VN00-4
Editorial
von VgT-Präsident Erwin Kessler
Mensch und Tier?
Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere, sagte einmal ein Weiser. Ich kann das nachfühlen. Aber mit dieser Redensart wird unbewusst eine verhängnisvolle traditionelle Diskriminierung verbal übernommen. Ich meine damit die Unterteilung der Tierwelt in Menschen und Nichtmenschen.
Zivilisierter Schimpanse, der die Gehörlosen-Zeichensprache spricht.
Wir sollten uns bewusst machen und in diesem Bewusstsein unsere Sprache pflegen, dass das Wort «Tier» alles umfasst, was Gott vom Einzeller bis zum Menschen geschaffen hat. Biologisch und damit wissenschaftlich ist der Mensch ganz eindeutig ein Säugetier. Die Selbstabgrenzung des Menschen von der übrigen Tierwelt ist wissenschaftlich nicht haltbar und ist lediglich ein Ausdruck von Art-Egoismus und Eitelkeit - jahrtausendelang gefördert von der Kirche und heute in unserem Rechtssystem und traditionellen Denken zementiert. Dieses Denkmuster gilt es aufzulösen, denn der tatsächlichen Befreiung unserer Mitgeschöpfe aus ihrer Versklavung und Ausbeutung muss die Befreiung im Denken vorangehen.
Wenn das nächste Mal jemand von «Tieren» spricht, fragen sie doch
zurück, ob Einzeller oder Menschen gemeint sind.
Dass die Unterscheidung Tier-Mensch nicht nur biologisch, sondern auch psychologisch
unhaltbar ist, weil die Übergänge zwischen Menschen und anderen höheren Säugetieren
fliessend sind, dokumentiert mit ergreifender Klarheit das Buch «Unsere nächsten
Verwandten» von Roger Fouts über Schimpansen, welche die Gerhörlosenzeichensprache
erlernt und an ihre Kinder weitergegeben haben (Das Buch ist beim VgT erhältlich für 51
Fr, inkl Versandkosten, siehe VgT-Buchversand).
VN00-4, Oktober 2000
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