9. September 2004

Pro und Kontra zur Jagdabschaffungs-Initiative

Seit dem 31. August 2004 sammelt das Initiativ-Komitee Anti-Jagd-Forum Schweiz Unterschriften für die sog Jagdabschaffungs-Initiative. Ablauf der Sammelfrist: 01.03.2006

Die Initiative lautet:

Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt geändert:

Art. 79 Fischerei und Jagd

1 Der Bund verbietet unter Strafe die Jagd sowie die Hobby- und Sportfischerei auf dem gesamten Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft.

2 Er regelt die Berufsfischerei und sorgt für die Erhaltung der Artenvielfalt der Fische, der wild lebenden Säugetiere und der Vögel.

3 Der Bund sorgt für einen landesweiten Wildkorridor von Ost nach West. Er regelt den Einsatz der Wildhüter im Krankheits- und Seuchenfall sowie bei Unfällen von und mit Wildtieren. Erst nach Ausschöpfung aller gewaltfreien Alternativen oder im Notfall darf getötet werden.

4 Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält.

Der "Verein gegen Tierfabriken" ist gemäss seinen Statuen auf die kommerzielle Tiernutzung spezialisiert.  Der Bereich Heim- und Hobby-Tiere gehört nicht zum Tätigkeitesgebiet des VgT. Bei der Jagd und Fischerei berühren sich Hobby und Kommerz. Die einheimische Jagd ist für den VgT ein Randthema; sie hat eine gewisse Bedeutung im Zusammenhang mit der vom VgT lancierten Initiative für ein Pelzimportverbot, welche sich gegen die äusserst brutale ausländische Pelzproduktion (Fallenjagd, Zuchten) richtet. Da die einheimische Jagd nicht eigentlich zum Tätigkeitsgebiet des VgT gehört (Randthema), reichte das Sachwissen beim VgT nicht dazu aus, auf Anfragen hin sofort dazu Stellung zu nehmen, als die Initiative in den Medien veröffentlich wurde (der VgT wurde vorher vom Komitee nicht kontaktiert). Wir haben deshalb diesen Weg eines offenen Entscheidungsprozesses gewählt.

Klar ist, dass der VgT ein Verbot der Fischerei sofort unterstützen würde, weil auf diesem Gebiet grausame Praktiken üblich und erlaubt sind, eine diesbezügliche Verbesserung des Tierschutzgesetzes nicht in Sicht ist und bei den Fischereiverbänden keine Bereitschaft besteht, unnötige Tierquälerei wie die Hälterung gefangener Fische, das Catch-and-Release, sowie die Verwendung lebender Köderfische zu ächten. Im Gegensatz dazu herrscht bei den Jagdverbänden eine relativ fortschrittlichere Einstellung und der Wille zu tierschonendem Verhalten und die Ächtung von Fehlverhalten und Fehlschüssen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die einheimische Jagd aus tierschutzethischer Sicht nicht verbesserungsbedürftig sei. Zum Beispiel gehört nach unserer Auffassung die Treibjagd verboten. Gerechterweise muss aber auch gesagt werden, dass in der Schweiz Praktiken verboten sind, die in vielen Ländern, aus denen Wildfleisch und Felle in die Schweiz importiert werden, erlaubt und üblich sind, insbesondere die grausame Fallenjagd mit Fussfallen (Tellereiesen). Das in der Schweiz verbotene Abrichten von Jagdhunden mit lebenden Tieren ist in unseren Nachbarländern erlaubt. Zudem liegt eine Hegejagd auch Im Interesse des Tierschutzes. Ein totales Jagdverbot, wie die Initiatve dies verlangt, liegt deshalb nicht so klar auf der Hand wie ein Verbot der Fischerei (wobei allerdings nach unserer Ansicht die grausame Berufsfischerei mit Nylonnetzen die ihr in der Initiative gewährte Vorzugsbehandlung nicht verdient).

Der folgende Katalog von Pro- und Kontra-Argumenten soll zur Meinungsbildung beitragen.

Erwin Kessler, Präsident VgT, 9. September

*

Der Katalog ist offen für Kritik an einzelnen Argumente und für neue Argumente.

Anmerkung vom 14. September 2004: Wegen starker Arbeitsüberlastung und unsachlicher Anfeindung durch das Initiativkomitee "Anti-Jagd-Forum Schweiz" und weil die einheimische Jagd im Arbeitsgebiet des VgT nur ein Randthema ist, wird dieser offene Meinungsbildungsprozess nicht weitergeführt. Der Argumentekatalog erhebt aus diesem Grund keinen Anspruch auf Vollständigkeit; er ist ein unvollständiges Arbeitspapier geblieben.

Argumente für und gegen die Initiative

Pro

 

Kontra

 

1

Ein Jagdverbot in der Schweiz führt zu vermehrten Importen von Wildfleisch aus Ländern mit grausameren Jagdmethoden.

 

2

Ein Verbot der einheimischen Jagd führt vermehrt zu Damhirschzuchten, was aus tierschützerischen Gründen unerwünscht ist. Die freie Wildbahn ist tiergerechter und geschossen werden die Tiere schlussendlich auch in Zuchten.

Sogenannte Beutegreifer sind nicht für
die Regulation, d.h. die zahlenmässige Kontrolle ihrer Beutetiere verantwortlich.
Beutegreifer erbeuten bevorzugt alte, kranke und schwache Tiere bzw fressen Aas und tragen so zu einem gesunden Wildbestand bei. Ein Jäger, der auf grosse Distanz schiesst, kann nur in den seltensten
Fällen beurteilen, ob ein Tier krank oder alt ist. Nachdem Jäger aber vor allem auf prächtige Tiere, nämlich Trophäenträger aus sind, führt die von Menschen praktizierte Jagd dagegen
in aller Regel zu einer naturwidrigen Fehlauslese.
 

3

Das sehr weitgehende Tötungsverbot auch bei Tierseuchen kann zu grossem Tierleid führen. Es ist humaner und natürlicher, kranke Tiere zu schiessen, als zu versuchen, sie aufzupäppeln. In unberührter Natur werden kranke und schwache Tiere die Beute von Raubtieren. Es ist nicht unnatürlich und tierschutzethisch nicht verwerflich, wenn Jäger an die Stelle der ausgestorbenen Raubtiere treten und kranke und schwache Tiere erlegen oder Überpopulationen (Waldschäden) regulieren. Die Initiative verhindert eine solche Hegejagd, das Wild auch vor wildernden Hunden schützt. Aus tierschützerischen Gründen ist das Verbot einer solchen Hegejagd abzulehnen; die Initiative geht zu weit.

Der Mensch hat kein Recht, Tier zu töten.

4

Das ist eine weltanschauliche These, die in der Tierschutzethik umstritten ist und nicht so offensichtlich und vorbehaltlos einleuchtet,  wie das Verbpt der Tierquälerei. Der Tod gehört unvermeidlich zum Leben. Unsere Wildtiere sind in der Natur Opfertiere; unter völlig natürlichen Bedingungen werden nur wenige alt, die meisten werden vorher Opfer von Raubtieren. Das Naturgesetz der Selektion lässt nur wenige freilebende Wildtiere an Altersschwäche sterben. Wer argumentiert, wenn Löwen Gazellen töten, sei das gut, weil "Natur", wenn aber Jäger Tiere töten, sei das schlecht, der übersieht, dass das für die Gazelle keinen Unterschied macht. Wer deshalb so argumentiert, für den steht nicht Tierschutz im Vordergrund, sondern das Moralisieren und Missionieren für seine Weltanschauung. Das ist zwar durchaus legitim, muss aber klar gesehen werden. Wenn Tierschutz als Schutz vor Schmerzen, Leiden und Angst verstanden wird, hat das Tötungsverbot wenig Gewicht. Daneben gibt es andere Formen des Tierschutzes: Leben erhalten, Artenvielfalt erhalten. Dementsprechend gibt es auch verschieden Motivationen, gegen die Jagd zu sein.

 

5

Wenn der Tierschutz oberstes Ziel des Initiativekomitees wäre, müsst sich die Initiative grundsätzlich gegen den Fleischkonsum richten oder mit einem Teilverbot dort ansetzen, wo das grösste Tierleid herrscht, nicht bei der Nutzung der freilebender Wildtiere, dh der artgerechtesten Nutztier-"Haltung". Zum Beispiel wäre ein Verbot der Schweinezucht und des Schweinefleischkonsums in tierschützerischers Sicht weit dringender als ein Jagdverbot.  Schweinefleischkonsums.

 

6

Der Aspekt unter Nr 5 lässt den Verdacht  aufkommen, dass es dem Initiativekomitee nicht in erster Linie um Tierschutz geht, sondern um einen emotionalen Kampf gegen die Jäger, die als Tiermörder gesehen werden. Seltsamerweise hört man von Jagdgegner kaum, dass Biobauern als Tiermörder betitelt werden.

 

7

Weil der VgT zu diese Initiative nicht sofort blindlings Ja gesagt und in einem offenen Entscheidungsprozess den Vorteilen eines totalen Jagdverbotes auch die tierschützerischen Nachteile gegenüberstellt hat, erhob das Anti-Jagd-Forum den Vorwurf des Verrates. Das verstärkt den Eindruck, dass es hier nicht um ernsthaften, fundierten Tierschutz geht, sondern um einen fanatischen, hasserfüllten Kampf gegen die Jäger, die unterschiedslos alle quasi als Lustmörder wahrgenommen werden.

 

8

Die Jagdabschaffungs-Initiative gefährdet die hängige Pelzimportverbots-Initiative: Ein wichtiges Argument für ein Pelzimportverbot ist die Tatsache, dass die Felle aus der relativ humanen einheimischen Jagd heute zum grössten Teil nicht verwertet werden kann, weil die Pelzindustrie importierte Felle vorzieht; diese werden aber auf sehr viel grausamere Art und Weise gewonnen (grausame Fallenjagd, grausame Zuchten).

Ein Problem der Jagd ist, dass es auch Leute gibt die jagen dürfen, denen man kein Gewehr in die Hände geben dürfte. Bei Einladungen zur Jagd aus Gefälligkeit, zu Saufgelagen, bei Spass-Ballerei von reichen und degenerierten Gelegenheitsjägern ohne weidmännische Interessen sowie bei Treibjagden ist Tierqälerei möglich und wahrscheinlich.

9

Dass es Jagdpraktiken gibt, die aus tierschützerischer Sicht abzulehnen sind, rechtfertigt nicht automatisch ein Totalverbot der Jagd.

Eine Annahme der Inititiative würde nicht ein Jagdverbot für immer bedeuten. Durch eine neue Initiative aus Jagdkreisen oder mit einer Gesetzesvorlage des Parlamentes könnte die Jagd  später wieder erlaubt werden, aber - damit die Vorlage in der Volksabstimmung eine Chance hat - nur mit strengen Auflagen.

10

 

Im September 2004 hat wiedereinmal ein Schweizer Jäger einen Jagdkollegen erschossen, den er offenbar für ein Reh oder eine Gemse hielt. Dieser Jäger hat eindeutig abgedrückt, ohne sein Ziel klar erkannt zu haben. Wieviele solcher Schüsse aufs Geratewohl, bei denen Tiere nur verletzt werden, müssen abgegeben werden, bis es zu einem tödlichen Unfall kommt? Die Öffentlichkeit erfährt nur ausnahmsweise von solchen ungezielten Schüssen, nämlich dann, wenn es einen Jäger tödlich trifft. Die Jäger sind offensichtlich nicht fähig oder willens, solche Kollegen rechtzeitg von der Jagd auszuschliessen.
Dieser Vorfall wurde von einem Sprecher des Jagdverbandes so kommentiert, der fehlbare Jäger sei zur Jagd eingeladen worden und habe das Gelände nicht gekannt. Das deckt eine unakzeptable Jagd-Praktik auf: das Einladen von Gästen zur Jagd, welche das Gebiet und das Wild in diesem Gebiet nicht kennen und bei denen es sich vermutlich oft um Gelegenheitsjäger handelt, die hin und wieder Lust haben, ein paar Tiere abzuknallen, die ihnen in einer Treibjagd vor die Flinte bzw vor ihren fetten Ranzen gejagt werden.

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