28. Mai 2004

Zum Bericht "Leichen als Geiseln" in der aktuellen WELTWOCHE

Erschütternd zu lesen, wie die Zürcher Behörden, welche das Massenelend in den Tierfabriken rechtswidrig und unmenschlich dulden und decken, plötzlich zu extremen Schein-Moralisten werden, wenn schwer leidende Menschen den Freitod wählen wollen. Während im Tierschutz klares Recht zum Schutz der Wehrlosen nicht durchgesetzt wird, weil es "nur" um Tiere geht, werden Freitodwillige und ihre selbstlosen Helfer mit Verwaltungswillkür schikaniert und die gesetzlich garantierte Freiheit zum Suizid behindert. Wie ich im Umgang mit den Zürcher Behörden immer wieder feststellen muss, ist nicht Recht, was im Gesetz steht, sondern was Zürcher Staatsanwälte und andere Bürokraten nach eigener Auffassung richtig finden. Es ist bewundernswert, wie Rechtsanwalt und Menschenrechtler Ludwig Minelli sich dieser menschen-, tier-, demokratie- und rechtsstaat-verachtenden Gesinnung unserer "Staatsdiener" entgegentritt und auf die zum Teil beleidigend formulierten Interviewfragen von Peter Holenstein klar und kompetent antwortet.
Erwin Kessler, Verein gegen Tierfabriken VgT

Hier der Artikel in der Weltwoche 22.04

"Leichen als Geiseln"

Von Peter Holenstein

Vor sechs Jahren gründete der Rechtsanwalt Ludwig A. Minelli die Freitodhilfe-Organisation Dignitas. Weil der Verein auch Ausländer beim Sterben begleitet, gerät er immer wieder ins Visier der Zürcher Justiz.

err Minelli, weshalb bieten Sie für Menschen aus dem Ausland Freitodbegleitungen an?
Das Recht, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, ist für uns ein von der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschütztes Recht. Artikel 14 besagt, dass die Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes nicht zulässig ist. Begehrt jemand von jenseits der Grenze unsere Hilfe, ist es ethisch nicht vertretbar, ihm diese zu versagen.

Sind Sie bei diesen Begleitungen anwesend?
Nein. Meine Aufgabe als Generalsekretär ist es, unsere Mitarbeiterinnen zu instruieren und zu kontrollieren. Es gilt, zwischen meinen Funktionen und jenen der Mitarbeiter zu trennen. Vermischt man die Tätigkeiten, verwischt man die Verantwortlichkeiten. Das darf in einem derart heiklen Bereich nicht in Kauf genommen werden.

Wie viele Freitodanfragen aus dem Ausland hat Dignitas bis heute abgelehnt?
Darüber führen wir keine Statistik. Während der letzten zwölf Monate haben wir Gesuche von mental Kranken deswegen einstweilen ablehnen müssen, weil diesbezüglich ein Rechtsverfahren gegen Dignitas im Gange ist. Ausserdem haben wir in einer Reihe von Fällen noch keinen Arzt gefunden, der sich bereit erklärte, ein Rezept für das von uns verwendete letale Medikament Natrium-Pentobarbital auszustellen.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Freitodbegleitung erfüllt sein?
Die sterbewillige Person muss urteilsfähig sein und einen zureichenden Grund angeben, sie muss bei uns Mitglied sein und eine Patientenverfügung hinterlegt haben.

Was sind «zureichende Gründe»?
Terminale Krankheiten, unbeherrschbare Schmerzzustände und unzumutbare Behinderungen. Aber es sei deutlich gesagt: Das Schweizer Recht setzt dem Einzelnen, sein Leben zu beenden, keine Bedingungen; das Recht besteht voraussetzungslos.

Welche Kosten entstehen Personen aus dem Ausland bei einem Freitod mit Dignitas?
Kosten für die Reise, den Aufenthalt, die Konsultation bei unseren Ärzten, die Kremation, den Transport und die Bestattung sowie die Gebühren für das Ausstellen der Todesurkunde.

Und welche Kosten entstehen Dignitas?
Wir unterhalten in Zürich eine Mietwohnung für Personen, die nicht in ihrem Land oder zu Hause in den Freitod begleitet werden können. Sodann entschädigen wir die Mitarbeiter unseres Begleiter-Teams mit einer Pauschale für ihren zeitlichen Einsatz und vergüten deren Spesen. Wir tragen auch die Kosten für das erforderliche Medikament.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft kritisiert, dass dem Kanton durch die Freitodbegleitung von Ausländern hohe Kosten entstehen.
Bei einem gewöhnlichen Suizid, zu dem Notarzt, Polizei und die Strafverfolgungsbeamten gerufen werden, können leicht Kosten bis zu 5000 Franken entstehen. Jeder solche Suizid kann ein getarntes Tötungsdelikt sein. Das muss abgeklärt werden. Doch bei begleiteten Suiziden durch Dignitas oder Exit ist dieses aufwendige Verfahren nicht am Platz.

Weshalb?
Wir legen nach jedem begleiteten Freitod ein ausreichendes Dossier vor. Auf seitenlange Polizeirapporte und aufwendige Abklärungen könnte deshalb verzichtet werden. Letzteres gilt insbesondere für unnötige Obduktionen. Im Kanton Zürich werden solche angeordnet – meist sogar entgegen der ausdrücklichen Verfügung der verstorbenen Person –, obwohl die Entnahme einer Blutprobe genügen würde, um festzustellen, dass die Todesursache zweifelsfrei die Einnahme einer hohen Dosis Natrium-Pentobarbital war.

Während die Zürcher Staatsanwaltschaft die gute Zusammenarbeit mit Exit lobt, gerät Dignitas immer häufiger ins Visier der Strafverfolgungsbehörden. Was läuft bei Ihnen schief?
Nichts. Weil Exit Personen aus dem Ausland nicht hilft und schwerstleidende, aber urteilsfähige mental Kranke abweist, bleiben die Zahlen der Exit-Begleitungen im Raum Zürich nicht nur moderat, sie werfen auch keine besonderen Probleme auf. Exit betreibt zu Lasten Schwerleidender Problemvermeidung. Das kann Abgewiesene zu eigenen Suizidversuchen veranlassen. Dignitas dagegen ist nicht bereit, die Interessen schwerleidender Personen Bequemlichkeitsvorstellungen von Beamten unterzuordnen.

Sie weigern sich auch, jene Kosten zu übernehmen, die dem Kanton durch die Freitodbegleitung von Ausländern entstehen.
Man verlangte, dass wir einer Übernahme der Kosten des Staates zu Lasten unserer Mitglieder zustimmen und die Hilfe für Ausländer einstellen. Solange kein Gesetz die Kostenübernahme sowie eine Beschränkung der staatlichen Tätigkeit auf das Notwendige regelt, kommt für uns die Kostenübernahme nicht in Frage. Wir werden auch nie Ausländer aus ethischen Gründen diskriminieren.

Es hat doch mit Diskriminierung nichts zu tun, wenn Ausländer, die in der Schweiz keine Steuern zahlen, Kosten übernehmen müssen, welche durch ihren Freitod dem Staat anfallen.
Solange der Umfang der Abklärungen der Behörden durch diese und nicht durch das Gesetz bestimmt ist, sind diese Kosten nicht vorhersehbar. Die Erfahrung zeigt, dass der Kanton Zürich aus politischer Absicht besonders hohe Kosten verursacht. Dies führt zur Diskriminierung. Im Kanton St. Gallen bestimmt das Gesetz unabhängig vom Wohnsitz, dass die Kosten zu Lasten des Nachlasses der verstorbenen Person gehen. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Im Gegensatz zu Exit hat Dignitas nach Freitodbegleitungen immer wieder Probleme mit den Behörden.
Die Probleme verursachen nicht wir. So versuchen gewisse Beamte – nicht die Polizei! – zunehmend, die Mitglieder unseres Freitodbegleiter-Teams und, was viel schwerer wiegt, auch die trauernden Angehörigen von bei uns Verstorbenen zu schikanieren. Beispielsweise, indem nach einem begleiteten Suizid die Befragung durch die Polizei nicht in unserer Wohnung stattfindet, sondern auf einem Polizeiposten oder gar im Gebäude der Kriminalpolizei. Angehörige, die unmittelbar vorher einen Menschen durch Tod verloren haben, erlebten dies als erniedrigendes strafrechtliches Verhör. Davor müssen wir sie schützen. Wir stellen ihnen deshalb anheim, nach dem Tode ihres Angehörigen in der Wohnung zu bleiben oder aber sich zurückzuziehen, bevor die Behörden eintreffen.

Damit entziehen Sie die Angehörigen einer zulässigen Befragung durch den Bezirksanwalt, der die Umstände eines Suizids abklären muss.
Leider gibt es unter den Bezirksanwälten einige schwarze Schafe, die höchst unangenehm auffallen. Kürzlich musste ich einen darauf aufmerksam machen, dass er sich den Anwesenden vorzustellen habe, wenn er die Wohnung einer verstorbenen Person betritt. Oder es gab Bezirksanwälte, die im Befehlston die Herausgabe des ärztlichen Originalrezepts verlangten. Dabei weiss jedes Kind, dass man rezeptpflichtige Medikamente in einer Apotheke nur nach der Übergabe des Originalrezepts erhält. Zwei Mal haben wir sogar erleben müssen, dass Bezirksanwälte eine Leiche während Wochen als Geisel genommen haben.

Wie bitte? Sagten Sie Leichen als Geiseln?
In der Tat. Man verweigerte deren Freigabe zur Bestattung, um zu erzwingen, dass eine unserer Freitodbegleiterinnen bei der Polizei erscheint, obwohl sie auf ihr Recht verwies, keine Aussage machen zu müssen. In einem Fall musste sogar die US-Botschaft bei den Zürcher Behörden intervenieren, weil die Angehörigen in Amerika nicht verstehen konnten, wieso die Kremation während vieler Wochen aufgeschoben und die Urne immer noch nicht an den Heimatort gesandt worden war. Unter vernünftigen Menschen setzt man sich zusammen und trifft gemeinsam eine Regelung.

Und weshalb ist das nicht möglich?
Der Versuch von Dignitas, ein solches Gespräch in die Wege zu leiten, scheiterte an der Weigerung von Justizdirektor Markus Notter, überhaupt mit uns zu sprechen. Damit nicht jeder Bezirksanwalt meint, er müsse das Rad neu erfinden, regte ich auch ein «Drehbuch» für die Untersuchung begleiteter Suizide an. Bisher ohne Erfolg.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft bemängelt u.a. die mangelnde Transparenz Ihrer Organisation, weil Dignitas als Verein nicht breit abgestützt sei und sich alles auf Ihre Person als Generalsekretär konzentriere.
Wir arbeiten auf einer einwandfreien gesetzlichen Grundlage. Dass Dignitas eine andere Vereinsstruktur als Exit aufweist, ist gewollt: Bei uns kann es keine vereinsinternen Machtkämpfe geben, wie sie bei Exit wiederholt ausgebrochen sind.

Exit legt jedes Jahr die Buchhaltung offen; Dignitas’ Finanzgebaren ist höchst undurchsichtig.
Wir verstecken nichts: Unsere Berichte haben bisher jedes Jahr ausreichende Angaben über die Finanzsituation gegeben.

Ausreichend ist ungenügend. Wie viele Spenden und Legate kassiert Dignitas jedes Jahr?
Ein Verein ist eine private juristische Person; die Öffentlichkeit hat keinen rechtlichen Anspruch auf Information über seine Finanzen. Abgesehen davon hat Dignitas bisher keine namhaften Spenden und keine Legate erhalten, deshalb finden sich darüber in den bisherigen Tätigkeitsberichten auch keine Angaben. Sollten solche Einkünfte erfolgen, wäre es wohl wichtiger, darüber zu informieren, zu welchen Zwecken diese Gelder verwendet werden. Dies würden wir selbstverständlich beachten.

Die meisten unheilbar Kranken sterben eines natürlichen Todes, sobald sie wissen, dass ein schmerzloser Freitod möglich wäre.
Dem ist so. Etwa achtzig Prozent der Menschen, die von uns die Vorbereitung einer Freitodbegleitung wünschen und dafür das «grüne Licht» erhalten, kommen nie zu uns. Einen «Notausgang» zu haben, beruhigt sie und erlaubt es ihnen, ihre Krankheit zu ertragen. Wir erleben häufig, dass sie dank dieser Gewissheit relativ rasch natürlich sterben können. Sie verlieren die Spannung, wegen ihrer Krankheit unerträglich leiden zu müssen oder ihr Dasein durch einen risikoreichen eigenen Suizidversuch zu beenden. Die Gewissheit, ohne Risiko und Schmerzen in Anwesenheit der Angehörigen gehen zu können, ist eine entscheidende Entlastung.

Welche Patienten bevorzugen den Freitod ohne jedes weitere Zuwarten?
In der Regel schwer oder terminal Kranke, denen die palliative Pflege weder schwerste Schmerzen noch die als unwürdig empfundene Situation nehmen kann. Sie verlangen schnelles Handeln, denn jede Verzögerung verlängert nur ihr Leiden. Darauf haben wir Rücksicht zu nehmen. Wenn sie zu uns kommen, sind sie glücklich, ihren sie marternden Körper hinter sich lassen zu dürfen.

Sie scheinen zu verkennen, dass die Palliativmedizin grosse Fortschritte gemacht hat.
Im Gegenteil: Wir sind froh, wenn möglichst viele Menschen sich von der Palliativmedizin helfen lassen. Dies gelingt jedoch nicht immer: Es gibt einerseits Unverträglichkeiten und Schmerztherapie-resistente Patientinnen und Patienten, anderseits wollen viele Menschen ihre Autonomie nicht verlieren. Das ist zu respektieren.

Dennoch: Eine Alternative zum Freitod könnte bei vielen unheilbar Kranken auch die Hilfe zum Leben hin sein.
Das versuchen wir bei jedem Mitglied, welches um eine Freitodbegleitung ersucht. Wir fragen nach den Bedingungen der Schmerz-therapie, nach der sozialen Situation, nach Konflikten. Wo wir helfend eingreifen können, tun wir das.

Wie?
Wir fragen die mit uns zusammenarbeitenden Ärzte nach zusätzlichen therapeutischen Möglichkeiten, oder wir versuchen, wo das möglich ist, das soziale Umfeld positiv zu beeinflussen. Und immer wieder schaffen wir auch durch persönliche Kontakte «Brückenpfeiler», die sich stabilisierend auswirken.

Wie viele Ärzte sind für Dignitas tätig, und aus welchen Fachbereichen stammen sie?
Wir verfügen zurzeit über sieben Ärzte, die mit uns zusammenarbeiten. Vier davon sind in der eigenen Praxis tätig, drei stehen im Pensionsalter. Zu den praktizierenden Ärzten gehören ein Neurologe und drei Allgemeinmediziner; unter den pensionierten ist ein Urologe, ein Lungenfacharzt sowie ein Pädiater. Alle verfügen über eine breite medizinische Bildung sowie, in dieser Funktion ganz besonders wichtig, über ausreichende Lebenserfahrung.

Die ärztlichen Abklärungen beschränken sich auf ein Gespräch. Von einer medizinischen Untersuchung kann doch gar keine Rede sein.
Eine nochmalige Untersuchung ist auch nicht notwendig. Die Ärzte kennen die individuellen Krankengeschichten schon aus den medizinischen Unterlagen. Es ist vielmehr die Aufgabe des Arztes, zu prüfen, ob die Person urteilsfähig ist und den Sterbewunsch seit längerem geäussert hat sowie ob und wie sie das Mittel einnehmen kann. Allenfalls schlägt er noch Therapien vor oder stellt fest, dass eine bessere Schmerztherapie möglich wäre, die er dann empfiehlt.

Handelt ein Arzt ethisch vertretbar, wenn er für einen ihm unbekannten Menschen ein tödliches Rezept ausstellt?
Selbstverständlich! Kürzlich schrieb einer unserer Ärzte: «Dass dieser Patient überhaupt noch am Leben ist, verdankt er unserer modernen Medizin mit den vielen Möglichkeiten einer quantitativen Ausweitung unseres Lebens. Dass der Preis dafür im völligen Verlust jeglicher Lebensqualität ein sehr grosser ist, verlangt von mir als Arzt auch, den Wunsch des Patienten nach einem humanen Sterben zu akzeptieren.»

Sie fordern, dass Freitodhilfe-Organisationen wie Exit und Dignitas freien Zugang zum tödlichen Mittel haben sollten.
Das internationale Übereinkommen über psychotrope Stoffe sieht eine strenge Rezeptpflicht für Pentobarbital vor. Es soll nicht frei erhältlich sein. Diese Bedingung wäre auch erfüllt, wenn die Organisationen selber Rezepte für die von ihnen betreuten Personen ausstellen könnten. Sie würden ein sterbewilliges Mitglied dem Arzt vorstellen, um abklären zu lassen, ob es urteilsfähig ist und ihm medizinisch noch geholfen werden könnte. Die Ärzte blieben so ihrer eigentlichen Rolle treu und wären von der Verantwortung für die Abgabe des Mittels entbunden.

Und Ihnen fiele die Rolle zu, uneingeschränkt Herr über Leben und Tod spielen zu können. Der Generalsekretär als der liebe Gott, sozusagen?
Herr über Leben und Tod ist allein das Mitglied. Es fällt die Entscheidung, und es weiss auch – wir sagen es ihm mehrfach –, dass es jederzeit den Weg Richtung Leben wieder einschlagen kann. Wir haben nur die Aufgabe, ihm zum Freitod zu verhelfen, wenn es wirklich sterben will, und zwar so, dass es keine Risiken eingeht, der Suizid schmerzlos und ohne Schädigung Dritter stattfindet.

Wenn Heiratsinstitute eine staatliche Konzession brauchen und professionelle Freitodhelfer nicht, kann etwas nicht stimmen. Der Ruf nach einer gesetzlichen Kontrolle der professionellen Freitodhilfe ist eine verständliche Forderung.
Diese Kontrolle besteht schon: Nach jedem begleiteten Suizid prüfen die Behörden, ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Vorher kontrolliert ein Arzt den Fall. Die geltend gemachten Begründungen für das geforderte Gesetz sind nicht redlich: Unausgesprochen will man allein die Freitodbegleitung für Personen aus dem Ausland unmöglich machen. Weil das wegen Verstosses gegen die politische Korrektheit und wegen der Schwierigkeiten, die sich einem solchen Vorhaben aus der EMRK entgegenstellen würden, nicht offen gesagt werden kann, werden halt andere Gründe vorgeschoben.

Das ist doch Augenwischerei: Ein Gesetz, das die professionelle Begleitung regelt, ist überfällig.
Liberale bürgerliche Parteien vertreten die Auffassung, es würden zu viele Gesetze gemacht, und beklagen die bei uns vorhandene Regelungsdichte. Neue Gesetze halten sie nur dort für erforderlich, wo deutliche Missstände auftreten, die gesamtgesellschaftlich nach einer Regelung und einer Aufsicht verlangen. Bislang hat man von solchen Missständen im Bereich der Freitodbegleitung nichts gehört.

Immerhin wurden während der vergangenen Jahre zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen organisierte Freitodhelfer eingeleitet...
...und alle mussten eingestellt werden. Dignitas hat in fast sechs Jahren etwa 260 Personen zum Freitod verholfen, und es hat keinen einzigen Fall gegeben, von welchem gesagt werden könnte, es handle sich um einen Missstand.

Ist die Freitodbegleitung von psychisch Kranken, mit der Ihre Organisation wiederholt Schlagzeilen machte, kein Missstand?
Der Zürcher Staatsanwalt Brunner hat in der Juristenzeitschrift Plädoyer erklärt, in rechtlicher Hinsicht stehe einer Freitodbegleitung psychisch Kranker nichts im Wege, sofern garantiert sei, dass die Person in Bezug auf ihren Sterbewunsch urteilsfähig ist. Dignitas verlangt dafür nicht nur Urteilsfähigkeit; Voraussetzung war auch immer, dass die betreffenden Personen seit langem schwer gelitten und zahlreiche erfolglose Therapien durchgemacht hatten.

Wer entscheidet bei Dignitas, ob die Freitodbegleitung eines psychisch kranken Menschen durchgeführt wird?
Es ist eine irrige Vorstellung, Dignitas entscheide über eine Freitodbegleitung. Jeder urteilsfähige Mensch hat ein menschenrechtlich garantiertes Recht darauf, sein eigenes Leben risiko-, schmerzfrei und voraussetzungslos beenden zu dürfen. Deshalb ist einzig und allein die Entscheidung des betreffenden Menschen massgebend. Unsere Aufgabe ist es, einen Arzt zu finden, der diesem Wunsch zustimmt und das Rezept ausstellt. Selbstverständlich muss es sich um zureichende Beweggründe handeln. Sonst würden wir auch niemanden in unserem Team finden, der bereit wäre, ihm beim Suizid zu helfen.


News-Verzeichnis

Startseite VgT