerei gelten in unserer Gesellschaft zu Recht als unmoralisch, erst recht in einem Kloster. Zum Zweiten verbietet der Persönlichkeitsschutz nicht, jemanden wegen eines Fehlverhaltens herabwürdigend anzugreifen. Entscheidend ist allein, ob die Vorwürfe berechtigt und angemessen sind.  

Jean-Claude Wolf, Professor für Ethik und politische Philosophie an der Universität Freiburg, Verfasser des Buches "Tierethik - Neue Perspektiven für Menschen und Tiere", schrieb kürzlich in einem Aufsatz mit dem Titel "Tierschutz zwischen Demokratie und Lobbyismus" in der Fachzeitschrift ALTEX 13, 3/96: 

Das wichtigste Grundrecht qualifizierter Minderheiten besteht im uneingeschränkten Recht der Meinungsfreiheit und der Vereinsfreiheit. Sie dürfen ihre Clubs und Zeitungen gründen und danach streben, diese zu vergrössern. Auch das Recht des legalen Boykotts und des Wettbewerbs mit anerkannten Propagandamethoden ist darin eingeschlossen. Dazu gehört das Recht, die Dummheit und Blindheit, die Unvernunft und die Lasterhaftigkeit der Mehrheit öffentlich anzuprangern.

Indem das Bezirksgericht davon ausgeht, herabwürdigende Kritik finde im vornherein keine Rechtfertigung, weshalb der Wahrheitsbeweis gar nicht erst abzunehmen sei, hat es die Artikel 28 ff ZGB über den Persönlichkeitsschutz bundesrechts- und menschenrechts-widrig ausgelegt.

 Die Vorinstanz wirft uns sogar vor (Seite 20 unten), dass wir unsere tierschützerische Öffentlichkeitsarbeit zugunsten einer artgerechten Nutztierhaltung im Kloster Fahr dort ansetzen, wo grösstmögliche Publikumswirkung erwartet werden kann, so insbesondere bei besonderen Anlässen im Kloster Fahr. Dabei übersieht das Bezirksgericht, dass die durch Artikel 10 EMRK garantierte Demonstrationsfreiheit auf Publikumswirkung ausgerichtet ist. Eine Appellwirkung an die Öffentlichkeit gehört zum Wesen von Demonstrationen. Es ist absurd, den Beklagten vorzuwerfen, dass sie ihre Kundgebungen auf grösstmögliche Publikumswirkung auslegen. Ebenso absurd und lediglich durch parteiische Voreingenommenheit zugunsten des Klosters erklärbar ist die Unterstellung, es gehe uns gar nicht um Kritik an der klösterlichen Tierhaltung, sondern darum, das Kloster zu verunglimpfen. Das Bezirksgericht weist auf Seite 21 darauf hin, dass die Beklagten bekanntermassen (Zitat) „bereits vorgängig öffentliche Institutionen zum Ziel ihrer Kritik gemacht" haben (Zitat-Ende) und erwähnt die „Kritik am Landwirtschaftsbetrieb der Psychiatrischen Klinik Königsfelden". Verschwiegen wird, dass dies gerade ein Paradebeispiel dafür ist, wie nur hartnäckige, provokative und aufrüttelnde Kritik zur Beseitigung von gesetzwidrigen, tierquälerischen Zustände sogar auf einem Staatsbetrieb führt! Dies übergehend tut das Bezirksgericht Baden so, als sei es den Beklagten grundsätzlich negativ anzulasten, dass sie immer wieder und vor allem Missstände an staatlichen und kirchlichen Instituten, von denen die Öffentlichkeit zu Recht eine Vorbildfunktion erwartet, angreift! Des weiteren stimmt die Unterstellung nicht, wir würden vorzugsweise staatliche und religiöse Sünder anvisieren. Wir schreiten auch gegenüber Privaten ebenso energisch ein, doch reagieren nicht alle so rechthaberisch und prozessfreudig wie das Kloster Fahr.  

Weiter hält es das Bezirksgericht für unzulässig, zur Aufklärung der Öffentlichkeit einzelne Tierhaltungen namentlich herauszugreifen. Wörtlich heisst es im Urteil (Seite 25): 

„... das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit muss grundsätzlich hinter dem Anspruch des Einzelnen auf Wahrung seiner Privatsphäre zurücktreten. Es geht nicht an, die Öffentlichkeit anhand eines Einzelnen oder einer einzelnen Organisation auf Tierschutzanliegen aufmerksam zu machen..."

Über soviel richterlicher Voreingenommenheit verschlägt es mir die Sprache. Ich kann lediglich festhalten, dass dieser Umgang mit der Meinungsäusserungsfreiheit zum Himmel stinkt und dass es eines ungeheuren Masses an Ignoranz und Arroganz bedarf, um zu behaupten, der VgT mache die Öffentlichkeit nur anhand des Klosters Fahr auf Tierschutzanliegen aufmerksam. Jeder Bürger dieses Staates, der eine anständige Tageszeitung liest, weiss, dass der VgT eben gerade nicht davor zurückschreckt, Tierquälereien überall aufzudecken und wenn nötig mit scharfen Worten zu kritisieren, unbesehen davon, über welche wirtschaftliche oder politische Macht die Betroffenen verfügen, seien dies nun staatliche Landwirtschaftsbetriebe, christliche oder jüdische Tierquäler oder Multimilliardäre wie der Fürst von Liechtenstein mit seinem gigantischen Schweine-KZ. Sollte das Bezirksgericht mit dieser merkwürdigen Urteilsbegründung sagen wollen, Tierschutzanliegen dürften nur abstrakt und allgemein, losgelöst von konkreten Fällen und ohne Namensnennung vertreten werden, dann freue ich mich darauf, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu diesem haarsträubenden Umgang mit der Meinungsäusserungsfreiheit sagen wird.

Abgesehen davon gehört Tierquälerei keinesfalls zur „Privatsphäre", ebensowenig wie etwa Kindsmisshandlungen.

  

8. Verletzung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit

Die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit hat nur einen Sinn, wenn auch eine Meinung vertreten werden darf, die nicht allen passt. Dieser Auffassung ist auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wie er im wegweisenden sog Handyside-Urteil klargestellt hat. Das faktisch totale Verbot, die Klöster Fahr und Einsiedeln tierschützerisch zu kritisieren, widerspricht diesem Grundsatz, indem einseitig nur die Interessen des Klägers berücksichtigt worden sind und keine Rücksicht auf die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit genommen wurde. Der VgT ist Herausgeber des in einer Auflage von 200 000 erscheinenden Tierschutz-Journals "VgT-Nachrichten", das von diesem totalen Maulkorb ebenfalls in schwerwiegender Weise betroffen ist.

 Eine Interessenabwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und Meinungsäusserungsfreiheit wurde nicht vorgenommen. Der Grundrechtseingriff ist unverhältnismässig und in Ausmass und Intensität unnötig. Der Persönlichkeitsschutz ist nicht dafür da, ein unmoralisches Fehlverhalten vor Kritik zu schützen! 

Für eine Einschränkung der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit wäre es - um die Verfassungs- und Menschenrechtsgarantien zu wahren - notwendig gewesen, differenziert abzuklären, welche Kritik wahr bzw vertretbar ist und welche allenfalls unhaltbar. Statt dessen hat sich das Gericht auf die pauschale, offensichtlich politisch motivierte Beurteilung der Frage beschränkt, ob die von den Beklagten geübte Kritik persönlichkeitsverletzend sei. Den Rechtfertigungsgründen ist das Gericht nicht nachgegangen, jedenfalls nicht mit der Gründlichkeit, welche bei so massiven Grundrechtseingriffen - insbesondere in die Pressefreiheit - geboten ist.  

Vor Jahren ist es einmal - soweit uns bekannt nur einmal - zu einer Aktion der sog Tierbefreiungsfront TBF gegen das Kloster Fahr gekommen. Seither hat sich - soweit uns bekannt - nichts Dergleiches wiederholt. In den VgT-Nachrichten wurde damals in wohlwollendem Sinne über diese Aktion berichtet. Eine Animierung oder gar Anstiftung zu weiteren solchen Aktionen - wie das Bezirksgericht behauptet - hat es jedoch nie gegeben. Im Bezirksgerichts-Urteil wird uns deshalb in unzulässiger Weise etwas verboten, was wir gar nie gemacht haben und bezüglich dem auch keine Wiederholungsgefahr nachgewiesen ist.

Gemäss Rechtsprechung des Aargauer Obergerichtes bedeutet eine nachträgliche Sympathiekundgebung zu einer bereits durchgeführten Tat ausdrücklich keine Anstiftung zu weiteren ähnlichen Taten (Urteil des Aargauer Obergerichtes vom 22. Februar 1996 in Sachen Bättig, ST.96.00052). In diesem Verfahren ging es darum, dass ein Herr Bättig Gewalttätigkeiten seitens des Klosters gegen friedliche Tierschützer öffentlich Beifall gespendet hat - also die genau gleiche Situation wie bezüglich des Beifalls des VgT zur TBF-Aktion. Wenn hier ein analoger Sachverhalt in gegenteiligem Sinne beurteilt und darauf gestützt ein Meinungsäusserungsverbot erlassen wird, liegt eine diskriminierende Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit vor (EMRK Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 10). 

Eine Diskriminierung liegt auch vor, indem die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit des VgT bei der Herausgabe seines Journals massiv eingeschränkt wird, während gleichzeitig andere Medien frei und ähnlich kritisch über das gleiche Thema berichten dürfen, so zB der BEOBACHTER und die Tagespresse mit diversen Berichten und Leserbriefen (Beweise bei den Akten). 

 

9. Keine Wiederholungsgefahr

Nach den am gerichtlichen Augenschein vom 18. Februar 1998 erstmals festgestellten Verbesserungen erklärte der VgT in einem Presse-Communiqué die Einstellung der seiner Kampagnen, allerdings unter dem Vorbehalt der Berichterstattung über die noch hängigen Gerichtsverfahren. Der VgT hat seither tatsächlich keine öffentliche Tierschutzkritik gegen die Klöster mehr erhoben, sondern sich auf die Gerichtsberichterstattung beschränkt. Die damit verbundene Publizität hat sich das Kloster mit seinen Klagen selbst eingebrockt; es hätte die Klagen ja auch noch zurückziehen können.

Der allfällige Einwand, die Einstellung der Kritik habe nur unter dem Druck des hängigen Verfahrens Bestand, ist leicht widerlegbar: Die Beklagten haben sich durch diesen Maulkorbprozess und die vorsorglichen Verbote nicht einschüchtern lassen und erst aufgrund der anlässlich des Augenscheins festgestellten Verbesserungen die Einstellung der öffentlichen Kritik beschlossen und sofort bekannt gegeben. Im Urteil des Bezirksgerichtes findet sich kein Wort darüber, weshalb diese öffentliche Erklärung nicht glaubhaft sein soll. Die Beklagten haben diese Erklärung noch während des Augenscheins zu Protokoll gegeben und noch am gleichen Tag eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben, mit Kopie an das Bezirksgericht und an den Gegenanwalt. 

Die Wiederholungsgefahr ist auch bezüglich der befürchteten Anstiftung zu Aktionen der TBF nicht glaubhaft gemacht. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der VgT sich im Sinne des Verbotes äussern würde und Dritte zu Aktionen anstiften könnte. Daraus, dass vor Jahren ein Mal eine TBF-Aktion gegen das Kloster durchgeführt worden ist, kann nicht abgeleitet werden, es bestehe eine dem VgT anzulastende Wiederholungsgefahr. Über mehrere Jahre hat sich nichts dergleichen wiederholt. Es ist nur diese einzige Aktion bekannt und es sind unseres Wissens keinerlei Anzeichen belegt, die auf die Gefahr einer neuen Aktion hinweisen.  

Den Medien konnte entnommen werden, dass diese TBF-Aktion durch ein Zürcher Urteil im Zusammenhang mit einer VgT-Kundgebung gegen den Fürst von Liechtenstein ausgelöst wurde, dessen Auslegung den Einsatz von Stinkbomben in einer Kirche als legal erscheinen liess. In diesem Urteil ging es um eine geplante Flugblattaktion auf der Strasse vor der Kirche in Vaduz. Das Sensationsblatt "Blick" behauptete nachweislich falsch, es sei ein Stinkbombenanschlag in der Kirche geplant gewesen. Dazu hat das Gericht auf Seite 11 des Urteils folgendes festgehalten: 

"Ein Flugblatt ... und eine Stinkbombe sind als äquivalente Störungsmittel einzustufen, auch wenn unterschiedliche Sinnesorgane angesprochen werden."

Das Verteilen von Flugblättern ohne rechtswidrigen Inhalt auf öffentlichem Grund vor einer Kirche ist grundsätzlich erlaubt. Daraus ergibt sich aus der Äquivalenz durch Umkehrschluss, dass auch der Einsatz von Stinkbomben in einer Kirche erlaubt ist, umsomehr. Da dieses Urteil vom Zürcher Obergericht und vom Bundesgericht abgesegnet wurde, ist die Äquivalenz von Flugblättern und Stinkbomben eine höchstrichterliche Tatsache.

Dies hat sich offenbar die TBF mit ihrer Stinkbomben-Aktion im Kloster Fahr zu Nutze gemacht. Die Aktion war also gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung legal. Das angefochtene Verbot der Anstiftung zu illegalen Aktionen im Urteil des Bezirksgerichtes Baden ist deshalb ohne Grundlage.

Die Namen der Richter, die für dieses sagenhafte Zürcher Urteil verantwortlich sind, werden in die Geschichtsschreibung über die Beteiligung der Schweiz am Holocaust der Nutztiere eingehen. Es sind dies die Bezirksrichter Meyer, Dienst und Gloor, die Oberrichter Spirig, Suter und Bräm und die Bundesrichter Reeb, Weyermann und Weibel.

 

10. Verletzung des Bestimmtheitsgebotes

Gemäss Ziffer 1 Buchstabe b des angefochtenen Urteils ist uns jede "herabsetzende" Äusserung über die Klöster Fahr und Einsiedeln im Zusammenhang mit der "landwirtschaftlichen Tierhaltung" verboten. Jeder Vorwurf, Tiere schlecht bzw nicht artgerecht zu halten, ist selbstverständlich "herabsetzend", denn anständige Menschen sorgen für das Wohlbefinden der ihnen anvertrauten Tiere, auch wenn sie das Tierschutzgesetz nicht kennen. Mit dem Verbot ist künftig jegliche tierschützerische Kritik an den beiden Klöstern verunmöglicht, unbesehen ob die Kritik wahr ist oder nicht. Das stellt eine krass überrissene Beschneidung der Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit dar. Sollte der richterliche Maulkorb differenzierter gemeint sein, so ist das jedenfalls nicht klar ersichtlich und die Beklagten werden im Ungewissen gelassen, welche Kritik an der klösterlichen Tierhaltung noch straffrei möglich ist. Dass ein totaler Maulkorb gemeint sein könnte, ist insbesondere deshalb in Betracht zu ziehen, weil das gleiche Gericht in der gleichen Sache in etwas anderer Formulierung einen solchen totalen Maulkorb, der überhaupt jede tierschützerische Äusserung im Zusammenhang mit den Klöstern Fahr und Einsiedeln verbietet, als vorsorgliche Massnahme verhängt und bis heute in Kraft gelassen hat (Verfügung vom 13.11.97, Prozess SU.97.51905). Es wurde offenbar kein wesentlicher Unterschied in den beiden Formulierungen gesehen.  

Der bekannte Schweizer Strafrechtler Günter Stratenwerth schreibt in seinem Buch "Schweizerisches Strafrecht" (Allgemeiner Teil I, zweite Auflage, �4 N 15):  

"Am wenigsten erträglich ist ein Übermass an Unbestimmtheit bei der Umschreibung des mit Strafe bedrohten Verhaltens.

Das trifft genau auf das angefochtene Urteil zu.

Das angefochtene Urteil ist daher auch wegen Verletzung des Artikel 10 Absatz 2 EMRK aufzuheben. Ich verweise diesbezüglich auf den EMRK-Kommentar von Frowein/Peukert, 2. Auflage, Seite 329. 

 

11. Verletzung der Unschuldsvermutung 

Im angefochtenen Urteil wird den Beklagten im Zusammenhang mit der TBF-Aktion deliktisches Verhalten, nämlich Anstiftung zur Störung der Kultusfreiheit und zu Sachbeschädigung, unterstellt, obwohl eine diesbezügliche Strafuntersuchung rechtskräftig eingestellt worden ist. Das verletzt die Garantie der Europäischen Menschenrechtskonvention, wonach jeder Bürger solange als unschuldig zu gelten hat, als seine Schuld nicht rechtskräftig erwiesen ist (EMRK Artikel 6 Absatz 2).

 

12. Keine gesetzliche Grundlage für ein zivilrechtliches "Anstiftungsverbot"

Art 24 StG stellt Anstiftung zu deliktischen Handlulngen unter Strafe. Das angefochteneVerbot zur Anstiftung der TBF gegen das Kloster Fahr ist rechtsmissbräuchlich, weil damit dem VgT unter Kostenfolge etwas verboten wird, was nach der geltenden Rechtsordnung ohnehin schon verboten ist. Es gibt kein Rechtsschutzinteresse daran, durch eine richterliche Verfügung etwas verbieten zu lassen, was ohnehin schon verboten ist.  

In Art 28a ZGB sind die richterlichen Massnahmen zum Schutz vor Persönlichkeitsverletzungen abschliessend aufgezählt. Ein Verbot der Anstiftung oder Animierung zu Persönlichkeitsverletzungen ist darin nicht enthalten. Das Verbot, die Tierbefreiungsfront zu deliktischen Handlungen anzustiften, überdehnt und missbraucht Artikel 28 ZGB dazu, über die Anstiftung im Sinne von Art 24 StGB hinaus blosse Sympathiebekundungen unter Strafe zu stellen. Für solchen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit fehlt eine gesetzliche Grundlage. Weil davon vorallem die freie Berichterstattung im Journal "VgT-Nachrichten" betroffen ist, liegt auch eine Verletzung der Pressefreiheit vor.  

In den VgT-Nachrichten ist die TBF nie zu Aktionen gegen das Kloster aufgerufen worden. Es wurde nur eine bereits durchgeführte Aktion positiv kommentiert. Das stellt offensichtlich keine Persönlichkeitsverletzung dar. Im ganzen bisherigen Verfahren ist weder behauptet noch belegt worden, dass und worin die Persönlichkeitsverletzung bestehen soll. Auch deshalb ist das Verbot ohne Rechtsgrundlage. Die Klage des Klosters hätte in diesem Punkt schon wegen mangelnder Substanziierung abgewiesen werden müssen.

 

13. Das Kloster Fahr ist nicht parteifähig

Anlässlich des Augenscheins vom 17.2.98 hat Pater Hilarius, generalbevollmächtigter Probst des Klosters Einsiedeln für das Kloster Fahr, als Zeuge unter Ermahnung zur Wahrheit zu Protokoll gegeben, dass das Kloster Fahr keine eigene Rechtspersönlichkeit habe. Im Protokoll des Augenscheines wurde seine Aussage auf Seite 18 wie folgt festgehalten:  

Im Jahr 1030 wurde die Stiftung [Kloster Fahr] durch Mönche von Regensburg gegründet mit dem Zweck, ein Benediktinerkloster zu unterhalten. Das steht in der Stiftungsurkunde. Diese Stiftung stand unter dem Kloster Einsiedeln. Ich bin als Verwalter der Stiftung delegiert vom Kloster Einsiedeln. Die Stiftung ist nicht eine Stiftung gemäss heutigem Recht; sie ist eher eine Schenkung. Es ist alles unter dem Kloster Einsiedeln eingetragen und gehört alles zum Kloster Einsiedeln... Das Kloster Fahr und das Kloster Einsiedeln sind nicht 2 verschiedene Rechtssubjekte. Ich bin der Pater von Einsiedeln und bin durch den Abt hier im Kloster Fahr eingesetzt... Ich habe die Generalvollmacht zB für den Umbau. Ich habe diese Vollmacht vom Abt. Beim Umbau muss ich dann zB vor die Baukommission von Einsiedeln und dann geht es vor das ganze Kapitel, dh sämtliche Geistlichen von Einsiedeln sind darin und dort hole ich die Vollmacht ein für den Bau... Ich habe bereits früher darüber mit dem früheren Oberrichter Brunschwiler gesprochen und er sagte mir immer, das Kloster Fahr sei nicht eine eigene Rechtspersönlichkeit. Dass dem so ist, geht schon daraus hervor, dass der Abt von Einsiedeln auch der Abt von Fahr ist und ich habe eben von ihm die Generalvollmacht.

Die Beklagten haben sich dieser Feststellung angeschlossen. Obwohl das Gericht in Zivilverfahren an übereinstimmende Sachverhaltsdarstellungen der Parteien gebunden ist, hat es sich über die vom Kläger selbst klar dargelegte Tatsache, dass das Kloster Fahr dem Kloster Einsiedeln gehört und keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, hinweggesetzt, allein mit dem Hinweis, das Kloster Fahr sei als Eigentümerin des Klosterareals im Grundbuch eingetragen. Anstatt die aktuelle Relevanz dieser Grundbucheintragung zu überprüfen, verwendet das Bezirksgericht diese vom Kläger selbst als überholt bezeichnete Grundbucheintragung in willkürlicher Weise als angeblicher Beweis für die Rechtspersönlichkeit des Klägers. Gerade weil Propst Pater Hillarius als Agronom, nicht als Jurist ausgebildet ist, sind seine Erklärungen ernst zu nehmen, hat man doch noch nie gehört, dass das Recht von Agronomen verdreht wird! - 

 

14. Fehlende Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Rechten des Klosters Einsiedeln

Unabhängig davon, ob das Kloster Fahr eine eigene Rechtspersönlichkeit hat oder nicht, ist es jedenfalls nicht legitimiert, Rechte Dritter - namentlich des Klosters Einsiedeln - geltend zu machen: 

Hypothetisch angenommen, das Kloster Fahr habe eine eigenständige Rechtspersönlichkeit, dann wäre es nur legitimiert, seine eigenen Rechte geltend zu machen, nicht aber Rechte Dritter. Insoweit die Vorinstanz ein Kritikverbot am Kloster Einsiedeln erlassen hat, ist dieses gesetzwidrig, denn das Kloster Einsiedeln untersteht nicht dem Kloster Fahr, sondern umgekehrt! Eine sonstige nahe Beziehung begründet keine Aktivlegitimation: Ein Mann kann nicht für seine Frau, ein Freund nicht für seine Freundin, eine Tochtergesellschaft nicht für die Muttergesellschaft Persönlichkeitsrechte geltend machen.  

Die klägerische Behauptung, die Kritik am Kloster Einsiedeln treffe auch das Kloster Fahr, wurde nicht begründet und muss schon mangels Substanziierung zurückgewiesen werden. Die Behauptung steht zudem im Widerspruch zur vorinstanzlichen Feststellung, das Kloster Fahr sei eine vom Kloster Einsiedeln unabhängige eigene Rechtspersönlichkeit. Wenn das zutrifft, ist das eigenständige Kloster Fahr von Kritik am Kloster Einsiedeln gar nicht betroffen. 

Die Vorinstanz hat alle diese wichtigen Einwände (Duplik Seite 5) nicht beachtet und damit das Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. 

 

15. Schlussbemerkung

In einem im Limmattaler-Tagblatt vom 31. Juli 1997 veröffentlichten Leserbrief bezeichnete der klösterliche Betriebsleiter Beat Fries den VgT als „Erwin Kessler und seine Bande". Eine friedlich auf öffentlichem Grund Flugblätter verteilende VgT-Aktivistin hat er tätlich angegriffen und ihr das Kleid zerrissen. Schon im Begehren um vorsorgliche Massnahmen ist das Kloster hemmungslos mit Beschimpfungen gegen den VgT aufgefahren und wirft dem Verein und seinem Präsident, der sich aufopfernd und mit viel Idealismus für die wehrlosen, ausgebeuteten Tiere einsetzt, "Rücksichtslosigkeit" vor (Seite 4 des Begehrens um vorsorgliche Massnahmen). Und weiter: "Kessler und den von ihm aufgehetzten Schergen" (Seite 16), "Sektenführer" (Seite 18), "berühmt-berüchtigt" (Seite 4). Wenn der VgT und sein Präsident tatsächlich einen so "berüchtigten" Namen hätten, wie das Kloster behauptet, hätte der VgT wohl kaum einen so anhaltend raschen Mitgliederzuwachs. Der VgT gehört mit seinen heute 10 000 Mitgliedern bereits zu den grössten und einflussreichsten Tier- und Konsumentenschutzorganisationen der Schweiz - ganz im Gegensatz zum Mitgliederschwund bei der katholischen Kirche. 

Während das Kloster den VgT und mich hemmungslos beschimpft und uns ohne jeden Beweis sogar deliktisches Verhalten vorwirft - eine klare Ehrverletzung -, verlangt es gleichzeitig eine richterliche Feststellung, dass die Kritik an seiner unchristlichen Tierhaltung rechtswidrig gewesen sei. Wer mit Ehrverletzungen und derart rücksichtslos mit Menschen und Tieren umgeht, hat kein Recht auf richterlichen Schutz, nur weil ihm berechtigte Kritik an seiner Tierhaltung nicht passt. 

Zu denken geben sollte dem Gericht, dass hier ausgerechnet ein Kloster, das gedankenlos unmenschlich mit Tieren umgegangen ist, lieber gegen berechtigte Kritik prozessiert, anstatt Einsicht zu zeigen. In seinem Buch "Der Verrat der Kirchen an den Tieren" schreibt der bekannte deutsche Tierschützer Carl Anders Skriver:

Erstaunlicherweise landen die Christen mit ihren Gedanken immer nur da, wo die Gottlosen auch ohne Gott ankommen. Die Christen tun in allem das Gegenteil von dem, was sie sollen. Sie unterscheiden sich in keiner Weise von den Heiden.

>Ende Plädoyer<

 

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Auch im Juli 1999 bestand im Kloster Fahr noch Kastenstandhaltung von Mutterschweinen, wie diese neue Aufnahme vom 15.7.1999 beweist.
Zum Beweis des Datums hat der Fotograf eine Presse-Schlagzeile aufgehängt.


Inhaltverzeichnis VN99-5

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