1. Januar 2012

Neujahrsansprache von Dr Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz

Glauben macht selig - wirklich?

Die Welt ist komplex, rätselhaft, vieles unverständlich und unbegreiflich. Der spirituell Suchende hat es nicht leicht; statt das Welträtsel zu entschlüsseln und zu Gott zu finden, kann er leicht verwirrt oder gar irre werden. Eigentlich ist jeder Mensch überfordert - nur merken es nicht alle. Der Mensch ist ein Genie im Verdrängen. Den einen gibt Geld und Macht ein (vordergründiges) Gefühl von Sicherheit, andere finden (vordergründig) Halt und Trost in einer Religion, in einem "festen Glauben", der ihnen das Denken und Suchen abnimmt. Die Bibel, der Talmud, der Koran sagt, was ist und was zu tun ist und wo Gott hockt und was er von uns will. Es vereinfacht das Leben schon ganz schön, wenn man in einem Buch nachlesen kann, was Gott von uns erwartet und was wir zu tun haben, um in den Himmel zu kommen. Praktisch auch, dass diese Bücher auslegungsbedürftig sind. Der Kluge findet so immer einen Weg, mit Gottes Unterstützung und Gutheissung, das zu tun, was er (der Gläubige, nicht Gott) gerne möchte. Zum Beispiel Tierleichen fressen.

Für orthodoxe Juden und Moslems wird die Fleischfresserei dadurch gottgefällig gemacht, dass den Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle aufgeschlitzt wird. Dass das ein perverser Gott sein müsste, dem sowas gefällt, auf diese Idee kommen diese Gläubigen nicht. Sie sind Meister im Verdrängen, um das Leben nach ihrem Geschmack erträglich zu machen.

Die Katholiken haben einen anderen Trick ausgedacht, um Gott zu überlisten und die Tierausbeutung und Fleischfresserei "gottgefällig" zu machen. Sie sprechen den Tieren einfach eine Seele ab, womit sie schon fast Pflanzen gleichgestellt sind - auf der Erde, um von den Menschen "geerntet" zu werden. "Macht euch die Erde untertan...". Eine sehr praktische Heiligsprechung des Egoismus.

Ein österreichischer Bischof wies die Proteste von Tierschützern gegen üble klösterliche Tierfabriken mit der Feststellung ab: "Der Unterschied zwischen dem Mensch und den Tieren ist der, dass Tiere keine Seele haben." Voilà. Wie doch ein fester Glaube das Leben vereinfacht! Gewissensbisse beim Konsumieren von Tier-KZ-Opfern? Ach wo, es sind ja nur seelenlose Tiere, dem Menschen untertan.

Und dieser österreichische Bischof hat nur das offizielle, vom geistlichen Oberhaupt in Rom beschlossene katholische Dogma ausgesprochen. Andere katholische Bischöfe und Pfärrer müssen das gleiche sagen, wenn sie es denn nicht vorziehen, zu schweigen. Ein solcher Pfaff, der nicht geschwiegen, sondern der Welt schamlos die katholische Tierverachtung verkündet hat, ist zum Beispiel der Pfarrer von Meggen. Mehr dazu.

In diesem Zusammenhang habe ich heute mit Genuss gelesen, was Ludwig A Minelli - bekannter Journalist und Rechtsanwalt und Präsident der Sterbehilfeorganisation DIGNITAS (und darum in den Boulevardmedien "KriMinelli" genannt) - in der neusten Ausgabe seiner Zeitschrift "Mensch und Recht" über Bischöfe und den Katholizismus geschrieben hat. Endlich hat mal einer den politisch unkorrekten Mut auszusprechen, was mancher denkt: dass Respekt vor solchen "Gläubigen" fehl am Platz ist: 

Mensch un Recht Nr 122, Dezember 2011 

 


News-Verzeichnis

Startseite VgT