4. Juli 2006

Landwirtschaftsdepartement Appenzell Innerrhoden deckt Amtspflichtverletzung
des Kantonstierarztes

Am 24. April 2006 erhob der VgT gegen den Appenzeller Kantonstierarzt sowie Verantwortliche des Meliorationsamtes eine Disziplinarbeschwerde (www.vgt.ch/news2006/060424-beschw-AI.pdf), weil diese eine berechtigte Strafanzeige gegen das Restaurant Warth in Weissbad amtspflichtwidrig nicht an die zuständige Strafbehörde weitergeleitet hatten. Alle Amststellen sind grundsätzlich verpflichtet, Eingaben an die zuständige Amststelle weiterzuleiten.

Gegenstand der Anzeige war der Pferdestall des Restaurants Warth. Insbesondere war die Deckenhöhe so niedrig, dass das Pferd den Kopf nicht ganz aufrichten konnte.

Am 7. Oktober 2006 teilte Dr Fritsche dem VgT mit, die Deckenhöhe entspreche tatsächlich nicht den Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesens, diese Richtlinien seien jedoch "behörden- jedoch nicht bürgerverbindlich, so dass wir keine Veranlassung für eine Strafanzeige sehen".

Diese unfassbar dämliche Behauptung war Kernpunkt der hierauf erhobenen Disziplinarbeschwerde, in welcher dazu folgendes vorgebracht wurde:

Die Behauptung Dr Fritsches, die Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen seien "behörden-, jedoch nicht bürgerverbindlich", ist eine unsinnige Schutzbehauptung. Wie mir das Bundesamt für Veterinärwesen auf Rückfrage hin bestätigt hat, teilt es die übliche und einzig korrekte Rechtsauffassung, dass die Richtlinien den Stellenwert einer Expertenmeinung, wie Tierschutzgesetz und Tierschutzverordnung auszulegen sind, haben. Das heisst, die Richtlinien sind solange als verbindlich anzusehen, als sie nicht konkret widerlegt werden können.

Pferde sind bekanntlich schreckhafte Tiere. Pferdeställe müssen deshalb eine gewisse Mindestraumhöhe aufweisen, damit Pferde, wenn sie erschrecken und sich dabei aufrichten oder aufspringen, nicht den Kopf anschlagen. Zudem ist eine Mindestraumhöhe auch für ein einwandfreies Stallklima notwendig.

Tierschutzgesetz und Tierschutzverordnung enthalten keine speziellen Vorschriften für die Pferdehaltung. Es sind deshalb die allgemeinen Vorschriften und Grundsätze dieser Erlasse auslegend anzuwenden. Darauf gestützt legt die Richtlinie des Bundesamtes für Veterinärwesen zur Haltung von Pferden die Mindestraumhöhe fest. Diese war im vorliegenden Fall unbestritten missachtet worden. Es liegt somit eine klare Verletzung von Tierschutzvorschriften vor und es kommen somit die Strafbestimmungen des Tierschutzgesetzes zur Anwendung.

Indem der Kantonstierarzt die Strafanzeige nicht an die zuständige Strafbehörde weiterleitete, missbrauchte er sein Amt dazu, den fehlbaren Pferdehalter vor strafrechtlichen Konsequenzen zu schützen. Seine insgesamt beschönigende Darstellung dieser zumindest im Zeitpunkt der Anzeige gar nicht schönen und wenig tierfreundlichen Pferdehaltung, welche ich mit eigenen Augen gesehen habe, zeigt sein Bestreben, den Tierschutzvollzug zugunsten des Fehlbaren zu verwässern.

Die Schutzbehauptung, die Richtlinie des Bundesamtes für Veterinärwesen sei nur für die Behörden, nicht aber für Tierhalter verbindlich, könnte fadenscheiniger nicht sein. Was soll das heissen? Wie sollen Behörden Vorschriften, an die sie sich zu halten haben, gegenüber einem Tierhalter durchsetzen, wenn sie für diesen nicht verbindlich sind? Tierschutzvollzugsbeamte mit einer derart absurden Rechtsauffassung müssen entweder korrupt sein oder an einem schwerwiegenden Kompetenzdefizit leiden. Es ist unter solchen Umständen nicht verwunderlich, dass in diesem Kanton katastrophale Zustände in der Tierhaltung bestehen, wie der VgT schon wiederholte aufdeckte (siehe www.vgt.ch/vn/0001/VN001.pdf und www.vgt.ch/vn/9802/ai.htm).

Im soeben eingegangenen Entscheid des Landwirtschaftsdepartementes des Kantons Appenzell Innerrhoden steht viel Blabla. Auf die obigen Darlegungen geht der Beschwerdeentscheid nicht ein. Statt dessen wird einfach behauptet, die zu niedrige Deckenhöhe stelle eine Tierschutzverletzung von "untergeordneter Natur" könne "in diesem Umstand kein Straftatbestand erblickt werden". Damit Missachtet das Appenzeller Landwirtschaftsamt klar die Strafbestimmungen gemäss Artikel 29 des Tierschutzgesetzes. Und egal, wie schwerwiegend die vorliegende Verletzung einer Tierschutzvorschrift ist: Die rechtliche Auffassung des Kantonstierarztes, die Vorschriften über die Pferdehaltung seien unverbindlich, zeugt von einer Inkompetenz, welche auf jeden Fall organisatorisch-disziplinarische Massnahmen erfordern würde.

Laut Beschwerdeentscheid ist die Anpassung der Deckenhöhe im Pferdestall des Restaurants Warth verfügt worden. Es ist nicht bekannt, ob der Stallbesitzer dagegen rekurriert hat. In einem Kanton wo diese Tierschutzvorschriften als nicht "bürgerverbindlich" gelten, hätter er allergrösste Erfolgs-Chancen.


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