28. Mai  2000

Aufsatz zur Post-Zensur in der Fachzeitschrift "Aktuelle juristische Praxis":
Die Schweizerische Post ist als staatliches Unternehmen an die Grundrechte der Presse- und Meinungs�usserungsfreiheit gebunden und darf nicht zensurieren

In einem Aufsatz mit dem Titel "Grundrechtsbindungen �ffentlicher Unternehmen" kommt Prof Dr Yvo Hangartner, der Mitglied des Leitungsausschusses und Pr�sident des wissenschaftlichen Beirates f�r die Verfassungsreform war, zum Schluss, dass die Schweizerische Post keine politische Zensur aus�ben darf, auch dort nicht, wo sie im freien Wettbewerb mit privaten Firmen steht. Dieser Beitrag ist von unmittelbarer Bedeutung f�r den Boykott der VgT-Nachrichten durch die Post, zu welchem zur Zeit vor dem Bezirksgericht Frauenfeld der sog Post-Prozess h�ngig ist.

Die Ausgabe 5/2000 der Zeitschrift "Aktuelle juristische Praxis" (AJP) mit dem vollst�ndigen Aufsatz kann beim Dike-Verlag bezogen werden: Bestellung@dike.ch oder Fax 056 442 68 81

Zitate:

Art 35 Abs 2 der Bundesverfassung bestimmt: "Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen."...

Die Autonomie einer �ffentlichrechtlichen K�rperschaft oder Anstalt ist nicht gleichzusetzen der Freiheit der Privaten.... W�hrend Freiheit beliebiges Verhalten innerhalb der gesetzlich spezifiziert bezeichneten Bindungen erlaubt, ist das mit Autonomie ausgestattete �ffentliche Gebilde stets auf das Allgemeinwohl (mit Einschluss der Verwirklichung der Grundrechte der B�rger) ausgerichtet. Die Grundrechte binden den Staat in allen seinen Erscheinungsformen. Verfassungsrechtlich ist auch eine rechtlich verselbst�ndigte Anstalt des Bundes dem Bund zuzurechnen. Die Ausstattung eines Verwaltungszweiges mit Rechtspers�nlichkeit ist lediglich eine aus Zweckm�ssigkeitsgr�nden vorgenommene rechtstechnische Konstruktion... Daher geltendie besonderen Bindungen des Gemeinwesens durch die Verfassung auch f�r rechtlich verselbst�ndigte Verwaltungseinheiten... Die Grundrechte sind den Staatsorganen vorgegeben: ihre Geltung h�ngt nicht davon ab, welche Organisations- und Handlungsformen der Gesetzgeber f�r einen bestimmten Verwaltungszweig w�hlt oder ihm zu w�hlen gestattet. Dies ist anerkannt und heute namentlich auch durch die Europ�ische Menschenrechtskonvention (EMRK) gekl�rt. Beschwerden wegen Verletzung von Rechten aus der EMRK setzen nicht hoheitliche Anordnungen voraus, sondern k�nnen gegen irgendwelches, also auch privatrechtliches oder faktisches Handeln (oder Unt�tigsein) des Staates mit Einschluss seiner K�rperschaften und Anstalten erhoben werden...

Die Post ist im Bereich der nicht reservierten Dienste nicht absolut gleichen rechtlichen Regelungen wie private Wettbewerber unterworfen. Das Postgesetz macht in Art 9 Abs 3 ausdr�cklich den Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen. Diese wirken sich unter wirtschaftlichen Aspekten zum Teil zugunsten der Post aus; die Post hat erhebliche Wettbewerbsvorteile im Bereich der nicht reservierten Dienste unter anderem dadurch, dass sie im Monopolbereich ben�tzt werden muss, dass sie die unter einem umfassenden Monopol gewachsenen bisherige Post �bernehmen konnte und dass sie als Unternehmen des Bundes Prestige geniesst und beh�rdliche Unterst�tzung erh�lt. Andererseits muss die Post eben auch betriebswirtschaftliche Nachteile ertragen, die ihr aus der Stellung als �ffentliches Unternehmen erwachsen k�nnen. Dazu k�nnen auch Nachteile wegen der Grundrechtsbindung der Post geh�ren...

Private, die ein Flugblatt durch die Post verteilen wollen, also einen Dienst beanspruchen, den die Post der �ffentlichkeit anbietet, k�nnen sich auf ihre Meinungs- und Informationsfreiheit berufen (Art 16 Bundesverfassung). Sie k�nnen dies tun, obwohl sie das Flugblatt auch durch andere, private Leistungserbringer verbreiten k�nnten... Die grundrechtlichen Verpflichtungen des Gemeinwesens binden das Gemeinwesen und seine Einrichtungen in der gesamten T�tigkeit und damit unabh�ngig davon, ob ein berechtigter Privater einer Beschr�nkung seiner grundrechtlichen Anspr�che ausweichen kann oder nicht. Niemandem w�rde es zum Beispiel einfallen zu behaupten, es liege kein Grundrechtsproblem vor, wenn eine Gemeinde eine politische Versammlung auf ihrem Gebiet verbietet, nur weil die Versammlung in einer benachbarten Gemeinde zugelassen wird, oder ein gewerbepolizeiliches Verbot eines Produktes sei zum Vornherein unproblematisch, weil der Produzent ohne Nachteile auf ein Ersatzprodukt ausweichen k�nnte. Verfassungsm�ssige Rechte k�nnten hier und heute beansprucht werden, so wie der berechtigte Private sie nach seinem Gutd�nken beanspruchen will: er braucht sich nicht auf Ausweichm�glichkeiten verweisen zu lassen...

Die Post ist auch dann verpflichtet, Flugbl�tter zu verteilen, wenn Tatsachen unrichtig wiedergegeben werden (wobei die Frage, ob dieser Sachverhalt zutrifft, meist kontrovers beurteilt wird)... Es fehlen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und die gesetzlichen Grundlagen f�r eine Selbstjustiz der Post...

Dass in Verwaltungen t�tige Personen, die materiell Angestellte der Bev�lkerung sind, im Verkehr mit B�rgern und ihren Vereinigungen eine Herr im Haus-Position einnehmen, entspricht weder verfassungs-staatlichem Verst�ndnis noch schweizerischen politischen Sitten.


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