B�rger
schikanieren, Beh�rden schonen
Wer einen Hinweis
liefert, begibt sich in Gefahr:
Eine vertrauliche Eingabe an die Gesch�ftspr�fungsdelegation wurde umgehend der
Bundespolizei und von dieser dem Arbeitgeber weitergereich
Von Urs Paul Engeler
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Ausser Kontrolle der
Gesch�ftspr�fer (o.):
Bupo-Chef Urs von Daeniken (l.u.) |
Die
parlamentarische Gesch�ftspr�fungsdelegation (GPDel), jenes obskure, verschwiegene
Sextett, das die Geheimbereiche des Bundes zu kontrollieren und die Rechte der B�rger zu
sch�tzen h�tte, hat sich in den ersten acht Jahren des Bestehens den Ruf erworben,
nichts zu sehen, nichts zu h�ren und bei Bedarf gar nichts zu tun. Alles falsch! Die
GPDel unternimmt bei Verdacht auf Missst�nde im Staate durchaus und zielgerichtet etwas
allerdings nicht gegen die beschuldigte Beh�rde, sondern gegen B�rger, die sich
vertrauensvoll an sie wenden.
Die Vorgeschichte beginnt 1991. Damals wurde, zur billigen Beruhigung des
fichengesch�digten Publikums, die GPDel geschaffen. Und exakt zu dieser Zeit begannen die
Bundespolizisten im Auftrage von Justiz- und Polizeiminister Arnold Koller auch bereits
wieder in alter Manier zu schn�ffeln. Koller hatte im Januar 1991 aus Anlass des
Golfkriegs die umfassende Weisung erlassen, �alle Informationen �ber in- und
ausl�ndische Organisationen, Gruppierungen und Personen zu sammeln und auszuwerten,
welche die kriegerische Politik von Saddam Hussein unterst�tzen, verherrlichen oder sie
in anderer Art personell, finanziell oder ideologisch f�rdern oder propagieren�.
W�hrend etwa die Kantonalberner Beh�rden dem eifrigen Bundesrat �ffentlich vorwarfen,
damit gegen seine eigenen Staatsschutzweisungen zu verstossen, und dem Bund daher nur
minimalste Ausk�nfte erteilten, rafften andere alle erh�ltlichen Daten. So auch die
Verwaltungsrechenzentrum St. Gallen AG (VRSG), eine gemeinsame EDV-Firma von mittlerweile
�ber 170 Ostschweizer Kommunen.
Zwischen dem 31. Januar und 7. Februar 1991 erstellte die VRSG aus den Einwohnerlisten
aller ihr (damals) angeschlossenen 44 Gemeinden aus den Kantonen St. Gallen, Graub�nden
und Z�rich Verzeichnisse s�mtlicher Personen, die als ihr Heimatland Irak angaben (Code
512). Solche Order h�tten allein die Kommunen erteilen d�rfen, was unwahrscheinlich ist
und dementiert wurde: So schloss etwa der Gemeinderatsschreiber von Berg (SG) auf Anfrage
hin aus, �je einen solchen Auftrag erteilt zu haben�.
Das Dementi des
Bupo-Chefs
Im Vorfeld der
Abstimmung �ber die Volksinitiative �S.o.S. f�r eine Schweiz ohne
Schn�ffelpolizei� von 1998 wird die peinliche Sache publik. Hinter dem politisch und
datensch�tzerisch �usserst fragw�rdigen Bl�ttern in den Registern der Gemeinden wird
die Bundespolizei vermutet, was deren nerv�s gewordener Chef, Urs von Daeniken, im
Schweizer Fernsehen jedoch entr�stet als reine �Erfindung� zur�ckweist. 1991 hatte er
in einem internen Rapport zwar noch stolz vermeldet, dass sein �B�ro Golf� 831
Meldungen aus kantonalen, Bundes- und privaten Quellen verarbeitet habe. Nun streitet er
ab, in den �Golf�-Akten diese Irakerlisten zu haben.
Mit diesem Dementi beginnt der unappetitliche Folgeskandal. Entr�stet wendet sich ein
Informatiker des Rechenzentrums, er sei hier N. genannt, im Juni 1998 an Alexander
Tsch�pp�t (SP, BE), den Pr�sidenten der Gesch�ftspr�fungskommission (GPK) des
Nationalrats, mit der Bitte, seinem Verdacht nachzugehen, Bupo-Chef von Daeniken habe das
Stimmvolk angelogen, und auch andere Datenraffereien der Bundespolizei zu �berpr�fen. Da
f�r derart delikate Abkl�rungen im Innern der Berner Geheimbereiche allein die
Delegation zust�ndig ist, �bergibt Tsch�pp�t so weit, so �blich den
Brief dem GPDel-Pr�sidenten, dem Schaffhauser SVP-St�nderat Bernhard Seiler.
Einen Monat sp�ter h�lt der Bupo-Chef den Brief des B�rgers N. samt Namen und Adresse,
samt Anschuldigungen und Begr�ndungen in den H�nden. Am 13. August informiert von
Daeniken �im Interesse einer fundierten Stellungnahme� die VRSG-Gesch�ftsleitung (und
die Polizeikommandos St. Gallen und Z�rich) ebenso direkt und unverschl�sselt. Am 1.
September melden die St. Galler Datenverwalter, keinen Auftrag �direkt von irgendeiner
Stelle ausserhalb ihres Kundenkreises� entgegengenommen und keine Listen �direkt an
Dritte� ausgeliefert zu haben. Was die Bundespolizei umgehend den Kontrolleuren mitteilt,
so dass Seiler im Dezember 1998 N. mit drohendem Unterton zur�ckschreibt:
�Herr von Daeniken kommt zum Schluss, dass sich Ihre Behauptungen als haltlos und nicht
fundiert erweisen. Er weist deshalb den Vorwurf der L�ge zur�ck und pr�ft m�gliche
Schritte.�
Die GPDel hatte nicht nur keine einzige selbst�ndige Abkl�rung getroffen, hatte nicht
nur weder VRSG oder eine der Gemeinden selbst befragt, hatte nicht nur keine Akten des
�B�ros Golf� eingesehen, hatte nicht nur den Bupo-Chef die Vorw�rfe gegen ihn gleich
selbst erledigen lassen sie hatte die Anfrage �berdies ungefiltert ausser Haus
gegeben und den Schreiber bewusst oder verantwortungslos gef�hrdet. Weil
�mit diesem Brief schwerwiegende Vorw�rfe an die Adresse der Bundespolizei� gerichtet
worden seien, rechtfertigen die Aufseher ihren sorglosen Umgang mit der Eingabe. Und sie
schaffen so zum politischen Skandal der Vernachl�ssigung ihrer Amtspflichten einen
rechtlich heiklen Fall: �Eine gravierende Verletzung des Datenschutzes�, kommentiert ein
Jurist und Nationalrat den Transfer. Bei exakter Auslegung der Datenschutzbestimmungen
h�tte die Delegation wohl pr�fen m�ssen, den Brief entweder zu anonymisieren oder
wenigstens N. vorg�ngig �ber diesen Schritt zu informieren, meint vorsichtig Carmen
Grand, Stellvertreterin des Sekret�rs des Eidgen�ssischen Datenschutzbeauftragten.
Zum Befund, dass
Bupo-Chef von Daeniken Arbeitgeber und Polizeistellen kontaktiert und damit wohl
Amtsgeheimnisse verletzt hat, f�llt der Delegation in einem Brief an den Betroffenen nur
ein, es sei �ihr nicht bekannt, inwieweit Ihr Name dabei erw�hnt wurde�. Und als
Pauschalentschuldigung formulierte der famose GPDel-Pr�sident zum Abschluss der
eineinhalbj�hrigen Korrespondenz am 30. November 1999 lapidar: �Die Delegation w�rde es
sehr bedauern, wenn Sie durch die Bekanntgabe dieses Briefes Nachteile erlitten h�tten.
Sie stellt jedoch fest, das(s) Ihr Arbeitsverh�ltnis bereits vor dem 8. Juni 1999
aufgel�st worden ist.�
Tats�chlich hatte die VRSG dem kritischen B�rger N., weil es ihn hinter der
Iraker-Indiskretion vermutete, die Stelle aufgek�ndigt zu Unrecht �brigens, wie
das Arbeitsgericht sp�ter befand: Die Firma musste ihrem ehemaligen Mitarbeiter eine
Entsch�digung von 20000 Franken zahlen.
Das ist die real existierende Staatsschutz-Kontrolle in der Eidgenossenschaft: Die Sache
selbst bleibt v�llig ungekl�rt; der mitdenkende B�rger aber, der die Aufpasser mit
Tipps und Beobachtungen versorgt, wird ans Messer geliefert. Von Kontakten mit dieser
speziellen Parlamentariergruppe ist somit dringlichst abzuraten.
Will die neue GPDel, die dieser Tage startet, einen Rest von Glaubw�rdigkeit retten, muss
sie vorab die Arbeit ihrer Vorg�nger zum Untersuchungsgegenstand machen. �Eines der
ersten Gesch�fte wird die genaue Kl�rung dieses problematischen Vorfalls sein�,
verspricht der designierte GPDel-Vizepr�sident Alexander Tsch�pp�t. �Leute, die sich
an eine Beh�rde wenden, m�ssen absolut sicher sein, keine Nachteile zu erleiden. Sonst
fehlt das Vertrauen. Und ohne Vertrauen werden wir keine Informationen erhalten.� Sch�n,
nur: Von �Vertrauensaufbau� war schon die Rede, als die alte Crew ruderte.
Bleibt noch die Frage, welche Folgen diese Aff�re f�r den Bupo-Chef Urs von Daeniken
haben wird. Der Vorwurf der L�ge ist ebenso wenig erledigt wie die Anschuldigung der
Amtsgeheimnisverletzung. Und doch f�hrt der treue Diener jedes Herrn nach einer ersten
Evaluation die Liste der Kandidaten f�r den Posten eines Koordinators der neu
konzipierten Nachrichtendienste des Bundes an.
Dieser Fall ist symptomatisch f�r die Stasi-Mentalit�t der BuPo wie auch f�r die
politische Aufsicht. Wenn letztere funktionieren w�rde, k�me es nicht immer wieder zu
solchen Enth�llungen, die zeigen, dass die BuPo offenbar seit der Fichenaff�re keinen
Anlass sieht, rechtsstaatliches Verhalten zu lernen.
Im letzten Fr�hjahr wollte die BuPo alle Mobiltelefone in der Umgebung der besetzten
griechischen Botschaft fl�chendeckend �berwachen. Dabei h�tte sie in Kauf genommen,
dass neben den paar vermuteten Straft�tern hunderte unbescholtener B�rger beschn�ffelt
worden w�ren. Die Swisscom weigerte sich jedoch, diese Abh�rung durchzuf�hren.
Selbst erlebt habe ich, dass die Sonntags-Blick-Redaktion einen direkten Draht zur BuPo
hat und unter Verletzung des Amtsgeheimnis Informationen erh�lt, die der Betroffene dann
erstmals aus der Zeitung erf�hrt:
Gegen Ende des letzten Jahres wurde der Polizeiposten meiner Wohngemeinde von einem
Unbekannten angerufen und aufgefordert, gegen nicht konkret bezeichnete angeblich
rechtswidrige Inhalte in den Internet-Seiten des VgT vorzugehen. Der Polizeibeamte
erkl�rte sich f�r nicht zust�ndig und forderte den Unbekannten auf, schriftlich Anzeige
zu erstatten. Dieser erkl�rte, er habe Beziehungen zur Bundespolizei (BuPo) und werde
dort eine Anzeige machen. Tats�chlich erhielt die BuPo hierauf eine angeblich anonyme
"Anzeige", die allerdings aus nichts anderem als ca 100 Seiten Ausdrucken von
VgT-Internet-Seiten bestand - ohne Erl�uterung, was wo und weshalb strafbare Inhalte
darstelle. Die BuPo �berwies diese "Anzeige" dem zust�ndigen Thurgauer
Untersuchungsrichteramt M�nchwilen. Der Vizestatthalter konnte bei einer ersten
Durchsicht nichts Strafbares erkennen und war ver�rgert dar�ber, dass die BuPo eine
derart unqualifizierte Anzeige ohne Bezeichnung des angeblich deiktischen Verhaltens
�berhaupt weiterleitete, und retournierte die Fotokopien - etwas anderes enthielt die
Anzeige nicht - an die BuPo. Am 6.12.98 ver�ffentlichte der Sonntags-Blick diese
Vorg�nge, �ber die er dank den "Beziehungen zur BuPo", wie sich der Unbekannte
ausdr�ckte, genauestes informiert war. Ich, als Betroffener, erfuhr aus dieser
Presse-Ver�ffentlichung erstmals von alle dem und dass �berhaupt eine Strafanzeige gegen
mich h�ngig war. Der Zweck dieses Sonntags-Blick-Artikels war es, den Internet-Host des
VgT unter Druck zu setzen, was denn auch gelang: Der VgT wurde gesperrt und blieb drei
Wochen lang, bis zum Wechsel zu einem nicht erpressbaren Host, ohne Internet-Site. In
diesem Zusammenhang ist eine Beschwerde des VgT beim Europ�ischen Gerichtshof f�r
Menschenrechte h�ngig (www.vgt.ch/justizwillkuer/index.htm#Internet-Zensur).
Da der Gerichtshof von den Staaten des Europarates zuwenig Mittel erh�lt, dauert es
jedoch zur Zeit f�nf Jahre bis zur Behandlung von Beschwerden und ein Ende der
Stasi-Methoden der BuPo ist nicht in Sicht, daf�r kann dann der Bundesrat bei allen
m�glichen Gelegenheiten zu Vertrauen in die Regierung und zu Solidarit�t mit dem Staat
aufrufen.
Erwin Kessler, Verein gegen Tierfabriken VgT