15. August 2009
Tierversuche: von Erwin Kessler, Präsident Verein gegen Tierfabriken Schweiz VgT.ch Nachtrag vom 3.
September 2009:
Vorbemerkung: Die meisten Tierversuche stellen eine nutzlose Massentierquälerei dar Prof Winfried Ahne, Autor des Buches "Tierversuche: Im Spannungsfeld von Praxis und Bioehtik", schreibt folgendes über den zweifelhaften Nutzen von Tierversuchen (Weltwoche 33/2009): Toni Lindl vom Institut für angewandte Zellkultur in München hat kürzlich klinisch orientierte Publikationen evaluiert, die genehmigte Tierversuche zum Gegenstand hatten. Dabei wurden die Ergebnisse von Versuchen an rund 5000 Mäusen, Ratten und Kaninchen, die an drei bayerischen Universitäten durchgeführt wurden, analysiert. Auch nach zehn Jahren konnte lediglich bei 0,3 Prozent der Veröffentlichungen ein direkter Zusammenhang zwischen tierexperimentellen Befunden und den Befunden beim Menschen festgestellt werden. Das heisst, in so gut wie keinem Fall mündeten die Tierversuche in einem Medikament oder einer verbesserten Therapie. Die Tiere litten umsonst. Dies ist plausibel. Wenn die Milliarden schon durchgeführter Tierversuche wirklich nützlich wären, müssten schon lange alle medizinischen Fragen gelöst sein. Mit anderen Worten: die überwältigende Mehrheit der Tierversuche sind nutzlos. Sie sind aber nicht nur einfach nutzlos, sondern stellen angesichts des schweren Leidens der Versuchstiere - nicht nur in den Versuchen selbst, sondern auch unter den qualvollen Haltungsbedingungen - ein Massenverbrechen dar. Hat wirklich niemand das (moralische) Recht auf gewalttätigen Widerstand? Professor Ahne verurteilt dennoch die Anschläge militanter Tierschützer gegen Novartis-Chef Daniel Vasella und die Tierversuchsindustrie - weil niemand das Recht habe, "gegen Gesetze zu verstossen, um seine Ideologien zu verwirklichen." Tatsächlich? Ist sich dieser Professor aus Deutschland bewusst, was er da sagt? Beleidigt er damit nicht zutiefst die Hitler-Attentäter, welche versuchten, Massenverbrechen gewaltsam ein Ende zu setzen? Diese Helden verletzten geltendes Recht und wurden dafür hingerichtet, weil "niemand das Recht hat, gegen Gesetze zu verstossen, um seine Ideologien zu verwirklichen". Etwas gar engstirnige politische Korrektheit. Es war auch in Nazi-Deutschland möglich, gewaltfrei Opposition zu betreiben, im Rahmen des Erlaubten allerdings völlig unwirksam - genau wie heute die gewaltfreie Opposition gegen das Massenverbrechen an den Versuchstieren völlig wirkungslos ist und gegen den Einfluss der Tierversuchsindustrie keine Chance hat. Alle "seriösen" Tierschutzorganisationen machen zwar keinen gewalttätigen Widerstand, haben aber andererseits längst resigniert; die Tierversuche sind schon lange kein politisches Thema mehr, das heisst: waren keines, bis nun radikale Tierschützer mit Anschlägen diese Massenverbrechen wieder ins öffentliche Bewusstsein brachten. Laut Professor Ahne haben "alle seriösen Tierschutzverbände" die Anschläge "einhellig" verurteilt. Stimmt nicht. Aber er definiert kurzerhand alle, die nicht eiligst politisch korrekt eine solche Verurteilung anderer Tierschützer von sich gegeben haben, als unseriös - unseriös wie die Hitlerattentäter, die gegen das Gesetz verstossen haben, ohne dass sie dazu das Recht hatten. Tja, Herr Professor, etwas mehr denken würde nicht schaden. Vergleich mit Nazideutschland unzulässig? Ist die Schweiz ein demokratischer Rechtsstaat? Wer nun denkt, der Vergleich mit Hitlerdeutschland sei unzulässig, den frage ich warum? Weil die Schweiz im Gegensatz zu Hitlerdeutschland ein demokratischer Rechtsstaat ist? Ist sie das? Formell ja. Aber ist die Schweiz ein funktionierender demokratischer Rechtsstaat, in dem Widerstand gegen Massenverbrechen effizient mit demokratischen und rechtlichen Mitteln möglich ist? Nach meiner Erfahrung muss diese Frage mit Nein beantwortet werden. Rechtliche Mittel gegen die Missachtung des Tierschutzgesetzes, so auch gegen unnötige oder besonders grausame Tierversuche, hat kein Schweizer Bürger und auch keine Tierschutzorganisation. Letztere haben in diesem "Rechtsstaat" kein Klage- und Beschwerderecht gegen Verletzungen des Tierschutzgesetzes. Die Tierexperimentatoren machen unter sich ab, welche Tierversuche "nötig" sind und deshalb bewilligt werden müssen (siehe "Mehr Licht in die Dunkelkammern der Tierlabors"). Im übrigen würde auch das nicht viel helfen, weil das höchste Gericht der Schweiz, das Bundesgericht, nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach Belieben nach politischen Motiven urteilt und seine Macht regelmässig dazu missbraucht, politisch in Ungnade gefallene Personen fertig zu machen. Siehe die lange Liste der politischen Willkürurteile des Bundesgerichts gegen den VgT: www.vgt.ch/justizwillkuer . Ein Rechtsstaat ist aber dadurch definiert, dass die Justiz unabhängig und dem Gesetz verpflichtet ist. Demokratische Mittel: Der Bundesrat setzt mit seiner Tierschutzverordnung und mit der Vollzugspraxis seines Bundesamtes für Veterinärwesen das Tierschutzgesetz faktisch ausser Kraft. Das ist illegal, doch niemand darf dagegen Klage führen. Das ist im "Rechtsstaat" Schweiz raffiniert nicht vorgesehen. Und das Volk darf den Bundesrat, die Landesregierung, auch nicht wählen oder abwählen. Eine Demokratie ist aber dadurch definiert, dass das Volk Parlament und Regierung wählen kann. Der Widerstand gegen die Massenverbrechen in Nazideutschland kann nicht direkt mit dem Widerstand gegen die heutigen Massenverbrechen an den Tieren in der Schweiz verglichen werden. Vergleiche hinken sowieso meistens. Das Motiv war ein anderes in Nazideutschland, die Methoden des Widerstandes in Deutschland waren auch anders. Bei den gegenwärtigen Anschlägen gegen die Tierversuchsindustrie wurden zum Beispiel keine Menschenleben gefährdet. Aber der entscheidende Unterschied, auf den sich diejenigen berufen, welche gewalttätigen Widerstand heute grundsätzlich ablehnen, ist vermutlich der Glaube, die Schweiz sei - im Gegensatz zu Nazideutschland - ein demokratischer Rechtsstaat. Aus den oben dargelegten Gründen besteht dieser entscheidende Unterschied nach meiner Erfahrung eben gerade nicht. Anmerkung: |