18. Juni
2004 Bundesrat gegen die
STS-Initative - das Importverbot für Schächtfleisch verletze die
Religionsfreiheit
Wie das jüdische Wochenmagazin "tachles" in
der Ausgabe vom 18. Juni 2004 berichtet, empfiehlt der Bundesrat den
eidgenössischen Räten die STS-Volksinitiative «Tierschutz – Ja!» zur
Ablehnung, weil diese ein Einfuhrverbot für Tierquälerprodukte, also auch
für Koscherfleisch fordert und damit die Religionsfreiheit verletze. Von
Olivier R. Lasowsky
Laut Bundesrat verletzt das vom Tierschutz
vorgeschlagene Importverbot – «für Waren, die nicht nach den Grundsätzen des
schweizerischen Tierschutzrechts hergestellt worden sind» – die
Menschenrechte der jüdischen und muslimischen Bevölkerung in der Schweiz.
Denn gemäss Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
besteht «ein Anspruch, sich gemäss den Vorschriften der eigenen Religion
ernähren zu können». Diese Behauptung ist unwahr. Artikel 9 enthält keine
solche Bestimmung und es gibt auch keine entsprechende Praxis des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Mit dem Schächten hat
sich der EGMR nur einmal befasst. Dieser Entscheid wird von den das
Schächten befürwortenden Kreisen - inkl Bundesrat - zielstrebig
falsch ausgelegt, man könne daraus
das Recht auf Schächtfleisch ableiten.
Weiter ist in der Botschaft zu lesen: Sollte
die Schweiz die EMRK in diesem Sinne verletzen, so würde sie ihre
internationale Glaubwürdigkeit als Verteidigerin der Menschenrechte
verlieren. Dennoch kam für den Bundesrat eine Ungültigkeitserklärung der
Initiative nicht in Frage, weil die elementaren Grundsätze des Völkerrechts,
wie zum Beispiel das Verbot der Folter oder der Sklaverei, darin nicht
verletzt werden.
«Die Botschaft des Bundesrates ist klar:
Sollte die Volksinitiative ‹Tierschutz – Ja!› in einer Volksabstimmung
tatsächlich angenommen werden, so ist der Gesetzgeber dazu verpflichtet, das
Einfuhrverbot für Koscherfleisch umzusetzen», erklärt der Mediensprecher des
Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET), Marcel Falk. Um das Einfuhrverbot
danach noch abzuschaffen, müssten die betroffenen Parteien ihr Recht auf
freie Religionsausübung am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
Strassburg einklagen.
Die Vizepräsidentin des STS, Birgitta
Rebsamen, sieht das jedoch ganz anders. Sie könne für den Gesetzgeber keinen
Sachzwang erkennen, der ihn bei der Annahme der Initiative zu einem Verbot
der Koscherfleischeinfuhr verpflichten würde. Bei der Konkretisierung von
Verfassungsnormen auf Gesetzesstufe sei das Parlament nämlich gehalten, die
grundsätzlich gleichwertigen Rechtsgüter der Religionsfreiheit und des
Tierschutzes gegeneinander abzuwägen und eine völkerrechtskonforme Regelung
zu treffen. Diese Rechtsgüterabwägung sei letztlich ein politischer Prozess,
in welchem das allgemeine Rechtsempfinden der Bevölkerung wie auch
naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu berücktsichtigen seien. Der STS
akzeptiere deshalb den Grundsatzentscheid des Bundesrates, Koscher- und
Halalfleisch einzuführen.
Rolf Halonbrenner, Verantwortlicher des
SIG-Ressorts Religiöse Angelegenheiten, erachtet die Ausführungen der
Tierschützerin lediglich als Lippenbekenntnis. Es sei irrelevant, dass der
STS heute die Radikalforderung nach einem Einfuhrverbot für Koscherfleisch
relativiere. Massgebend sei schliesslich der von ihnen schriftlich
eingereichte Initiativtext, der ganz klar, wie der Bundesrat in seiner
Botschaft festhält, ein Einfuhrverbot von Koscherfleisch fordert.
Im Gegensatz zum Bundesrat ist Halonbrenner
aber zuversichtlich, dass die Koscherfleischversorgung auch mittelfristig,
nicht gefährdet ist, selbst wenn die Initiative angenommen würde. Denn
Halonbrenner sieht politische Wege, dem drohenden Einfuhrverbot in jedem
Fall entgegenzuwirken. Marcel Falk vom BVET kann verstehen, dass der SIG in
seiner Betroffenheit die Hoffnung auf eine politische Lösung hegt. Doch
seines Erachtens ist diese Hoffnung nicht realistisch. Halonbrenner sagt:
«Wir bagatellisieren die Gefahr nicht, aber wir schätzen sie auch nicht zu
gross ein. Wichtig ist, dass wir eine klare Strategie haben und stets am
Ball sind.» Mehr will Halonbrenner nicht verraten, «denn auch der STS liest
das tachles»!
Es ist auch gar nicht nötig, dass
Halonbrenner mehr verrät über den Komplott zwischen STS und SIG auf Kosten
der zu Tode gequälten Schächtopfer: Der STS hat schon
versprochen, die Initiative zurückzuziehen,
bevor alle Unterschriften beisammen waren!
Keine Wunder also, liest man in "tachles":
"Der SIG und der STS proklamieren: Egal was mit der Volksinitiative
«Tierschutz – Ja!» geschehen wird, mittelfristig rechnen wir nicht mit einem
Einfuhrverbot für Koscherfleisch."
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