30. August 2008, aktualisiert am 28. November 2009

Tierquälerei in der Sendung "Heimspiel"
vom 29.8.08 im Schweizer Fernsehen

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat eine Beschwerde des VgT gutgeheissen. Ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen wurde von einem Luzerner Statthalteramt in tierverachtender Weise eingestellt.

UBI-Beschwerde

Am 20. Februar 2009 hat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) die VgT-Beschwerde gegen diese Tierquälerei gutgeheissen. Lebende Tiere zur blossen Belustigung und Unterhaltung in Angst zu versetzen, verletzt die in der Verfassung geschützte Würde der Kreatur, stellte die UBI fest. Gegen die Gutheissung der Beschwerde stimmten Alice Reichmuth-Pfamatter und Mariangela Wallimann-Bornatico, unterlagen aber deutlich.

Die UBI brauchte sage und schreibe ein halbes Jahr für die Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung (am 7. September 2009 eingegangen): schriftliches Urteil der UBI

Strafverfahren

Am 30. August 2008  reichte der VgT gegen die Verantwortlichen des Schweizer Fernsehens eine Strafanzeige ein. Staatsanwalt Daniel Kloiber lehnte die Einleitung einer Strafuntersuchung ab mit der Begründung, es seien ja nur Fische.... ähh ... pardon: nein, so hat es dieser Staatsanwalt nicht direkt formuliert, sondern in Juristendeutsch verpackt: "Als Misshandlulng hat sowohl eine Beeinträchtigung der körperlichen als auch eine solche der psychischen Integrität des Tieres zu gelten, worunter namentlich auch das Versetzen des Tieres in einen Angstzustand zu subsumieren ist. Letzteres kann deoch freilich nur dann als objektive tatbestandsmässige Handlung betrachtet werden, wenn der Angstzustand, welcher beim Tier hervorgerufen wird, als von einiger Intensität qualifziert werden muss. Davon kann in casu bereits wegen der kurzen Dauer des gegenständlichen Fangen-Spiels nicht ausgegangen werden."

Staatsanwalt Kloiber stützte seine Nichtanhandnahmeverfügung ausschliesslich auf einen kurzen Ausschnitt (!) der Sendung auf der Website des Tages-Anzeigers:
www.tagesanzeiger.ch/kultur/fernsehen/Tierquaelerei-Strafanzeige-gegen-SF-wegen-ForellenFangSpiel/story/22540133

Der VgT beantragte hierauf - da Tierschutzorganisationen kein Klage- und Beschwerderecht haben - dem kantonalen Tierschutz-Anwalt, gegen die Nichteintretensverfügung Rekurs einzulegen. Tieranwalt Goetschel hat sich daraufhin bei der Staatsanwaltschaft beschwert, dass er über das Verfahren nicht - wie gesetzlich vorgeschrieben - informiert wurde (das passt zu dieser liederlichen Nichtanhandnahmeverfügung von Staatsanwalt Kloiber). Er verlangte zudem, dass ihm die Akten zugestellt werden unter Gewährung der gesetzlichen Rechtsmittelfrist. Nach Durchsicht der Akten hat Tieranwalt Goetschel gegen die Nichtanhandnahmeverfügung beim Obergericht  Rekurs erhoben.

Mit Beschluss der III. Strafkammer des Obergerichts vom 12. Januar 2009 (Geschäfts-Nr. UK080346) wurde die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft aufgehoben und die Staatanwaltschaft angewiesen, das Verfahren an die örtlich zuständige Strafbehörde im Kanton Luzern abzutreten, da das Forellenfangen vom Schweizer Fernsehen im Kanton Luzern gefilmt wurde. In der Sache selber hat das Obergericht nicht entschieden. Damit geht das Verfahren nun ausserhalb des Einflussbereiches des Zürcher Tierschutzanwaltes weiter.

Pressespiegel:
 20minuten 28.10.08
 Landbote 28.10.8
 Tages-Anzeiger 28.10.08

Für die Abtretung an den Kanton Luzern brauchte Staatsanwalt Daniel Kloiber sage und schreibe mehr als halbes Jahr. Verschleppen ist das beliebte Mittel querulierender Beamten.

Das Luzerner Amststatthalteramt Sursee, an welches das Verfahren abgetreten werden musste, stellte das Verfahren sofort ein (Entscheid vom 1. September 2009, zugestellt am 9. Oktober 2009). Die Begründung ist skandalös und tierverachtend. Im Kanton Luzern kann ein tierschutzfeindlicher, kleinkarierter Bürokrat ein solches Verfahren nach Belieben willkürlich abwürgen.

Vor Jahren erledigte der gleiche Amtsstatthalter, Othmar Kost, einen Fall von unglaublicher Tierquälerei auf ähnlich tierverachtend-skandalöse Art: Ein Bauer, der auf seinem Acker Krähen lebendig an einen Pfahl genagelt hatte, büsste Kost mit einem Trinkgeld von 400 Franken! Siehe den ausführlichen Bericht: www.vgt.ch/news2002/020802A.htm

Die Einstellung des Verfahrens gegen die für die Fernsehunterhaltung mit lustiger Tierquälerei Verantwortlichen des Schweizer Fernsehens, namentlich Moderator Nick Hartmann, begründete Kost damit, dieses Fangspiel sei keine Tierquälerei gewesen, es liege "in der Natur der Fische, dass sie sich jeglichem Zugriff irgendwelcher Art durch Flucht zu entziehen versuchen." "Die geltend gemachte Panik" sei "weder dargetan noch bewiesen."

Weder dargetan noch bewiesen? Der VgT wie auch der kantonale Zürcher Tieranwalt haben dies sehr wohl dargetan. Darüber kann sich dieser windige Surseer Justiz-Bürokrat, dem jegliche Sachkenntnisse über Tiere und Tierschutz abgehen und der seelisch so krank ist, dass er auch für jeden gesunden Menschen offensichtliches Leiden von Wirbeltieren nicht zu erkennen vermag, nach belieben willkürlich hinwegsetzen.

Solch willkürlicher Torpedierung des Tierschutzgesetzes müsssen Tierschutzorganisationen mangels Klage- und Beschwerderecht ohnmächtig passiv zusehen. Das in der Schweiz herrschende tierschutzfeindliche Regime in Form einer Mehrheit der tierschutzfeindlichen Parteien SVP, FDP und CVP hat zwar zur Beruhigung des Bevölkerung ein Tierschutzgesetz erlassen, aber raffiniert so organisiert, dass es keine Wirkung entfalten kann: Mit der Tierschutzverordnung des Bundesrates (unter Federführung der für Tierschutz zuständigen, tierverachtenden CVP-Bundesrätin Doris Leuthart) wird das vom Volk mit grosser Mehrheit gutgeheissene Tierschutzgesetz praktisch aufgehoben und beim Nichtvollzug durch Veterinärämter und die Justizverwaltung haben Tierschutzorganisationen mangels Klage- und Beschwerderecht nichts zu sagen. Skandalös-willkürliche Entscheide wie die des Luzerner Amtsstatthalters Othmar Kost können nicht angefochten werden. Die Interessen der Tiere und des Tierschutzes werden von niemandem vertreten.

 

TIR ersucht die Luzerner Behörden um Wiedererwägung

25.11.2009
 
Im Sommer 2008 wurde im Rahmen der Sendung "SF bi de Lüt – Heimspiel" des Schweizer Fernsehens auf SF 1 ein Forellen-Fang-Spiel mit lebenden Tieren veranstaltet. Ein Berufsfischer und ein Mitspieler ohne Fischereikenntnisse traten gegeneinander an und bemühten sich, je drei in einem Becken gehaltene Forellen von Hand zu fangen und in einen Kescher zu setzen. Die gejagten Fische versuchten, mittels hektischer Bewegungen den zupackenden Händen zu entfliehen. Offensichtlich wurden sie dabei in Panik versetzt.

Auf eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen wegen Tierquälerei wurde von der Zürcher Staatsanwaltschaft nicht eingetreten, mit der Begründung, die kurze Dauer des Fischfang-Spiels (jeweils 1-2 Minuten) reiche für den Tatbestand der Misshandlung durch In-Angst-Versetzen nicht aus. Gegen diesen Entscheid legte der Zürcher Tieranwalt nach Kenntnisnahme Rekurs ein, woraufhin das Obergericht die Staatsanwaltschaft anwies, das Verfahren an die zuständige Strafbehörde im Kanton Luzern zu überweisen. Das Fischfang-Spiel wurde in der Gemeinde Sempach (LU) durchgeführt.
 
Das Luzerner Amtsstatthalteramt Sursee leitete wie schon zuvor die Zürcher Behörde, keine Untersuchung ein und wies die Anzeige ab. Es stellte fest, es liege in der Natur der Fische, sich jeglichem Zugriff durch Flucht zu entziehen. Ein rechtswidriges In-Angst-Versetzen sei weder dargetan noch bewiesen. Die Begründung des Amtsstatthalteramtes Sursee ist für die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) nicht stichhaltig. Jedes in Angst versetzte Tier flieht naturgemäss vor seinem Peiniger. Dieses Verhalten liegt auch in der Natur des Menschen. Allein diese Tatsache vermag nicht darüber zu entscheiden, ob die in Frage gestellte Handlung einer Tierquälerei entspricht.
 
Obschon Fische aufgrund ihres starren Äusseren keine Emotionen erkennen lassen, gelten Schmerzempfinden, Leidensfähigkeit und Stressreaktionen bei ihnen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen als erwiesen. Das ungerechtfertigte Zufügen von Leiden, das Misshandeln, das unnötige Überanstrengen und das In-Angst-Versetzen von Wirbeltieren sind tierschutzrechtlich verboten, wobei die Gesetzgebung keine Zeitvorgabe bezüglich der Länge des Angstzustandes kennt. 1-2 Minuten können subjektiv als sehr lang empfunden werden und gelten etwa im Rahmen der Schlachtung bei unkorrekter Betäubung als intolerabel.
 
Gemäss Auffassung der TIR wurden die Fische im vorliegenden Fall mindestens während der Zeit der Fangversuche in schwere Angst versetzt. Die Unmöglichkeit, sich den Händen der Verfolger durch tatsächliche Flucht oder Verstecken zu entziehen, hat zu einer unnötigen und daher ungerechtfertigten Misshandlung geführt.

Dies machen auch die Regelungen der aktuellen Tierschutzverordnung deutlich, nach welcher das blosse Fangen von Fischen in der Absicht, sie wieder frei zu lassen, unabhängig von der angewendeten Methode verboten ist, und in dem auch verlangt wird, den Umgang mit Fischen auf ein unerlässliches Mass zu beschränken und die Tiere nicht unnötig zu belasten. Das Fangen von Fischen mit blosser Hand entspricht im Übrigen auch nicht den von der Luzerner Fischereiverordnung erlaubten Fangemethoden.

Interessant: Parallel zur Strafanzeige wurde eine Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) gerichtet. Die UBI erklärte sich für zuständig, die Frage der Würdeverletzung der betroffenen Fische zu beurteilen und bejahte eine solche aufgrund der Tatsache, dass die Fische unnötigerweise in Angst versetzt wurden und der Moderator dieses Vorgehen durch seine Bemerkungen verharmloste. Das Spiel habe weder den Gepflogenheiten eines Berufsfischers noch den Traditionen der Gemeinde Sempach entsprochen. Die Tiere hätten als blosse Objekte ohne Eigenwert im Rahmen einer Unterhaltungssendung gedient, womit die öffentliche Sittlichkeit verletzt sei.
 
Die TIR begrüsst den Entscheid der UBI, die die Tierwürde rechtlich korrekt anzuwenden wusste. Die unzulängliche Abweisung hinsichtlich Tierquälerei des Amtsstatthalteramts Sursee hingegen bestätigt die Vermutung der TIR, dass viele Untersuchungsbehörden die Anliegen des Tierschutzes noch nicht ernst genug zu nehmen wissen. Diese Ansicht wird durch den auswertenden Bericht zur Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2008 erhärtet.

Im Sinne der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtssicherheit ersuchte die TIR die Luzerner Untersuchungsbehörde in einem Brief um Wiedererwägung des Entscheids.
 

 


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